Urteil des BPatG vom 25.08.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 535/10
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. August 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die IR- Marke 968 988
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 25. August 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel sowie der Richterin Martens und des Richters Schell
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Inhaberin der international registrierten Marke 968 988
BELLADONNA
hat als Kennzeichnung für die nachfolgend aufgeführten Waren der Klasse 31
„Plantes et parties de plantes de la variété „Anthurium““
Schutz in der Bundesrepublik Deutschland beantragt.
Die Markenstelle für Klasse 31 IR des Deutschen Patent- und Markenamts hat der
international registrierten Marke den Schutz verweigert (§§ 119, 124, 113, 37
Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 4 MarkenG; Art. 5 PMMA i. V. m. Art. 6
quinquies
Abschnitt B Nr. 2 PVÜ). Sie begründet dies in erster Linie damit, dass die IR-
Marke geeignet sei, das Publikum über die Beschaffenheit der Waren ersichtlich
zu täuschen (§ 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG). „BELLADONNA“ werde auf dem Gebiet
der Botanik vom Verkehr als Bezeichnung für die „schwarze Tollkirsche“ ver-
standen, die der Familie der Nachtschattengewächse angehöre. Im Gegensatz
dazu beanspruche die Markeninhaberin Schutz für Pflanzen und Teile von
Pflanzen der Art „Anthurie“, die den Aronstabsgewächsen zuzuordnen sei. Folglich
sei die Marke geeignet, bei einem nicht unbeachtlichen Teil des Verkehrs
Fehlvorstellungen über den Kaufentschluss beeinflussende Merkmale der so
gekennzeichneten Waren hervorzurufen.
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Mit ihrer gegen den Beschluss der Markenstelle gerichteten Beschwerde
beantragt die Markeninhaberin,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 31 IR des DPMA vom
4. Februar 2010 aufzuheben.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marke „BELLADONNA“ sei schon deshalb
nicht geeignet, das Publikum über die Beschaffenheit der beanspruchten Waren
zu täuschen, weil es sich bei der Anthurie um eine Pflanzenart handele, die nichts
mit einer Tollkirsche zu tun und mit ihr auch keine Ähnlichkeit habe. Dem
Durchschnittsverbraucher sei nicht bekannt, dass es sich bei dem Begriff
„Belladonna“ um einen Teil der Fachbezeichnung für die schwarze Tollkirsche
handele. Vielmehr verstehe ein Großteil der Verbraucher darunter die italienische
Übersetzung des Ausspruchs „schöne Frau“. Die am Handel beteiligten Fach-
kreise würden schon dadurch nicht in die Irre geführt, dass sie wüssten, wie eine
Tollkirsche aussehe.
Ihrer Ankündigung im Schriftsatz vom 24. August 2010 folgend hat die Marken-
inhaberin den Termin zur mündlichen Verhandlung nicht wahrgenommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde nach §§ 66 i. V. m. 64 Abs. 6 MarkenG ist zulässig, in der Sache
aber nicht begründet. Der beantragten Schutzerstreckung der IR-Marke auf das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland steht nach Ansicht des Senats in erster
Linie das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG entgegen. Die Markenstelle hat die Anmeldung daher im Ergebnis
zu Recht zurückgewiesen (§ 37 Abs. 1 MarkenG).
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Unterscheidungskraft i. S. v. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG bedeutet die Eignung
einer Marke, die mit ihr beanspruchten Waren oder Dienstleistungen als von
einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und sie dadurch von
denen anderer Anbieter für den Verkehr unterscheidbar zu machen (vgl. EuGH
MarkenR 2006, 19, 22, Rdn. 45 – Standbeutel; EuGH GRUR Int. 2005, 135,
Rdn. 19 – Maglite; BGH GRUR 2006, 850, 854 – FUSSBALL WM 2006). Diese
Herkunftsfunktion von Marken ist nach ständiger Rechtsprechung als ihre
Hauptfunktion anzusehen (vgl. EuGH GRUR 2009, 756, 761, Rdn. 58 – L’Oréal;
EuGH GRUR Int. 2005, 1012, 1014, Rdn. 27 – BioID; BGH GRUR 2008, 710,
Rdn. 12 – VISAGE; BGH MarkenR 2006, 395, 397, Rdn. 18 – FUSSBALL WM
2006, m. w. N.). Sie muss deshalb im Vergleich zu ihren weiteren Funktionen, wie
etwa ihrer Werbe- oder Kommunikationsfunktion, im Vordergrund stehen (vgl.
EuGH GRUR 2004, 1027, 1029, Rdn. 35 – DAS PRINZIP DER BEQUEM-
LICHKEIT). Ist diese Voraussetzung bei einer angemeldeten Marke nicht erfüllt,
widerspricht es dem Allgemeininteresse, dieses Zeichen durch seine Eintragung
ins Register zugunsten eines Anmelders zu monopolisieren und der Nutzung
durch die Allgemeinheit dauerhaft zu entziehen (vgl. EuGH GRUR 2004, 943, 944,
Rdn. 26 – SAT.2; EuGH GRUR Int. 2004, 631, 634, Rdn. 48 – Dreidimensionale
Tablettenform I).
Wie auch die Markeninhaberin nicht bestreitet, handelt es sich bei „Belladonna“
um einen Teil des botanischen Fachbegriffs „Atropa belladonna“ für die Pflan-
zenart „schwarze Tollkirsche“. Jedenfalls die an Herstellung und Vertrieb von
Pflanzen beteiligten Fachkreise verstehen unter der Angabe „Belladonna“ eine
Gattungsbezeichnung für Tollkirschen, die zur Familie der Nachtschattenge-
wächse gehören. Als produktbeschreibende Angabe fehlt der Bezeichnung
„Belladonna“ bezogen auf diesen Teil des Verkehrs daher zwangsläufig jegliche
Unterscheidungskraft für die von der Markeninhaberin beanspruchten Pflanzen.
Unabhängig davon ist festzustellen, dass es sich bei der Tollkirsche um eine im
Inland beheimatete Pflanze handelt, vor deren Gift staatliche Stellen die Be-
völkerung regelmäßig warnen (vgl. Anlage zum Bescheid der Markenstelle vom
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15. Juli 2009). Der von der Markeninhaberin mit der Beschwerdebegründung
eingereichten Anlage B 2 kann zudem entnommen werden, dass die Tollkirsche
seit der Antike in der Medizin wie in der Volksheilkunde zur Behandlung
unterschiedlicher Krankheiten eingesetzt wird. Von der schwarzen Tollkirsche
(Atropa belladonna) leiten sich nicht nur zahlreiche Mythen, sondern auch der
Name des Wirkstoffs Atropin ab, der neben Anwendungsbereichen bei Herz-
/Kreislauferkrankungen Laien zumindest wegen seines Einsatzes zur Pupillen-
erweiterung in der Augenheilkunde bekannt ist. Somit kann festgestellt werden,
dass - über die Fachkreise hinaus - zumindest auch ein erheblicher Teil der
allgemeinen Verkehrskreise gemessen am Verbraucherleitbild des EuGH mit der
Bezeichnung „Belladonna“ den Namen einer konkreten Pflanzenart verbindet,
nicht aber einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen, das solche Pflanzen
anbietet. Zwar beansprucht die Markeninhaberin Schutz nicht für Tollkirschen,
sondern für Anthurien, die im Verkehr unter dem Namen „Flamingoblume“ für eine
Topfpflanze bekannt sind. Jedoch kann die Angabe „BELLADONNA“ vor diesem
speziellen Warenhintergrund ebenso wenig eine Herkunftsfunktion vermitteln wie
es bei vergleichbaren Gattungsbezeichnungen wie „Rosen“ oder „Tulpen“ der Fall
wäre. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein erheblicher Teil
der inländischen Verkehrskreise (EuGH GRUR 1999, 723 ff, Nr. 52 - Chiemsee)
der beanspruchten Bezeichnung ein Mindestmaß an Unterscheidungskraft zu-
billigt. Soweit die Markeninhaberin in ihrer Beschwerdebegründung auf Beispiele
verweist, die eine markenmäßige Verwendung von „Belladonna“ zeigen, liegen
diese auf hier nicht einschlägigen Warengebieten und können das bestehende
Schutzhindernis für die konkret beanspruchten Waren nicht beeinflussen. Gleiches
gilt für das Vorbringen der Markeninhaberin, der Verkehr entnehme der inter-
national registrierten Marke lediglich einen Bezug zum italienischen Ausdruck für
„schöne Frau“. Vor dem Hintergrund der konkret beanspruchten Waren fehlt der
behaupteten Mehrdeutigkeit der Angabe insoweit jede markenrechtliche Relevanz.
Entgegen der Ansicht der Markeninhaberin kann eine ersichtliche Gefahr der
Irreführung des Publikums durch die schutzsuchende IR-Marke nach § 8 Abs. 2
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Nr. 4 MarkenG ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Zwar ist der Marken-
inhaberin insoweit zuzustimmen, dass die Fachkreise aufgrund ihrer vertieften
Sachkenntnis nicht irrig davon ausgehen, bei der mit „Belladonna“ gekenn-
zeichneten Anthurie handele es sich in Wirklichkeit um ein Exemplar der schwar-
zen Tollkirsche. Soweit die schutzsuchende Marke allerdings Verwendung bei den
allgemeinen Verkehrskreisen findet, ist die Bezeichnung „Belladonna“ im Zu-
sammenhang mit der Kennzeichnung von Anthurienpflanzen objektiv unrichtig und
ein nicht täuschender Einsatz der Marke wegen des Zeicheninhalts vorliegend
ausgeschlossen. Im Unterschied zum Sachverhalt, der der Entscheidung
„OMERAPRAZOK“ (BGH GRUR 2002, 160, Leitsatz 1 und Rn. 24, 25) zugrunde
lag, ist vorliegend eine Markenbenutzung, bei der keine Irreführung des Verkehrs
erfolgt, gerade nicht möglich. Das Schutzhindernis des § 8 Abs. 4 MarkenG setzt
voraus, dass der Verkehr durch den Zeicheninhalt (hier „BELLADONNA“) an sich
irregeführt wird. Auf die Frage, wie die Marke im Verkehr konkret verwendet wird,
kommt es daher nicht entscheidend an, so dass die von der Markeninhaberin
zitierte Rechtssprechung des BGH zur Spezialnorm des § 127 MarkenG ebenfalls
ohne Entscheidungsrelevanz ist.
Die Beschwerde war somit zurückzuweisen.
Stoppel
Schell
Martens
VRi Stoppel ist wegen seines
zwischenzeitlichen Eintritts in den
Ruhestand an der Unterschrift
gehindert.
Martens
Me