Urteil des BPatG vom 27.01.2005

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 16/05
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2004 021 349.6-12
hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 5. März 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und Dipl.-Ing.
Ganzenmüller
- 2 -
beschlossen:
1.
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2005
wird aufgehoben und das Patent mit folgenden Unterlagen
erteilt:
-
Patentansprüche 1 bis 10 vom 13. Januar 2005 (dort be-
zeichnet als 1. Hilfsantrag)
-
Beschreibung Seiten 1 bis 10 vom 2. März 2009 (dort be-
zeichnet als 2. Hilfsantrag)
-
Figuren 1 bis 4 gemäß DE 10 2004 021 349 A1.
2.
Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I .
Die Beschwerde ist gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse F 16 C
des Deutschen Patent- und Markenamts vom 27. Januar 2005 gerichtet, mit dem
die vorliegende Patentanmeldung mit der Begründung zurückgewiesen worden ist,
die Gegenstände der Patentansprüche vom 13. Januar 2005 stellten gegenüber
dem von der Prüfungsstelle nachgewiesenen Stand der Technik kein Resultat ei-
ner erfinderischen Tätigkeit dar.
- 3 -
Im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind zum Stand der
Technik folgende Druckschriften berücksichtigt worden:
1.
DE 200 07 309 U1
2.
US 23 70 173
3.
EP 10 72 806 A2
4.
US 23 52 206
5.
DE 20 63 360 A
6.
DE 100 12 568 A1
7.
WO 98/34053 A1
8.
DE 89 10 981 U1
9.
WO 96/08660 A1
10.
DE 21 24 247 A.
Gegen diesen Beschluss hat die Anmelderin mit Schriftsatz vom 12. April 2005
Beschwerde eingelegt, zu der mit Schriftsatz vom 12. September 2005 die Be-
gründung einging.
Die Patentanmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent mit fol-
genden Unterlagen zu erteilen:
Hauptantrag gemäß 1. Hilfsantrag vom 13. Januar 2005 (Blatt 55
der Amtsakte):
-
Patentansprüche 1 bis 14,
-
Beschreibung „Hauptantrag“ Seiten 1 bis 11
vom 2. März 2009 und
-
Figuren 1 bis 4 gemäß DE 10 2004 021 349 A1,
hilfsweise Hilfsantrag gemäß Hilfsantrag 2 vom 13. Januar 2005
(Blatt 42 der Amtsakte):
- 4 -
-
Patentansprüche 1 bis 10,
-
Beschreibung „Hilfsantrag“ Seiten 1 bis 10 vom 2. März 2009
und
-
Figuren 1 bis 4 gemäß DE 10 2004 021 349 A1.
Die nach dem geltenden Hauptantrag nebengeordneten Ansprüche 1 und 11 ha-
ben folgenden Wortlaut:
1.
Verfahren zur Herstellung einer Lageranordnung mit wenigs-
tens einem Lager (1) und einem Befestigungsflansch (2)
zur Befestigung des Lagers (1) an einem Maschinenteil,
wobei im Befestigungsflansch (2) wenigstens eine zylinder-
förmige Ausnehmung (10) zur Aufnahme des Lagers (1)
ausgebildet wird,
deren Durchmesser (d
1
) wenigstens bereichsweise größer
als der Außendurchmesser (d
2
) des Lagers (1) ist,
und das Lager (1) in der Ausnehmung (10) positioniert und
fixiert wird, und
zur Fixierung des Lagers (1) in der Ausnehmung (10) eine
Lötverbindung zwischen dem Lager (1) und dem Befesti-
gungsflansch (2) ausgebildet wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
das Lager (1) in einem zur Ausnehmung (10) des Befesti-
gungsflansches (2) benachbart angeordneten Bereich auf
eine erste Temperatur (T
1
) erwärmt wird
und der Befestigungsflansch (2) in einem an die Ausneh-
mung (10) angrenzenden Bereich auf eine zweite Tempera-
tur (T
2
) erwärmt wird, die höher als die erste Temperatur (T
1
)
ist.
- 5 -
11.
Lageranordnung mit wenigstens einem Lager (1) und einem
Befestigungsflansch (2) zur Befestigung des Lagers (1) an
einem Maschinenteil,
wobei der Befestigungsflansch (2) wenigstens eine zylinder-
förmige Ausnehmung (10) aufweist,
deren Durchmesser (d
1
) wenigstens bereichsweise größer
als der Außendurchmesser (d
2
) des Lagers (1) ist
und in der das Lager (1) angeordnet und fixiert ist
und zur Fixierung des Lagers (1) in der Ausnehmung (10)
eine Lötverbindung zwischen dem Lager (1) und dem Befes-
tigungsflansch (2) ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Durchmesser (d
1
) der Ausnehmung (10) des Befesti-
gungsflansches (2) zwischen 100 µm und 600 µm größer als
der Außendurchmesser (d
2
) des Lagers (1) ist.
An diese Ansprüche schließen sich die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 10 und 12
bis 14 an.
Die nach dem Hilfsantrag geltenden Ansprüche 1 bis 10 sind identisch mit denje-
nigen des Hauptantrags.
II.
Die frist- und formgerecht eingereichte Beschwerde ist zulässig, aber nur im Um-
fang der geltenden Unterlagen nach Hilfsantrag begründet.
1.
Der Gegenstand der geltenden Patentansprüche, dessen gewerbliche
Anwendbarkeit außer Frage steht, ist in den ursprünglich eingereichten Un-
terlagen offenbart, die Patentansprüche sind somit zulässig.
- 6 -
Die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag stammen aus den ur-
sprünglichen Ansprüchen 1 und 8, die Ansprüche 2 bis 10 entsprechen den
ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 7 und 9 bis 11.
Diese Angaben gelten auch für die Anspruchsmerkmale des Hilfsantrags.
Der nebengeordnete Anspruch 11 enthält Merkmale des ursprünglichen An-
spruchs 12 sowie von S. 7, 2. Abs. und S. 9, 1. Abs. und den Figuren 2 bis 4.
Die rückbezogenen Ansprüche 12 bis 14 entsprechen den Ansprüchen 13
bis 15.
2.
Als Fachmann ist hier ein Dipl.-Ing. (FH) der Fachrichtung „Allgemeiner
Maschinenbau“ mit Grundlagenkenntnissen auf dem Gebiet stoffschlüssiger
Verbindungsverfahren mittels Löten anzusehen.
3.
Zum Hauptantrag:
Die Beschwerde kann hinsichtlich des Hauptantrags keinen Erfolg haben.
3.1 Der Hauptantrag umfasst zusätzlich zu den Verfahrensansprüchen 1 bis 10
auch den auf die Ausbildung der Lageranordnung gerichteten nebengeord-
neten Anspruch 11, der jedoch nicht als Resultat einer erfinderischen Tätig-
keit anzusehen ist.
Die DE 100 12 568 A1 (E6) offenbart bereits eine
Lageranordnung mit wenigstens einem Lager 2 und einem
Befestigungsflansch (Felge 8) zur Befestigung des Lagers 2 an
einem Maschinenteil 8,
wobei der Befestigungsflansch 8 wenigstens eine zylinderför-
mige Ausnehmung (vgl. Figuren) aufweist,
deren Durchmesser (d
1
) wenigstens bereichsweise größer
(Spalt 11) als der Außendurchmesser (d
2
) des Lagers (Außen-
ring 4) ist
und in der das Lager 2 angeordnet und fixiert ist
- 7 -
und zur Fixierung des Lagers 2 in der Ausnehmung eine Löt-
verbindung zwischen dem Lager 2 (Lötnaht 10) und dem Be-
festigungsflansch 8 ausgebildet ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
der Durchmesser der Ausnehmung des Befestigungsflan-
sches 8 größer als der Außendurchmesser des Lagers ist.
Der wesentliche Unterschied zwischen der anspruchsgemäßen Lageranord-
nung und derjenigen nach der E6 besteht in der Bemessungsangabe, wo-
nach die genannten Durchmesser einen Größenunterschied zwischen
100 µm und 600 µm haben sollen.
Diese Angabe kann eine Erfindung nicht rechtfertigen. Denn auch bei der
Lageranordnung nach der E6 soll das fließfähige Lot 12 durch Kapillarwir-
kung in den Spalt 11 zwischen der Felge 8 der Riemenscheibe und dem
Außenring 4 des Lagers 2 eindringen (vgl. E6, Sp. 4, Z. 17 bis 23). Der
Fachmann erhält damit den ausschlaggebenden Hinweis, den Spalt zwi-
schen beiden Maschinenteilen so zu dimensionieren, dass Kapillarwirkung
(im Gegensatz zu bspw. Schwerkraft) dafür sorgt, dass Lot in den Spalt ein-
dringt, in gleicher Weise, wie es auch anspruchsgemäß gewünscht wird (vgl.
S. 9, Abs. 1 der Anmeldungsunterlagen).
3.2
Damit ist der vorliegende Hauptantrag zurückzuweisen (vgl. BGH GRUR
1989, 103 - Verschlussvorrichtung für Gießpfannen i. V. m. BGH GRUR
1980, 716 - Schlackenbad), da die Anmelderin weder beantragt hat, ein Pa-
tent mit einem einzelnen oder mehreren dieser Ansprüche zu erteilen und
wegen des Hilfsantrags, der einen vollständigen Satz von Unterlagen um-
fasst, auch kein Einverständnis zu einer solchen Entscheidung besteht (vgl.
dazu BGH GRUR 2007, 862, 863 f. - Informationsübermittlungsverfahren II;
BGH GRUR-RR 2008, 456, 457 - Installiereinrichtung).
- 8 -
4.
Zum Hilfsantrag:
Jedoch ist die Beschwerde im Umfang des Hilfsantrags erfolgreich.
Der Hilfsantrag umfasst ausschließlich die Ansprüche 1 bis 10 vom 13. Janu-
ar 2005. Das Verfahren zur Herstellung einer Lageranordnung nach An-
spruch 1 ist neu und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Als wesentliches Merkmal wird hierbei gesehen, dass
das Lager in einem zur Ausnehmung des Befestigungsflan-
sches benachbart angeordneten Bereich auf eine erste Tempe-
ratur (T
1
) erwärmt wird
und der Befestigungsflansch in einem an die Ausnehmung an-
grenzenden Bereich auf eine zweite Temperatur (T
2
) erwärmt
wird, die höher als die erste Temperatur (T
1
) ist.
Eine solche Temperaturführung, bei der mit Hilfe von zwei unterschiedlichen
Temperaturen gearbeitet wird, ist im Stand der Technik ohne Vorbild. Zwar
ist bekannt, dass eine starke Hitzebelastung zu Beschädigungen des einge-
setzten Lagers führen kann, die gewählten Methoden zur Reduzierung einer
solchen Belastung sind jedoch unterschiedlich und können die genannten
Kennzeichnungsmerkmale nicht nahe legen.
Das nächstliegende Verfahren ist aus der DE 100 12 568 A1 (E6) bekannt.
Darin wird beschrieben ein
Verfahren zur Herstellung einer Lageranordnung mit wenigs-
tens einem Lager 2 und einem Befestigungsflansch (Felge 8)
zur Befestigung des Lagers 2 an einem Maschinenteil 8,
wobei im Befestigungsflansch 8 wenigstens eine zylinderför-
mige Ausnehmung zur Aufnahme des Lagers 2 ausgebildet
wird,
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deren Durchmesser wenigstens bereichsweise größer (vgl.
Spalt 11) als der Außendurchmesser (Außenring 4) des La-
gers 2 ist,
und das Lager 2 in der Ausnehmung positioniert und fixiert
wird, und
zur Fixierung des Lagers 2 in der Ausnehmung eine Lötver-
bindung (Lot 12) zwischen dem Lager 2 und dem Befesti-
gungsflansch 8 ausgebildet wird.
Die weiteren Merkmale des Anspruchs 1 gehen aus dieser Entgegenhaltung
nicht hervor, so dass sich das anspruchsgemäße Verfahren durch die Merk-
male des Kennzeichens von demjenigen nach der E6 unterscheidet. Als Lö-
sungsvorschlag zur Verringerung der Hitzebelastung wird dabei angegeben,
durch schnelles Aufheizen für eine nur kurzfristige Hitzebelastung zu sorgen.
Die in der weiteren Beschreibung angegebenen unterschiedlichen Tempe-
raturen werden lediglich als vorteilhaft für verschiedenartig zusammenge-
setzte Lote angesehen. Die kennzeichnenden Merkmale werden damit nicht
nahegelegt.
Die DE 89 10 981 U1 (E8) gibt an, dass es zum Verbinden zweier Rohre
notwendig ist, an der Lötstelle eine Arbeitstemperatur zu erreichen. Dies
kann auch dadurch erreicht werden, dass das Werkstück zwar kälter bleibt
als die Arbeitstemperatur, dafür jedoch das Lotmetall auf eine wesentlich hö-
here Temperatur erhitzt wird. Letztendlich wird dadurch aber nur auf eine er-
forderliche „Mischtemperatur“ abgestellt, die im vorliegenden Anspruch 1
keine Bedeutung hat, denn im vorliegenden Fall werden beide Werkstücke
erwärmt, allerdings auf unterschiedliche Temperaturen.
Beim Verfahren nach der WO 98/34053 A1 (E7) wird ein Temperaturbereich
für das flüssige Lot von 200°C bis 220°C angegeben. Spezielle Vorsichts-
maßnahmen zum Schutz des Lagers bzw. der Lagerringe vor Überhitzung
werden nicht erwähnt, insbesondere geht auch aus dieser Schrift kein Hin-
weis hervor, dass bei der Lageraufnahme, im vorliegenden Fall handelt es
- 10 -
sich dabei um eine Riemenscheibe, eine gegenüber der Lageraufnahme un-
terschiedliche Temperatur eingesetzt werden kann.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen beschreiben z. T.
nur die Verbindungsmöglichkeit durch „Löten“ ohne auf damit verbundene
Einzelheiten oder Probleme einzugehen.
Insgesamt ist aus dem gesamten entgegengehaltenen Stand der Technik
keine Vorgehensweise bekannt, die alleine zusammen mit einer der anderen
Entgegenhaltungen die Verfahrensmerkmale des kennzeichnenden Teils
nach Anspruch 1 nahe legen könnte.
Anspruch 1 des Hilfsantrags ist daher gewährbar.
Die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 erfüllen die an Unteransprüche
zu stellenden Anforderungen und sind damit ebenfalls gewährbar.
Lischke
Guth
Schneider
Ganzenmüller
Cl