Urteil des BPatG vom 15.04.2008

BPatG: farbe, maschine, patentfähigkeit, patentanspruch, erfindung, kunststoff, kennzeichen, auflage, begriff, teilung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 14/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 197 58 872.7 - 45
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 15. Oktober 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Schröder, der Richter Harrer und Dr. Gerster sowie der Richterin Dr. Schuster
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I
Mit Beschluss vom 15. April 2008 hat die Prüfungsstelle für Klasse B41M des
Deutschen Patent- und Markenamts die durch Teilung aus der am 13. Novem-
ber 1997 angemeldeten Patentanmeldung 197 50 259.8 hervorgegangene Patent-
anmeldung 197 58 872.7 - 45 mit der Bezeichnung
„Verfahren zum mehrfarbigen Bedrucken von nichtsaugendem Material“
gemäß PatG § 48 zurückgewiesen.
Dem Beschluss liegen die Patentsprüche 1 bis 7 vom 7. März 2008 zu Grunde,
von denen die Ansprüche 1 und 6 wie folgt lauten:
„1. Verfahren zum mehrfarbigen Bedrucken von plattenförmigen Bedruckstoffen
mit glatter, nichtsaugender Oberfläche wie beispielsweise Kunststoff-, Plastik-
oder Metallplatten (1), bei dem
- der Bedruckstoff (1) im Flexodruckverfahren bedruckt wird,
- jeder zu druckenden Farbe ein eigenes Druckwerk (3, 13, 23, 33) ent-
haltend ein Kurzfarbwerk (6), einen Zylinder (5) für eine Flexodruckform
und einen Gegendruckzylinder (8) zugeordnet ist,
- die Farbe durch eine mit einem Kammerrakel zusammenwirkende Ras-
terwalze (16) auf die Flexodruckplatte aufgetragen wird,
- die Farbe auf den Bedruckstoff stets vor dessen Zuführung zum nächs-
ten Druckwerk getrocknet wird und
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- wobei die Flexodruckform während des Druckauftrags mehrfach gerei-
nigt wird, indem die Farbe in den Vertiefungen (12a) bzw. an den Flanken
der druckenden Flächen der Flexodruckform (12) entfernt wird.
6.
Druckmaschine zum mehrfarbigen Bedrucken von plattenförmigen Bedruck-
stoffen mit glatter, nicht saugender Oberfläche, wie beispielsweise Kunststoff-,
Plastik- oder Metallplatten (1), mit
- mehreren, jeweils einer Farbe zugeordneten Einzeldruckwerken (3, 13,
23, 33), die in Reihenbauweise angeordnet sind und ein Kurzfarbwerk (6)
mit einer Kammerrakel und einer Rasterwalze, einen Zylinder (5) für eine
Flexodruckform, eine Reinigungsvorrichtung (10) zum Entfernen von
Farbe von der betreffenden Flexodruckform und einen Gegendruckzylin-
der (8) sowie eine Trocknungseinrichtung (11) für die Druckfarbe enthal-
ten, und mit
- einer mit den Reinigungsvorrichtungen in jedem Druckwerk (3, 13, 23,
33) verbundenen Steuerung (34), der Reinigungsintervalle eingebbar sind,
- wobei die Gegendruckzylinder (8) in jedem Druckwerk und die Transfer-
zylinder (9) zwischen den Druckwerken mindestens den doppelten Durch-
messer wie die Druckformzylinder (5, 7) besitzen.“
Die Ansprüche 2 bis 5 sind auf Weiterbildungen des Verfahrens nach Anspruch 1
gerichtet, der Anspruch 7 auf die Ausgestaltung der Vorrichtung nach Anspruch 6.
Wegen ihres Wortlauts wird auf die Akten verwiesen.
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, das Verfahren der vorlie-
genden Trennanmeldung sei gegenüber dem in der Stammanmeldung beschrie-
benen Verfahren unzulässig erweitert. In der Stammanmeldung sei das Verfahren
nach Anspruch 1 auf ein indirektes Flexodruckverfahren gerichtet, während an kei-
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ner Stelle die Lösung der Aufgabe durch das direkte Flexodruckverfahren, wie
nunmehr beansprucht, offenbart sei. Da der Schutzumfang der Trennanmeldung
nur innerhalb des Offenbarungsgehalts der Stammanmeldung festgelegt werden
könne, sei die Trennanmeldung auf Grund unzulässiger Erweiterung zurückzuwei-
sen gewesen.
Gegen den Beschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Die Anmelderin vertritt im Wesentlichen die Auffassung, es sei auf Grund der in
der Anmeldung insgesamt dargelegten Problemstellung, einschließlich der formu-
lierten Aufgabe sowie der beanspruchten Lösungsmerkmale und Vorteile, für den
Fachmann offensichtlich gewesen, dass es keinen Unterschied mache, ob das
Verfahren ein indirektes oder direktes Druckverfahren sei und ob die Maschine
noch zusätzlich Übertragungszylinder besitze oder nicht. Insbesondere im Hinblick
auf den Kostenaspekt sei zudem, wie bereits im Prüfungsverfahren vorgetragen,
ersichtlich gewesen, beim Bau größerer Stückzahlen die Maschine kostengünsti-
ger ohne Übertragungszylinder herzustellen, während die Herstellung eines Ein-
zelstückes ausgehend von einer bekannten Offsetdruckmaschine durch Belassen
des Übertragungszylinders in der Maschine die kostengünstigere Variante sei. Im
Übrigen entnehme der Fachmann den ursprünglich in der Stammanmeldung ein-
gereichten Unterlagen die Lehre, dass das Verfahren mit den im geltenden
Anspruch 1 angegebenen Verfahrensschritten auszuführen sei, da der Übertra-
gungszylinder lediglich in der Beschreibung des Ausführungsbeispiels und eher
beiläufig auftauche. Keine in diesem Zusammenhang zu nennende Textstelle
lasse erkennen, dass der Übertragungszylinder ein notwendiges Merkmal zur
Durchführung des beanspruchten Verfahrens sei. Insoweit habe der Fachmann
das Verfahren nach Anspruch 1 der Trennanmeldung als zur Erfindung gehörend
betrachtet. Da alleiniges Kriterium dafür, ob eine unzulässige Erweiterung vorliege
oder nicht, nach ständiger Rechtsprechung jedoch nur sein könne, ob der verstän-
dige Fachmann das, was im Patentanspruch beansprucht sei, in den ursprüngli-
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chen Unterlagen als zur Erfindung gehörig erkenne, liege eine unzulässige Erwei-
terung hier nicht vor.
Schließlich erfülle das Verfahren sowie die Druckmaschine nach den Ansprü-
chen 1 und 6 die weiteren Kriterien der Patentfähigkeit, denn dies sei für den
Gegenstand des Stammpatents bejaht worden, wobei dessen Gegenstand sich
vom Gegenstand nach Anspruch 1 der Trennanmeldung nur dadurch unter-
scheide, dass eine Alternative weggefallen sei bzw. bei der Druckmaschine nach
Anspruch 6 ein weiteres Merkmal hinzugekommen sei.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss vom 15. April 2008 aufzuheben
und das Patent mit den eingereichten Unterlagen zu erteilen,
höchsthilfsweise den Fall an das Patentamt zurückzuverweisen mit der
Maßgabe, die im Zurückweisungsbeschluss nicht adressierten Vorausset-
zungen der Patentfähigkeit zu prüfen und das Patent dann gegebenenfalls
zu erteilen.
Auf die Ladung zur mündlichen Verhandlung hat sie mitgeteilt, sie werde am Ter-
min nicht erscheinen. Sie hat beantragt, den Termin zur mündlichen Verhandlung
aufzuheben und im schriftlichen Verfahren unter Berücksichtigung ihres Vorbrin-
gens im Prüfungsverfahren sowie in der Beschwerdebegründung zu entscheiden.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
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II
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist zulässig (PatG § 73), jedoch nicht begrün-
det.
1.
Der geltende Anspruch 1 ist unzulässig erweitert.
Die Offenbarung des geltenden Anspruchs 1 ist hinsichtlich der Lösung der Auf-
gabe durch ein direktes Flexodruckverfahren nicht gegeben. In der Stammanmel-
dung DE 197 50 259 A1 sind Verfahren - sowie Vorrichtung - ausschließlich auf
den indirekten Flexodruck, d. h. auf das Lettersetverfahren, abgestellt (vgl.
DE 197 50 259 A1, Ansp. 1 und 10 i. V. m. Sp. 1, Z. 65 bis Sp. 2, Z. 11). Letterset
ist die Bezeichnung für den indirekten Hochdruck, der auch Trockenoffset genannt
wird. Es ist keine Feuchtung nötig. Dagegen bezeichnet der Begriff „Flexodruck-
verfahren“ lediglich ein Hochdruckverfahren, bei dem die druckenden Elemente
einer elastischen, flexiblen Druckform erhöht sind. Damit ist der Patentanspruch 1
der Trennanmeldung auf eine funktionell andere Lösung, ein Aliud, gerichtet, als
sie in den ursprünglichen Unterlagen offenbart ist. Die offenbarte Lehre darf aber
nicht gegen eine andere ausgetauscht werden (Busse PatG 6. Auflage, § 38
Rn. 19 m. w. N.). Zudem ist zu beachten, dass nach höchstrichterlicher Recht-
sprechung Versuchen, die Grenzen der Ursprungsoffenbarung zu überschreiten,
durch eine besonders aufmerksame Prüfung auf Änderungen, die den Gegen-
stand der Anmeldung erweitern, bei Trennanmeldungen entgegen getreten wer-
den muss (BGH BlPMZ 2003, 66, 68 re. Sp. Abs. letzter Satz - Sammelhefter).
Soweit die Anmelderin die Auffassung vertritt, für den Fachmann sei offensichtlich
gewesen, dass es keinen Unterschied mache, ob das Verfahren ein indirektes
oder direktes Druckverfahren sei und ob die Maschine noch zusätzlich Übertra-
gungszylinder besitze oder nicht, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn im Brücken-
absatz der Seiten 2/3 der ursprünglichen Beschreibung der Stammanmeldung vor
den Absätzen 1, 2 und 3 der Seite 3, auf die die Anmelderin zur Stützung ihres
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Einwandes Bezug genommen hat, wird zur Lösung der Aufgabe ausschließlich
das indirekte Flexodruckverfahren in Betracht gezogen, wobei der Wegfall der
Feuchtung - wie vorstehend erläutert ein Kennzeichen des Lettersetverfahrens -
besondere Vorteile bei der Durchführung des Verfahrens bringt (vgl. urspr. Beschr.
der Stammanmeldung S. 3, 2. vollständiger Abs.). Der Fachmann konnte dieser
Angabe, entgegen der von der Anmelderin vertretenen Auffassung, entnehmen,
dass gerade das indirekte Flexodruckverfahren die gestellte Aufgabe löst.
Insoweit macht sich der Senat die Begründung des Zurückweisungsbeschlusses
in vollem Umfang zu eigen (BGH GRUR 1993, 896 - Leistungshalbleiter).
Der geltende Anspruch 1 ist daher nicht gewährbar.
Die vorstehenden Ausführungen gelten gleichermaßen für den auf eine Druckma-
schine gerichteten Anspruch 6, der unabhängig von den zusätzlich aufgenomme-
nen Merkmalen durch Weglassen des Übertragungs-(Gummituch-)-zylinders
unzulässig erweitert ist. Der Anspruch 6 ist daher ebenfalls nicht gewährbar. Die
auf die Patentansprüche 1 und 6 rückbezogenen Ansprüche 2 bis 5 und 7 teilen
das Schicksal dieser Ansprüche (BGH GRUR 1997, 120 - Elektrisches Speicher-
heizgerät).
2.
Bei dieser Sachlage erübrigt es sich zu prüfen, ob die Streitanmeldung die
weiteren Kriterien der Patentfähigkeit erfüllt, wie dies die Anmelderin beantragt
hat. Auch eine Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt ist aus
Sicht des Senats nicht angezeigt, da keiner der in § 79 (3) PatG genannten
Gründe vorliegt.
Schröder
Harrer
Gerster
C. Schuster
Fa