Urteil des BPatG vom 15.10.2001

BPatG: verwechslungsgefahr, kunststoff, meinung, kennzeichnungskraft, unternehmen, winter, patent, haus, hof, begriff

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 41/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
15. Oktober 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die angegriffene Marke 397 10 323
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 15. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann sowie der Richterin Winter und des Richters Schramm
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluß der
Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 10. April 2000 aufgehoben, soweit darin der Widerspruch aus
der Marke 641 319 zurückgewiesen worden ist.
Wegen der Gefahr von Verwechslungen mit der IR-Marke 641 319
wird die Löschung der eingetragenen Marke 397 10 323 angeord-
net.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung SIMA ist unter der Nummer 397 10 323 am 28. Mai 1997 für Wa-
ren der Klassen 6, 19 und 20 in das Markenregister eingetragen worden. Die Ver-
öffentlichung der Eintragung erfolgte am 19. Juli 1997. Die Inhaberin der an-
gegriffenen Marke hat im Beschwerdeverfahren das Warenverzeichnis der jünge-
ren Marke zuletzt wie folgt gefaßt: "Mechanische Tore mit Teilen aus Metall
und/oder Kunststoff sowie deren Antriebe", hilfsweise "Motorisch angetriebene
Deckenlauftore mit Teilen aus Metall und/oder Kunststoff sowie deren Antriebe".
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Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren IR-Marke 641 319 SYMA, seit
1995 international registriert für Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 19,
20, 38, 41 und 42.
Die Markenstelle für Klasse 6 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in ei-
nem Erstbeschluß angesichts ähnlicher Waren und klanglich gleicher Marken die
Verwechslungsgefahr bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeord-
net. Im Erinnerungsverfahren ist dieser Beschluß aufgehoben und der Wider-
spruch zurückgewiesen worden, da – nach einem im Erinnerungsverfahren er-
folgten Teilverzicht – keine Warenähnlichkeit bestehe.
Die Widersprechende hat Beschwerde eingelegt. Sie hält mit näheren Ausführun-
gen wegen Warenähnlichkeit die Gefahr von Verwechslungen für gegeben.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält mit näheren Ausführungen unter Hinweis auf unähnliche Waren und mar-
kant unterschiedliche Marken Verwechslungsgefahr für ausgeschlossen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie
auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg.
Es besteht Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, so daß
wegen des Widerspruchs aus der IR-Marke 641 319 die Löschung der Eintragung
der angegriffenen Marke anzuordnen ist.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr erfolgt durch Gewichtung von in Wech-
selbeziehung zueinander stehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der
Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren sowie der Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke, so daß ein geringer Grad der Ähnlichkeit
der Waren durch einen hohen Grad der Ähnlichkeit der Marken ausgeglichen wer-
den kann und umgekehrt (stRspr, zB EuGH MarkenR 1999, 22 - CANON; BGH
MarkenR 1999, 297 - HONKA).
Der Senat geht mangels entgegenstehender Anhaltspunkte von einer durch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft und damit von einem normalen Schutzumfang
der Widerspruchsmarke aus. Die sich gegenüberstehenden Markenwörter weisen
allerdings im Klang deutliche Annäherungen auf, wenn "Y" gegenüber "I" wie "Ü"
gesprochen wird und können bei Aussprache des "Y" wie "I" (was hier im Hinblick
darauf nicht fernliegt, daß das Zeichen weniger an ein Fremdwort erinnert, son-
dern wie ein deutsches Wort (vgl zB Zylinder) gesprochen werden kann) auch
identisch klingen. Unter diesen Umständen bedarf es eines deutlichen Abstandes
im Bereich der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen, um die
Verwechslungsgefahr verneinen zu können. Ein derart deutlicher Abstand liegt
nicht vor.
Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist entscheidend, ob die beiderseitigen
Waren in Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren, die ihr Verhältnis zueinan-
der kennzeichnen – insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen be-
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trieblichen Herkunft, ihrer regelmäßigen Vertriebs- oder Erbringungsart, ihrem
Verwendungszweck und ihrer Nutzung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Ei-
genart als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Produkte und
Leistungen – so enge Berührungspunkte aufweisen, daß die beteiligten Verkehrs-
kreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus denselben oder wirtschaftlich
verbundenen Unternehmen, sofern sie mit identischen Marken gekennzeichnet
sind (vgl Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 41 mwN).
Der Senat geht auf Seiten der angegriffenen Marke von der zuletzt im Beschwer-
deverfahren erfolgten Fassung des Warenverzeichnisses aus, ungeachtet der
Frage, ob darin hinsichtlich der Antriebe eine unzulässige Erweiterung liegt. Die
danach maßgeblichen Waren "Mechanische Tore mit Teilen aus Metall und/oder
Kunststoff sowie deren Antriebe" auf Seiten der angegriffenen Marke können aber
Berührungspunkte in dem genannten Sinn zu den Waren der Widerspruchsmarke
aufweisen. Denn die im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen
Oberbegriffe "Matériaux de construction métalliques" und "Matériaux de construc-
tion non métalliques", also Baumaterialien aus Metall und Baumaterialien nicht aus
Metall, stehen den speziellen Toren der angegriffenen Marke nach den oben an-
geführten Kriterien durchaus nahe. Ob dabei der Begriff "Baumaterialien" generell
alles umfaßt, was bei der Errichtung von Haus und Hof verwendet wird (vgl PAVIS
PROMA Kliems – 28 W (pat) 15/96 CLASSICO/Classico), kann hier dahingestellt
bleiben, weil vorliegend abgesehen vom Verwendungszweck die Beschaffenheit
des verwendeten Materials identisch ist; dies führt zu Überschneidungen bei den
Herstellungsbedingungen sowie im Vertrieb. Auf Grund dieser Umstände können
die beteiligten Verkehrskreise zu der Meinung gelangen, die Waren stammten aus
denselben oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen. Hieran ändert auch die
hilfsweise vorgelegte Fassung des Warenverzeichnisses nichts: es bleibt bei
Überschneidungen im Verwendungszweck und in der Beschaffenheit.
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Zu einer Auferlegung von Kosten besteht kein Anlaß (§ 71 Abs 1 MarkenG).
Dr. Buchetmann
Winter
Schramm
Hu