Urteil des BPatG vom 01.03.2005

BPatG: verwechslungsgefahr, kennzeichnungskraft, eugh, verkehr, gesamteindruck, reinigungsmittel, wortmarke, kunststoff, funk, gestaltung

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 17/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 398 71 929
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat ) des Bundespatentgerichts am
1. März 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Schermer, Richter
Dr. van Raden und Richterin Prietzel-Funk
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die Eintragung der Wort-Bildmarke 398 71 929
u.a. für „Wasch- und Bleichmittel; Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel;
Seifen“ hat – beschränkt auf diese Waren – u.a. die Inhaberin der seit dem 28.
Dezember 1993 für „Chemische Erzeugnisse für gewerbliche Zwecke, Entkalker
für Küchengeräte, Seifen, Fleckenentfernungsmittel, Rostschutzmittel, Putz- und
Poliermittel, Schleifmittel, chemische Reinigungsmittel für Metalle, Glas, Blech,
Emaille, Porzellan, Holz, Kunststoff und Stein, insbesondere für Küchengeräte aus
diesen Materialien, Putztücher, Staubtücher, Scheuerlappen, Schwämme, Stahl-
pads mit und ohne chemischen reinigenden Wirkstoffen“ eingetragenen Wort-
marke 1 057 643
SIDOL
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Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch
Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes die jüngere Marke aufgrund ei-
nes anderen Widerspruchs teilweise im Register gelöscht, nämlich für die Waren
„Putz-, Polier-, Fettentfernungs- und Schleifmittel“, den Widerspruch aus der
Marke 1 057 643 „SIDOL“ dagegen zurückgewiesen, weil die Marken nicht ver-
wechselbar im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG seien. Selbst bei Anlegung
strengster Maßstäbe hielten die Marken einen hinreichend großen Abstand ein,
sodass es auch nicht auf die gem. § 43 Abs. 1 MarkenG von der Inhaberin der
jüngeren Marke erhobene Nichtbenutzungseinrede ankomme. Unabhängig von
der Frage, ob der Verkehr die angegriffene Marke deutsch oder englisch ausspre-
che, sei bereits die durch den Anfangsbuchstaben des älteren Zeichens bewirkte
Abweichung im Klangbild der beiden Marken ausreichend, um eine Verwechs-
lungsgefahr auszuschließen. Beide Zeichen differierten durch die Abweichungen
so prägnant, dass sie in ihrem Gesamteindruck hinreichend deutlich unterschied-
lich seien. Umsichtigen und kritisch prüfenden Verbrauchern könnten die zwischen
den Vergleichsmarken bestehenden Unterschiede nicht entgehen. Darüber hinaus
unterschieden sich die Vergleichsmarken zudem durch die grafische Ausgestal-
tung des jüngeren Zeichens, sodass auch eine bildliche Verwechslungsgefahr
nicht zu befürchten sei. Es bestehe auch keine Gefahr, dass die Marken gedank-
lich miteinander in Verbindung gebracht werden könnten, da allenfalls Überein-
stimmungen in unselbstständigen Markenbestandteilen vorhanden seien.
Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie die Auf-
hebung des Beschlusses der Markenstelle und die Löschung der jüngeren Marke
für die noch angegriffenen Waren begehrt.
Sie legt zur Glaubhaftmachung der von der Markeninhaberin bestrittenen rechts-
erhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke Rechnungskopien aus den Jah-
ren 1999 bis 2001 vor, die die Lieferung von “SIDOL“-Produkten wie Kalklöser,
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Backofenreiniger und Putzmittel für Metalle, CERAN und Stahl sowie Waschma-
schinen-Entkalker betreffen. Sie ist der Ansicht, dass aus der langjährigen Benut-
zung der Widerspruchsmarke im gesamten Bundesgebiet und dem Umfang der
Werbeinvestitionen eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke folge.
Weiterhin trägt sie vor: Zwischen den Waren der Vergleichsmarken bestehe Iden-
tität bzw. hochgradige Ähnlichkeit; beide Marken richteten sich an den selben Ver-
kehrskreis, nämlich die Endverbraucher, und die Waren hätten dieselben Ver-
triebswege, zum Beispiel Supermärkte. Angesichts dieser Umstände sei die be-
stehende Ähnlichkeit der Marken so groß, dass eine Verwechslungsgefahr gege-
ben sei. Es bestehe eine klangliche Ähnlichkeit, denn beide Begriffe seien zweisil-
big, wobei der Wortanfang bei beiden Zeichen durch den Vokal I geprägt sei, wäh-
rend der klangschwache Anfangskonsonant S in der älteren Marke „hörbar in den
Hintergrund trete“. In gleicher Weise neige der relevante Abnehmerkreis dazu, in
der jüngeren Marke den abschließenden Konsonanten S zu vernachlässigen, so-
dass angesichts der verbleibenden übereinstimmenden Elemente eine hohe
klangliche Verwechslungsgefahr gegeben sei. Da alle Buchstaben der angegriffe-
nen Marke auch in der Widerspruchsmarke enthalten seien, sei auch eine schrift-
bildliche Ähnlichkeit vorhanden.
Der Inhaber der jüngeren Marke hat sich zu dem Vorbringen der Widersprechen-
den nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, weil eine Gefahr von
Verwechslungen der Vergleichsmarken i.S.d. §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG nicht besteht.
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Von einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke „SIDOL“ für „Ent-
kalker für Küchengeräte, Putz- und Poliermittel, chemische Reinigungsmittel für
Metalle, Glas, Blech, Emaille, Porzellan, Kunststoff und Stein,“ ist aufgrund der
vorgelegten Unterlagen auszugehen. Bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr
sind diese Waren den noch in Rede stehenden Waren der jüngeren Marke, näm-
lich Wasch- und Bleichmittel sowie Seifen, gegenüberzustellen.
Die Frage der markenrechtlichen Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung
aller Umstände des Einzelfalls anhand der in Wechselbeziehung zueinander ste-
henden Faktoren des Grades der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der von
ihnen erfassten Waren und Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke zu beurteilen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923 – Canon;
MarkenR 1999, 236, 239 – Lloyd). Aufgrund der Wechselbeziehung dieser gegen-
einander abzuwägenden Faktoren kann bei einem hohen Grad der Ähnlichkeit der
Marken und gesteigerter Kennzeichnungskraft der älteren Marke schon ein ge-
ringfügiger Grad der Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen für die Annahme
einer Verwechslungsgefahr ausreichen und umgekehrt (vgl. BGH GRUR 2004,
235, 237 - Davidoff II; GRUR 2004, 239 - DONLINE, jew. m. zahlr. w. N.). Dabei
ist auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher abzustellen (st. Rspr., vgl. z.B. EuGH a.a.O. – Lloyd),
dessen Aufmerksamkeit je nach der Art der betreffenden Waren unterschiedlich
hoch sein kann (vgl. BGH GRUR 2000, 506 – ATTACHÉ/TISSERAND).
Zwischen den im vorliegenden Fall zu betrachtenden Waren „Wasch- und Bleich-
mittel, Seifen“ der jüngeren Marke einerseits und den Reinigungsmitteln der Wi-
derspruchsmarke andererseits besteht zwar keine Identität, aber angesichts ihrer
Gemeinsamkeit als chemische Mittel zur Reinigung im weiteren Sinne doch eine
beachtliche Ähnlichkeit. Der Senat geht infolge der langjährigen umfangreichen
Benutzung der Widerspruchsmarke für Reinigungsmittel zugunsten der Wider-
sprechenden auch von einer über dem Durchschnitt liegenden Kennzeichnungs-
kraft der älteren Marke aus, so dass es eines erheblichen Abstands zwischen den
Marken bedarf, um eine markenrechtliche Verwechslungsgefahr sicher auszu-
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schließen (vgl. BGH, GRUR 1999, 990, 991 - Schlüssel). Dieser Unterschied ist
vorliegend in jeder Hinsicht gegeben.
In ihrem jeweiligen Gesamteindruck, auf den bei der Beurteilung der markenrecht-
lichen Verwechslungsgefahr unabhängig vom Prioritätsalter der einander gegenü-
berstehenden Zeichen grundsätzlich abzustellen ist (st. Rspr., vgl. EuGH GRUR
1998, 397 – Sabèl/Puma; BGH GRUR 2002, 167, 169 - Bit/Bud; GRUR 2002,
1067, 1069 - DKV/OKV), unterscheiden sich die jeweiligen Marken infolge der
unterschiedlichen Wortbildung sowohl in schriftbildlicher als auch in klanglicher
Hinsicht deutlich, auch unter Berücksichtigung des Erfahrungssatzes, dass - da
der Verkehr die jeweiligen Bezeichnungen regelmäßig nicht gleichzeitig wahr-
nimmt und miteinander vergleicht - die übereinstimmenden Merkmale in einem
undeutlichen Erinnerungseindruck stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede
(BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone).
Beide Zeichen enthalten zwar die Buchstabenfolge IDOL, zu der jeweils der Kon-
sonant S tritt. In ihrer Gesamtheit aber überwiegen die Gemeinsamkeiten zwi-
schen den beiden Zeichen gleichwohl nicht. Zwar mögen die hinsichtlich des je-
weiligen Wortendes bestehenden Abweichungen im undeutlichen Erinnerungsein-
druck eher in den Hintergrund treten; andererseits ist zu berücksichtigen, dass der
Verkehr Wortanfänge im allgemeinen stärker beachtet als nachfolgende Wortteile
(BGHZ 131, 122, 125 - Innovadiclophlont; BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone;
GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN). Entgegen der Auffassung der Wider-
sprechenden kann ein durchschnittlich informierter, aufmerksamer und verständi-
ger Durchschnittsverbraucher den Konsonanten S, der bei der älteren Marke sig-
nifikant am Wortanfang steht, während er in der jüngeren Marke am Wortende wie
ein Plural-S eine eigenständige Funktion hat, weder übersehen noch überhören.
Dabei bildet die bekannte Wortbedeutung, die in der jüngeren Marke erkennbar
ist, nämlich „Idol“, eine zusätzliche Orientierungshilfe, die einer noch als relevant
zu erachtenden Gefahr von Verwechslungen mit der Widerspruchsmarke entge-
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genwirkt. (vgl. BGH GRUR 1992, 130, 132 – Bally/BALL; WRP 1993, 694, 697 -
apetito/apitta; GRUR 2000, 605, 607 - comtes/ComTel).
Aufgrund ihrer eigenwilligen grafischen Gestaltung und der starken Hervorhebung
des Anfangsbuchstabens I bietet die jüngere Marke auch keinen Anlass zu Ver-
wechslungen mit der älteren Wortmarke im bildlichen Gesamteindruck.
Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens war kein Anhaltspunkt ersicht-
lich, von der Regel des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG abzuweichen.
Dr. Schermer
Prietzel-Funk
Dr. van Raden
Na