Urteil des BPatG vom 04.05.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 315/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
4. Mai 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 43 04 026
BPatG 154
08.05
- 2 -
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 4. Mai 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Das Patent 43 04 026 wird in vollem Umfang aufrechterhalten.
G r ü n d e
I.
Die Erteilung des Patents 43 04 026 mit der Bezeichnung
„Verfahren zur Entsorgung von verbrauchten Ionenaustauschern“
ist am 17. Februar 2005 veröffentlicht worden. Es umfasst 7 Patentansprüche, von
denen die Ansprüche 1 und 7 wie folgt lauten:
„1. Verfahren zur Entsorgung von verbrauchten, körnigen,
dadurch gekenn-
zeichnet
Atmosphäre bei Temperaturen von 300° bis 900°C oxidiert werden
und anschließend in einer zweiten Stufe bei einer Temperatur von
700° bis 900°C und Zugabe von Wasserdampf eine Aktivierung
durchgeführt und die Ionenaustauscher in Aktivkohlekügelchen
umgewandelt werden, wobei vor der Carbonisierung eine Trock-
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nung erfolgt und Inertgas bei der Carbonisierung mit 0,2 bis 4
Vol. % Sauerstoff verwendet wird und wobei bei der Aktivierung
Wasserdampf in einer Menge von 3 bis 50 % zugegeben wird.
7.
Aktivkohlekügelchen hoher Festigkeit, hergestellt nach einem
oder mehreren der vorangehenden Ansprüche.“
Zum Wortlaut der auf Anspruch 1 unmittelbar rückbezogenen Unteransprüche 2
bis 6 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Gegen dieses Patent ist am 17. Mai 2005 Einspruch erhoben worden, der auf die
Behauptung gestützt ist, Anspruch 1 sei gegenüber dem Inhalt der ursprünglich
eingereichten Unterlagen unzulässig erweitert, der Patentgegenstand sei gegen-
über dem durch die Entgegenhaltungen
E1 US 4 040 990
E2 US 4 957 897
E3 DD 63 768
belegten Stand der Technik nicht patentfähig und der product by process - An-
spruch 7 sei unzulässig, da das beanspruchte Erzeugnis durch Parameter be-
schrieben werden könne.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
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Die Patentinhaberin tritt dem Vorbringen der Einsprechenden entgegen und bean-
tragt,
das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten,
hilfsweise beschränkt aufrechtzuerhalten gemäß Hilfsanträge I bis
IV und mit angepasster Beschreibung, jeweils vom 1. Juni 2006.
Wegen weiterer Einzelheiten des schriftlichen Vorbringens der Beteiligten, insbe-
sondere zum Wortlaut der den Hilfsanträgen I bis IV zugrunde liegenden Patent-
ansprüche, wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.
Der Einspruch ist frist- und formgerecht erhoben und mit Gründen verse-
hen. Er ist somit zulässig, kann aber nicht zum Erfolg führen.
2.
Die erteilten Patentansprüche (Hauptantrag) sind zulässig.
Anspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1, 5, 6, 8 und 10
i. V. m. Seite 3 Absatz 2, Seite 5 Absatz 1 und Seite 6 Absatz 3 der ursprünglichen
Beschreibung zurück. Seite 3 Absatz 2 letzter Satz entnimmt der Fachmann - wie
auch die Einsprechende anmerkt - dass die Carbonisierung in schwach oxidieren-
der Atmosphäre vorgenommen wird. Hierbei kann es sich nur um die Carbonisie-
rung gemäß dem ursprünglichen Anspruch 1 handeln, die in vorwiegend inerter
Atmosphäre bei Temperaturen von 300° bis 900°C erfolgt. Im ursprünglichen An-
spruch 6 ist die (vorwiegend) inerte, schwach oxidierende Atmosphäre dahinge-
hend konkretisiert, dass sie bis zu einer Temperatur von 400°C 0,2 bis 4 Vol. %
Sauerstoff enthält. Diese Sauerstoffkonzentration kann der Fachmann ohne Wei-
teres vom bevorzugten Bereich bis 400°C (und besonders bevorzugten Bereich
bis 350°C) auf den gesamten Temperaturbereich bis 900°C verallgemeinern, bei
dem die Carbonisierung ablaufen soll. Durch die unmittelbare Rückbeziehung des
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ursprünglichen Anspruchs 6 auf den ursprünglichen Anspruch 1 ist die Sauerstoff-
konzentration bei der Carbonisierung eindeutig als eine von dem Abpudern nach
dem ursprünglichen Anspruch 11 unabhängige bevorzugte Ausgestaltung des
Verfahrens nach dem ursprünglichen Anspruch 1 offenbart.
Die von der Einsprechenden vorgetragenen Einwände, der Begriff „Geltyp“ stelle
insbesondere im Hinblick auf die im Absatz [0002] der Streitpatentschrift aufge-
führten anderen Ionenaustauscherharztypen kein unterscheidungskräftiges Merk-
mal dar und es sei nicht verständlich, wie der nach [0005] für verbrauchte Harze
angeblich charakteristische Schlamm in Mikroporen des Geltyps eindringen
könne, können die Zulässigkeit des Anspruchs 1 nicht in Frage stellen. Die Fach-
welt versteht - z. B. ausweislich E1, Spalte 3 Zeile 67 bis Spalte 4 Zeile 30 - den
Begriff „Geltyp“ ohne Weiteres als Unterschied zu makroporösem Material und die
den Stand der Technik betreffenden allgemeinen Ausführungen über Ionenaus-
tauscher in [0002] beziehen sich ersichtlich nicht auf diesen besonderen Aspekt.
Der in [0005] geschilderte Effekt der zur Unbrauchbarkeit führenden Verunreini-
gung ist zwanglos als eine das Ionenaustauscherbett betreffende Erscheinung zu
verstehen; dass er sich spezifisch allein auf die Mikroporen auswirken soll, ist aus
dieser Textstelle nicht abzuleiten.
Die erteilten Ansprüche 2 bis 7 entsprechen den ursprünglichen Ansprüchen 7 und
9 bis 13.
Gegen die Formulierung des Anspruchs 7 als product by process - Anspruch be-
stehen keine Bedenken. Die (zusätzliche) Kennzeichnung durch das Herstellungs-
verfahren zur genauen Charakterisierung der beanspruchten Aktivkohlekügelchen
ist zulässig und geboten, da ihre genaue Struktur allein durch Angabe der Para-
meter nicht hinreichend präzise umschrieben werden kann.
- 6 -
3.
Die Neuheit des Patentgegenstandes ist in der mündlichen Verhandlung
von der Einsprechenden eingeräumt worden. Da die Überprüfung durch den Senat
zu keiner anderen Feststellung Anlass gibt, erübrigen sich nähere Ausführungen
hierzu.
4.
Das Verfahren zur Entsorgung von verbrauchten Ionenaustauschern vom
Geltyp nach dem erteilten Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ihm liegt sinngemäß die Aufgabe zugrunde, verbrauchte, körnige, organische Io-
nenaustauscher durch geeignete Maßnahmen in Aktivkohlekügelchen umzuwan-
deln ([0008]).
Diese Aufgabe wird durch das Verfahren nach Anspruch 1 mit verbrauchten Io-
nenaustauschern vom Geltyp als Ausgangsmaterial gelöst.
Der entgegengehaltene Stand der Technik kann diese Lösung nicht nahe legen.
Die von der Einsprechenden als nächstgelegen angesehene E3 beschreibt eine
thermische Behandlung von Kationenaustauschern in der H
+
-Form bei Tempe-
raturen zwischen 250° und 1000°C unter Fernhaltung oxidierender Gase, nach der
„in bekannter Weise“ mit Wasserdampf aktiviert wird (Anspruch 1). Nach der Be-
schreibung ist unter der Fernhaltung oxidierender Gase bei der thermischen Be-
handlung zu verstehen, dass nur geringe Mengen oxidierender Gase anwesend
sein sollen, der Prozess also unter weitgehendem Luftabschluss durchzuführen
ist, wobei ein zeitweises Einspeisen von Wasserdampf zur Erhöhung der Aktivität
des Materials in die Apparatur möglich ist (Sp. 3 Z. 29 bis 49). Nach diesen An-
gaben kann sich die Anwesenheit nur geringer Mengen oxidierender Gase auch
auf die thermische Behandlung ohne Anwesenheit von Wasserdampf beziehen
und umschreibt lediglich die Vorgabe, die oxidierenden Gase im technischen Be-
trieb - beispielsweise im Dehrohrofen - unter vertretbarem Aufwand fernzuhalten.
Der Einsprechenden ist daher insoweit zuzustimmen, dass das Verfahren nach E3
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einen Sauerstoffgehalt von 0,2 Vol. %, entsprechend einem Lufteintrag von
1 Vol. % in der Inertgasatmosphäre, bei der Carbonisierung nicht ausschließt.
Der Fachmann wird sich indessen aus E3 keine Anregungen zur Behandlung ver-
brauchter Ionenaustauscher vom Geltyp holen, obwohl nach der Würdigung der
E3 in der E1 (Sp. 3 Z. 67 bis Sp. 4 Z. 30, insbes. Sp. 3 Z. 2) die DD-Patentschrift
Austauscherharze vom Geltyp betreffen könnte. Denn die E3 geht - wie bereits
erwähnt - nach Anspruch 1 von Kationenaustauscherharzen in der H
+
-Form aus
und stellt besonders heraus, dass das Ausgangsmaterial wie das Endprodukt mi-
neralfrei sein müssen (Sp. 3 Z. 19 bis 28). Die Lehre der E3 wird der Fachmann
also nicht für metallbeladene, geschweige denn für verbrauchte, verschlammte
Ionenaustauscherharze in Betracht ziehen (Absatz [0005] der Streitpatentschrift).
Auch die Entgegenhaltungen E1 und E2 können nicht zum Verfahren nach An-
spruch 1 führen.
Nach E1 Spalte 7 Zeilen 10 bis 22 können zwar beladene Ionenaustauscherharze
eingesetzt werden. Es handelt sich aber dabei nicht um verbrauchte Ionenaus-
tauscherharze, sondern um Ionenaustauscherharze in der Metallform, die durch
Säurebehandlung wieder in die H
+
-Form überführt werden können. Ferner führt E1
von Ionenaustauscherharzen vom Geltyp weg (insbes. Sp. 3 Z. 67 bis Sp. 4
Z. 30). E2 beschreibt wie E1 die Herstellung eines nur teilweise pyrolysierten Pro-
duktes aus unverbrauchten Ionenaustauscherharzen (Anspruch 1) und liefert so-
mit keine weitergehenden Hinweise in Bezug auf die zu lösende Aufgabe.
5.
Auch der Gegenstand des Anspruchs 7 beruht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Diese muss unabhängig von dem lediglich zur Kennzeichnung des Erzeugnisses
dienenden Herstellungsweg gegeben sein, kann also nicht mit den Verfahrens-
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maßnahmen begründet werden (BGH GRUR 2001, 1129 (V.1.) - zipfelfreies Stahl-
band m. w. N.).
Vorliegend weisen die patentgemäß hergestellten Aktivkohlekügelchen nach dem
Anspruchswortlaut hohe Festigkeit und nach den Ausführungen der Patentinhabe-
rin im Schriftsatz vom 1. Juni 2006 (Seite 7) hohe Abriebfestigkeit, spezifische
Porenverteilung mit einem hohen Mikroporenvolumenanteil bei insgesamt großer
Porosität sowie große aktive Oberfläche auf. Von der Einsprechenden ist nicht
geltend oder gar glaubhaft gemacht worden, dass die nach dem Stand der Tech-
nik gemäß E1, E2 oder E3 erhältliche Aktivkohle (bzw. das kohlenstoffhaltige Ma-
terial) ein vergleichbares Eigenschaftsprofil aufweisen.
6.
Die erteilten Ansprüche 1 und 7 gemäß Hauptantrag sind somit rechtsbe-
ständig. Mit ihnen haben die auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens
nach Anspruch 1 gerichteten Unteransprüche 2 bis 6 Bestand.
gez.
Unterschriften