Urteil des BPatG vom 09.03.2004

BPatG: karte, unterscheidungskraft, börsenhändler, versicherungswesen, arbeitsvermittlung, ausgabe, daten, internet, patent, begriff

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 134/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 303 56 617.5
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 29. August 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der
Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 9. März 2004 aufgehoben.
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G r ü n d e
I
Die am 30. Oktober 2003 eingereichte Anmeldung der Wortmarke
JOBBERCARD
für
Finanz- und Versicherungswesen, insbesondere die Ausgabe von
Kreditkarten und Geldkarten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie
die Abwicklung des damit verbundenen bargeldlosen Zahlungs-
verkehrs
ist mit Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 vom 9. März 2004 durch einen
Beamten des gehobenen Dienstes nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
zurückgewiesen worden. Nach Auffassung der Markenstelle ist die angemeldete
Marke sprachüblich aus den auch in Deutschland allgemein bekannten Wörtern
"JOBBER" und "CARD" gebildet. In ihrer Gesamtheit besage sie lediglich, dass die
beanspruchten Finanz- und Versicherungsdienstleistungen mittels einer speziellen
Karte für den Personenkreis der Jobber erlangt würden oder damit in Zusammen-
hang stünden. Auch die von der Anmelderin in Aussicht gestellte Präzisierung des
Dienstleistungsverzeichnisses vermöge daran nichts zu ändern, weil auch hierfür
auf Jobber bezogene Daten von Bedeutung sein könnten oder die Abwicklung des
damit verbundenen bargeldlosen Zahlungsverkehrs mit "Jobbercards" erfolgen
könne. Ebenso wenig rechtfertigten die fehlende lexikalische Belegbarkeit der
Wortbildung oder der Hinweis der Anmelderin auf ihrer Ansicht nach vergleichbare
Markeneintragungen eine andere Beurteilung.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der
sie sinngemäß beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 9. März 2004 aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass die Wortkombination "JOBBER CARD" weder
sprachüblich gebildet noch in dieser Kombination bekannt sei. Ihre Existenz sei
nicht belegbar. Die Kombination der beiden Markenwörter sage nicht aus, um was
es gehe. Sie sei ausreichend interpretationswürdig und verfüge über eine ausrei-
chende Unterscheidungskraft. Ergänzend verweist die Anmelderin auf Voreintra-
gungen von Marken wie "MYCARD", "AutoCard", "LifeCard", "JobCard" und
"BahnCard".
Mit Eingabe vom 28. August 2006 hat die Anmelderin das Dienstleistungsver-
zeichnis eingeschränkt. Es lautet nunmehr:
"Finanzdienstleistungen, nämlich die Ausgabe von Kreditkarten
und Geldkarten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie die Ab-
wicklung des damit verbundenen Zahlungsverkehrs; Versiche-
rungswesen".
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke
für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute
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Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG stehen der Eintragung
der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die
die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung aus-
geschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Be-
zeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geografischen Her-
kunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistun-
gen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen
dienen können.
Die angemeldete Marke setzt sich erkennbar aus den beiden Wörtern "JOBBER"
und "CARD" zusammen, die mit den Bedeutungen "Gelegenheitsarbeiter" und
"Karte" längst Eingang in die deutsche Sprache gefunden haben und von jeder-
mann ohne Weiteres verstanden werden. Nach dem natürlichen Sprachverständ-
nis weist die angemeldete Marke damit für breite inländische Verkehrskreise die
Gesamtbedeutung einer "Gelegenheitsarbeiter-Karte", also einer Karte für Jobber
auf. Naheliegende Einsatzgebiete einer Karte mit diesem Bedeutungsgehalt wären
etwa die Arbeitsvermittlung und/oder der Arbeitsantritt bei wechselnden Arbeitge-
bern, wobei die Karte arbeitstechnisch relevante Daten enthalten könnte, etwa
über die Identität, Qualifikation und den Beschäftigungsrahmen (z. B. 400 € - Job)
oder abgeleistete Arbeitszeiten ihres Inhabers. In einem vergleichbaren Zusam-
menhang, nämlich als eine in der Arbeitssuchenden-Kartei des Arbeitsamts ge-
führte Karte, war die deutsche Variante "Jobberkarte" der angemeldeten Wort-
kombination belegbar (vgl. www.esslinger-zeitung.de/lokal/esslingen/esslingen/ar-
tikel35084.cfm: "… Deshalb empfiehlt der Teamleiter der Arbeitsvermittler allen
Ferienjob-Aspiranten, möglichst rasch in der Jobvermittlung der Agentur für Arbeit
vorbeizuschauen und eine Jobberkarte auszufüllen, in der alle persönlichen Daten
vermerkt sind, um eine möglichst passgenaue Vermittlung zu garantieren. …").
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Bei diesem Online-Artikel der Eßlinger Zeitung handelt es sich um die einzige
deutschsprachige Internet-Fundstelle, bei der der Senat die angemeldete Wort-
kombination bzw. eine ihr sprachlich gleichkommende Variation in einem be-
schreibenden Zusammenhang auffinden konnte, und dies auch nur in Zusammen-
hang mit Arbeitsvermittlung. Daneben hat sich noch eine "jobbercard" in rein mar-
kenmäßiger Verwendung auffinden lassen, ebenfalls in Zusammenhang mit (hier:
privater) Arbeitsvermittlung (vgl. www.nebenjob.de/jobbercard_inhalt.html). Vorlie-
gend geht es jedoch nicht um Arbeitsvermittlung oder vergleichbare Dienstleistun-
gen aus dem Arbeitsumfeld von Jobbern, sondern um Finanz- und Versiche-
rungswesen. Zwar sind theoretisch besondere Zahlungs- oder Versicherungskon-
ditionen für Jobber denkbar, ebenso die Erbringung von Finanz- oder Versiche-
rungsdienstleistungen durch Jobber. Das Ergebnis der Senatsrecherche hat aber
keine Hinweise darauf ergeben, dass tatsächlich entsprechend spezialisierte Fi-
nanz- oder Versicherungsbedingungen angeboten bzw. umgekehrt erbracht wer-
den, die eine besondere Bezeichnung als spezielle "Jobber"-Finanz- oder Versi-
cherungsdienstleistungen wahrscheinlich machen. Erst recht ließen sich keine
Hinweise dafür auffinden, dass solche Konditionen oder sonstige speziell auf Job-
ber ausgerichteten Finanz- oder Versicherungsdienstleistungen unter Ausgabe
von irgendwelchen Karten für Jobber erbracht werden, obwohl es bereits seit lan-
gem Jobber und Kartenzahlungsmittel gibt. Unter dem Gesichtspunkt der Bedeu-
tung einer "Gelegenheitsarbeiter-Karte" haben sich damit keine zureichenden An-
haltspunkte für ein Freihaltungsbedürfnis i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erge-
ben.
Gleiches gilt, soweit die Bedeutung einer Karte für Börsenhändler in Betracht
kommt. Denn der Begriff "jobber" kann im Englischen, was die Markenstelle nicht
ermittelt hat, die Bedeutung eines Aktien-, Börsenhändlers oder -maklers aufwei-
sen, so dass die Anmeldemarke für die beanspruchten Dienstleistungen eine
Karte für Börsenhändler oder -makler bezeichnen könnte. Jedoch finden sich in
vielen Wörterbüchern, insbesondere Fachwörterbüchern des Wirtschaftswesens,
häufig Hinweise darauf, dass es sich bei einem solchen Börsen-"Jobber" um einen
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lediglich britischen Fachbegriff zu handeln scheint. So wird der Ausdruck "jobber"
etwa im ausführlichen Großlexikon "Knapps Enzyklopädisches Lexikon des Geld-,
Bank- und Börsenwesens" als ein Händler an der Londoner Börse erläutert, der im
Gegensatz zu Brokern nur auf eigene Rechnung kauft oder verkauft
(vgl. a. Langenscheidts Enzyklopädischen Wörterbuch -
"Der Große Muret-
Sanders", 12.
Aufl.: "… 5.
Br. Aktienhändler, Börsenmakler, -spekulant";
Langenscheidt-Routledge, Fachwörterbuch Wirtschaft, Handel und Finanzen:
"… 2. (BE) pre-Big Bang term for a market-maker on the London Stock
Exchange"). Auch in wirtschaftlich spezialisierten Online-Fachwörterbüchern oder
-glossaren wird zumeist die Bedeutung eines Eigenhändlers an der Londoner
Börse aus der Zeit vor der Reform der Londoner Börse 1986 ("Big Bang") erläutert
(vgl. etwa www.foerderland.de; http://nachrichten.boerse.de/wissen.php3?text-
= lexikon&was=B&id=247; http://de.mimi.hu/finanz/haendler.html.).
Bei einer Internet-Recherche unter Eingabe der parallelen Suchwörter "jobber"
und "Börse" (ohne Stringsuche), konnte der Senat insbesondere keinen Hinweis
darauf finden, dass an deutschen Börsen oder wenigstens in Zusammenhang mit
deutschen Börsengeschäften irgendwelche "Jobber" i. S. v. Börsenhändler tätig
sind. Insoweit handelt es sich offenbar um einen auf Großbritannien bzw. die Lon-
doner Börse beschränkten Spezialbegriff, der im Gegensatz zu amerikanischen
Börsenbegriffen keinen Eingang in das deutsche Börsenwesen und seinen
Sprachgebrauch gefunden hat. Vielmehr zeigte auch die o. g. Internet-Recherche,
dass unter einem "Jobber" in Deutschland offenbar ausschließlich ein Gelegen-
heitsarbeiter verstanden wird.
Damit kann allenfalls vom fachlich versierten inländischen Verkehrsteilnehmer, der
auch Spezialbegriffe des britischen Börsenwesens kennt, die Kenntnis eines "Job-
bers" als Eigenhändler an der Londoner Börse erwartet werden. Dieser Fachver-
kehrsteilnehmer wird sich aber fragen müssen, was denn nun eine
"JOBBERCARD" ist, wenn ihm dieses Wort als Kennzeichnung der beanspruchten
Dienstleistungen begegnet. Eine Internetrecherche nach dem orthografisch korrekt
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geschriebenen Gesamtbegriff "jobber card" (mit Stringsuche, d. h. Eingabe des
Gesamtbegriffs als zwei Wörter unter Verwendung von Anführungszeichen) ergab
keinen einzigen Hinweis, der mit dem Börsenwesen in Verbindung steht. Von den
nur 17 Treffern der Suchmaschine A… (Suche im gesamten Web) bezogen
sich drei Treffer auf Groß- bzw. Zwischenhändler (kein Zusammenhang mit Fi-
nanz-, Börsen- oder Versicherungswesen), während sich der überwiegende Teil
der Treffer auf das amerikanische Wrestling (Catchen) bezog. In der Fachsprache
des Wrestling wird unter dem Begriff "jobber card" offenbar eine Veranstaltungs-
reihe von Showkämpfen verstanden, in denen Catcher eingesetzt werden, die ih-
ren Kampf (berufsmäßig) verlieren. Dies bedarf hier keines weiteren Eingehens,
da es insoweit an jeglichem Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen fehlt.
Wenn also offenbar noch nicht einmal an der Londoner Börse ein fester Gesamt-
begriff "jobber card" zu bestehen scheint, wird dies erst recht für das deutsche
Börsenwesen gelten. Dies gilt umso mehr, als die Anmelderin die beanspruchten
Finanzdienstleistungen im Beschwerdeverfahren auf die Ausgabe von Kreditkar-
ten und ähnlichen Zahlungsmedien sowie die Abwicklung damit verbundenen
Zahlungsverkehrs beschränkt hat. Denn es ist nicht nachvollziehbar, dass Bör-
senhändler ihre Geschäfte mit Hilfe von Karten als verkehrswesentlichem Werk-
zeug bzw. Zahlungsinstrument abwickeln. Die in der Finanzwelt üblichen Scheck-,
Kredit- oder sonstigen Zahlungskarten haben eine Identifizierungs- und Legitimie-
rungsfunktion, die zum Inhaber der Karte bzw. seinem Konto führen. Ein zugelas-
sener Börsenhändler agiert hingegen ohne hinderliche Benutzung einer Karte und
rechnet direkt über seine Konten ab. Soweit ein Börsenhändler hingegen eine
"jobber card" nur als Ausweis über seine Zutrittsberechtigung zum Börsenparkett
benötigen würde, handelt es sich allenfalls um einen Aspekt von Sicherheits- oder
Verwaltungsdiensten, nicht aber der beanspruchten Dienstleistungen. Damit sind
für die vorliegend beanspruchten Finanzdienstleistungen, erst recht für Versiche-
rungswesen keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme
einer Merkmalsbezeichnung vorhanden, so dass ein Eintragungshindernis nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht festgestellt werden kann.
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Die angemeldete Marke weist auch die erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbrau-
cher oder Endabnehmer die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeich-
neten Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft
im Sinne dieser Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu
verstehen, Waren oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend
zu kennzeichnen und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unter-
scheiden (vgl. EuGH GRUR 2002, 804 Nr. 35 - Philips/Remington; GRUR 2004,
428 Nr. 30, 48 - Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf
die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die
beteiligten Verkehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informier-
ten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder
Dienstleistungen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Wa-
ren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt
zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der
deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa
wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches
und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tat-
sächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH
GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Den danach an die Unterscheidungskraft zu stellenden Anforderungen wird die
angemeldete Bezeichnung gerecht. Wie oben dargelegt, konnte ihr weder ein ein-
deutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungsgehalt zugeordnet
werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie nur als solche und
nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird. Vielmehr regt die
nach ihrem natürlichen Wortverständnis in den Bereich der Arbeitswelt gehörende
Bezeichnung "JOBBERCARD" zum Nachdenken an, ob und inwieweit Finanz-
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oder Versicherungsdienstleistungen der beanspruchten Art auf Jobber spezialisiert
sein können oder sonst wie mit ihnen in Beziehung stehen und dabei durch eine
Karte verkörpert werden können.
gez.
Unterschriften