Urteil des BPatG vom 09.10.2002

BPatG: star, begriff, rom, unterscheidungskraft, verkehr, dienstleistung, patent, konsum, gemüse, beratung

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 16/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 302 30 460.6
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch die
Vorsitzende Richterin Dr. Schermer sowie die Richter Dr. van Raden und Schwarz
am 17. Juni 2003
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 9. Oktober 2002 aufgehoben.
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G r ü n d e
I
Die Wortmarke
STAR
soll für
"Durchflussmesseinrichtungen, nämlich induktive und kapazitive
Durchflussmesseinrichtungen, Durchflussmesseinrichtungen nach
dem Wirbel (Vortex-) Prinzip, Durchflussmesseinrichtungen nach
dem Coriolisprinzip, Durchflussmesseinrichtungen mittels Ultra-
schall, Durchflussmesseinrichtungen mittels Schwebekörperme-
thode; elektronische Messeinrichtungen zu oben genannten Ein-
richtungen sowie Software zur Steuerung oben genannter Hard-
ware; Dienstleistungen, nämlich Service und Wartung, Gerätedia-
gnose für oben genannte Einrichtungen; Applikationsdiagnose,
nämlich Beratung von Geräteeinsatz in Prozesssteuerungen"
in das Register eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 9. Oktober 2002 die Anmeldung wegen mangelnder Unterschei-
dungskraft und Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Unter Be-
zugnahme auf den Beanstandungsbescheid vom 15. Juli 2002 ist ausgeführt, dass
das Wort "STAR" in der deutschen Werbesprache die Bedeutung eines Wertver-
sprechens habe und als allgemeine Qualitätsangabe in ständiger Rechtsprechung
als nicht schutzfähig angesehen werde.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die nicht begründete Beschwerde der Anmel-
derin. Ihrer Auffassung nach weist der Begriff "STAR" in bezug auf die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen keinerlei beschreibenden Inhalt auf; eben-
so wenig stelle es eine Superlativangabe dar; vielmehr würden die angesproche-
nen Verkehrskreise ihm eine eher mythologische Bedeutung beimessen, so dass
die Anmeldemarke merkfähig und damit unterscheidungskräftig sei.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil die Anmeldemarke entge-
gen der Ansicht der Markenstelle in bezug auf die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen weder freihaltebedürftig ist (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) noch ihr die
nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft abgesprochen
werden kann.
Die Auffassung der Markenstelle, der Begriff "STAR" sei in ständiger Rechtspre-
chung als allgemeines Qualitätsmerkmal im Sinne von Spitzenprodukt oder Spit-
zenleistung als nicht schutzfähig angesehen worden, ist nicht zutreffend. Vielmehr
stehen neben Entscheidungen, in denen die Schutzfähigkeit dieses Begriffs für be-
stimmte Waren oder Dienstleistungen verneint wurde (vgl 26 W (pat) 16/98 – Eco-
star; 27 W (pat) 191/96 – euro-star; 32
W
(pat)
49/00 - Gemüse Star;
28 W (pat) 65/99 - High Tech Star; 27 W (pat) 306/00 – STARLINE; sämtliche Ent-
scheidungen veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM) auch viele Entscheidungen, in
denen die Schutzfähigkeit für andere Waren oder Dienstleistungen bejaht wurde
(vgl 29 W (pat) 197/00 – STAR; 26 W (pat) 76/00 – Star; 27 W (pat) 290/00 –
StarWeld; 27 W (pat) 8/00 – TRAVEL-STAR; sämtliche Entscheidungen veröffent-
licht auf der PAVIS CD-ROM). Dies beruht letztlich darauf, dass die Bedeutung ei-
nes Markenworts, welche die angesprochenen Verkehrskreise ihm voraussichtlich
beilegen werden, nicht abstrakt, sondern nur jeweils in bezug auf jede einzelne
beanspruchte Ware oder Dienstleistung ermittelt werden kann. Denn nach den Er-
kenntnissen der Sprachwissenschaft hat ein Wort keinen losgelöst von der Situa-
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tion, in welcher es verwendet wird, ein für allemal festgelegten Bedeutungsgehalt;
vielmehr bestimmt sich die Bedeutung eines Wortes stets nur nach dem (Ge-
samt-)Zusammenhang - zu dem alle sprachlichen wie außersprachlichen Umstän-
de gehören -, in welchem es gebraucht wird; da Markenworte in der Regel in Al-
leinstellung, dh nicht in einem Textzusammenhang benutzt werden, aber sich auf
konkrete Waren oder Dienstleistungen beziehen, kann sich die mögliche Bedeu-
tung, welche ihm der Verkehr beilegen wird, nur aus dem Bezug zu diesen Waren
und Dienstleistungen ergeben; je nach Fallgestaltung kann diese Bedeutung ent-
weder eine (Sach-)Information über die Ware oder Dienstleistung enthalten oder
als Herkunftshinweis angesehen werden; nur im letzteren Fall ist der Begriff unter-
scheidungskräftig im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.
Bezogen auf die vorliegende Anmeldung bedeutet dies, dass die von der Marken-
stelle genannte Bedeutung des Wortes "STAR" als allgemeines Qualitätsmerkmal
nur dann angenommen werden kann, wenn für die angesprochenen Verkehrskrei-
se ein solches Verständnis dieses Wortes nahe liegt, etwa weil es in bezug auf
diese Waren oder Dienstleistungen bereits in beschreibender oder warenanprei-
sender Weise verwendet worden ist oder ein Verständnis des Wortes vom Verkehr
ohne weiteres auch mit Blick auf diese Waren oder Dienstleistungen übertragen
wird. Hierzu hat die Markenstelle keinerlei Feststellungen getroffen. Ein solches
Verständnis scheint für die hier beanspruchten Waren und Dienstleistungen auch
kaum wahrscheinlich. Bei den beanspruchten Waren und Dienstleistungen handelt
es sich nicht um allgemeine (Konsum-) Güter, die grundsätzlich von jedem erwor-
ben werden können, sondern um technische Hilfsmittel für bestimmte, nur von
Fachleuten wahrgenommene Aufgabenstellungen. Es kann auch nicht festgestellt
werden, dass Werbeanpreisungen allgemeiner Art, die keine konkrete Aussage
über bestimmte technische Eigenschaften oder Merkmale der Waren und Dienst-
leistungen vermitteln, auf dem spezifischen Waren- und Dienstleistungssektor, zu
dem die angemeldeten Produkte und Tätigkeiten gehören, üblich sind. Dann liegt
es für den rein fachlich orientierten Abnehmerkreis, an welche sich diese Waren
und Dienstleistungen richten, aber eher fern, dem Wort "STAR", wenn sie ihm in
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Zusammenhang mit diesen spezifischen Waren und Dienstleistungen begegnen,
einen ausschließlich werbeanpreisenden beschreibenden Inhalt beizulegen; viel-
mehr werden sie die Anmeldemarke ohne weiteres als Herkunftshinweis auffas-
sen.
Da somit die Markenstelle die Anmeldemarke zu Unrecht als nicht schutzfähig an-
gesehen hat, war der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde der Anmelde-
rin aufzuheben. Inwieweit das von der Anmelderin vorgelegte Warenverzeichnis
hinreichend bestimmt ist, wird die Markenstelle im weiteren Eintragungsverfahren
zu prüfen haben.
Dr. Schermer
Dr. van Raden
Schwarz