Urteil des BPatG vom 03.03.2008

BPatG: verwechslungsgefahr, tee, ware, wortmarke, kennzeichnungskraft, lebensmittel, körperpflege, gesamteindruck, vogel, abstimmung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 159/04
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die angegriffene Marke 300 44 791
hat der 30. Senat (Markenbeschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sit-
zung vom 3. März 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr. Vogel von
Falckenstein sowie der Richterin Hartlieb und des Richters Paetzold
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die für die Waren der Klassen 03, 05, 29 und 30
„Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, diätetische Nahrungsmit-
tel auf Pflanzen-Eiweiß-Basis für medizinische und/oder nichtme-
dizinische Zwecke; Tee“
am 7. September 2000 registrierten Wortmarke 300 44 791
ALMASAN
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ist Widerspruch eingelegt worden unter anderem aus der Wortmarke 1 106 411
Almisan
die seit dem 19. Mai 1987 eingetragen ist für
„Seifen (ausgenommen medizinische), Parfümerien, Mittel zur
Körperpflege, Wasch- und Spülmittel zur Verwendung im Haus-
halt“,
sowie aus der Wortmarke 396 45 503
Almsana
die seit dem 26. November 1996 eingetragen ist für
„Milch und Milcherzeugnisse, Joghurt und Joghurtprodukte, Sahne
und Milch-Dessertartikel, Käse und Käsezubereitungen, Butter
und Butterzubereitungen“
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Marke durch Erstbeschluss vom 17. September 2001 überwiegend, nämlich bis
auf die Ware „Tee“, gelöscht, und zwar aufgrund des Widerspruchs aus der Marke
1 106 411 „Almisan“. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die beiderseitigen Wa-
ren teilweise im Identitätsbereich und ansonsten im Ähnlichkeitsbereich lägen,
dass angesichts der großen Markenübereinstimmungen eine Verwechslungsge-
fahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG angenommen werden müsse; nur hinsicht-
lich der Ware „Tee“ reiche der Abstand aus, dass insoweit nicht mehr mit relevan-
ten Verwechslungen zu rechnen sei. Den Widerspruch aus der Marke 396 45 503
„ALMSANA“ hat der Erstprüfer wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückge-
wiesen.
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Gegen diesen Beschluss eines Beamten des gehobenen Dienstes haben der Mar-
keninhaber und die Widersprechende aus der Marke 396 45 503 „ALMSANA“ je-
weils Erinnerung eingelegt; der Markeninhaber hat hinsichtlich der Widerspruchs-
marke 1 106 411 „Almisan“ die Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Im daraufhin
ergangenen Erinnerungsbeschluss vom 21. April 2004 hat die Markenstelle im Te-
nor beide Erinnerungen zurückgewiesen, wobei in den Gründen die Benutzung
der Widerspruchsmarke 1 196 411 als glaubhaft gemacht anerkannt worden ist.
Dagegen richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers; eine Begründung, die
in der Beschwerdeschrift vom 24. Mai 2004 angekündigt worden war, ist nicht zu
den Akten gelangt, obwohl den Beteiligten mit Schreiben vom 10. Juli 2007 noch
einmal Gelegenheit zu Stellungnahme gegeben worden war.
Der Markeninhaber beantragt,
die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Marke
300 44 791 „ALMASAN“ aufrechtzuerhalten.
Die Widersprechende hat keinen Antrag gestellt, aber weitere Glaubhaftma-
chungsunterlagen für die Zeit von 2002 bis 2006 vorgelegt.
Wegen der sonstigen Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die Beschwerde des Markeninhabers ist zulässig, aber nicht begründet. Denn die
Markenstelle hat die Erinnerung des Markeninhabers im Ergebnis zu Recht zu-
rückgewiesen, auch wenn die Beschlussgründe insofern Mängel aufweisen.
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Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke 1
106
411
„Almisan“ besteht eine relevante Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG.
Da der Markeninhaber trotz Hinweis des Senates vom 10. Juli 2007 keine weitere
Stellungnahme zu seinem Beschwerdeschriftsatz vom 24. Mai 2004, in welchem
er eine Begründung angekündigt hatte, eingereicht hat, ist nicht zu erkennen, wo-
gegen er sich im Einzelnen wendet.
Die Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichti-
gung aller Umstände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehen-
den Faktoren der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeich-
neten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu beur-
teilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch
einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren ausgeglichen werden kann und
umgekehrt (BGH in st. Rspr., vgl. WRP 2004, 1281 - Mustang; WRP 2004, 907
- Kleiner Feigling; WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX).
Gegen die Anerkennung der Benutzung der Widerspruchsmarke bestehen keine
Bedenken. Auch der Inhaber der angegriffenen Marke hat die im patentamtlichen
Verfahren eingereichten Unterlagen nicht mehr angegriffen. Nachdem die Wider-
sprechende im Beschwerdeverfahren weitere Unterlagen, insbesondere eine ei-
desstattliche Versicherung vom 31. Juli 2007 mit Umsatzzahlen von 2002 bis
2006, eingereicht hat, ist auch der Benutzungszeitraum nach § 43 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG abgedeckt, so dass die Nichtbenutzungseinrede insgesamt nicht durch-
greift.
Damit ist hinsichtlich der beiderseitigen Waren von der Registerlage auszugehen.
Insoweit stehen den Waren der angegriffenen Marke, wie die Markenstelle zu
Recht festgestellt hat, teils identische, teils ähnliche Waren gegenüber. Zu der an-
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gegriffenen Ware „Tee“ besteht keine Ähnlichkeit mit den Widerspruchswaren (vgl.
Richter/Stoppel, Warenähnlichkeit 13. Aufl. 2005, S. 301 f. - Stichwort „Tee“).
Soweit der Markeninhaber in der Begründung seiner Erinnerung geltend gemacht
hat, dass zwischen den angegriffenen Waren „diätetische Nahrungsmittel auf
Pflanzen-Eiweiß-Basis für medizinische und/oder nichtmedizinische Zwecke“ und
den Waren der Widersprechenden aus der Marke 1 106 411 „Almisan“ keine Wa-
renähnlichkeit bestehe, so ist dem entgegenzutreten. Denn wie der Erstprüfer un-
ter Hinweis auf Fundstellen in der Entscheidungssammlung von Richter/Stoppel
zu Recht ausgeführt hat, liegen insoweit genügend Berührungspunkte zu den Wi-
derspruchswaren „Seifen (ausgenommen medizinische), Parfümerien, Mittel zur
Körperpflege“ vor. So hat das Bundespatentgericht entschieden, dass „diätetische
Lebensmittel“ durchaus noch - wenn auch zum Teil deutlich entfernte - Ähnlichkeit
mit „Mitteln zu Körper- und Schönheitspflege“ aufweisen, weil solche Produktgrup-
pen immer häufiger nebeneinander in Bioläden angeboten würden (vgl. Entsch.
vom 16. Dezember 2004, Az. 25 W (pat) 4/03 - Livera). Mit einer ähnlichen Be-
gründung ist die Ähnlichkeit von „ätherischen Ölen und Essenzen“ mit „diäteti-
schen Nährmitteln bejaht worden (vgl. Entsch. v. 25. März 1998, Az. 28 W (pat)
105/97 - Eden). Berücksichtigt man, dass diätetische Nährmittel durchaus auch
etwa zur Hautpflege dienen und zusätzlich in Abstimmung oder Kombination mit
Körperpflegemitteln eingenommen werden können (z. B. bei Akne, Allergien), lie-
gen auch Berührungspunkte im Verwendungszweck oder als sich ergänzende
Produkte vor. Warenidentität liegt hingegen hinsichtlich der angegriffenen Waren
„Mittel zur Körper- und Schönheitspflege“ vor.
Hinsichtlich der Kennzeichnungskraft der Widerspruchmarke ist mit der Marken-
stelle von einem durchschnittlichen Grad auszugehen, was der Markeninhaber
bisher auch nicht beanstandet hat.
Vor diesem Hintergrund müssen an den Abstand, der von den Marken zur Vernei-
nung der Verwechslungsgefahr einzuhalten ist, zumindest durchschnittliche Anfor-
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derungen gestellt werden, selbst wenn man zugunsten des Markeninhabers davon
ausgeht, dass die Waren teilweise deutlich entfernt sind; denn diese können sich
im Niedrigpreissegment bewegen, in welchem das breite Publikum ohne besonde-
re Prüfung und Überlegung einkauft, auch wenn man bei Gesundheitsartikeln eher
mehr Sorgfalt des Verkehrs unterstellt (vgl. Hacker in: Ströbele/Hacker, MarkenG,
8. Aufl. 2006, § 9 Rdn. 122 m. w. N.).; allerdings sind hier keine reinen Arzneimittel
betroffen, sondern Lebensmittel.
Vor diesem Hintergrund weisen die Vergleichsmarken zu viele Ähnlichkeiten auf,
um die Gefahr von Verwechslungen noch ausschließen zu können. Sie sind in der
Buchstabenfolge identisch bis auf die Vokalabweichung „a/i“ in der Wortmitte, die
jedoch weder im Klang- noch im Schriftbild der Wortmarken hinreichend deutlich
zur Geltung kommt.
Bei der klanglichen Verwechslungsgefahr kommt es vor allem auf die Silbenglie-
derung und die Vokalfolge an, wobei Wortanfänge stärker beachtet werden, wäh-
rend unbetonte Zwischensilben oder wenig auffällige Abweichungen im Wortin-
nern insbesondere bei längeren Marken die Verwechslungsgefahr kaum mindern
(vgl. Hacker, a. a. O. Rdn. 130, 131, 132, 136 m. w. N.). So liegt der Fall hier. An-
gesichts identischer Silbengliederung kann die Abweichung nur in einem Vokal
keine ausschlaggebende Bedeutung erlangen, wenn dieser sich in der nach übli-
chen Sprachgewohnheiten einzigen unbetonten Mittelsilbe befindet. Daran ändert
sich auch nichts, wenn man der gemeinsamen Endung „san“ wegen ihres be-
schreibenden Anklangs einen geringeren Stellenwert beimisst. Denn auch inso-
weit kommt es auf den Gesamteindruck an, der auch von kennzeichnungsschwa-
chen oder schutzunfähigen Elementen mitbestimmt wird, wenn weitere Ähnlichkei-
ten der Marken vorliegen (vgl. BGH WRP 2004, 1043 - NEURO-VIBOLEX/
NEURO-FIBRAFLEX).
Auch in schriftbildlicher Hinsicht halten die Vergleichsmarken keinen ausreichen-
den Abstand ein, da insoweit der Gesamteindruck meist von den Anfangs- und
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Schlusselementen bestimmt wird (vgl. Hacker, a. a. O. Rdn. 143 m. w. N.), die hier
gerade übereinstimmen.
Nach alledem war eine relevante Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffe-
nen Marke und der Widerspruchsmarke 1 106 411 „Almisan“ festzustellen, so
dass die Beschwerde erfolglos bleiben musste, auch wenn der angefochtene Be-
schluss an einem Begründungsmangel insofern leidet, als der Tenor teilweise
nicht von den Entscheidungsgründen getragen wird, auch weil der Beschluss die
Entscheidung des Erstprüfers nicht zutreffend zugrunde gelegt hat. Der Senat
sieht jedoch von einer Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und der Zu-
rückverweisung des Verfahrens an die Markenstelle ab und entscheidet zur Ver-
meidung von Verfahrensverzögerungen selbst, zumal in der Sache der Beschluss
des Erstprüfers bestätigt wird.
Zu einer einseitig belastenden Kostenentscheidung besteht keine Veranlassung,
§ 71 MarkenG.
Dr. Vogel von Falckenstein
Hartlieb
Paetzold
Ko