Urteil des BPatG vom 27.03.2001

BPatG: verkehr, unterscheidungskraft, herkunft, software, unternehmen, begriff, wortmarke, werbung, werbeslogan, stellvertreter

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 264/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
,
betreffend die angemeldete Marke 398 41 719.9
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 27. März 2001 unter Mitwirkung des Richters Albert als Vorsitzenden,
der Richterin Friehe-Wich und des Richters Schwarz
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Anmelderin begehrt die Eintragung der Wortmarke
44 & up
für
Damenbekleidungsstücke, nämlich Damenoberbekleidungsstücke,
Damenwäsche, Damenmiederwaren, Damenstrumpfwaren.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat
durch Beschluß eines Beamten des höheren Dienstes die Eintragung wegen feh-
lender Unterscheidungskraft zurückgewiesen. Die angemeldete Marke stelle einen
beschreibenden Werbeslogan dar, der dem Publikum in werbeüblicher Weise na-
he bringen solle, daß die so gekennzeichneten Produkte in den Größen 44 "und
darüber" angeboten würden. Diese Bedeutung dränge sich den angesprochenen
Verkehrskreisen förmlich auf, da Größenangaben wie etwa die Zahl "44" auf dem
hier maßgeblichen Warensektor zu den gebräuchlichsten Sachhinweisen zählten.
Auch wenn das Zeichen grundsätzlich als Ganzes zu bewerten sei, ergebe sich im
vorliegenden Fall aus der Verbindung mehrerer schutzunfähiger Bestandteile kein
phantasievoller, unterscheidungskräftiger Gesamtbegriff; vielmehr stelle die Marke
auch in ihrer Gesamtheit einen glatt beschreibenden Sachhinweis dar. Dieser wer-
de auch nicht nur etwa angedeutet, sondern stehe im Vordergrund.
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Gegen diesen Beschluß hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der sie,
wie ihrer ohne ausdrücklichen Antrag eingereichten Beschwerdebegründung ent-
nommen werden kann, ihr Ziel auf Eintragung der Marke weiterverfolgt.
Die Beschwerde wurde bislang nicht begründet. hat die Markenstelle eine unzu-
treffende analytische Betrachtungsweise zugrunde gelegt. Sie habe allein auf "44"
und "up" abgestellt, aber unberücksichtigt gelassen, daß diese Bestandteile durch
ein "&"-Symbol zusammengehalten würden, dessen Verwendung in beschreiben-
den Angaben völlig unüblich sei. Es sei dem inländischen Verkehr ausschließlich
aus Namen von Unternehmen und Marken geläufig, habe also herkunftshinwei-
senden Charakter. Gerade diese Verwendung halte sie davon ab, nach dem Inhalt
der Marke zu fragen, wenn man einmal unterstelle, die beiden anderen Bestand-
teile seien beschreibend. Selbst wenn diese den Eindruck hätten, daß es sich um
Kleidungsstücke mit Übergrößen handele, stehe dies der Eintragung nicht entge-
gen, weil es nach Auffassung des BGH für eine Marke keineswegs ungewöhnlich
sei, daß sie dem Verkehr als sprechendes Zeichen einen Hinweis nicht nur auf die
betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeichnete Ware gebe.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zwar zulässig (§ 66 Abs 1 MarkenG), ihr ist in der Sache aber
der Erfolg zu versagen.
Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf welche der Senat zur Vermeidung
von Wiederholungen Bezug nimmt, hat die Markenstelle die Eintragung des Zei-
chens abgelehnt, weil ihm die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2
Nr 1 MarkenG fehlt. Das Beschwerdevorbringen bietet zu einer abweichenden Be-
urteilung keinen Anlaß.
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Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende
(konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten
Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt
zu werden, wobei von einem großzügigen Maßstab auszugehen ist, so daß jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft ausreicht, um das Schutzhindernis zu
überwinden (st Rspr, vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; zuletzt BGH,
GRUR 2001, 162
[
163] mwN – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Kann
einer Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender be-
schreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst
nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr - etwa
auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als sol-
ches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tat-
sächlichen Anhalt dafür, daß ihr die vorerwähnte Unterscheidungseignung und da-
mit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH, GRUR 1999, 1089 [1091] - YES;
BGH, WRP 2000, 298 [299] - Radio von hier; BGH, WRP 2000, 300 [301] – Part-
ner with the Best; BGH aaO – RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
Auch unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Grundsätze fehlt dem an-
gemeldeten Zeichen die erforderliche Unterscheidungskraft, weil der Verkehr ihm
lediglich eine produktbezogene Sachangabe, nicht aber einen betrieblichen Her-
kunftshinweis entnehmen wird. Zutreffend hat die Markenstelle festgestellt, daß
"44" auf dem hier maßgeblichen Modesektor regelmäßig als Größenangabe ver-
standen wird, was auch die Anmelderin nun wohl nicht mehr bestreitet, zumal
schon ihre Firma darauf hindeutet, daß sie auf Bekleidungswaren in Übergrößen
spezialisiert ist. Auch "up" ist als zum englischen Grundwortschatz gehörender Be-
griff dem inländischen Verkehr, der gerade auf dem hier interessierenden Waren-
sektor an die Verwendung englischsprachiger Worte weitgehend gewöhnt ist, ge-
läufig. Gleiches gilt für das Verbindungsglied "&", welches als Stellvertreter für
"and" bzw "und" dem inländischen Verkehr allgemein bekannt ist. Dabei spielt es
keine Rolle, in welchen Zusammenhängen dieses Symbol bislang gebraucht wor-
den ist; denn maßgeblich ist allein, ob und in welcher Weise es vom inländischen
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Verkehr verstanden werden wird. Dem Senat ist im übrigen bekannt, daß das
"&"-Symbol nicht nur in Firmennamen vorkommt, sondern in der Werbung oft auch
iZm beschreibenden Angaben Verwendung findet (zB "aktuell & preiswert"; "kurz
& knapp" oä). Daß der Verkehr die hier zu beurteilende Wortfolge anders verste-
hen wird, ist daher weder wahrscheinlich noch von der Anmelderin selbst behaup-
tet worden.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß der Beurteilung der Schutzfähig-
keit einer zusammengesetzten Marke nicht das Verständnis ihrer Einzelkompo-
nenten, sondern die Wortfolge in ihrer Gesamtheit, dh die Verbindung der einzel-
nen Wörter, zugrunde zu legen ist (BGH aaO – Partner with the Best; aaO RATIO-
NAL SOFTWARE CORPORTION). Denn dies bedeutet nur, daß einer Kombina-
tionsmarke, deren einzelne Bestandteile für sich genommen produktbeschreibend
sind oder gebräuchliche Worte der deutschen Sprache darstellen, die Unterschei-
dungskraft nur dann nicht abgesprochen werden kann, wenn gerade der Wortfolge
selbst in der durch die Verbindung ihrer Einzelteile sich ergebenden Bedeutung,
wie sie vom angesprochenen Verkehr ohne analysierende Betrachtung aufgefaßt
werden wird, ein produktbeschreibender Inhalt nicht (mehr) zugeordnet werden
kann und es sich auch nicht um einen stets nur als solcher, nicht aber als Unter-
scheidungsmittel verstandenen neuen (Gesamt-)Begriff handelt. Damit hängt die
Frage der Unterscheidungskraft eines Kombinationszeichens allein davon ab, wel-
che Bedeutung der Verkehr der Verbindung seiner einzelnen Bestandteile ohne
analysierende Betrachtung mit Blick auf die beanspruchten Waren und Dienstlei-
stungen beimessen wird. Ergibt sich hierbei ein eindeutig produktbeschreibender
Inhalt oder eine unmittelbar verständliche, üblicherweise nicht als Herkunftshin-
weis verstandene, insbesondere eine für die beanspruchten Waren und Dienstlei-
stungen allgemein verwendete werbemäßige Aussage, ist der angemeldeten Mar-
ke der begehrte Schutz zu versagen.
Nach diesen Grundsätzen kann vorliegend auch der Verbindung der für sich ge-
nommen im oben dargestellten Sinne verständlichen Einzelkomponenten der an-
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gemeldeten Marke nur ein produktbeschreibender Inhalt entnommen werden. Die
Wortfolge "44 & up" wird der inländische Verkehr nur in dem Sinne verstehen kön-
nen, daß es sich bei den hiermit gekennzeichneten Damenbekleidungsstücken um
solche der Größen 44 und höher handelt. Für ein mögliches anderweitiges Ver-
ständnis fehlt jeder Anhaltspunkt; ein solches hat im übrigen auch die Anmelderin
selbst nicht einmal behauptet. Eine solche Angabe wird der Verkehr aber stets nur
als Hinweis auf bestimmte Eigenschaften der gekennzeichneten Ware, nicht aber
auf deren Herkunft aus dem Unternehmen der Anmelderin auffassen können. Ge-
rade die Abwesenheit eines betrieblichen Herkunftshinweises führt hier aber zur
Verneinung der nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderlichen Unterscheidungs-
kraft.
Dem steht auch die von der Anmelderin zitierte Entscheidung des BGH (GRUR
1999, 988 – HOUSE OF BLUES) nicht entgegen. Soweit es darin heißt, sei es
nicht ungewöhnlich, daß eine Marke dem Verkehr als sprechendes Zeichen einen
Hinweis nicht nur auf die betriebliche Herkunft, sondern auch auf die gekennzeich-
nete Ware gebe (aaO, S 990), bezieht sich diese Feststellung dort auf die Bewer-
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mehr dabei zu verbleiben, daß einem Zeichen, welches sich in einer Produktbe-
schreibung ohne jeden betrieblichen Herkunftshinweis erschöpft, die Schutzfähig-
keit abzusprechen ist.
Bei dieser Sachlage kann auf sich beruhen, ob der Eintragung des angemeldeten
Zeichens auch das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegensteht,
wobei trotz der vielleicht nicht häufigen Verwendung des Symbols "&" in beschrei-
benden Angaben viel dafür spricht, daß die Wortfolge "44 & up" Mitbewerbern zur
Angabe der (Über-) Größen von Damenbekleidung offen zu halten sein dürfte.
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Da somit das Patentamt die Eintragung der angemeldeten Marke zu Recht abge-
lehnt hat, war die hiergegen gerichtete Beschwerde der Anmelderin zurückzuwei-
sen.
Albert Friehe-Wich Schwarz