Urteil des BPatG vom 26.09.2001

BPatG: dreidimensionale marke, markenschutz, unterscheidungskraft, markenrecht, gestaltung, warenform, aussetzung, patent, warenausstattung, gehalt

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 62/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
26. September 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 19 086.0
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 26. September 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Stoppel, der Richterin Martens und des Richters Voit
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e
I.
Angemeldet am 3. April 1998 zur Eintragung ins Markenregister als dreidimensio-
nale Marke für die Waren:
"Schmuck, Schmuckringe, Schmuckwaren"
ist die nachfolgend abgebildete Gestaltung
siehe Abb. 1 am Ende
mit folgender Beschreibung:
"Ringserie Additione. Die Marke umfaßt Schmuckringe in eigen-
tümlicher, geschmackvoller Form, die außergewöhnlicherweise
auch als Ringkombination getragen werden können."
Die Markenstelle für Klasse 14 des Deutschen Patent- und Markenamts hat der
Anmeldung den Schutz wegen fehlender Unterscheidungskraft mit der Begrün-
dung verweigert, daß der Anmeldegegenstand vor dem Hintergrund der Gestal-
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tungsvielfalt auf dem beanspruchten Warengebiet keinerlei originelle Elemente
aufweise, an denen sich der Verkehr herkunftshinweisend orientieren könnte.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
26. Oktober 1999 und 6. September 2000 aufzuheben.
Ferner beantragt sie, die Beschwerdegebühr wegen verfahrensfehlerhaf-
ter Behandlung der Anmeldung zurückzuzahlen und regt die Zulassung der
Rechtsbeschwerde bzw. die Aussetzung des Beschwerdeverfahrens bis zur
Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes über die Vorlage-
beschlüsse des Bundesgerichtshofs betr. 3-D-Marken an.
Sie hält die angemeldete Warenform sowohl für abstrakt markenfähig als auch
unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig, da die Ware charakteristische
Merkmale aufweise, und zwar insbesondere in Form der Zweiteilung, was bei
Schmuckringen absolut neuartig und ungebräuchlich sei. Wegen dieser Beson-
derheiten könne auch kein Ausschließungsgrund nach Art. 3 Abs 2 MarkenG an-
genommen werden.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Nach Ansicht des Senats fehlt es
der als dreidimensionaler Marke beanspruchten Warenform nicht nur, worauf die
Markenstelle abgestellt hat, an jeglicher Unterscheidungskraft, sondern bereits an
der Markenfähigkeit nach Art. 3 MarkenG. Nach dieser Vorschrift kann zwar die
Abbildung einer Ware oder ihrer Verpackung bzw sogar die Ware selbst in ihrer
dreidimensionalen Ausgestaltung durchaus als Unterscheidungsmittel eines Unter-
nehmens gegenüber anderen Unternehmer geeignet sein und mithin abstrakte
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Unterscheidungskraft aufweisen, sofern bei Formmarken nicht einer der Aus-
schlußtatbestände des § 3 Abs 2 MarkenG zum Tragen kommt, die rein produkt-
bezogene Gestaltungsformen ausdrücklich vom Markenschutz ausnehmen. Sinn
dieser Regelung ist es, im Spannungsfeld von zeitlich beschränktem Produkt-
schutz und zeitlich unbegrenztem Markenschutz solche Formen und Zeichen den
Mitbewerbern generell freizuhalten, bei denen die Selbstständigkeit der Marke von
der Ware als Kriterium der Markenfähigkeit nicht mehr gewahrt ist, denn die Marke
muß sich vom Wesen der Ware unterscheiden (vgl. BGH GRUR 2001, 239 -Zahn-
pastastrang). Was zum Wesen einer Ware gehört, kann keine Marke sein (Fetzer,
MarkenR, 2. Aufl.1999, § 3 Rdnr. 231). Hiervon erfaßt sind mithin alle Formen, die
durch die Art der Ware selbst bedingt sind, zur Erreichung einer technischen Wir-
kung erforderlich sind oder der Ware einen wesentlichen Wert verleihen. Zumin-
dest letzteres ist vorliegend der Fall.
Die Vorschrift des § 3 Abs 2 Nr. 3 MarkenG beruht auf dem Gedanken, daß die
ästhetische Funktion von Waren grundsätzlich vom zeichenrechtlichen Schutz
ausgenommen werden muß. Denjenigen Produkten, bei denen die Kaufentschei-
dung im wesentlichen durch die Form beeinflußt wird, soll der Zugang zum Mar-
kenrecht verwehrt bleiben; dh der Schutz der Formgebung soll in diesem Fällen
allein über das Urheber- oder Geschmacksmusterrecht als der hierfür adäquaten
Regelung erfolgen (vgl. Kur, Formalschutz dreidimensionaler Marken, in: Fest-
schrift DPA 100 Jahre Markenamt, S. 175 ff, 191; Thewes, Der Schutz dreidimen-
sionaler Marken nach dem Markengesetz, Starnberg 1999, S. 100). Normzweck
ist wie bereits ausgeführt die Abgrenzung des Markenrechts von anderen Sonder-
schutzrechten und damit das Freihaltebedürfnis der Mitbewerber (vgl.
Ingerl/Rohnke Markenrecht, § 3 Rdnr. 35), die andernfalls, dh bei Anerkennung
zeichenrechtlichen Schutzes für die Ware selbst, in ihrer Handlungs- und – gerade
auf dem vorliegenden Warengebiet - in ihrer künstlerischen Freiheit in nicht mehr
hinnehmbarer Weise behindert würden. Insofern liegen die Dinge vergleichbar
dem altem Warenzeichenrecht zur Frage des Ausstattungsschutzes der ästhetisch
bedingten Form nach § 25 WZG. Dort wurde von der Rechtsprechung etwa bei
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Kunstwerken, die der Verkehr ausschließlich nach ihrem ästhetischen Gehalt
wertet, die eigentümliche Formgebung dann nicht als ausstattungsfähig im
Rechtssinne angesehen, wenn nach der Verkehrsauffassung das Kunstwerk erst
durch die Formgebung entsteht und die handelbare Ware selbst darstellt (BGHZ
5,1 – Hummelfiguren). Ästhetische Gestaltungsform einer Ware ist danach sowohl
körperlich wie begrifflich die Ware selbst und nicht Warenausstattung, wie das für
Kunstwerke, aber auch kunstgewerbliche Gegenstände sowie Schmuckwaren ty-
pisch ist.
Auf das Markenrecht und die Auslegung des § 3 Abs 2 Nr 3 MarkenG übertragen
bedeutet das folgendes: Eine vom Markenschutz ausgeschlossenen Funktionalität
des Ästhetischen ist immer dann gegeben, wenn die betreffenden ästhetischen
Elemente nicht mehr als bloße Zutat zur Ware angesehen werden, sondern viel-
mehr deren Wesen ausmachen (vgl. auch Eichmann GRUR 1995, 186; Klaka
GRUR 1996, 617 Ob das der Fall ist, wird in der Regel Gegenstand einer Einzel-
fallprüfung sein müssen, allerdings kann bei bestimmten Produktgruppen wie den
vorliegend beanspruchten Schmuckwaren nach der Lebenserfahrung die Vermu-
tung aufgestellt werden, daß der Verkehr hier den wesentlichen Kaufanreiz stets in
der designbetonten Produktgestaltung sieht, weil außer dieser gestalterischen
Form keine sonstigen Funktionen oder Aufgaben den eigentlichen Wert der Ware
darstellen, und zwar unabhängig davon, ob edle oder unedle Materialien verwen-
det werden. Für den Senat kann indes letztlich dahingestellt bleiben, ob eine sol-
che Betrachtungsweise dazu führt, bestimmte Warengruppen als ganzes (hier:
Kunstgegenstände, Schmuckwaren) von vornherein vom Markenschutz auszu-
schließen (so etwa BPatG 33 W 214/98, Entsch. v. 19. März 1999, - Rote Oberflä-
chenstruktur – PAVIS CD-ROM), oder ob auch bei solchen Produkten noch eine
Einzelfallprüfung möglich ist, denn zumindest die vorliegende Anmeldung erfüllt in
allen Punkten die Kriterien der wertbedingten Form nach § 3 Abs 2 Nr 3 MarkenG.
Gegenstand der Anmeldung sind zwei Ringe, die über die bloße Ringform hinaus
weitere Designelemente aufweisen und offensichtlich als Kombination getragen
werden sollen. Daß hierbei unabhängig vom verwendeten Material gerade die ge-
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stalterische Form den eigentlichen Wert der Waren ausmacht, die ansonsten kei-
nerlei Gebrauchszweck hat, ergibt sich bereits aus der von der Anmelderin einge-
reichten Markenbeschreibung, wo ausdrücklich auf die Form als Wesen der zur
Marke angemeldeten Ware hingewiesen wird. Anhaltspunkte für eine gegenteilige
Betrachtungsweise sind für den Senat nicht erkennbar und auch nicht vorgetra-
gen.
Fehlt es der beanspruchten Gestaltung damit bereits an der Markenfähigkeit,
braucht die Frage der konkreten Unterscheidungskraft bzw des Freihaltebedürf-
nisses (das bei Warenformen regelmäßig schon deshalb anzunehmen ist, weil die
Darstellung der Ware als solcher stets beschreibenden Charakter hat, indem die
Art und äußere Beschaffenheit der Ware in unmittelbarer Weise wiedergegeben
wird!) nicht mehr geprüft zu werden. Vielmehr hat die Markenstelle zumindest im
Ergebnis die Anmeldung zurecht zurückgewiesen, so daß auch die hiergegen ge-
richtete Beschwerde keinen Erfolg haben konnte. Für die beantragte Rückzahlung
der Beschwerdegebühr ist bei dieser Sachlage kein Raum.
Für eine Aussetzung des Verfahrens, wie von der Anmelderin angeregt, bestand
ebenfalls keine Veranlassung, da die vorliegend maßgebliche Rechtsfrage nicht
die Vorlagefragen des BGH an den EuGH, sondern die Markenfähigkeit der pro-
duktabhängigen Markenform betrifft. Allerdings hat der Senat nach § 83 Abs 2
Nr 2 MarkenG die Rechtsbeschwerde zu Fortbildung des Rechts zugelassen, da
die Auslegung des § 3 Abs 2 Nr. 3 MarkenG in der Literatur nicht unumstritten ist
und eine höchstrichterliche Rechtsprechung zu dieser Vorschrift noch nicht vor-
liegt.
Stoppel Martens
Voit
prö
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Abb. 1