Urteil des BPatG vom 16.12.2008

BPatG (stand der technik, verwendung, zusammensetzung, patent, fachmann, wasser, beschwerde, patentanspruch, teil, gebiet)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
15 W (pat) 26/04
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 198 36 491
- 2 -
hat der 15. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 16. Dezember 2008 unter Mitwirkung des Richters Dr. Egerer als
Vorsitzenden, der Richterinnen Schwarz-Angele und Dipl.-Chem. Zettler, sowie
des Richters Dr. Lange
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Auf die am 12. August 1998 eingereichte Patentanmeldung hat das Deutsche Pa-
tent- und Markenamt das Patent 198 36 491 mit der Bezeichnung
„Sprühbare pulverförmige Zusammensetzung für Unterboden-
schutz oder Dichtmittel sowie Verfahren zur Beschichtung von
Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugteilen“
erteilt. Der Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist der 27. Januar 2000.
Die erteilten Patentansprüche 1 bis 8 gemäß Streitpatent DE 198 36 491 C1 ha-
ben folgenden Wortlaut:
„1. Sprühbare, pulverförmige Unterbodenschutz- oder Dichtmittel-Zu-
sammensetzung auf der Basis von pulverförmigen thermoplasti-
dadurch gekennzeichnet
chen frei ist von Wasser, flüchtigen organischen Lösungsmitteln
und/oder flüssigen Weichmachern.
- 3 -
2.
Zusammensetzung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet,
daß die Pulverbestandteile eine mittlere Korngröße unter 700 µm,
vorzugsweise unter 200 µm und insbesondere unter 80 µm haben.
3.
Zusammensetzung nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekenn-
zeichnet, daß das thermoplastische Polymer einen Schmelzbe-
reich zwischen 50°C und 180°C hat.
4.
Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß eine Mischung von ther-
moplastischen Polymeren verwendet wird.
5.
Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß das oder die Polymeren
polare, funktionelle Gruppen ausgewählt aus Hydroxy-, Amino-,
Epoxy-, Carboxy-, Ester-, Amid-, Urethan-, Isocyanurat-, Biuret-,
Allophanat-, blockierte Isocyanat-, Silanol- oder Alkoxysilan-Grup-
pen enthält/enthalten.
6.
Zusammensetzung nach mindestens einem der vorhergehenden
Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß sie außer dem/den ther-
moplastischen Polymeren feinteilige Füllstoffe, Pigmente und/oder
Alterungsschutzmittel enthalten.
7.
Verwendung von Zusammensetzungen auf der Basis von pulver-
förmigen thermoplastischen Polymeren gemäß mindestens einem
der Ansprüche 1 bis 6 zur Beschichtung im Unterbodenschutzbe-
reich oder als Dichtmittel zur Abdichtung von Nähten und Klebefu-
gen im Kraftfahrzeugbau.
- 4 -
8.
Verfahren zur Beschichtung von Kraftfahrzeugen oder Kraftfahr-
zeugteilen im Unterbodenbereich oder in den Radhäusern, ge-
kennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Verfahrensschrit-
te:
- Versprühen einer Zusammensetzung auf Basis von pulverförmi-
gen thermoplastischen Polymeren gemäß mindestens einem
der Ansprüche 1 bis 6 auf das Substrat mit Hilfe von Corona-
oder Tribo-Beschichtungsanlagen,
- gefolgt vom Einbrennen der Beschichtung bei Temperaturen
zwischen 110°C und 180°C für 15 bis 30 min,
- wobei eine Schichtdicke der Beschichtung von 100 µm bis
900 µm Filmstärke erzielt wird.“
Nach Prüfung des mit Schriftsatz vom 27. April 2000 erhobenen Einspruchs wurde
das Patent mit Beschluss der Patentabteilung 1.43 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 12. Dezember 2003 widerrufen.
Dem Beschluss lagen die mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2001 eingereichten Pa-
tentansprüche 1 bis 7 zugrunde. Der Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
„1. Sprühbare, pulverförmige Unterbodenschutz- oder Dichtmittel-Zu-
sammensetzung auf der Basis von pulverförmigen thermoplasti-
dadurch gekennzeichnet
chen frei ist von Wasser, flüchtigen organischen Lösungsmitteln
und/oder flüssigen Weichmachern, die Pulverbestandteile eine
mittlere Korngröße unter 700 µm, vorzugsweise unter 200 µm und
insbesondere unter 80 µm haben und zumindest ein Teil der Poly-
meren polare, funktionelle Gruppen trägt, die nicht durch Plasma-
behandlung erzeugt wurden.“
- 5 -
Wegen der Patentansprüche 2 bis 7 wird auf den Inhalt der Einspruchsakte Bezug
genommen.
Der Widerruf des Patents wurde hauptsächlich damit begründet, dass der Gegen-
stand des Patentanspruchs 1 in der Fassung vom 4. Oktober 2001 gegenüber
dem Dokument
D7
US 4 211 691 A
nicht mehr neu sei.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie ver-
teidigt das Patent im Umfang der mit der Beschwerde vom 3. Februar 2004, einge-
gangen per Telefax am 4. Februar 2004, vorgelegten Patentansprüche 1 bis 5
(Hauptantrag), hilfsweise im Umfang der Hilfsanträge 1 und 2, eingereicht mit
Schriftsatz vom 22. Oktober 2008, eingegangen am 27. Oktober 2008.
Hauptantrag
„1. Verwendung von Zusammensetzungen auf der Basis von pulver-
förmigen thermoplastischen Polymeren, die im wesentlichen frei
sind von Wasser, flüchtigen organischen Lösungsmitteln und/oder
flüssigen Weichmachern, zur Beschichtung im Unterbodenschutz-
bereich oder als Dichtmittel zur Abdichtung von Nähten und Klebe-
fugen im Kraftfahrzeugbau, wobei die Pulverbestandteile eine mitt-
lere Korngröße unter 700 µm, vorzugsweise unter 200 µm und ins-
besondere unter 80 µm haben und zumindest ein Teil der Polyme-
ren polare, funktionelle Gruppen trägt, die ausgewählt sind aus
Hydroxy-, Amino-, Epoxy-, Carboxy-, Ester-, Amid-, Urethan-, Iso-
cyanurat-, Biuret-, Allophanat-, blockierte Isocyanat-, Silanol- oder
- 6 -
Alkoxysilan-Gruppen und die nicht durch Plasmabehandlung er-
zeugt wurden.
2.
Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das
thermoplastische Polymer einen Schmelzbereich zwischen 50°C
und 180°C hat.
3.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß eine Mischung von thermoplas-
tischen Polymeren verwendet wird.
4.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung außer
dem/den thermoplastischen Polymer/en feinteilige Füllstoffe, Pig-
mente und/oder Alterungsschutzmittel enthalten.
5.
Verfahren zur Beschichtung von Kraftfahrzeugen oder Kraftfahr-
zeugteilen im Unterbodenbereich oder in den Radhäusern, ge-
kennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Verfahrensschrit-
te:
- Versprühen einer Zusammensetzung auf Basis von pulverförmi-
gen thermoplastischen Polymeren gemäß mindestens einem
der Ansprüche 1 bis 4 auf das gegebenenfalls KTL- vorbe-
schichtete Substrat mit Hilfe von Corona- oder Tribo-Beschich-
tungsanlagen,
- gefolgt vom Einbrennen der Beschichtung bei Temperaturen
zwischen 110°C und 180°C für 15 bis 30 min,
- wobei eine Schichtdicke der Beschichtung von 100 µm bis
900 µm Filmstärke erzielt wird.“
- 7 -
Hilfsantrag 1
„1. Verwendung von Zusammensetzungen auf der Basis von pulver-
förmigen thermoplastischen Polymeren, die im wesentlichen frei
sind von Wasser, flüchtigen organischen Lösungsmitteln und/oder
flüssigen Weichmachern als Dichtmittel zur Abdichtung von Näh-
ten und Klebefugen im Kraftfahrzeugbau, wobei die Pulverbe-
standteile eine mittlere Korngröße unter 700 µm, vorzugsweise
unter 200 µm und insbesondere unter 80 µm haben und zumin-
dest ein Teil der Polymeren polare, funktionelle Gruppen trägt, die
ausgewählt sind aus Hydroxy-, Amino-, Epoxy-, Carboxy-, Ester-,
Amid-, Urethan-, Isocyanurat-, Biuret-, Allophanat-, blockierte Iso-
cyanat-, Silanol- oder Alkoxysilan-Gruppen und die nicht durch
Plasmabehandlung erzeugt wurden.
2.
Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das
thermoplastische Polymer einen Schmelzbereich zwischen 50°C
und 180°C hat.
3.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß eine Mischung von thermoplas-
tischen Polymeren verwendet wird.
4.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung außer
dem/den thermoplastischen Polymer/en feinteilige Füllstoffe, Pig-
mente und/oder Alterungsschutzmittel enthalten.
5.
Verfahren zur Beschichtung von Kraftfahrzeugen oder Kraftfahr-
zeugteilen im Unterbodenbereich oder in den Radhäusern, ge-
- 8 -
kennzeichnet durch die folgenden wesentlichen Verfahrensschrit-
te:
- Versprühen einer Zusammensetzung auf Basis von pulverför-
migen thermoplastischen Polymeren gemäß mindestens einem
der Ansprüche 1 bis 4 auf das gegebenenfalls KTL- vorbe-
schichtete Substrat mit Hilfe von Corona- oder Tribo-Beschich-
tungsanlagen,
- gefolgt vom Einbrennen der Beschichtung bei Temperaturen
zwischen 110°C und 180°C für 15 bis 30 min,
- wobei eine Schichtdicke der Beschichtung von 100 µm bis
900 µm Filmstärke erzielt wird.“
Hilfsantrag 2
„1. Verwendung von Zusammensetzungen auf der Basis von pulver-
förmigen thermoplastischen Polymeren, die im wesentlichen frei
sind von Wasser, flüchtigen organischen Lösungsmitteln und/oder
flüssigen Weichmachern als Dichtmittel zur Abdichtung von Näh-
ten und Klebefugen im Kraftfahrzeugbau, wobei die Pulverbe-
standteile eine mittlere Korngröße unter 700 µm, vorzugsweise
unter 200 µm und insbesondere unter 80 µm haben und zumin-
dest ein Teil der Polymeren polare, funktionelle Gruppen trägt, die
ausgewählt sind aus Hydroxy-, Amino-, Epoxy-, Carboxy-, Ester-,
Amid-, Urethan-, Isocyanurat-, Biuret-, Allophanat-, blockierte Iso-
cyanat-, Silanol- oder Alkoxysilan-Gruppen und die nicht durch
Plasmabehandlung erzeugt wurden.
2.
Verwendung nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß das
thermoplastische Polymer einen Schmelzbereich zwischen 50°C
und 180°C hat.
- 9 -
3.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß eine Mischung von thermoplas-
tischen Polymeren verwendet wird.
4.
Verwendung nach mindestens einem der vorhergehenden Ansprü-
che, dadurch gekennzeichnet, daß die Zusammensetzung außer
dem/den thermoplastischen Polymer/en feinteilige Füllstoffe, Pig-
mente und/oder Alterungsschutzmittel enthalten.“
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Patentinhaberin schriftsätzlich im We-
sentlichen geltend gemacht, dass sich der neue Hauptanspruch nun nicht mehr
auf eine Zusammensetzung, sondern auf die Verwendung der Zusammensetzung
zur Beschichtung von Fahrzeugen im Unterbodenbereich zu dessen Schutz gegen
abrasive Einflüsse wie Steinschlag oder als Dichtmittel zur Abdichtung von Nähten
und Klebefugen richte. Die funktionellen Gruppen dienten dabei in erster Linie zur
Ausbildung einer guten und dauerhaften Haftung der Beschichtung oder des
Dichtmittels auf der Substratoberfläche und nicht der Vernetzung der Bindemittel-
komponente.
D7
schichtungszusammensetzung enthaltend eine Mischung von zwei verschiedenen
Polymeren, einem Polymer A und einem Polymer B, wobei entweder das Poly-
mer A oder Polymer B 0,9 bis 1,1 reaktive Gruppen pro Molekül und das andere
Polymer durchschnittlich 1 bis 10 reaktive Gruppen pro Molekül enthalten solle,
wobei die reaktiven Gruppen der Polymeren A und B in einer Kondensationsreak-
tion coreaktiv sein und die Polymeren A und B miteinander verträglich sein sollen
D7
gebildete Produkt ein hochmolekulares Produkt sein mit einem Molekulargewichts-
D7
D7
Spalte 2, Zeile 1, Spalte 9, Zeilen 10 bis 13 und 15 bis 17 sowie Spalte 10, Zei-
le 3). Eine Verwendung als Unterbodenschutz oder als Dichtmittel zur Abdichtung
- 10 -
D7
noch nahegelegt. Die Verwendung gemäß der neuen Ansprüchen 1 bis 4 sowie
das Verfahren zur Beschichtung von Kraftfahrzeugen oder Kraftfahrzeugteilen ge-
D7
scher Tätigkeit.
Mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 hat die Patentinhaberin mitgeteilt, dass sie
nicht an der am 11. Dezember 2008 angesetzten mündlichen Verhandlung teilneh-
men werde.
Nach Ladung zur mündlichen Verhandlung hat die Einsprechende mit Schriftsatz
vom 28. Oktober 2008 einen neuen Stand der Technik u. a. anhand der Druck-
schriften
D8
EP 0 440 292 A2
D8a
Internetauszug: Umrechnungstabelle „Mesh to Micron“ von Fluid
Engineering, TM Industrial Supply, Inc., 2002
vorgelegt und ausgeführt, dass die pulverförmige Zusammensetzung als solche
D7
solcher Zusammensetzungen zur Beschichtung im Unterbodenschutzbereich oder
als Dichtmittel zur Abdichtung von Nähten und Klebefugen im Kraftfahrzeugbau.
Allerdings seien diese Verwendungen nicht geeignet, die Patentfähigkeit zu be-
gründen, denn im Stand der Technik seien bereits vielfach Pulverlackbeschichtun-
gen für den Unterbodenschutz vorgeschlagen worden. Sie verweist in diesem Zu-
D8
D7
mobilkarosserie weise stets Nähte und Klebefugen auf, die im Zuge der Lackie-
rung vom Lack überdeckt würden. Dass ein Lack dabei auch eine Dichtfunktion
habe, sei evident. Die Verwendung von Pulverlackzusammensetzungen als Unter-
- 11 -
D7
sche Tätigkeit nicht begründen.
Darauf hin wurde der Verhandlungstermin vom 11. Dezember 2008 von Amts we-
gen aufgehoben und den Beteiligten mitgeteilt, dass in Kürze im schriftlichen Ver-
fahren – jedoch nicht vor dem 15. Dezember 2008 – entschieden werde.
Die Patentinhaberin beantragt,
den Beschluss der Patentabteilung aufzuheben und das Patent
aufrecht zu erhalten mit den Patentansprüchen 1 bis 5, eingegan-
gen am 4. Februar 2004, (Hauptantrag),
hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten mit den Patentansprü-
chen 1 bis 5, eingegangen am 27. Oktober 2008, (Hilfsantrag 1),
weiter hilfsweise das Patent aufrecht zu erhalten mit den Patent-
ansprüchen 1 bis 4, eingegangen am 27. Oktober 2008, (Hilfsan-
trag 2).
Die Einsprechende beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt
der Akten verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Patentinhaberin ist nicht begründet, denn der Ge-
genstand des Patentsanspruchs 1, sowohl in der Formulierung nach Hauptantrag
als auch nach den Hilfsanträgen 1 und 2, erweist sich nicht als patentfähig.
- 12 -
1.
Die Beschwerde der Patentinhaberin ist frist- und formgerecht erhoben wor-
den und daher zulässig.
Der Beschluss der Patentabteilung 1.43 vom 12. Dezember 2003 ist ohne Rubrum
und Tenor zugestellt worden. Nach entsprechender Beanstandung durch die Pa-
tentinhaberin mit Schreiben vom 22. Dezember 2003, eingegangen per Telefax
am 23. Dezember 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt, ist der vollstän-
dige Beschluss der Patentabteilung 1.43 mit Schreiben vom 12. Januar 2004 er-
neut zugestellt worden, wobei der Zugang des Beschlusses bei der Patentinhabe-
rin am 16. Januar 2004 erfolgte.
Erst durch die Zustellung des vollständigen Beschlusses am 16. Januar 2004 ist
die einmonatige Beschwerdefrist gemäß § 73 (2) PatG in Lauf gesetzt worden.
Diese Frist hat die Patentinhaberin eingehalten, da sie ihre Beschwerde mit
Schriftsatz vom 3. Februar 2004, eingegangen per Telefax am 4. Februar 2004
beim Deutschen Patent- und Markenamt, eingereicht hat und gleichzeitig die fälli-
ge Beschwerdegebühr durch Beifügen einer entsprechenden Einzugsermächti-
gung entrichtet hat. Da auch den übrigen Formerfordernissen genügt wurde, ist
die Beschwerde insgesamt zulässig.
2.
Bezüglich ausreichender Offenbarung der Gegenstände der Patentansprü-
che 1 bis 5 gemäß Hauptantrag und Patentansprüche 1 bis 5 gemäß Hilfsantrag 1
sowie Patentansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag 2 bestehen keine Bedenken, da
deren Merkmale sowohl aus der Streitpatentschrift als auch aus den am Anmelde-
tag eingereichten Unterlagen herleitbar sind.
Der Patentanspruch 1 gemäß Hauptantrag ergibt sich aus den Ansprüchen 1, 2, 5
und 7 i. V. m. Seite 2, Zeilen 32-33, Seite 3, Zeilen 29-30, Seite 4, Zeilen 23-28,
Seite 6, Zeilen 44-48 gemäß DE 198 36 491 C1 bzw. aus den Ansprüchen 1, 2, 5
und 7 i. V. m. Seite 2, letzter Absatz, Zeilen 5-7, Seite 6, Absatz 2, Zeile 5, Brü-
ckenabsatz Seiten 9/10, Seite 14, letzter Absatz der Ursprungsunterlagen. Die Pa-
tentansprüche 2 bis 5 gemäß Hauptantrag ergeben sich aus den Ansprüchen 3, 4,
6 und 8 i. V. m. Seite 3, Zeile 39, Seite 6, Zeile 50 gemäß DE 198 36 491 C1 bzw.
aus den Ansprüchen 3, 4, 6 und 8 der Anmeldeunterlagen.
- 13 -
Diese Offenbarungsstellen gelten auch für die Patentansprüche der beiden Hilfs-
anträge, da sie keine darüber hinausgehenden Merkmale enthalten.
Auch der in den jeweiligen Hauptanspruch aufgenommene Disclaimer ist zulässig,
da er lediglich Polymere mit polaren funktionellen Gruppen, die durch Plasmabe-
handlung erzeugt wurden, vom Patentschutz ausnimmt, was gegenüber der erteil-
ten Fassung zu einer Schutzbereichsbeschränkung führt. Dass auf solchermaßen
funktionalisierte Polymere kein Patentbegehren gerichtet war, ist zudem aus der
Offenbarung der Streitpatentschrift (vgl. Seite 6, Zeilen 44 bis 48 i. V. m. Seite 4,
Zeilen 23 bis 28) bzw. aus der Anmeldebeschreibung (vgl. Seite 14, letzter Absatz
i. V. m. Brückenabsatz Seite 9/10) herleitbar.
3.
Die Neuheit des Gegenstandes gemäß Patentanspruch 1 sowohl nach Haupt-
antrag als auch nach den Hilfsanträgen 1 und 2 kann unerörtert bleiben, denn die
beanspruchte Verwendung ist zumindest aus dem Stand der Technik gemäß den
D7
sen des Fachmanns nahegelegt und beruht deshalb nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Als Fachmann auf dem vorliegenden technischen Gebiet ist ein berufserfahrener
Diplom-Chemiker auf dem Gebiet der Lackbeschichtung anzusehen, der sich mit
der Entwicklung, Anwendung und Härtung von Lackbeschichtungssystemen allge-
mein und unabhängig von der Art sowie der Form des zu beschichtenden bzw. zu
lackierenden Gegenstandes befasst und deshalb auch über Kenntnisse auf dem
Gebiet der Lackierung von Kfz-Karosserien und Teilen davon verfügt. Ein solcher
Fachmann besitzt daher einschlägige Erfahrungen mit Pulverlacken auf dem ge-
samten Gebiet der Automobillackierung und damit auch von Unterbodenbeschich-
tungen und der Abdichtung von Nähten und Klebefugen im Kfz-Bau.
Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit ist von der Aufgabe auszugehen,
Unterbodenschutz-Zusammensetzungen und/oder Dichtmittel-Zusammensetzun-
- 14 -
gen bereitzustellen, die sowohl frei von Lösungsmitteln und Weichmachern als
auch frei von Wasser sind (Streitpatent Seite 2, Zeilen 27 bis 28).
a)
trag
M1
Verwendung von Zusammensetzungen
M1a
zur Beschichtung im Unterbodenschutzbereich
oder
M1b
als Dichtmittel zur Abdichtung von Nähten und Klebefugen im
Kraftfahrzeugbau,
mit folgenden Merkmalen:
M2
die Zusammensetzungen liegen auf der Basis von pulverförmigen
thermoplastischen Polymeren vor,
M3
die Zusammensetzungen sind im Wesentlichen frei
M3a
von Wasser,
M3b
von flüchtigen organischen Lösungsmitteln und/oder
M3c
von flüssigen Weichmachern,
M4
die Pulverbestandteile der Zusammensetzung haben eine mittlere
Korngröße unter 700 µm,
M4a
vorzugsweise unter 200 µm und
M4b
insbesondere unter 80 µm,
M5
zumindest ein Teil der Polymeren der Zusammensetzung trägt
polare, funktionelle Gruppen, wobei
- 15 -
M5a
die Gruppen ausgewählt sind aus Hydroxy-, Amino-, Epoxy-,
Carboxy-, Ester-, Amid-, Urethan-, Isocyanurat-, Biuret-, Allophanat-,
blockierte Isocyanat-, Silanol- oder Alkoxysilan-Gruppen und
M5b
die Gruppen nicht durch Plasmabehandlung erzeugt sind.
D7
M2
mensetzung für Pulverbeschichtungen, umfassend die Polymeren A und B in Par-
D7
Gemäß den Ausführungen in Spalte 9, Zeilen 66 bis 68, zu Beispiel 1, handelt es
sich hierbei um ein sprühgetrocknetes Pulver, so dass davon auszugehen ist,
dass die bekannte Zusammensetzung im Wesentlichen frei von Wasser ist (Merk-
M3
M3b
Zeilen 16 bis 19 – „... is to eliminate the need for organic liquid carrier ...“ – ergibt.
D7
M3c
M3a
chern lediglich eine Alternative darstellt.
D7
das bekannte thermoplastische Pulver Partikelgrößen im Bereich von 1 bis
300 µm, bevorzugt 5 bis 100 µm und besonders bevorzugt 5 bis 80 µm, besitzt.
D7
M4
angeben, entfalten sie keine schutzbeschränkende Wirkung und haben deshalb
für die Beurteilung der Patentfähigkeit des beanspruchten Gegenstandes nach An-
spruch 1 ebenfalls außer Betracht zu bleiben.
- 16 -
D7
M5
geht, wobei als polare, funktionelle Gruppen u. a. Carboxy-, Isocyanat-, Amino-,
Hydroxy- und Epoxy-Gruppen genannt sind. Insofern überschneidet sich die Aus-
D7
M5a
D7
D7
funktionellen Gruppen durch eine Plasmabehandlung schließen lässt (Merk-
M5b
dass sich solche Gruppen durch konventionelle Polymerisationsreaktionen zweier
M5b
erfüllt.
D7
lich in der speziellen Verwendung zur Beschichtung im Unterbodenschutzbereich
M1a
M1b
sammensetzung nur allgemein angegeben, dass damit Metalle, einschließlich
D7
Spalte 9, Zeilen 15 bis 16).
Im Hinblick darauf, dass für den Fachmann das Ergebnis einer mit polar funktiona-
lisierten, thermoplastischen Polymerzusammensetzungen pulverbeschichteten
Metalloberfläche in einem besseren Schutz der Metalloberfläche vor mechani-
schen und chemischen Einflüssen und Beanspruchungen liegt, erschließt sich für
D7
rosserieteile an stark beanspruchten Oberflächen, wie im Unterbodenbereich oder
an Nähten und Klebefugen, mit einer dichten, geschlossenen Schutzschicht zu
versehen.
- 17 -
Eine diesbezügliche, unmittelbare Anregung, gerade solche, polar funktionalisier-
ten, thermoplastischen Polymerzusammensetzungen für die Pulverbeschichtung
von Kraftfahrzeug-Karosserien, einschließlich des Unterbodenbereichs, einzuset-
D8
zit beschrieben.
D8
schen Zusammensetzung für Pulverbeschichtungen, bestehend aus pulverförmi-
D8
ge Beschichtungszusammensetzung kann entsprechend den Ausführungen auf
Seite 5, Zeilen 1 bis 2 und 10 bis 18, direkt auf eine unbehandelte oder vorbehan-
delte Metalloberfläche aufgesprüht werden. In den Zeilen 31 bis 36 der Seite 5 fin-
det sich der Hinweis, dass die Zusammensetzungen für die Beschichtung von
Automobilen verwendet werden können und zur Schutzbeschichtung im Unterbo-
denbereich – „... used as underbody coatings in areas which are generally not
M1
D8
Zusammensetzung weitere Additive enthalten, wobei in der Aufzählung der geeig-
neten Additive allerdings kein Wasser, keine organischen Lösungsmittel und auch
keine Weichmacher (plasticiser) genannt sind. Insofern wird der Fachmann beim
D8
M3a
M3b
D8
thermoplastische Pulver Partikelgrößen im Bereich von kleiner 149 µm besitzt
(„The powders were sieved through a 100 mesh screen – 149 µm gemäß der Um-
D8a
D8
M4
M5
i. V. m. Seite 2, Zeilen 23 bis 24 („... there are provided elastomer-modified
- 18 -
phenolic compositions having an average of at least 1,5 terminal hydroxyl groups
per molecule ...“), und Seite 2, Zeilen 30 bis 32 („Suitable functionalized elasto-
mers (b) are generally any elastomers functionalized at the end or middle portion
of the elastomeric molecule. Suitable functional groups include, for example, car-
boxy, amino, hydroxyl, epoxy, mercaptan, anhydride and isocyanate.“) ergibt. Des
Weiteren eignen sich z. B. auch handelsübliche thermoplastische Elastomere, wie
carboxyliertes Kraton
D8
von diesem Gestaltungsprinzip der polar funktionalisierten Pulverpartikel gemäß
M5a
die auf eine Herstellung dieser funktionellen Gruppen durch eine Plasmabehand-
M5b
D8
setzungen nicht nur für die Automobil-Lackierung allgemein, sondern gleicherma-
ßen auch im Bereich des Unterbodenschutzes in Betracht gezogen hat. Wie an-
D8
Anwendungen, die sich überschneiden, nicht aber um zwei von einander klar ab-
D8
wendung betreffen (vgl. Seite 5, Zeilen 1 bis 41), im selben Zusammenhang so-
wohl von einer Kfz-Lackierung als auch von einer Unterbodenschutzbeschichtung
gesprochen. Somit wird der Fachmann dann, wenn er mit der Entwicklung von
Pulverlackzusammensetzungen und deren Anwendungen im Kfz-Bereich befasst
ist, alle in dem von ihm in Betracht gezogenen Anwendungsbereich solchermaßen
geeignete Zusammensetzungen als Stand der Technik beachten, unabhängig da-
von, ob diese zur Automobil-Lackierung allgemein oder zur Beschichtung im Un-
terbodenbereich bezeichnet werden.
Der Verwendung gemäß dem Patentanspruch 1 nach Hauptantrag mangelt es da-
her an erfinderischer Tätigkeit, so dass dieser Anspruch keinen Bestand hat.
- 19 -
b)
spruch 1 nach Hauptantrag nur dadurch, dass auf die Verwendung als Beschich-
M1a
Anspruch 1 jetzt auf die alleinige Verwendung als Dichtmittel zur Abdichtung von
M1b
Die Einsprechende hat im Schriftsatz vom 28. Oktober 2008 auf Seite 5, Ab-
schnitt 2., ausgeführt, dass eine Automobil-Karosserie stets Nähte und Klebefugen
aufweise, die im Zuge einer Beschichtung mit Lack überdeckt werden müssten,
weshalb es evident sei, dass ein Pulverlack dabei auch eine Dichtfunktion habe.
Diesem Vorbringen kann sich der Senat anschließen, da durch die Kfz-Lackierung
immer eine dichte, geschlossene Oberflächenbeschichtung erzielt werden soll.
Denn allein schon wegen des Korrosionsschutzes und des optischen Erschei-
nungsbildes einer Kfz-Karosserie ist der zuständige Fachmann stets daran inte-
ressiert, Nähte und Klebefugen, insbesondere an stark beanspruchten Karosserie-
Teilen, mit einer dichten, geschlossenen, abriebfesten Beschichtung auszustatten,
damit die Karosserie-Teile besser vor mechanischen und chemischen Einflüssen
und Beanspruchungen geschützt werden können. Insofern weisen Pulverlackbe-
schichtungen immer eine Dichtfunktion auf, die der Fachmann auch im Bereich
der Nähte und Klebefugen ohne Weiteres in Betracht ziehen würde. Demzufolge
M1b
Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat daher mangels erfinderischer Tätigkeit
ebenfalls keinen Bestand.
c) Hilfsantrag 2
den Verfahrensanspruch 5, die Gegenstände des jeweiligen Patentanspruchs 1
sowohl nach Hilfsantrag 1 als auch nach Hilfsantrag 2 sind dagegen identisch.
- 20 -
Dementsprechend scheitert die Aufrechterhaltung des Patents gemäß Hilfsan-
trag 2 aus den Gründen zu Hilfsantrag 1. Auf das Fehlen des Verfahrensanspru-
ches 5 in der Anspruchsfassung des Hilfsantrages 2 kommt es dabei nicht an.
4.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 22. Oktober 2008 mitgeteilt, dass
sie an der mündlichen Verhandlung nicht teilnehmen werde und im Übrigen bean-
tragt, das Patent gemäß Hauptantrag, hilfsweise gemäß Hilfsantrag 1 oder Hilfs-
antrag 2 aufrechtzuerhalten. Da sich aus dem Akteninhalt keine Anhaltspunkte für
ein stillschweigendes Begehren einer noch weiter beschränkten Anspruchsfas-
sung ergeben, hat die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents erkenn-
bar nur im Umfang dreier Anspruchssätze beantragt, die jeweils zumindest einen
nicht rechtsbeständigen Patentanspruch 1 enthalten. Deshalb war das Patent ins-
gesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche brauchte bei dieser Sach-
lage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH GRUR 2007, 862 – Informa-
tionsübermittlungsverfahren II; Fortführung BGH GRUR 1997, 120 – Elektrisches
Speicherheizgerät).
Egerer
Schwarz-Angele
Zettler
Lange
Ko