Urteil des BPatG vom 19.06.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
34 W (pat) 59/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
19. Juni 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung DE 195 37 448.7-24
hat der 34. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
19. Juni 2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dr.-Ing. Ipfelkofer sowie
der Richter Hövelmann, Dipl.-Phys. Dr.rer.nat. Frohwein und Dr.-Ing. Fritze
BPatG 154
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Mit dem angefochtenen Beschluß hat die Prüfungsstelle die Anmeldung, be-
treffend eine "Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den Ausbaugeräten in
Schachtanlagen", zurückgewiesen. Im Beschluß ist ausgeführt, die beanspruchte
Anlage beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Im Verfahren sind u.a. folgende Entgegenhaltungen:
D1 K.J. Jakob: "Staubbekämpfung beim Schreitausbau" in DE-Z
"Glückauf" 125 (1989) Nr.5/6 Seiten 256, 258, 260
D2 DE 30 10 415 A1
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Patent mit
folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 und 2 vom Anmeldetag, Beschreibung Seiten
1 und 3, eingegangen am 7. Oktober 2003, Seiten 2, 4 bis 6,
Zeichnung vom Anmeldetag,
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hilfsweise mit den Patentansprüchen 1 und 2 als einzigen Patent-
anspruch, sonst wie Hauptantrag.
Ansprüche 1 und 2 lauten:
1. Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den
Ausbaugeräten, welche vor und entlang dem Fördergerät einer
Förderstrecke angeordnet sind, wobei ein Teil der Wasserdüsen
mit Wasser hohen Druckes und ein anderer Teil der Wasserdüsen
mit Wasser niederen Druckes versorgt werden, dadurch gekenn-
zeichnet, dass die Wasserdüsen hohen und niederen Druckes von
einer gemeinsamen Hochdruck-Leitung aus beschickt werden,
dass die Hochdruck-Leitung sich längs des Fördergerätes er-
streckt und im Bereich eines jeden Ausbaugerätes einen Hoch-
druck-Versorgungsanschluß (3) für Hochdruckwasser besitzt und
dass von jedem Hochdruck-Versorgungsanschluß (3) eine Leitung
zu den Hochdruck-beschickten Wasserdüsen und über eine dem
Ausbaugerät zugeordnete örtliche Druckmindereinrichtung (8) ein
Niederdruck-Versorgungsanschluß (9) für Niederdruckwasser zu
den Niederdruck-beschickten Wasserdüsen führt.
2.
Anlage nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, dass in
jedem Ausbaugerät die Hochdruck-Versorgungsleitung (4) gegen-
über der Niederdruck-Versorgungsleitung (9) durch eine Wechsel-
schaltung (Schaltventile 6, 7 sowie Wegeventil 12) verriegelt sind.
Die Anmelderin ist der Meinung, dass der Stand der Technik die Erfindung nicht
nahelege.
Wegen Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
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II
Die Beschwerde ist zulässig.
A. Hauptantrag:
1. Anspruch 1 läßt sich folgendermaßen gliedern:
1
Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den Aus-
baugeräten, welche vor und entlang dem Fördergerät einer För-
derstrecke angeordnet sind,
2
wobei ein Teil der Wasserdüsen mit Wasser hohen Druckes
und ein anderer Teil der Wasserdüsen mit Wasser niederen
Druckes versorgt werden,
3
dadurch gekennzeichnet, dass die Wasserdüsen hohen und
niederen Druckes von einer gemeinsamen Hochdruck-Leitung aus
beschickt werden,
4
dass die Hochdruck-Leitung sich längs des Fördergerätes
erstreckt und
5
im Bereich eines jeden Ausbaugerätes einen Hochdruck-
Versorgungsanschluß 3 für Hochdruckwasser besitzt und
6
dass von jedem Hochdruck-Versorgungsanschluß
3 eine
Leitung zu den Hochdruck-beschickten Wasserdüsen führt,
7
dass von jedem Hochdruck-Versorgungsanschluß
3 über
eine dem Ausbaugerät zugeordnete örtliche Druckmindereinrich-
tung 8 ein Niederdruck-Versorgungsanschluß 9 für Niederdruck-
wasser zu den Niederdruck-beschickten Wasserdüsen führt.
2. Die Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den Ausbaugeräten in
Schachtanlagen nach Anspruch 1 ist nicht patentfähig.
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Die beanspruchte Anlage mag neu sein, sie beruht jedoch nicht auf einer er-
finderischen Tätigkeit.
Als Fachmann sieht der Senat vorliegend einen Dipl.-Ing. (FH) des Maschi-
nenbaus mit Erfahrungen in der Konstruktion und Entwicklung von Ausbaugeräten
in Schachtanlagen. Da Geräte und Einrichtungen unter Tage häufig mit hydrau-
lischen Antrieben und Schaltelementen ausgerüstet sind, hat dieser Fachmann
notwendigerweise vertiefte Kenntnisse auf dem Gebiet der hydraulischen Bau-
elemente.
Die Anmeldung betrifft eine Anlage zur Staubbekämpfung im Förderstreb des
Bergbaus. In der Beschreibung der Anmeldung wird auf Seite 1 ausgeführt, dass
solche Anlagen Düsen zur Wasserverstäubung aufweisen, die teils mit Hoch-
druckwasser von ca. 150 bis 200 bar (z. B. im Bereich des Kappendachs) und teils
mit Niederdruckwasser von ca. 10 bis 40 bar (z. B. im Bereich der Hobelgasse
oder des Bruchraums) versorgt werden. Die Versorgung soll bisher von je einer
zentralen Versorgungsstation für jeden der beiden Druckbereiche sowie je einer
Leitung für Hochdruck und Niederdruck geschehen, die längs des Förderers ver-
legt werden müssen. Dies wird als aufwendig und schwierig angesehen.
Hiervon ausgehend ist der Erfindung die Aufgabe zugrundegelegt, einen Weg zur
vereinfachten Bereitstellung der Wasserversorgung für beide Arten von Bedü-
sungsanlagen aufzuzeigen, siehe geltende Beschreibung, Seite 1, Absatz 3.
Eine Lösung wird in einer Anlage mit den Merkmalen des Anspruchs 1 gesehen.
Nächstkommend ist die Entgegenhaltung DE 30 10 415 A1 (D2). Die Druckschrift
zeigt und beschreibt übereinstimmend mit Merkmal 1 des Anspruchs 1 der vor-
liegenden Anmeldung eine Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den
Ausbaugeräten, welche vor und entlang dem Fördergerät einer Förderstrecke
angeordnet sind, siehe insbesondere Ansprüche 1 und 7. Ein Teil der Wasser-
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düsen wird mit Wasser hohen Druckes und ein anderer Teil der Wasserdüsen mit
Wasser niederen Druckes versorgt, siehe insbesondere Seite 7 Absatz 3. Damit
ist Merkmal 2 des Anspruchs 1 der vorliegenden Anmeldung verwirklicht. In Über-
einstimmung mit dem kennzeichnenden Merkmal 3 werden die Wasserdüsen
hohen und niederen Druckes (Flachstrahlsprühdüsen
9 und Vollkegelsprüh-
düsen 32) von einer gemeinsamen Leitung - also einer Hochdruck-Leitung - aus
beschickt, siehe Anspruch 9 in Verbindung mit Ansprüchen 8, 7 und 1. Dem An-
spruch 1 in Verbindung mit Figur 2 und zugehöriger Beschreibung der Entge-
genhaltung entnimmt der Fachmann, dass die Hochdruck-Leitung sich längs des
Fördergerätes erstreckt und im Bereich eines jeden Ausbaugerätes einen
Hochdruck-Versorgungsanschluß (nahe an dem jeweiligen Schaltventil 25) für
Hochdruckwasser besitzt und dass von jedem Hochdruck-Versorgungsanschluß
eine Leitung 24 zu den Hochdruck-beschickten Wasserdüsen führt, vergleiche
Merkmale 4 bis 6. Den beiden Sorten von Düsen ist jeweils eine eigene Druck-
stufe zugeordnet, wobei ein Niederdruck-Versorgungsanschluß für Niederdruck-
wasser für die Niederdruck-beschickten Wasserdüsen 32 über die Leitung 35
gegeben ist, siehe Anspruch 9 und Seite 12 Absatz 2. Wegen des Rückbezugs
von Anspruch 9 auch auf Anspruch 8, der den Anschluß verschiedener Düsen "an
das gleiche Druckwassersystem" lehrt, ist die jeweils eigene Druckstufe bzw. der
Niederdruck-Versorgungsanschluß für Niederdruckwasser für die Niederdruck-
beschickten Wasserdüsen auch in Verbindung mit nur einer gemeinsamen Hoch-
druck-Leitung der Anlage durch die Druckschrift D2 offenbart. Damit ist ein Teil-
merkmal von Merkmal 7 verwirklicht.
In der D2 ist nicht ausgeführt, wie die Niederdruck-beschickten Wasserdüsen 32
der Gewinnungsgassenbedüsung im einzelnen mit Niederdruckwasser versorgt
werden. Der Fachmann, der eine Anlage zur Versorgung der Wasserdüsen an den
Ausbaugeräten mit den Merkmalen der Ansprüche 1, 7, 8 und 9 der Druck-
schrift
D2 nachbauen wollte, mußte sich daher überlegen, wie für diese
Niederdruck-beschickten Wasserdüsen, die an das gleiche Druckwassersystem,
d. h. an eine gemeinsame Hochdruck-Leitung, angeschlossen sind, Wasser mit
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dem richtigen - nämlich dem niederen - Druck bereitgestellt werden kann. Ohne
Zweifel zog er für die Versorgung durch die gemeinsame Hochdruck-Leitung ihm
am Prioritätstag bekannte und geläufige Druckmindereinrichtungen in Betracht.
Für den Anschluß der Niederdruckdüsen an solche Druckmindereinrichtungen
fielen ihm unschwer zwei Möglichkeiten ein:
- Anschluß einer jeden Niederdruckwasserdüse eines Ausbau-
geräts an je einen Druckminderer,
- Anschluß der Niederdruckwasserdüsen eines Ausbaugeräts an
einen Druckminderer.
Die erste Möglichkeit war jedoch nicht weiter zu verfolgen, da der Einzelanschluß
jeder Niederdruckwasserdüse an einen eigenen Druckminderer aufgrund der
großen Zahl von Druckminderern einen zu großen Aufwand bedeutet hätte.
Der Fachmann konnte daher aufgrund einfacher Überlegungen zu dem Einbau
von Druckmindereinrichtungen gemäß der zweiten Möglichkeit gelangen. Über
diese Druckmindereinrichtungen führt von jedem Hochdruck-Versorgungsan-
schluß ein Niederdruck-Versorgungsanschluß für Niederdruckwasser zu den
Niederdruck-beschickten Wasserdüsen eines Ausbaugeräts. Mit dieser der Lö-
sung der Aufgabe dienenden, dem handwerklichen Können des Fachmanns
zuzuordnenden Ergänzung ist die Anlage nach Anspruch 1 verwirklicht.
Die Anmelderin ist der Meinung, dass der Druckschrift D2 eine Anlage mit zwei
unterschiedlichen Druckstufen in Verbindung mit nur einer einzigen (Hochdruck-)
Wasserleitung nicht entnehmbar sei. Der in Anspruch 9 enthaltene Rückbezug auf
Anspruch 8 sei falsch, was sich aus den Absätzen 2 und 3 auf Seite 7 der D2
ergebe. Insbesondere aus der Formulierung zu Beginn des Absatzes 3, "Es ist
aber auch möglich …", gehe klar hervor, dass in den Ansprüchen 8 und 9 zwei
voneinander unabhängige Varianten der Versorgung der Düsen beansprucht sein
sollten. Dabei sei zu berücksichtigen, dass der in Anspruch 9 der Entgegen-
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haltung D2 verwendete Begriff "Druckstufe" gleichbedeutend mit dem in An-
spruch 8 verwendeten Begriff "Druckwassersystem" sei. Die Ansprüche 8 und 9
könnten somit nur als einander nebengeordnet angesehen werden. Der fach-
männische Leser müsse daher von einer üblichen Versorgung der Niederdruck-
beschickten Wasserdüsen über eine gesonderte Leitung für Niederdruckwasser
ausgehen.
Der Senat vermag sich dieser Auffassung nicht anzuschließen. Anspruch 9 umfaßt
nach seinem Wortlaut wegen der Rückbeziehung auf Anspruch 7 oder auf An-
spruch 8 zwei unterschiedliche Arten der Versorgung der verschiedenen Düsen:
Eine Anlage mit den Merkmalen der Ansprüche 1, 7 und 9 kann für die beiden
Druckstufen der Düsen zwei Druckwassersysteme mit jeweils eigener Druckstufe
aufweisen.
Eine Anlage mit den Merkmalen der Ansprüche 1, 7, 8 und 9 hat zwingend nur ein
Druckwassersystem mit einem bestimmten (nämlich dem höheren) Druck sowie
zwei Druckstufen. Der hohe und der niedere Druck für die Versorgung der unter-
schiedlichen Düsen werden von diesem einen Druckwassersystem abgeleitet.
Dafür, dass der Rückbezug des Anspruchs 9 auf Anspruch 8 als falsch aus-
geschlossen werden müsse, liefern die erwähnten Absätze 2 und 3 auf der Seite 7
wie auch die übrigen Teile der Entgegenhaltung keinen Beleg:
Besagter Absatz 2 beinhaltet wie Anspruch 8, dass die verschiedenen Sprüh-
düsen von Bruchraum und Gewinnungsgassen von einem Druckwassersystem,
also einer Leitung, mit Wasser eines bestimmten Drucks versorgt werden können.
Nach Seite 7 Absatz 3, der wie Anspruch 9 auf die Druckstufe - d. h. den Druck
vor den Düsen - abstellt, ist es aber auch möglich, die verschiedenen Sprühdüsen
mit einem jeweils angepaßten Druck zu betreiben. Der Absatz 3 läßt jedoch,
anders als Anspruch 9, offen, ob dies in Verbindung mit einer oder mit zwei
Leitungen erzielt werden soll.
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3. Anspruch 2 teilt das Schicksal des Patentanspruchs 1.
B. Hilfsantrag:
1.
Das Anspruchsbegehren nach Hilfsantrag ist zulässig. Der (einzige) An-
spruch nach Hilfsantrag umfaßt die Merkmale des Anspruchs 1 nach Hauptantrag
sowie das zusätzliche Merkmal aus dem ursprünglichen Anspruch 2,
8. dass in jedem Ausbaugerät die Hochdruck-Versorgungs-
leitung 4 gegenüber der Niederdruck-Versorgungsleitung 9 durch
eine Wechselschaltung (Schaltventile 6, 7 sowie Wegeventil 12)
verriegelt sind.
2.
Durch das hinzugefügte Merkmal wird erreicht, dass die Bedüsung nur
alternativ entweder mit den Hochdruck-beschickten Wasserdüsen oder mit den
Niederdruck-beschickten Wasserdüsen erfolgen kann.
3.
Das zusätzliche Merkmal kann in Verbindung mit den Merkmalen des
Anspruchs 1 nach Hauptantrag erfinderische Tätigkeit nicht begründen. Es ist
vielmehr als handwerkliche Maßnahme zu sehen, die der Fachmann ergänzend
vorsieht, um gleichzeitige Wasserentnahme aus der Hochdruck-Versorgungs-
leitung und der Niederdruck-Versorgungsleitung zu verhindern und damit den
Druckabfall im System zu begrenzen, wie auch um erhöhten Wasserverbrauch zu
verhindern.
Dr. Ipfelkofer
Hövelmann
Dr. Frowein
Dr. Fritze
Me