Urteil des BPatG vom 30.01.2001

BPatG (dreidimensionale marke, marke, form der verpackung, form, gestaltung, verpackung, unterscheidungskraft, verkehr, ware, düngemittel)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 197/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 71 483.5/1
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 30. Januar 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler,
des Richters Dr. Albrecht und der Richterin am Amtsgericht Dr. Hock
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 1 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 5. Juli 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 11. Dezember 1998 die dreidi-
mensionale Marke
siehe Abb. 1 am Ende
für die Waren
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Kl. 1:
chemische Erzeugnisse für industrielle, wissenschaftliche, land-
wirtschaftliche, gartenwirtschaftliche und forstwirtschaftliche
Zwecke, Düngemittel, Feuerlöschmittel, chemische Produkte zum
Konservieren von Lebensmitteln
Kl. 5:
Desinfektionsmittel, Mittel zur Vertilgung von Ungeziefer, Fungi-
zide, Herbizide
zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 1 hat die Anmeldung durch den von einem Mitglied
des Patentamts erlassenen Beschluß vom 5. Juli 1999 zurückgewiesen. Die Zu-
rückweisung wurde damit begründet, daß es der Marke im Hinblick auf die bean-
spruchten Waren an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle (§ 37 Abs 1
MarkenG iVm § 8 Abs 2 Ziff 1 MarkenG). Die Anforderungen an die Unterschei-
dungskraft könne nur eine eigentümliche und originelle Form erfüllen. Die ange-
sprochenen Verkehrskreise nähmen die Kanisterform jedoch nicht als besonders
von gängigen Formen abweichende Gestaltung wahr.
Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat die Anmelderin Beschwerde ein-
gelegt. Sie beantragt,
den Beschluß aufzuheben.
Mit Schriftsatz vom 29.1.2001 hat sie das Warenverzeichnis auf Düngemittel
(Klasse 1) beschränkt. Sie hat gleichzeitig folgende Beschreibung der Marke ge-
mäß § 9 Abs 5 MarkenV vorgelegt:
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"Die dreidimensionale Marke besteht aus einem grünen Behältnis
mit einer Gußöffnung und einem abnehmbaren roten Deckel, wo-
bei der Deckel in der Seitenansicht eine trapezförmige Gestaltung
aufweist".
Sie trägt vor, daß die vorliegende Verpackung auf dem Gebiet der Düngemittel
eine völlig ungewöhnliche und herkunftshinweisende Marke sei. Die Ausgießstelle
und der gefällige Griff wiesen Besonderheiten auf, die herkunftshinweisend seien
und sich von den "üblichen Kanistern" für Benzin, Öl und sonstige Flüssigkeiten
absetzten.
II.
Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hält die angemeldete 3-D-Marke im Zusammenhang mit den nunmehr
noch geltend gemachten Waren und im Hinblick auf die eingereichte Beschrei-
bung der Marke für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so
daß ihre Eintragung gemäß § 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhin-
dernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder 2 MarkenG entgegenstehen.
Dabei geht der Senat von der grundsätzlichen Markenfähigkeit der angemeldeten
Warenverpackungsform gemäß § 3 MarkenG aus. Die Gestaltung der dreidimen-
sionalen Marke erfüllt weder die Voraussetzung einer durch die Art der Ware
selbst bedingten Form (§ 3 Abs 2 Nr 1 MarkenG), noch ist sie im Sinne des § 3
Abs 2 Nr 2 MarkenG zur Erreichung einer technischen Wirkung zwingend erfor-
derlich. Der Senat folgt insoweit der ständigen Rechtsprechung des Bundespa-
tentgerichts und der überwiegenden Auffassung in der Literatur, wonach diese
Bestimmung restriktiv in dem Sinn zu verstehen ist, daß nur diejenigen Formen
gemeint sind, die als einzig mögliche zur Erreichung der technischen Wirkung in-
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frage kommen (vgl die Jahresberichte Bundespatentgericht 1997, GRUR 1998,
625, 626; 1998, GRUR 1999, 605, 606 f; 1999, GRUR 2000, 366, 368 f; Altham-
mer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 3 Randziffer 37, Fezer, MarkenR 2. Aufl, § 3
Rdn 2, 29;). Zwar ist die Kanisterform sowie die Verschlußabdeckung jeweils zur
Aufnahme der Ware und zum Öffnen oder Verschließen der Verpackung funktio-
nal; sowohl die Form des Behältnisses als auch der Verschluß könnten jedoch in
anderer Weise gestaltet sein und dennoch die nämliche Funktion erfüllen.
1.
Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewoh-
nenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der
Marke erfaßten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber
solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzü-
giger Maßstab anzulegen, dh auch jede noch zu geringe Unterscheidungskraft
reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (ständige Rechtsprechung
vgl BGH MarkenR 2000, 48 – Radio von hier; MarkenR 2000, 50 – Partner with
the best). Dies gilt insbesondere deshalb, weil der Verkehr ein als Marke verwen-
detes Zeichen in aller Regel so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt und er es kei-
ner analysierenden Betrachtungsweise unterzieht. Dabei sind für die verschiede-
nen Markenformen keine unterschiedlichen Maßstäbe hinsichtlich der Unter-
scheidungskraft anzulegen, so daß diese Grundsätze auch auf dreidimensionale
Marken anzuwenden sind (BGH GRUR 1999, 495 – Etiketten; Mitt 2000, 506 –
Likörflasche, Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 38).
Warenverpackungsformen sind danach schutzunfähig, wenn die äußere Form der
Verpackung einen durch Norm oder Üblichkeit bestimmten mittelbar beschreiben-
den Hinweis auf ihren Inhalt wiedergibt oder die abweichende Gestaltung lediglich
eine ganz einfache, bloß serienmäßig schmückende Form darstellt oder selbstlos
eine ganz einfache geometrische Form oder ein graphisches Gestaltungselement
ist, das in der Werbung aber auch auf Warenverpackungen und sonst üblicher-
weise als Schmuckelement verwendet wird (BGH aaO – Likörflasche).
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Im vorliegenden Fall besteht die nunmehr nur für Düngemittel angemeldete drei-
dimensionale Marke aus einem grünen Behältnis, das an einer Seite einen Griff
hat und auf der gegenüberliegenden Seite an der Ecke oben einen roten durch
Drehung abnehmbaren Deckel, der in der Seitenansicht eine trapezförmige Ge-
staltung aufweist. Entsprechende Recherchen des Senates haben ergeben, daß –
wie auch von der Anmelderin vorgetragen – die Farbgebung in Verbindung mit
der Deckelform auf diesem Warengebiet durchaus unüblich ist (vgl Obi, Garten-
ratgeber 1999; BayWa Gartenkatalog 1998; Celaflor Gartenkalender 2000; Inter-
netadresse www.heimwerker.de;). Die angesprochenen Verkehrskreise – hier das
allgemeine Publikum – werden die angemeldete Marke aufgrund der Einfärbung
und der ungewöhnlichen nicht naheliegenden Form daher nicht als technisches
Merkmal sehen. Die Verpackung ist im Hinblick auf den vorgesehenen Inhalt ei-
gentümlich und phantasievoll und wird damit vom Verkehr als betrieblicher Hin-
weis aufgefaßt.
2.
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Mar-
ken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr
unter anderem zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder
der Bezeichnung sonstiger Merkmale der infragestehenden Waren oder
Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintra-
gungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher
noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl
BGH GRUR 1995, 408, 409 – Protech). Diese Grundsätze gelten auch für dreidi-
mensionale Marken (vgl Althammer/Ströbele aaO § 8 Randziffer 157). Auch wenn
die plastische Wiedergabeform einer Ware oder deren Verpackung nicht im enge-
ren Sinne technisch bedingt oder zur Erreichung einer technischen Wirkung er-
forderlich ist, kann sie dennoch als beschreibendes Zeichen freihaltungsbedürftig
sein (Althammer/Ströbele aaO, BPatG GRUR 1998, 706, 709 Montre I; BPatGE
40, 98, 103 Trafogehäuse).
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Wie bereits ausgeführt, ist nach den Recherchen des Senates eine Verwendung
eines derartigen Kanisters derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärti-
ger Benutzung beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann deshalb nicht ausgegan-
gen werden. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im
Zusammenhang mit der beanspruchten Ware in Zukunft eine Verwendung der
angemeldeten dreidimensionalen Form erfolgen wird.
Der angefochtene Beschluß war mithin aufzuheben.
Winkler
Richter Dr. Albrecht ist
durch Erkrankung verhin-
dert zu unterschreiben.
Winkler
Dr. Hock
Hu
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Abb. 1