Urteil des BPatG vom 30.08.2006

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BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 134/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 304 33 258
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28. September 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter
Dr. van Raden und Richter Kruppa
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Widersprechenden werden die Be-
schlüsse der Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 30. August 2006 und vom 16. Juni 2008
aufgehoben. Die Löschung der Marke 304 33 258 wird angeord-
net.
G r ü n d e
I.
Die am 7. Juni 2004 angemeldete und am 29. Oktober 2004 eingetragene farbige
(gelb, rot, schwarz, weiß) Wort-/Bildmarke 304 33 258
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ist nach einer Teillöschung nur noch für die Dienstleistung der Klasse 40 "Materi-
albearbeitung" geschützt.
Widerspruch erhoben ist aus der am 11. November 1995 angemeldeten und am
13. Juni 1996 eingetragenen farbigen (grün, weiß, schwarz, gelb) Wort-/Bildmarke
395 45 868
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die für eine Vielzahl von Waren in den Klassen 6, 14, 16, 18, 20, 21, 24 - 26, 28
und 34, nämlich für
"Kleineisenwaren, Schlüsselanhänger, Messer-Öffner (Anhänger),
Waren aus Metall soweit sie in Klasse 06 enthalten sind, insbe-
sondere Schilder; Edelmetalle und deren Legierungen sowie dar-
aus hergestellte oder damit plattierte Waren, soweit sie in
Klasse 14 enthalten sind; Juwelierwaren, Schmuckwaren, Edel-
steine; Uhren, insbesondere Wanduhren und Zeitmeßinstrumente;
Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit
sie in Klasse 16 enthalten sind, insbesondere Poster; Druckereier-
zeugnisse, insbesondere Adressbücher; Buchbinderartikel; Photo-
graphien; Schreibwaren und Büroartikel (ausgenommen Appara-
te); Klebstoffe für Papier und Schreibwaren oder für Haushalts-
zwecke; Autogrammkarten; Spielkarten; Leder und Lederimitatio-
nen sowie Waren daraus, soweit sie in Klasse 18 enthalten sind,
insbesondere Taschen (auch bedruckt), Geldbörsen, Brieftaschen,
Gürteltaschen; Schirme; Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren soweit
sie in Klasse 20 enthalten sind, aus Kork, Rohr, Binsen, Weide,
Horn, Knochen, Elfenbein, Fischbein, Schildpatt, Bernstein, Perl-
mutter, Meerschaum und deren Ersatzstoffen oder aus Kunststof-
fen; Geräte und Behälter für Haushalt und Küche (nicht aus Edel-
metall oder plattiert); Kämme und Schwämme; Bürsten (mit Aus-
nahme von Pinseln); Bürstenmachermaterial; Putzzeug; Stahlspä-
ne; rohes oder teilweise bearbeitetes Glas (mit Ausnahme von
Bauglas); Glaswaren, Porzellan und Steingut, soweit sie in Klas-
se 21 enthalten sind, insbesondere Gläser, Biergläser, Biertulpen,
Gartenzwerge; Webstoffe und Textilwaren, soweit sie in Klasse 24
enthalten sind, insbesondere Fahnen, Banner und Wimpel, Aufnä-
her, Handtücher, Badehandtücher, Bade-Saunatücher, Bettwä-
sche, insbesondere Spannbettücher, Bekleidungsstücke, insbe-
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sondere Sportbekleidung und Kopfbedeckungen, insbesondere
Spielerstutzen, Schals, Mützen, Hüte, Kappen, Pulswärmer, Hals-
tücher, Hemden, Trikots, Sweat-Shirts, T-Shirts, Trainingsanzüge,
Bermuda-Shorts, Schärpen, Krawatten; Spitzen und Stickereien,
Bänder, Bandmaße und Schnurbänder, insbesondere Kordeln;
Knöpfe, Haken und Ösen, Nadeln, insbesondere Krawattenna-
deln; Hosenträger; Spiele, Spielzeug, insbesondere Rasseln;
Spielbälle; Tabak, Raucherartikel, insbesondere Feuerzeuge und
Aschenbecher, Streichhölzer; Kissen"
geschützt ist. Der Widerspruch wird auf alle Waren der Widerspruchsmarke ge-
stützt.
Die Markenstelle für Klasse 40 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch mit Erstbeschluss vom 30. August 2006 wegen fehlender Verwechs-
lungsgefahr zurückgewiesen. Eine Verwechslungsgefahr scheitere an der fehlen-
den Ähnlichkeit zwischen den Widerspruchswaren und der Dienstleistung der an-
gegriffenen Marke. Es sei nicht branchenüblich, dass die Hersteller oder Vertreiber
von Waren der beanspruchten Art sich mit Dienstleistungen in Bezug auf die Um-
wandlung eines Gegenstandes oder Stoffes sowie jedes Verfahrens, das eine Än-
derung seiner Grundeigenschaften zur Folge habe (= Materialbearbeitung), be-
fassten.
Die gegen diesen Beschluss eingelegte Erinnerung hat die Markenstelle mit Be-
schluss vom 16. Juni 2008 zurückgewiesen. Auch die Erinnerungsprüferin hält die
Marken aufgrund der fehlenden Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit für nicht
verwechselbar. Die Verbraucher unterlägen nicht der Fehlvorstellung, der Herstel-
ler der Widerspruchswaren trete auch mit der Dienstleistung "Materialbearbeitung"
im Geschäftsverkehr auf. Regelmäßig erfolgten Warenproduktion und reine Ma-
terialbearbeitung in unterschiedlichen Betrieben. Bei dieser Dienstleistung handle
es sich um eine für die Warenherstellung erforderliche, unselbständige Pro-
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duktionsstufe, die regelmäßig nicht für Außenstehende erbracht werde. Hinsicht-
lich von im Rahmen der Kundenbetreuung geleisteten Reparatur- und Service-
leistungen erfolge die damit unter Umständen einhergehende Materialbearbeitung
ebenfalls als unselbständige Nebendienstleistung. Daran ändere auch die von der
Widersprechenden behauptete Notorietät ihrer Marke nichts. Abgesehen davon,
dass für die Dienstleistung "Materialbearbeitung" keine Notorietät angenommen
werden könne, müsse auch bei einer Notorietät der Widerspruchsmarke eine Wa-
renähnlichkeit vorliegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die nicht begründete Beschwerde des Wi-
dersprechenden, mit der er sinngemäß beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 30. August 2006 und vom
16. Juni 2008 aufzuheben und die angegriffene Marke zu löschen.
Der Markeninhaber hat sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Die Gefahr von Verwechslun-
gen der Vergleichsmarken gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG
kann im Ergebnis nicht verneint werden.
1.
Die Eintragung einer Marke ist im Falle eines Widerspruchs zu löschen,
wenn wegen ihrer Identität oder Ähnlichkeit mit einer Marke älteren Zeitrangs
und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Wa-
ren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen
besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander
in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei
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besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Fakto-
ren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ih-
nen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeich-
nungskraft der älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit
der Waren und Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit
der Marken oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke
ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. z. B. BGH GRUR
2005, 419, 422 - Räucherkate). Eine Verwechslungsgefahr kann nur dann
nicht angenommen werden, wenn entweder die Vergleichszeichen oder die
von ihnen erfassten Waren oder Dienstleistungen gänzlich unähnlich sind
(vgl. BGH GRUR 2001, 507, 508 - EVIAN/REVIAN; GRUR 2003, 428, 432
- BIG BERTHA; GRUR 2004, 241, 243 - GeDIOS, jeweils zur Warenunähn-
lichkeit).
Da die angegriffene Marke mit der zumindest normal kennzeichnungskräfti-
gen Widerspruchsmarke klang- und begriffsidentisch ist und sich auch visuell
nur durch die verschiedenen Farben unterscheidet, könnte eine Verwechs-
lungsgefahr nach der Wechselwirkungstheorie nur verneint werden, sofern
die Dienstleistung "Materialbearbeitung" der angegriffenen Marke mit den für
die Widerspruchsmarke geschützten Waren keinerlei Ähnlichkeit aufweisen
würde. Eine solche kollisionsausschließende Unähnlichkeit vermag der Se-
nat entgegen der Auffassung der Markenstelle aber nicht anzunehmen.
Die Ähnlichkeit der jeweils beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist
nach ständiger Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller erheblichen
Faktoren zu ermitteln, die ihr Verhältnis zueinander kennzeichnen; hierzu
gehören insbesondere ihre Beschaffenheit, ihr Verwendungszweck und ihre
Nutzung sowie ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder einander
ergänzende Produkte oder Leistungen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922, 923,
Rdn. 23 - Canon); daneben können auch ihre regelmäßige betriebliche Her-
kunft, der Vertriebs- und Erbringungsort sowie ihre wirtschaftliche Bedeutung
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Berücksichtigung finden (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl., § 9
Rdn. 77 m. w. Nachw.). Abzustellen ist aber vor allem darauf, ob zwischen
den jeweils angebotenen Produkten oder Leistungen so enge Beziehungen
bestehen, dass sich den Abnehmern, wenn sie die Waren oder Dienstleistun-
gen mit denselben Zeichen gekennzeichnet wahrnehmen, der Schluss auf-
drängt, dass diese Waren oder Dienstleistungen vom selben oder wirtschaft-
lich miteinander verbundenen Unternehmen stammen (vgl. EuGH GRUR
1998, 922, 924, Rdn. 29 - Canon).
Nach diesen Grundsätzen besteht zwischen der für die angegriffenen Marke
allein geschützten Dienstleistung "Materialbearbeitung" und den Wider-
spruchswaren jedenfalls eine entfernte Ähnlichkeit. Sämtliche Widerspruchs-
waren können das Ergebnis einer Materialbearbeitung sein bzw. bei der
Erbringung dieser Dienstleistung zum Einsatz kommen. Bei der Dienstleis-
tung "Materialbearbeitung" handelt es sich ebenso um einen weiten Ober-
begriff wie z. B. bei der "Dienstleistung eines Einzelhändlers". Bezüglich
dieser Dienstleistung hat das EuG eine Ähnlichkeit mit den gehandelten Wa-
ren damit begründet, dass die Einzelhandelsdienstleistungen und die betref-
fenden Waren in einem notwendigen Ergänzungsverhältnis stünden (EuG,
Urteil vom 24.09.2008 T - 116/06, Nrn. 52 - 58 - O STORE/THE O STORE).
Nichts anderes kann für die hier zu beurteilende Dienstleistung "Materialbe-
arbeitung" und die Widerspruchswaren gelten. Bei der Herstellung sämtlicher
Widerspruchswaren wird notwendigerweise die Dienstleistung der Material-
bearbeitung erbracht. Dies gilt insbesondere für die Waren, die auf Bestel-
lung individuell hergestellt werden, wie Kleineisenwaren, Waren aus Metall,
Schilder, Glaswaren, Textilwaren etc., die als Schlüssel speziell gefräst wer-
den oder mit Gravuren oder Stickereien versehen werden. Der Senat geht
daher zumindest von einer entfernten Ähnlichkeit zwischen der Dienstleis-
tung der angegriffenen Marke und den Widerspruchswaren aus, was in An-
betracht der hochgradigen Markenähnlichkeit und durchschnittlichen Kenn-
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zeichnungskraft der Widerspruchsmarke genügt, um eine Verwechslungsge-
fahr zu bejahen. Der Beschwerde war daher stattzugeben und die Löschung
der angegriffenen Marke anzuordnen.
2.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Frage der Ähnlichkeit zwi-
schen der Dienstleistung "Materialbearbeitung" und den für die Wider-
spruchsmarke geschützten Waren bisher nicht entschieden wurde und daher
höchstrichterlicher Klärung bedarf (§ 83 Abs. 2 MarkenG).
3.
Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71
Abs. 1 Satz 1 MarkenG weder vorgetragen, noch anderweitig ersichtlich sind,
hat es dabei zu verbleiben, dass beide Beteiligten ihre jeweiligen außerge-
richtlichen Kosten selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
Dr. Albrecht
Dr. van Raden
Kruppa
Hu