Urteil des BPatG vom 23.10.2007

BPatG (grundsatz der perpetuatio fori, patentfähige erfindung, perpetuatio fori, einspruch, patent, gegenstand, bundespatentgericht, information, patg, vorbenutzung)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 309/05
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 195 36 895
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 23.
Oktober
2007 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Schneider und Dipl.-Ing.
Hildebrandt
beschlossen:
Das Patent 195 36 895 wird widerrufen.
G r ü n d e
I.
Gegen das am 2. Dezember 2004 veröffentlichte Patent 195 36 895 mit der Be-
zeichnung „Schalung für Betonstützen“ ist am 24. Februar 2005 Einspruch erho-
ben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung ge-
stützt, der erteilte Anspruch 1 sei unzulässig abgeändert, er sei nicht neu und be-
ruhe auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende u. a. auf eine offenkun-
dige Vorbenutzung, welche sie durch eine technische Information mit dem Titel
„PAX-Stützenschalung“, Ausgabe 9/95 sowie einen Ausschnitt aus „Allgemeine
Bauzeitung“ belegt. Außerdem bietet sie Zeugenbeweis für die Richtigkeit ihrer
Ausführungen an.
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Die Einsprechende beantragt,
das Patent 195 36 895 zu widerrufen.
Der Patentinhaber hat sich zu dem Einspruchsvorbringen nicht geäußert.
Der erteilte Anspruch 1 lautet:
„Schalung (10) für Betonstützen (11) mit rechteckigem oder qua-
dratischem Querschnitt, mit vier je eine rechteckig-plattenförmige
Schalhaut (17) umfassenden Schalungselementen (13, 14, 15 und
16), die um parallele Achsen schwenkbar gelenkig miteinander
verbunden sind und in einer durch Anschlagwirkung markierten
geschlossenen Konfiguration der Schalung (10) sicherbar sind,
gekennzeichnet durch die folgenden Merkmale:
a)
die Schalungselemente (13 bis 16) umfassen je einen die
Schalhaut (17) tragenden Winkelrahmen (18), der mehrere Win-
kelelemente (26) umfasst, die, gesehen in der Gebrauchslage der
Schalung (10), in gleichen vertikalen Abständen übereinander an-
geordnet sind;
b) die
Winkelelemente
(26)
umfassen je einen Anlageschen-
kel (27), an denen die Schalhaut (17) in einer Anlageebene (34)
anliegt und einen Lochschenkel (28), der an der der Schal-
haut (17) abgewandten Seite des Anlageschenkels (27) bzw. des
Winkelrahmens (18) angeordnet ist und zum jeweiligen Anlage-
schenkel (27) rechtwinklig verläuft, wobei der Lochschenkel mit
äquidistant angeordneten Löchern (30) versehen ist, deren Loch-
abstand die Schrittweite bedingt, mit der die lichten Querschnitts-
maße der Schalung veränderbar sind;
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c)
die Schalhaut (17) ist an dem jeweiligen Schalungselement
(13 bis 16) so befestigt, dass ihre eine, innere schmale Längs-
stirnfläche (17’) bündig an die Rahmenecke (18’) des Winkelrah-
mens (18) anschließt;
d) die
Anlageschenkel
(27)
sind
länger als die Breite (b) der
Schalhäute;
e) an den freien Enden der Anlageschenkel
(27) sind als
Gelenkelemente dienende U-Profilstücke (36) angeordnet, mit de-
nen die Lochschenkel (28) eines benachbarten Schalungsele-
ments derart in Eingriff bringbar sind, dass Ausbohrungen (37) des
einen Schalungselements mit übereinander angeordneten Lö-
chern (30) des benachbarten Schalungselements fluchtend ange-
ordnet sind und durch die miteinander fluchtenden Löcher (30)
und Bohrungen (37) Gelenkbolzen (38) hindurchsteckbar sind, die
gegen axiale Verrückungen sicherbar sind;
f)
die Gelenkelemente (36) der Winkelelemente (26) sind so di-
mensioniert, dass im geschlossenen Zustand der Schalung (10),
dem paralleler Verlauf der jeweils gelenkig miteinander verbunde-
nen Anlageschenkel (27) und der Lochschenkel (28) entspricht,
deren lichter Abstand a der Dicke der Schalhaut (17) entspricht.“
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche sowie wegen
weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Ein-
spruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung
zuständig geworden, weil der Einspruch im in dieser Vorschrift genannten Zeit-
raum beim Deutschen Patent- und Markenamt eingegangen ist. Gegen die Zu-
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ständigkeit des Bundespatentgerichts für das Einspruchsverfahren nach dieser
Vorschrift bestehen weder unter dem Aspekt der Rechtsweggarantie (Art. 19
Abs. 4 GG) noch unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitssatzes (Art. 3 Abs. 1
GG) verfassungsrechtliche Bedenken (vgl. BGH X ZB 9/06 v. 17. April 2007
- Informationsübermittlungsverfahren I).
Das Bundespatentgericht ist auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen
Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori, der
u. a. in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO seine gesetzliche Ausprägung gefunden hat, zu-
ständig geblieben (vgl. hierzu auch 23 W (pat) 327/04; 23 W (pat) 313/03;
19 W (pat) 344/04; BGH X ZB 6/05 v. 27. Juni 2007 Seite 6 - Informationsüber-
mittlungsverfahren II).
2. Der frist- und formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert
und auch im Übrigen zulässig.
3. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt keine patentfähige Erfin-
dung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
Es mag dahinstehen, ob der erteilte Anspruch 1 gegenüber den ursprünglichen
Unterlagen unzulässig abgeändert worden ist oder nicht, da sein Gegenstand zu-
mindest gegenüber dem Gegenstand der offenkundigen Vorbenutzung nicht neu
ist.
Die technische Information „PAX-Stützenschalung“, an deren offenkundiger Vor-
benutzung aufgrund des aufgedruckten Veröffentlichungsdatums und der Eigen-
schaft als gedrucktes technisches Informationsblatt keine vernünftigen Zweifel be-
stehen können, offenbart eine Schalung mit sämtlichen Merkmalen des erteilten
Anspruchs 1. Denn wie sich schon allein durch ein einfaches „Lesen“ des erteilten
Anspruchs 1 auf die drei am rechten Rand der technischen Information „PAX-Stüt-
zenschalung“ angeordneten Darstellungen ergibt, ist dort eine Schalung für Be-
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tonstützen beschrieben, bei der sich alle Merkmale des erteilten Anspruchs 1 wie-
der finden lassen. Den diesbezüglichen detaillierten Ausführungen in der Ein-
spruchsbegründung schließt sich der Senat an.
Der erteilte Anspruch 1 ist somit nicht bestandsfähig.
Die rückbezogenen Unteransprüche fallen notwendigerweise mit dem Hauptan-
spruch (vgl. BGH GRUR 1989, 103 „Verschlussvorrichtung für Gießpfannen“
i. V. m. BGH GRUR 1980, 716 „Schlackenbad“).
Lischke Guth
Schneider
Hildebrandt
Cl