Urteil des BPatG vom 14.05.2003

BPatG: marke, versicherung, verwechslungsgefahr, spirituosen, haus, kennzeichnungskraft, verkehr, firma, nummer, bier

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 20/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
14. Mai 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 395 29 219
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 14. Mai 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Albert sowie des Richters Reker und der Richterin Eder
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die
Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 32 des Deutschen
Patent- und Markenamtes vom 24. Oktober 2000 und vom
14. Januar 1999 aufgehoben.
Die angegriffene Marke ist wegen des Widerspruchs aus der
Marke 805 906 zu löschen.
G r ü n d e :
I.
Gegen die für die Waren
"Alkoholische Getränke (ausgenommen Bier), insbesondere
Wein, Spirituosen; Biere; Mineralwässer und kohlensäurehal-
tige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtge-
tränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die
Zubereitung von Getränken"
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unter der Nummer 395 29 219 eingetragene Wort-Bild-Marke
siehe Abb. 1 am Ende
ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 805 906
SCHLOSS HERRENCHIEMSEE,
die für die Waren
"Weine, Schaumweine und Spirituosen"
eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 32 hat diesen Widerspruch zurückgewiesen; denn die
Widersprechende habe die (zulässigerweise bestrittene) Benutzung der Wider-
spruchsmarke nicht glaubhaft gemacht. Insbesondere für den Zeitraum von fünf
Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch fehle es an einer ausreichen-
den Darlegung konkreter Umsatzzahlen.
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit der Beschwerde. Sie legt weitere
Benutzungsunterlagen für die Zeit bis einschließlich 2000 vor. Wegen der an Iden-
tität grenzenden Übereinstimmung der Vergleichszeichen sowie der Identität bzw
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Ähnlichkeit der gegenüberstehenden Waren sei eine Verwechslungsgefahr zu
bejahen.
Die Widersprechende beantragt, die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle
aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.
Die Inhaberin der jüngeren Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Einrede der mangelnden ernsthaften Benutzung aufrecht, ohne sich zu
Einzelheiten zu äußern.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Zwischen der jüngeren Marke und der
Widerspruchsmarke besteht jedenfalls die Gefahr begrifflicher Verwechslungen im
Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Widersprechende hat die Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft
gemacht. Damit war bei der Beurteilung der Waren auf seiten der Widerspruchs-
marke von "Schaumwein" auszugehen. Die hierfür von der Widersprechenden vor-
gelegten Unterlagen belegen nämlich eine Benutzung ihrer Marke für die Zeit-
räume des § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG und des § 43 Abs 1 Satz 2 MarkenG in
hinreichendem Umfang. Bezüglich des nach § 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG maßgeb-
lichen Zeitraums vom 20. April 1991 bis 20. April 1996 liegen eine eidesstattliche
Versicherung, Weinpreislisten, Rechnungskopien und Etiketten vor. Diese Unterla-
gen sind ergänzt worden durch eine weitere eidesstattliche Versicherung. Danach
ergibt sich die Art der Benutzung aus den eingereichten Etiketten. Die dort
bezeichnete Weinvertriebsgesellschaft ist eine mit der Widersprechenden wirt-
schaftlich verbundene Firma, deren Benutzung der Widersprechenden zurechen-
bar ist (§ 26 Abs 2 MarkenG). Daß das Wort "SCHLOSS" auf den Etiketten in der
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Regel kleiner als das Wort "HERRENCHIEMSEE" gehalten wurde, berührt den
kennzeichnenden Charakter nicht. Auch die geltend gemachte Höhe der Umsätze
läßt an der Ernsthaftigkeit der Benutzung nicht zweifeln. Zwar sind die vorgetrage-
nen Umsätze nicht hoch, geben aber keinerlei Anlaß zu der Annahme einer blo-
ßen Scheinhandlung. Dies gilt um so mehr, als die Benutzung für einen fortlaufen-
den Zeitraum dargetan wurde. Als Benutzungsunterlagen für den nach § 43 Abs 1
Satz 2 MarkenG maßgeblichen Zeitraum von Mai 1998 bis Mai 2003 liegen eine
eidesstattliche Versicherung, Etiketten, Preislisten, Rechnungskopien und Um-
satzangaben vor. Mit diesen Angaben sind Art, Umfang und Dauer einer ernsthaf-
ten Benutzung auch für diesen Zeitraum glaubhaft dargetan. Daß die vorgelegten
Unterlagen nicht den gesamten Zeitraum ausfüllen, ist unschädlich, denn maßgeb-
lich für die Annahme einer rechtserheblichen Benutzungshandlung ist - zusammen
mit dem Umfang der Benutzung - lediglich der Beleg einer wirtschaftlich sinnvollen
Markenverwendung.
Die miteinander zu vergleichenden Waren "Schaumwein" der Widerspruchsmarke
und die Waren der angegriffenen, jüngeren Marke befinden sich in einem mittleren
bis teilweise etwas entfernteren Abstand (vgl auch Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit
von Waren und Dienstleistungen, 12. Aufl, S 290 miSp). Dieser Umstand erfordert
bei weiterer Berücksichtigung der von Haus aus normalen Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke in jeder maßgeblichen Richtung einen mittleren bis deutli-
chen Abstand der Marken, um eine Verwechslungsgefahr iSd § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG verneinen zu können. Diesen Abstand hält die angegriffene Marke nicht
ein, weil die Marken jedenfalls in ihrem Begriffsgehalt füreinander gehalten werden
können.
Eine begriffliche Verwechslungsgefahr liegt vor, wenn Wortmarken ihrem Sinn
nach vollständig oder doch im wesentlichen übereinstimmen (BGH Mitt 1968, 196
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Jägerfürst/Jägermeister), also Synonyme darstellen (vgl Ströbele/Hacker,
MarkenG, 7. Aufl, § 9 Rdnr 215), oder bei Wort- und Bildmarken der Verkehr den
Wortbegriff im Bild wiederfindet und beim Anblick des Bildes an das Wort erinnert
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wird oder umgekehrt (vgl Ströbele/Hacker, aaO, § 9 Rdnr 245). Dabei entsprechen
einander im vorliegenden Fall die Wörter "Herrenchiemsee", die übereinstimmend
in beiden Zeichen enthalten sind. Das in der Widerspruchsmarke zusätzlich ent-
haltene Wort "SCHLOSS" findet in den Wortbestandteilen der angegriffenen
Marke zwar keine Entsprechung, der größenmäßig jedoch deutliche Bildbestand-
teil dieser Marke stellt ebendieses Schloß dar und läßt zusammen mit dem dar-
übergeschriebenen Wort "Herrenchiemsee" insgesamt auch kein anderes Ver-
ständnis zu. Unabhängig also von der Überlegung, daß bereits maßgebliche Ver-
kehrskreise nicht trennen werden zwischen den Begriffen "Herrenchiemsee" in der
jüngeren Marke und "SCHLOSS HERRENCHIEMSEE" der Widerspruchsmarke,
entsprechen die beiden Zeichen einander in den maßgeblichen Wort- bzw Bildbe-
standteilen und geben insgesamt ein- und denselben Begriffsgehalt wieder.
Damit mußte die Beschwerde der Widersprechenden zum Erfolg führen.
Gründe dafür, einer Beteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billig-
keitsgründen aufzuerlegen (§ 71 Abs 1 MarkenG), sind nicht ersichtlich.
Albert Reker Eder
Fa
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Abb. 1