Urteil des BPatG vom 05.07.2010

BPatG: stand der technik, antenne, patentanspruch, fig, einbau, unterbringung, form, luft, montage, gehalt

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 78/05
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. Juli 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 103 56 395.4-55
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2010 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Mayer, die Richterin Werner sowie die Richter Dipl.-Ing. Gottstein
und Dipl.-Ing. Kleinschmidt
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 103 56 395.4-55 mit der Bezeichnung „Außenstruktur-kon-
forme Antenne in einer Trägerstruktur eines Fahrzeugs“ ist im Verfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt von der Prüfungsstelle für Klasse H 01 Q
durch Beschluss vom 5. April 2005 zurückgewiesen worden.
Der Zurückweisung lagen die mit Eingabe vom 23. März 2005 eingereichten Pa-
tentansprüche 1 bis 4 zugrunde.
Der Anmeldegegenstand betrifft eine außenstruktur-konforme Antenne in einer
Trägerstruktur eines Fluggeräts. Mit der anmeldungsgemäßen Antenne nach dem
geltenden Patentanspruch 1 soll die Aufgabe gelöst werden, eine außenstruktur-
konforme Antenne vorwiegend in die Trägersystemprimärstrukturen eines Flugge-
räts unter Vermeidung von aerodynamischen Nachteilen so zu integrieren, dass
die Strukturfestigkeit in den Integrationsbereichen weitestgehend erhalten bleibt
(vgl. Beschreibung vom 23. März 2005, Seite 3, 1. Absatz). Damit in der Träger-
system-Primärstruktur ein entsprechendes Fenster oder eine Öffnung bzw. ein
Durchbruch vermieden wird, wie in der Figur 3 dargestellt, wird die jeweilige An-
tenne in eine entsprechende Einbuchtung respektive in eine flache Mulde (8) der
mit einer außenstruktur-konformen Platte abgedeckten Struktur eingebracht, wo-
durch die Form der Außenhaut der Strukturen vollends unverändert erhalten
bleibt.
Die Prüfungsstelle hat ihren Beschluss damit begründet, dass der Gegenstand
des
der
Zurückweisung
zugrunde
liegenden
Patentanspruchs 1
vom
23. März 2005 dem Fachmann aufgrund seines fachmännischen Könnens und
dem bekannten Stand der Technik.
- 3 -
(1) EP 0 391 634 B1
(3)
ÖZDEMIR, T. et al.: A Hybridization of Finite-Element and High- Fre-
quency Methods for Pattern Prediction for Antennas on Aircraft Struc-
tures. In: IEEE Antennas and Propagation Magazine, Vol. 38, Nr. 3, Juni
1996, S. 28-38;
nahegelegt sei und damit auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Bezüglich des Wortlauts dieses Anspruchs wird auf die Amtsakte verwiesen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Anmelderin ihre Anmeldung weiter
und beantragt
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 Q des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 5. April 2005 aufzuheben und
das Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche:
Patentanspruch 1, eingereicht in der mündlichen Verhandlung
vom heutigen Tage,
Patentansprüche 2 bis 4 aus dem Schriftsatz vom 23. März 2005,
Amtsakte Bl. 61 ff, 69,
sämtlich rückbezogen auf Patentanspruch 1, eingereicht in der
mündlichen Verhandlung vom heutigen Tage
- 4 -
Beschreibung:
Beschreibung Seiten 1 bis 6 aus dem Schriftsatz vom
23. März 2005, Amtsakte Bl. 61 ff, 63 bis 68
Zeichnungen:
Figuren 1 und 3 aus dem Schriftsatz vom 23. März 2005, Amt-
sakte Bl. 61 ff, Bl. 70, sowie Figur 2 gemäß Offenlegungschrift.
In der mündlichen Verhandlung hat die Anmelderin einen neuen Patentanspruch 1
eingereicht, der folgenden Wortlaut hat (mit eingefügter Merkmalsgliederung):
M1
„Außenstruktur-konforme Antenne in einer Trägerstruktur eines
Fluggeräts,
M2
mit einem flach ausgebildeten EM - Funktionskern und
M3
einer darüber angebrachten, aus dielektrischem Material gebildeten
außenstruktur-konformen äußeren Abdeckung, angeordnet in einer
Trägersystem-Primärstruktur,
dadurch gekennzeichnet, dass
M4
der elektromagnetische Funktionskern (2) der Antenne in einer fla-
chen Mulde (8) der Trägersystem-Primärstruktur (1) untergebracht
ist,
M5
deren Randbereichen (9,10) spitzwinklig auslaufend gestaltet sind
und
M6
zumindest die als Abdeckplatte (4) ausgebildete Abdeckung mit ent-
sprechend spitzwinklig angepassten Rändern kraftschlüssig an der
Trägersystem-Primärstruktur (1) befestigt ist.“
- 5 -
Bezüglich des Wortlauts der weiterhin geltenden Unteransprüche 2 bis 4 vom
23. März 2005 wird auf die Amtsakte (Bl. 61 ff, 69) verwiesen.
Neben den Druckschriften (1) und (3) wurde im Hinblick auf die Bedeutung der
Stabilitätseigenschaften von Oberflächenstrukturen im Flugzeugbau in der mündli-
chen Verhandlung noch der von der Anmelderin mit Eingabe vom
16. Dezember 2003 zu den Akten gegebene Tagungsbeitrag
„Strukturintegrierte Flugzeugantenne für Breitbandanwendungen im X-Band“
diskutiert, der nach Angaben der Anmelderin als Referat auf der EMV 2002 vom
30.09. – 02.10. 2002 gehalten worden ist.
Die Anmelderin hält die außenstruktur-konforme Antenne nach den Merkmalen
des geltenden Patentanspruchs 1 für patentfähig, da sie durch den Stand der
Technik weder neuheitsschädlich vorweggenommen noch dem Fachmann nahe-
gelegt sei.
II
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Der Gegenstand des geltenden Pa-
tentanspruchs 1 mag zwar als neu gelten, er beruht jedoch nicht auf einer erfinde-
rischen Tätigkeit.
1.
Der Anmeldegegenstand richtet sich - wie von der Anmelderin zutreffend
angegeben - seinem sachlichen Inhalt nach an einen Ingenieur (FH) der Luft- und
Raumfahrtechnik, der über zusätzliche Grundlagenkenntnisse der Fertigungstech-
nik und den Aufbau von Antennen verfügt.
- 6 -
2.
Aus der Druckschrift (1) ist eine Microstrip-Antenne bekannt, die aus mehreren
plattenförmigen Antennenelementen (vgl. Fig. 2 und 3, Antennenelemente 30, 32,
34, 36) besteht, die auf einem dielektrischen Substrat (vgl. Bezugszeichen 28)
aufgebracht sind. Die Antenne weist einen flach ausgebildeten EM-Funktionskern
auf (Merkmal M2). Aufgrund ihrer flachen Bauweise sind derartige Antennen prä-
destiniert, in einem Fluggerät, bspw. einer Rakete, eingesetzt zu werden (vgl.
Fig. 1, Bezugszeichen 16 und 12) (Merkmal M1).
Die Antennenstruktur ist mit einem dielektrischen Material (vgl. Bezugszeichen 50
i. V. m. Spalte 4, Zeilen 31 bis 45) abgedeckt und, wie in Figur 1 ersichtlich, in die
als Trägerstruktur fungierende Außenhaut einer Rakete außenstruktur-konform
eingelassen (Merkmal M3).
Wie die Anmelderin richtig feststellt, sind zu der räumlichen Strukturierung des
Einbauortes und der geometrischen Ausformung der Abdeckplatte 50 im Einzel-
nen in der Druckschrift (1) keine weiteren Angaben gemacht. Nach Auffassung der
Anmelderin könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass für den aerodyna-
misch günstigen Einbau die Antenne in einem Fenster der Außenhaut der Rakete
platziert sei und demzufolge die Trägersystem-Primärstruktur als durchbrochen zu
betrachten sei.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat auf die Ausführungen des in der
Anmeldung zitierten Aufsatzes „Strukturintegrierte Flugzeugantenne für Breit-
bandanwendungen im X-Band“ (vgl. Beschreibung vom 23. März 2005, letzter Ab-
satz) hingewiesen. Danach darf mit der Funktionserweiterung der Oberfläche der
Flugzeugstruktur auf die Wirkungen einer Antenne die lasttragende Funktion der
Oberfläche der Flugzeugstruktur nicht verloren gehen (vgl. dito Seite 09.04-1, 4.
und 5. Absatz). Auf diesen Hinweis hin hat die Anmelderin eingeräumt, dass diese
auch der Anmeldung zugrunde liegende Forderung (vgl. Beschreibung vom
23. März 2005, erster Absatz) die Handlungsfreiheit des Fachmanns von vornher-
ein insoweit einschränke, dass für eine aerodynamisch günstige Unterbringung
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der Antenne nur eine dafür geschaffenen abzudeckende Öffnung bzw. eine ent-
sprechend ausgeführte Vertiefung in der Außenhaut der Rakete als Realisie-
rungsalternativen in Frage kämen. Die Anmelderin meint aber, dass der Fach-
mann dadurch noch nicht dazu veranlasst werde, der Unterbringung der Antenne
in einer Mulde der Außenhaut der Trägersystem-Primärstruktur gegenüber der
Unterbringung in einer Durchbrechung der Außenhaut den Vorzug zu geben.
Selbst für den Fall, dass der Einbau in einer Mulde unterstellt werden könne, sei
dem Fachmann zumindest die spitzwinklige Ausformung der Abdeckplatte und de-
ren kraftschlüssige Verbindung mit der Trägersystem-Primärstruktur nicht nahe
gelegt.
Entgegen dieser Auffassung der Anmelderin steht zur Überzeugung des Senats
fest, dass die Lehre des zur Entscheidung gestellten Patentanspruchs 1 nach dem
eingeführten Stand der Technik für den Fachmann naheliegend ist. Der Fach-
mann wird im Interesse einer stabilen Lösung nach ihm bekannten Alternativen
suchen und diese im Rahmen seines üblichen Handelns bei ihrer Eignung zur Be-
seitigung eines erkannten Nachteils auch einsetzen (vgl. BPatGE 45, 18 -
Selbstbedienungs-Chipkartenausgabe). Dem folgend wird er die beiden einzigen
ihm zur Verfügung stehenden Lösungsalternativen einer Durchbrechung und einer
Einbaumulde hinsichtlich ihrer strukturmechanischen Eigenschaften gegeneinan-
der abwägen. Dabei wird er - einerseits - den offen zu Tage tretenden Nachteil be-
rücksichtigen, dass Durchbrüche die Strukturfestigkeit einer Oberflächenstruktur
erheblich schwächen, und - andererseits - die allgemein bekannte Tatsache be-
denken, dass sich für flächenbündige Einbauten von Funktionseinheiten mulden-
artige Vertiefungen in Oberflächenstrukturen selbsttragender Karosserieteile des
Fahrzeugbaus bereits bestens bewährt haben. Das war z. B. bei vielen gängigen
Kraftfahrzeug bereits zum Anmeldezeitpunkt ersichtlich (vgl. Mulden für Türgriffe,
Beleuchtungen usw.). Dieser Stand der Technik drängt dem Fachmann die Ver-
wendung einer Einbaumulde als die bessere Lösung auf. Weiter wird der Fach-
mann der in der Luft- und Raufahrttechnik vorherrschenden Maxime folgen, stark
abgekantete Bereiche in einer tragenden Oberflächenstruktur aufgrund der dort
- 8 -
auftretenden mechanischen Spannungsüberhöhungen möglichst zu vermeiden.
Daraus folgt eine Lösung, bei der die Mulde mit flach zulaufenden Randbereichen
in der Trägersystem-Primärstruktur implementiert wird (Merkmal M4).
Diese Einbauvariante wird der Fachmann auch deshalb favorisieren, weil durch
die schräg abfallenden Seitenwände der Trägersystem-Primärstruktur der Ab-
strahlungsbereich der Antenne nicht störend eingeschränkt wird. Das ist ein im-
manenter Vorteil, der offensichtlich auch bei dem Einbau einer Antenne in eine
Trägersystem-Primärstruktur aus Verbundwerkstoffen zum Tragen gekommen ist
(vgl. Druckschrift (3) Fig. 3b, abgeflachte Bereiche).
Aus der somit vorgegebenen räumlichen Strukturierung der Einbaumulde mit flach
zulaufenden Seitenwänden und der aerodynamisch bedingten Beibehaltung der
außenstruktur-konformen Montage der äußeren Abdeckung resultiert mithin auch
unmittelbar die geometrische Ausformung der Abdeckplatte in Form von spitz-
winklig auslaufenden Randbereichen (vgl. in (3) Fig. 3b gepunkteter Abdeckungs-
bereich der Antenne) (Merkmal M5).
Damit sich die Abdeckplatte während des Fluges nicht löst, ist schließlich - ohne
dass es hierzu eines druckschriftlichen Nachweise bedarf - anzunehmen, dass der
Fachmann die auf eine die Antenne schützende Funktion ausgerichtete Abde-
ckung (vgl. in (1) Spalte 4, Zeilen 42 bis 45) kraftschlüssig mit der Trägersystem-
Primärstruktur verbinden wird (Merkmal M6).
Damit ist der Fachmann bereits beim Gegenstand des Patentanspruchs 1 ange-
langt.
3.
Bei dieser Sachlage kann die Frage, inwieweit die vorgenommenen Änderun-
gen im Patentanspruch 1 durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt sind, da-
hingestellt bleiben.
- 9 -
4.
Da die Anmelderin die Erteilung des Patents im Umfang des vorliegenden An-
spruchssatzes begehrt und sich der Patentanspruch 1 als nicht patentfähig er-
weist, ist die Zurückweisung der Anmeldung zu Recht ergangen (BGH GRUR-
RR 2008, 456 - Installiereinrichtung, Tz. 22, m. w. N.). Hinsichtlich der untergeord-
neten Patentansprüche 2 bis 4 ist ein eigenständiger erfinderischer Gehalt weder
geltend gemacht worden noch sonst ersichtlich
Dr. Mayer
Werner
Gottstein
Kleinschmidt
prö