Urteil des BPatG vom 08.11.2006

BPatG: verkehr, unterscheidungskraft, unternehmen, herkunftsangabe, bildmarke, gestaltung, kunst, therapie, verwechslungsgefahr, meldung

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 69/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 304 39 797.0/29
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 8. November 2006 unter Mitwirkung …
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Markenregister ist die Wort/Bildmarke
für die folgenden Waren der Klasse 5, 29 und 30:
„diätische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost; Milch
und Milchprodukte, Joghurt, Frischkäse, Kefir, Salatsaucen“.
Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung durch Beschluss einer Ange-
stellten des höheren Dienstes wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Die Wortfolge „Thüringer Wald Rahmkäse“
bestehe aus der ohne weiteres verständlichen Kombination einer schutzunfähigen,
geografischen Herkunftsangabe und einer Sortenbezeichnung. Aufgrund des all-
gemein verständlichen beschreibenden Gehalts ihres Wortbestandteils werde sie
der Verkehr nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen auffassen, son-
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dern ihr lediglich einen Sachhinweis auf die Beschaffenheit und Herkunft der be-
anspruchten Produkte entnehmen. Auch die grafische Ausgestaltung der ange-
meldeten Marke könne die Schutzfähigkeit der Marke nicht begründen. Zwar sei
der Bildbestandteil nicht warenbeschreibend, die grafische Gestaltung gehe je-
doch nicht über das übliche Maß an umrahmender und ausschmückender Dar-
stellung hinaus. Dem angemeldeten Zeichen sei deshalb jegliche Unterschei-
dungskraft abzusprechen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Be-
gründung trägt sie vor, die grafische Ausgestaltung weise mit ihrer herzförmigen
Unterlegung, dem schräggestellten Schriftzug in speziellen Blockbuchstaben so-
wie den über das Herzsymbol herausragenden Anfangs- und Endbuchstaben des
Markenworts „Rahmkäse“ die erforderliche Unterscheidungskraft auf. Keinesfalls
könne das Herzsymbol in der Marke als bloß dekorativer oder ornamentaler
Gestaltungsteil betrachtet werden. Die Tatsache, dass eine Marke als sogenann-
ter Eyecatcher einen Blickfang darstellen könne, stehe dieser Wertung sowohl
nach der Rechtsprechung als auch nach der Kommentarmeinung nicht entgegen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet. Der angemeldeten
Marke fehlt auch nach Ansicht des Senats jegliche Unterscheidungskraft (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Wie die Markenstelle umfassend und zutreffend dargelegt hat, handelt es sich bei
dem Wortbestandteil „Thüringer Wald“ um einen allgemein verständlichen Sach-
hinweis auf den möglichen Herkunftsort der beanspruchten Waren und damit um
eine schutzunfähige geografische Herkunftsangabe. Die Anmelderin hat diese
Wertung bereits im Verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt nicht in
Frage gestellt und insoweit vorgetragen, sie sehe die grafische Gestaltung der
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angemeldeten Marke als schutzbegründendes Element an und verfolge mit ihrer
Anmeldung nicht das Ziel, die aus der geografischen Herkunftsangabe und einer
Produktbezeichnung bestehende Wortfolge „Thüringer Wald Rahmkäse“ zu mo-
nopolisieren. Auch ihrer Beschwerdebegründung ist zu entnehmen, dass sie den
angefochtenen Beschluss nur insoweit für angreifbar hält, als darin der konkreten
Ausgestaltung der angemeldeten Marke eine schutzbegründende Wirkung abge-
sprochen wurde. Bei dieser Sachlage erübrigen sich ergänzende Erwägungen und
Ausführungen des Senats zum glatt warenbeschreibenden Charakter des Wortbe-
standteils der angemeldeten Marke.
Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke
innewohnende, konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die
von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens ge-
genüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (st. Rspr., vgl. etwa
BGH GRUR 2003, 1050 – Cityservice). Zwar weist die Anmelderin zutreffend
darauf hin, dass einer Wort/Bildmarke trotz eines schutzunfähigen Wortbestand-
teils durch die grafische Ausgestaltung grundsätzlich die erforderliche Unterschei-
dungskraft vermittelt werden kann (vgl. hierzu BGH GRUR 1991, 136 - NEW
MAN). Der angemeldeten Marke fehlen aber die hierfür erforderlichen charakte-
ristischen Merkmale, die der angesprochene Verkehr als betrieblichen Herkunfts-
hinweis werten könnte. Im Hinblick auf den ausgeprägten Warenbezug ihres
Wortbestandteils „Thüringer Wald Rahmkäse“ sind dabei die Anforderungen an
eine mögliche schutzbegründende Wirkung der bildlichen Ausgestaltung beson-
ders hoch anzusetzen (vgl. BPatGE 36, 29 - Color COLLECTION). Um den
schutzunfähigen Wortbestandteil für die beteiligten Verkehrskreise bildlich so zu
verändern, dass diese von der Sachaussage weggeführt werden und das Zeichen
als betrieblichen Herkunftshinweis werten können, bedürfte es einer prägnanten
grafischen Gesamtgestaltung (BGH GRUR 2000, 805 – Immo-Börse) , wie sie im
vorliegenden Fall nicht gegeben ist.
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So sind die drei Markenwörter in einer unauffälligen Schriftart gehalten, die allge-
mein gebräuchlichen Standard-Schrifttypen entspricht, wie beispielsweise dem
Schriftsatz „Times New Roman“, und an die der Verkehr seit langem gewöhnt ist.
Dass sich die drei Markenwörter dem Betrachter schräggestellt und in einer
zweiteiligen Anordnung präsentieren, kann der Marke ebenso wenig eine hinrei-
chend originelle Bildwirkung verleihen, wie der Umstand, dass der Anfangs- und
Endbuchstabe des Wortbestandteils „Rahmkäse“ über die herzförmige Einfassung
hinausreichen. Letzteres wird außerdem beim spontanen Erfassen der Marke re-
gelmäßig unbemerkt bleiben und vom Verkehr erst bei einer eingehenden, analy-
sierenden Betrachtung bewusst wahrgenommen werden. Ein solches Vorgehen
beim Kauf von Waren des täglichen Bedarfs, wie sie im vorliegenden Fall Ge-
genstand der Anmeldung sind, ist aber nicht zu erwarten. Der Verkehr nimmt ein
als Marke verwendetes Zeichen in der Regel so auf, wie es ihm entgegentritt und
unterzieht es keiner analysierenden Betrachtungsweise, um ihm dadurch einen
kennzeichnenden Charakter zuordnen zu können. Auch das größenmäßige Her-
ausstellen der genannten Sortenbezeichnung sowie die Verwendung einer Kon-
turschrift entsprechen der allgemeinen Werbepraxis, zentrale Produktaussagen für
die angesprochenen Verbraucher optisch besonders hervorzuheben. Bei derart
einfachen schriftbildlichen Merkmalen handelt es sich um gängige Stilmittel, durch
die angesichts der Fülle vergleichbarer typografischer Gestaltungen und werbe-
mäßiger Eindrücke, mit denen sich das Publikum täglich konfrontiert sieht, einer
unmittelbar beschreibenden Sachaussage keinesfalls die erforderliche Unter-
scheidungskraft vermittelt werden kann. Zur Veranschaulichung dieser Wertung
sei für die Anmelderin auf die „Motorrad Active Line“-Entscheidung des BGH hin-
gewiesen, in der dem (im Vergleich zu der im vorliegenden Fall verwendeten
Schriftgestaltung) deutlich stärker verfremdeten Schriftzug
keine hinreichende Originalität zugesprochen wurde (GRUR 1998, 394).
Auch die Darstellung des Herzsymbols in der angemeldeten Marke enthält nichts,
was es den angesprochenen Verbrauchern ermöglichen könnte, die von der An-
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meldung erfassten Waren ohne Verwechslungsgefahr von Waren anderer Unter-
nehmen zu unterscheiden. Wenn die Anmelderin sinngemäß vorträgt, das ange-
meldete Zeichen könne nicht für Produkte im Bereich der Therapie von Herz-
krankheiten verwendet werden, weshalb die von der Markenstelle zitierte „Herz-
symbol“-Entscheidung des BGH (BGH GRUR 1989, 425) nicht einschlägig sei,
lässt sie unberücksichtigt, dass die von ihr beanspruchten diätischen Erzeugnisse
für medizinische Zwecke in diesem Bereich durchaus Anwendung finden können.
Letztlich kann dieser Aspekt aber dahingestellt bleiben, denn bei dem Herzsymbol
handelt es sich auch unter anderen Gesichtspunkten um ein Bildelement, das als
solches im Hinblick auf alle beanspruchte Waren einen für den Verkehr allgemein
verständlichen Sinngehalt transportiert. Ursprünglich in der weltlichen und reli-
giösen Kunst als Symbol der Liebe, als Sinnbild der Barmherzigkeit oder - im
Buddhismus - als Symbol der Erleuchtung verwendet, hat die piktogrammartige
Verwendung von Herzsymbolen auch in anderen Zusammenhängen eine welt-
weite Verbreitung erfahren und ist nicht zuletzt in der modernen Werbung zu ei-
nem allgegenwärtigen Gestaltungselement geworden. Dabei hat sich insbeson-
dere die Ausformung als umgekehrtes Blatt mit zwei Rundungen, die nach unten
in eine Spitze verlaufen, als typische Gestaltungsvariante durchgesetzt. In Prä-
sentationskonzepten oder Produktaufmachungen dient das Herzsymbol als so
genannte menschliche Note (Human Touch) der Verstärkung von Werbeaussagen
oder Warenpräsentationen, durch die der angesprochenen Zielgruppe die betref-
fenden Waren besonders nahe gebracht und damit das Kaufverhalten positiv be-
einflusst werden soll. In diesem Sinne ist die Verwendung von Herzsymbolen
mittlerweile universell verständlich und dem inländischen Publikum allgemein be-
kannt. Das betreffende Bildelement der angemeldeten Marke weicht in keiner
Weise vom werbegrafischen Standard ab, weshalb es vom Verkehr lediglich als
werbeübliche Anpreisung der damit versehenen Produkte wahrgenommen werden
wird.
Insgesamt handelt es sich damit bei der Bildgestaltung der angemeldeten Marke
um eine Kombination von mehreren gebräuchlichen grafischen Einzelelementen,
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die keinen schutzbegründenden Überschuss aufweisen und nicht zu einer ausrei-
chenden Verfremdung des schutzfähigen Wortbestandteils führen (vgl. hierzu
Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl., § 8 Rdn. 266). Die Marke weist
keinerlei schutzfähige Bestandteile auf und vermag damit die Hauptfunktion einer
Marke, die Ursprungsidentität der so gekennzeichneten Waren zu gewährleisten,
nicht zu erfüllen.
Soweit sich die Anmelderin zur Ausräumung des Schutzhindernisses auf eine ihrer
Meinung nach abweichende Eintragungspraxis beruft, hat bereits die Markenstelle
zutreffend darauf hingewiesen, dass sich aus der Voreintragung möglicherweise
vergleichbarer Marken grundsätzlich kein Eintragungsanspruch für spätere Mar-
kenanmeldungen ableiten lässt. Bei der Entscheidung über die Schutzfähigkeit
einer Marke handelt es sich um eine Entscheidung, die stets einer auf den Ein-
zelfall bezogenen Prüfung unterliegt (vgl. hierzu nochmals Ströbele, a. a. O., § 8
Rdn. 25). Eine Bindung durch Voreintragungen wäre zudem nicht mit der Möglich-
keit einer Löschung von Marken wegen Vorliegens absoluter Schutzhindernisse
gemäß § 50 MarkenG zu vereinbaren.
Die Beschwerde musste somit erfolglos bleiben.
gez.
Unterschriften