Urteil des BPatG vom 05.07.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
20 W (pat) 48/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. Juli 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 102 08 483.1-35
hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. Juli 2006 durch …
beschlossen:
Der Beschluss des Patentamts vom 14.
März
2003 wird
aufgehoben. Die Sache wird zur Fortführung des Prüfungsver-
fahrens an das Patentamt zurückverwiesen.
- 2 -
G r ü n d e
I.
Die Anmeldung wurde von der Prüfungsstelle für H 03 F durch Beschluss vom
14. März 2003 mangels Klarheit des im abhängigen Patentanspruch 9 bean-
spruchten Merkmals „reaktive Impedanz“ zurückgewiesen.
In der mündlichen Verhandlung wurden die Druckschriften
(1) DE 199 16 902 A1
(2) DE 197 54 785 A1,
(3) US 4 285 010,
(4)
J. Koch: „Piezoxide-Wandler“, Valvo GmbH Hamburg, 1973,
Seiten 157 und 158 und
(5) US 6 127 886
diskutiert.
Die Anmelderin beantragt,
den Beschluss des Patentamts vom 14. März 2003 aufzuheben
und das Patent mit den Patentansprüchen 1-16, überreicht in der
mündlichen Verhandlung, und noch anzupassenden Unterlagen
zu erteilen.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
- 3 -
1. Puls-Echo-Gerät umfassend mindestens:
- eine Signalquelle (36),
-
ein der Signalquelle
(36) zugeordnetes passives
Kompensationselement (150),
- eine Verstärkereinrichtung (10, 11) zur Verstärkung eines
von der Signalquelle (36) herrührenden Signals (S1) um-
fassend mindestens
- ein zwischen einem ersten und einem zweiten Anschluss
(A1, A2) innerhalb eines ersten Signalpfads (P1) angeord-
netes aktives Verstärkerelement (100, 101, 102), das ein
am ersten Anschluss (A1) eingespeistes Signal (S1) ver-
stärkt, und
- Steuerungsmittel (200, 210) zur variablen Betriebsführung
des Verstärkerelements (100, 101, 102),
dadurch gekennzeichnet, dass
-
die
Verstärkereinrichtung
(10, 11) einen parallel zum ers-
ten Signalpfad (P1) angeordneten passiven zweiten Sig-
nalpfad (P2) aufweist, welcher
- bei mittels der Steuerungsmittel (200, 210) deaktiviertem
Verstärkerelement (100, 101, 102) zur Übertragung des
Signals (S1) dient und
- mit dem einen passiven Kompensationselement (150) ver-
sehen ist.
Mit dem geltenden abhängigen Patentanspruch 8 wird das Merkmal beansprucht,
das zur Zurückweisung geführt hat, er lautet:
8.
Puls-Echo-Gerät nach einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, dass das passive Kompensa-
tionselement (150) als eine reaktive Impedanz ausgeführt ist.
- 4 -
Die Anmelderin vertritt die Auffassung, die Merkmale der geltenden Patentansprü-
che 1-16 seien den ursprünglich eingereichten Unterlagen als zur Erfindung gehö-
rend entnehmbar. Im Übrigen sei der Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 ge-
genüber dem bisher genannten Stand der Technik neu und beruhe auch auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
II.
Die Beschwerde ist zulässig. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Be-
schlusses und zur Zurückverweisung an das Deutsche Patent- und Markenamt
nach § 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.
Die geltenden Patentansprüche
1-16 sind ebenfalls zulässig. Der Patentan-
spruch 1 umfasst Merkmale des ursprünglich eingereichten Patentanspruches 1
und der ursprünglichen Beschreibung, vgl. Anmeldungsunterlagen Seite 3 Z. 31 -
Seite 4 Z. 6, Seite 5 Z. 7-12 u. Seite 6 Z. 5-11 u. 26-30. Die Patentansprüche 2-
7, 10-16 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen. Die Merkmale des Patent-
anspruches 8 sind in dem ursprünglichen Anspruch 9, die Merkmale des Patent-
anspruches 9 auf Seite 15 Z. 8-10 der ursprünglichen Anmeldungsunterlagen als
zur Erfindung gehörend offenbart.
Das Patentamt - Prüfungsstelle für H 03 F - war der Ansicht, das Merkmal „reak-
tive Impedanz“ sei dem Fachmann nicht geläufig. Das Merkmal erfordere somit
eine Erklärung in der Beschreibung oder den sonstigen Unterlagen. Die im ange-
fochtenen Beschluss angegebenen Gründe tragen jedoch die Feststellung der
Unklarheit dieses Merkmals nicht. Das Merkmal „reaktive Impedanz“ ist nämlich
für den Fachmann, hier einem Elektroingenieur für Nachrichtentechnik, klar. Der
Fachmann kennt von seiner Ausbildung her die Definition eines komplexen Wider-
standes (Impedanz Z) als Summe seines Wirkwiderstandsanteils R und seines
Blindwiderstandsanteils X sowie die Bezeichnungen „Resistanz“ für den Wirkwi-
- 5 -
derstandsanteil R und „Reaktanz“ für den Blindwiderstandsanteil X einer Impe-
danz Z.
Er versteht daher unter dem Merkmal „reaktive Impedanz“ den reaktiven Anteil ei-
ner komplexen Impedanz Z, d. h. deren Blindwiderstandsanteil X, der entweder
induktiver oder kapazitiver Natur sein kann.
Das Puls-Echo-Gerät nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unzweifelhaft ge-
werblich anwendbar und auch gegenüber dem bekannt gewordenen Stand der
Technik nach den Druckschriften (1) bis (5) neu, da keinem der dort beschriebe-
nen Gegenstände alle Merkmale des Patentanspruchs 1 entnehmbar sind. Dar-
über hinaus ergibt sich sein Gegenstand auch nicht in nahe liegender Weise aus
dem zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit bisher in Betracht gezogenen
Stand der Technik nach den Druckschriften (1) bis (5).
Druckschrift (1) beschreibt ein Puls-Echo-Gerät (Anspruch 13 i. V. m. Fig. 3) um-
fassend eine Signalquelle 36 und eine Verstärkereinrichtung zur Verstärkung ei-
nes von der Signalquelle 36 herrührenden Signals. Das Puls-Echo-Gerät umfasst
weiterhin ein zwischen einem ersten und einem zweiten Anschluss innerhalb eines
Signalpfads S2 angeordnetes aktives Verstärkerelement 10 bzw. 11 (Sp. 7 Z. 36-
43 i. V. m. Fig. 3 u. Z. 61-68 i. V. m. Fig. 4), das ein am ersten Anschluss einge-
speistes Signal verstärkt, und Steuerungsmittel 230 (Sp. 7 Z. 61-68 i. V. m. Fig. 4)
zur variablen Betriebsführung des Verstärkerelements 11, wobei die Verstärker-
einrichtung einen parallel zum ersten Signalpfad S2 angeordneten zweiten Signal-
pfad S0 aufweist (Fig. 3).
Die Druckschrift (2) offenbart einen Zwischenverstärker für ein Telekommunikati-
onsnetz mit schmalbandigen und breitbandigen Signalen (Zusammenfassung
i. V. m. Fig. 1, 3). Der Zwischenverstärker weist offensichtlich einen ersten und ei-
nen zweiten Anschluss und ein innerhalb eines ersten Signalpfads angeordnetes
aktives Verstärkerelement AMP auf, das ein am ersten Anschluss eingespeistes
- 6 -
breitbandiges Signal verstärkt. Außerdem umfasst der Zwischenverstärker Steue-
rungsmittel DET zur Umschaltung des ersten Signalpfads auf einen zweiten, pa-
rallel zum ersten Signalpfad angeordneten passiven Signalpfad, welcher bei
schmalbandigen Signalen anstelle des ersten Signalpfads zur Übertragung des
Signals dient (Sp. 2 Z. 57 bis Sp. 3 Z. 12 i. V. m. Fig. 1 u. Sp. 4 Z. 40-46 i. V. m.
Fig. 3).
Druckschrift (3) beschreibt ein Puls-Echo-Gerät (Abstract: ultra sonic imaging
system) umfassend mehrere Signalquellen X1–X20, ein der jeweiligen Signal-
quelle zugeordnetes passives Kompensationselement L1–L20 und ein aktives
Verstärkerelement PREAMPLIFIER
25 bzw. aktive Vestärkerelemente
PREAMP #1 - PREAMP #20 als Verstärkereinrichtung zur Verstärkung eines von
der jeweiligen Signalquelle X1-X20 herrührenden Signals (Sp. 3 Z. 31-42 i. V. m.
Fig. 1 bzw. Sp. 4 Z. 6-47 i. V. m. Fig. 3).
Der Fachbuchauszug (4) zeigt Möglichkeiten zur Impedanzabstimmung von Ultra-
schallempfängern (Bild A6 a) u. b)).
Die Druckschrift (5) beschreibt eine Verstärkereinrichtung mit einer Signalquelle
(RF signal) und einem Verstärker 6 zur Verstärkung eines von der Signalquelle
(RF signal) herrührenden Signals (abstract). Die Verstärkereinrichtung umfasst
außerdem ein zwischen einem ersten Anschluss 1 und einem zweiten Anschluss 2
innerhalb eines ersten Signalpfads angeordnetes aktives Verstärkerelement 6, das
ein am ersten Anschluss 1 eingespeistes Signal (RF signal) verstärkt, und Steue-
rungsmittel (control switch 20) zur variablen Betriebsführung des Verstärkerele-
ments 6, wobei die Verstärkereinrichtung einen parallel zum ersten Signalpfad an-
geordneten passiven zweiten Signalpfad aufweist, welcher bei mittels der Steue-
rungsmittel (control switch 20) deaktiviertem Verstärkerelement 6 zur Übertragung
des Signals dient (Sp. 3 Z. 18-37 i. V. m. Fig. 2, 3).
- 7 -
Eine Anregung für den Fachmann, gemäß den im Patentanspruch 1 genannten
kennzeichnenden Merkmalen ein Puls-Echo-Gerät mit einer Verstärkereinrichtung
auszubilden, die einen parallel zu einem ersten Signalpfad angeordneten passiven
zweiten Signalpfad aufweist, welcher bei mittels Steuerungsmittel deaktiviertem
Verstärkerelement zur Übertragung des Signals dient, wobei die Verstärkerein-
richtung mit einem passiven Kompensationselement versehen ist, ist dem derzeit
in Betracht gezogenen Stand der Technik nicht entnehmbar.
Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden. Wie aus der
Akte ersichtlich ist, hat zu diesen vorgenannten Merkmalen das Patentamt im
Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldungsgegenstand die
Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recher-
chiert. Nachdem vorliegend nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein einer
Patenterteilung möglicherweise entgegenstehender Stand der Technik existiert
und eine sachgerechte Entscheidung nur aufgrund einer vollständigen Recherche
des relevanten druckschriftlichen Standes der Technik ergehen kann, wofür die
Prüfungsstellen des Deutschen Patent- und Markenamts mit ihrem Prüfstoff und
den ihnen zur Verfügung stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken be-
rufen sind, ist die Sache zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche
Patent- und Markenamt zurückzuverweisen (PatG § 79, (3) Nr. 1).
gez.
Unterschriften