Urteil des BPatG vom 14.06.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 40/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
14. Juni 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 43 41 350.1-15
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 14. Juni 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dipl.-Phys. Dr. W. Maier sowie der Richter Schell, Dipl.-Ing. Univ. Rothe
und Dipl.-Ing. Univ. Hubert
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Prüfungsstelle für Klasse F42B des Deutschen Patent- und Markenamts hat
durch Beschluss vom 4. Juli 2005 die am 4. Dezember 1993 - unter Inanspruch-
nahme einer Priorität vom 8. Dezember 1992 (GB 9225589) - eingereichte Patent-
anmeldung mit der Bezeichnung
gemäß § 48 PatG zurückgewiesen.
Zum Stand der Technik sind von der Prüfungsstelle u. a. die Entgegenhaltung
(D4)
DE 22 06 241 C1
und von der Anmelderin die Druckschriften
(D6)
US 4 488 487 A
(D7)
DE 26 29 280 C1
genannt worden.
Die Zurückweisung erfolgte mit der Begründung, dass der Gegenstand des An-
spruchs 1 vom 2. November 2004 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie begründet ihre Beschwerde damit, dass der angefochtene Beschluss unzu-
treffend sei, da die dort vom Prüfer formulierte Aufgabe bereits Teile der Lösung
beinhalte und dabei unzutreffenderweise davon ausgegangen werde, dass kleine
Tandemgeschosse lediglich in ihrem Gewicht vergrößert werden müssten, um zu
einer Bombe zu gelangen, wie sie beansprucht werde.
Die Beschwerdeführerin stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts aufzuheben und das Patent mit dem Patentanspruch 1
vom 2.11.2004 und den Ansprüchen 2 - 10 vom 2.12.1993 sowie
der ursprünglich eingereichten Beschreibung und den Zeichnun-
gen Figuren 1 - 2 vom Anmeldetag zu erteilen.
Anspruch 1
1.1.
Bombe
1.2.
mit einem Gesamtgewicht von nicht weniger als etwa
150 kg,
1.3.
die zum Abwurf beispielsweise von einem Flugzeug aus auf
ein Ziel vorgesehen ist,
1.4.
mit einen sprengstoffgefüllten Bombenkörper (1; 21)
1.5.
und
einer
vorderhalb
desselben
angeordneten
Durchschlagsladung (2; 29),
1.6.
wobei die Durchschlagsladung als nach vorne gerichtete
Hohlladung ausgebildet ist
1.7.
und ihr Kaliber mindestens etwa 90% des Kalibers des
Bombenkörpers beträgt.
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Diesem Anspruch schließen sich die auf diesen rückbezogenen ursprünglichen
Ansprüche 2 bis 10 an. Zu deren Wortlaut und den weiteren Einzelheiten wird auf
die Gerichtsakte verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.
Die Anmeldung betrifft eine Bombe.
In der Beschreibung wird ausgeführt, dass ein Hauptzweck von Bomben deren
Einsatz gegen harte Ziele wie beispielsweise gepanzerte Flugzeugschuppen,
Brückenpfeiler, Flugzeugstart- und Landebahnen und dergleichen sei. Gegen sol-
che harten Ziele sei eine Bombe im Wesentlichen unwirksam, sofern sie nicht in
der Lage sei, vor der Detonation in das Ziel einzudringen, um so die Druck- und
Sprengwirkungen auf das Ziel zu maximieren (vgl. Abs. [0002] der Offenlegungs-
schrift).
Bei moderner Kriegsführung würden gewisse Ziele extrem gut geschützt. Gepan-
zerte Flugzeugschuppen könnten durch mehrere Meter Stahlbetonschichten ge-
schützt sein, die noch mit einer Schicht aus Erde oder Sand überdeckt seien.
Flugzeugstart- und Landebahnen könnten mehrere Meter dick sein und taktische
Bunker könnten durch mehrere Meter dicken Stahlbeton geschützt und mit Erd-
aufschüttungen zum weiteren Schutz versehen sein (vgl. Abs. [0003] der Offenle-
gungsschrift).
D6
Energie abhängige Durchschlagskraft einer Bombe durch Hinzufügen einer klei-
nen Vorladung in der Bombennase zu verstärken. Eine solche Zusatzladung
könne eine Hohlladung sein. Ihr Zweck bestehe darin, das Zielmaterial im unmit-
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telbaren Aufschlagbereich so vorzubereiten, dass die Bombenhülle etwas in das
Ziel eindringen könne, so dass sich eine Verankerung der Bombe im Ziel ergebe,
die, insbesondere bei verhältnismäßig kleinen Auftreffwinkeln, einem möglichen
Abprallen entgegenwirkten. Die Wirksamkeit solcher Konstruktionen sei allerdings
beschränkt, da die verwendeten kleinen Vorladungen nicht in der Lage seien, das
Ziel im Bereich eines ausreichend großen Volumens für eine wesentliche Steige-
rung der anfänglichen Eindringfähigkeit vorzubereiten (vgl. Abs. [0005] der Offen-
legungsschrift).
D7
dung beschrieben, die aus einer als Hohlladung ausgebildeten primären Durch-
schlagsladung in einem schweren Metallgehäuse und einer Sekundärladung be-
stehe. Das Gesamtkaliber des Munitionskörpers betrage 100 mm, und die Sekun-
därladung habe einen Durchmesser von etwa einem Drittel hiervon. Man habe
erkannt, dass, wenn die Primärladung detoniere, dies auch die Zerstörung der Se-
kundärladung bewirke, und dass außerdem der Rückwärtsdruck aus der Detona-
tion der Primärladung die Sekundärladung vom Ziel wegschleudere (vgl.
Abs. [0006] der Offenlegungsschrift).
Es seien verschiedene spezielle Maßnahmen beschrieben worden, um diesen
ungünstigen Wirkungen entgegenzuwirken, damit die Sekundärladung effektiv in
das Ziel hineingelangen könne. Zu diesen Maßnahmen gehörten das komplizierte
Hinzufügen einer Treibladung und eines Mechanismus zum Zünden dieser Treib-
ladung im richtigen Augenblick, um die Sekundärladung entgegen dem Detona-
tionsdruck der Primärladung vorwärts zu drängen (vgl. Abs. [0007] der Offenle-
gungsschrift).
Diese Erfahrungen mit kleinen Geschossen hätten zur Folge, dass irgendwelche
ernsthaften Überlegungen, einen ähnlichen Ansatz auch für den Einsatz einer
Bombe gegen ein gepanzertes Ziel in Erwägung zu ziehen, von vornherein außer
Betracht geblieben seien. Die vorliegende Erfindung beinhalte jedoch ein neues
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Konzept und beruhe auf umfangreichen Versuchen, die entgegen vernünftigen
Vorhersagen gezeigt hätten, dass das bestehende Vorurteil gegen einen solchen
Ansatz unbegründet sei (vgl. Abs. [0009] der Offenlegungsschrift).
Aufgabe
eine Steigerung in der Wirkung gegen harte Ziele zu erreichen.
Fachmann
ker mit langjähriger Erfahrung in der Konstruktion von Bomben oder ähnlichen
Waffen, anzusehen.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist nicht patentfähig.
Der dem Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 am nächsten kommende Stand
D4
betrifft (Merkmal 1.1 des geltenden Anspruchs der Anmeldung).
D4
Geschoßkörper bekannt seien und in der Figur am Verhältnis zwischen Zünder-
größe und Größe der Bombe zu erkennen sei, dass es sich um eine kleine Bombe
handele. Weiterhin sei zum Vorwärtstreiben des sprengstoffgefüllten Bombenkör-
D4
Bombe nicht vorgesehen sei. Dies vermochte den Senat nicht zu überzeugen.
D4
Z. 1 und Z. 26 sowie Anspruch 1) wird für den Fachmann deutlich, dass sich die
Lehre dieser Schrift gleichermaßen auf Geschosse und Bomben bezieht. Die Fi-
gur 1 ist lediglich eine schematische Zeichnung, aus der keine Rückschlüsse auf
die tatsächliche Größe der Bombe gezogen werden können, zumal, wie im oberen
Viertel der Figur zu erkennen ist, die Bombe in ihrer Längsausdehnung unterbro-
chen dargestellt ist und somit alleine aus der Zeichnung das Verhältnis zwischen
Zündergröße und Gesamtgröße des Bombenkörpers nicht eindeutig zu erkennen
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ist. Überdies ist in diesem Stand der Technik die Größe der Bombe nicht erwähnt,
D4
Bombe mit einem Gewicht von unter 150 kg beschränkt sein soll. Dass nach dem
D4
sein soll, ist nach dem Wortlaut des geltenden Anspruchs 1 nicht ausgeschlossen,
vielmehr schließt die in der Beschreibung angegebene breite Definition einer
Bombe auch Gleitbomben mit Treibsatz mit ein (vgl. Abs. [0011] der Offenle-
gungsschrift).
Da Bomben üblicherweise von Flugzeugen abgeworfen werden, liest der oben
genannte Fachmann das Merkmal 1.3, wonach die Bombe zum Abwurf beispiels-
weise von einem Flugzeug aus auf ein Ziel vorgesehen ist, im Stand der Technik
D4
In Sp. 1, Z. 61 – 67 dieser Schrift ist angegeben, dass in der Hülle der Bombe un-
ter Freilassung eines mit Kunststoff 4 gefüllten Zwischenraumes zwei Sprengla-
dungen 5 und 6 axial hintereinander angeordnet sind. Die vordere Sprengladung 5
ist als Hohlladung ausgebildet. Die hintere Sprengladung 6 ist Bestandteil einer
D4
körper und einer vorderhalb desselben angeordneten Durchschlagsladung offen-
bart (Merkmale 1.4 und 1.5).
D4
ausgebildet ist (Merkmal 1.6), ist für den Fachmann der einzigen Figur zu entneh-
men, da die dort dargestellte vordere Sprengladung 5 zur Spitze der Bombe hin
konkav gestaltet ist.
D4
ßeren Durchmesser auf als die hintere Sprengladung 6. Demnach ist auch das
Merkmal 1.7, wonach das Kaliber (Durchmesser; vgl. Abs. [0012] der Offenle-
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gungsschrift der Patentanmeldung) mindestens etwa 90% des Kalibers des Bom-
benkörpers beträgt, bereits aus diesem Stand der Technik vorbekannt.
Somit unterscheidet sich die Bombe gemäß dem geltenden Anspruch 1 von der
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als etwa 150 kg aufweist. Dieser Unterschied kann jedoch die erfinderische Tätig-
keit nicht begründen, da das Gewicht der Bombe vom Fachmann in Abhängigkeit
von der gewünschten Sprengkraft gewählt wird, die notwendig ist, um genügend
tief in das Ziel einzudringen und um die gewünschte Wirkung im Ziel zu erreichen.
D6
vor, dass bei Bomben, die zum Zerstören von Bauwerken dienen und einen
sprengstoffgefüllten Bombenkörper (Sp. 1, Z. 44 - 47 und Anspruch 1) sowie eine
vorderhalb desselben angeordneten Durchschlagsladung (vgl. Bezugszeichen 37
und Sp. 5, Z. 37 - 41) aufweisen, Gewichte von etwa 1000 kg, also nicht weniger
als 150 kg, üblich sind (Sp. 6, Z. 10 - 16).
Die Bombe nach Anspruch 1 beruht daher nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.
Die hierauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 10 teilen das Rechtsschicksal
des Anspruchs 1, da sie Teil desselben Antrags sind, über den nur geschlossen
zu entscheiden ist. Eine patentbegründende Bedeutung der in ihnen aufgeführten
Merkmale wurde überdies von der Anmelderin nicht geltend gemacht und ist für
den Senat auch nicht erkennbar.
Dr. W. Maier
Schell
Rothe
Hubert
Bb