Urteil des BPatG vom 14.03.2003

BPatG: frucht, unterscheidungskraft, verkehr, eugh, patent, tee, speiseeis, salz, essig, gemüse

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 169/03
_______________________
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 301 09 477.2
hat der 32.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
10. August 2005 durch Richter Viereck als Vorsitzenden, Richter Merzbach und
Richter Kruppa
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen
Patent- und Markenamts – Markenstelle für Klasse 41 –
- 2 -
vom 14. März 2003 insoweit aufgehoben, als die Anmel-
dung für die Waren "Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild;
Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekoch-
tes Gemüse; Eier, Milch; Speiseöle und –fette; Kaffee,
Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel;
Mehle und Getreidepräparate, Brot, Honig, Melassesirup;
Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel);
Gewürzmittel; Kühleis; Biere; Mineralwässer, kohlensäure-
haltige Wässer"
zurückgewiesen worden ist.
2.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 13. Februar 2001 für die Waren
"Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes,
getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Ge-
lees), Konfitüren, Fruchtmuse; Eier, Milch und Milchprodukte;
Speiseöle und –fette; Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka,
Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate, Brot,
feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melasse-
sirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf; Essig, Saucen (Würzmittel);
Gewürze; Kühleis; Biere; Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wäs-
ser und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und
- 3 -
Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von
Getränken"
angemeldete Wortmarke
Frucht Frisch
ist von der mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzten Markenstelle
für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamtes mit Beschluss vom
14. März 2003 insgesamt als nicht unterscheidungskräftig und freihaltbedürftig
zurückgewiesen worden. Die Wortfolge bezeichne die Waren und ihre besondere
verkaufswirksame Darreichungsform. Dem Beschluss beigefügt sind verschiedene
Internetausdrucke, die eine Verwendung der Wortfolge "Frucht Frisch" durch Dritte
belegen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Der Mar-
ke könne nicht von vornherein die Eignung abgesprochen werden, als Her-
kunftshinweis für die beanspruchten Waren zu wirken. Zur Begründung ihrer Auf-
fassung verweist die Anmelderin auf zahlreiche ihrer Meinung nach einschlägige
Entscheidungen des EuGH (GRUR 2001, 1145 – Baby - dry; GRUR Int. 2001, 756
-- Easybank; GRUR Int 2002, 592 – Eurocool), des Bundespatentgerichts (Mitt
1997, 197 – Treppenmeister) und des HABM (GRUR 1999, 77 – Safetytech) so-
wie die Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamtes.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nur im Umfang der in der Beschlussformel genann-
ten Waren begründet; im übrigen ist hier der Erfolg zu versagen.
- 4 -
1. Für die Waren "konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst; Gallerten
(Gelees), Konfitüren, Fruchtmuse; Milchprodukte; Tee; feine Backwaren und
Konditorwaren, Speiseeis; alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte;
Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken" entbehrt die
Bezeichnung "Frucht Frisch" jeglicher Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG). Unter dieser versteht man die einer Marke innewohnende konkrete
Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die beanspruchten Waren
und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unter-
nehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion der Marke ist es, die Ursprungs-
identität der so gekennzeichneten Waren zu gewährleisten. Die Prüfung, ob das
erforderliche, aber auch ausreichende Mindestmaß an Unterscheidungskraft
vorliegt, muss – seitens der Markenstelle ebenso wie in der Beschwerdeinstanz –
streng, vollständig, eingehend und umfassend sein (vgl. EuGH GRUR 2003, 604
- Libertel, Rdn 59; GRUR 2004, 674 – KPN Postkantoor, Rdn 123). Kann einer
Marke ein für die beanspruchten Waren im Vordergrund stehender
beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und/oder handelt es sich um ein
gebräuchliches Wort (bzw. eine Wortkombination) der deutschen Sprache oder
einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden wird, so entbehrt dieses jeglicher
Unterscheidungseignung und damit jeglicher Unterscheidungskraft (st. Rspr.; vgl.
BGH BlPMZ 2002,85 – INDIVIDUELLE; 2004, 30 - Cityservice).
Den Bedeutungsgehalt der Wortfolge "Frucht Frisch" hat die Markenstelle zutref-
fend dargelegt; zur Vermeidung von Wiederholungen wird hierauf Bezug genom-
men. Bezüglich der weiterhin zu versagenden Waren wirkt "Frucht Frisch" lediglich
wie eine allgemeine Werbesaussage, wonach bei der Herstellung der so ge-
kennzeichneten Waren nur frische Früchte verwendet werden. Dabei ist den Wa-
ren gemeinsam, dass diese ausnahmslos Früchte enthalten bzw. einen Fruchtge-
schmack haben können. In diesem Sinn wird die Wortfolge von Dritten auch im
Inland in Verbindung mit Obst oder einem Brotaufstrich bereits verwendet, wie den
von der Markenstelle ermittelten Internetausdrucken zu entnehmen ist. "Frucht
- 5 -
Frisch" wird von den angesprochenen Verkehrskreisen deshalb unmittelbar wa-
renbezogen, nämlich als Hinweis auf die Frische der bei den Waren verwendeten
Früchte verstanden. Der Verkehr wird hierin keinen Hinweis auf die Herkunft der
Waren aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb sehen.
Soweit sich die Anmelderin im Amtsverfahren darauf berufen hat, Frucht Frisch sei
kein Wort der deutschen Sprache und daher unterscheidungskräftig, stehen dieser
Auffassung verschiedene Entscheidungen des EuGH (z.B. GRUR 2004, 86
- Biomild) und des BGH (z.B. GRUR 2001, 1151 – marktfrisch) entgegen. Voraus-
setzung für die Bejahung der Unterscheidungskraft wäre es danach, dass die
sprachliche Neuschöpfung aus zusammengesetzten beschreibenden Wortbe-
standteilen aufgrund der Ungewöhnlichkeit der Kombination in Bezug auf die ge-
nannten Waren einen Eindruck erweckt, der hinreichend weit von dem abweicht,
der bei bloßer Zusammenfügung der ihren Bestandteilen zu entnehmenden Anga-
ben entsteht und somit über diese Bestandteile hinausgeht (EuGH a.a.O). Dies ist
bei "Frucht Frisch" bezüglich der vorstehend genannten Waren nicht der Fall, da
der Verkehr die Marke insoweit in dem aufgezeigten Sinn verstehen wird.
Auch aus der Schutzgewährung für andere Marken vermag die Anmelderin nichts
zu ihren Gunsten abzuleiten. Inländische Voreintragungen selbst identischer Mar-
ken führen weder für sich noch in Verbindung mit dem Gleichheitssatz des Grund-
gesetzes zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung derjenigen Stellen, wel-
che über die Eintragung zu befinden haben. Die Entscheidung über die Schutz-
fähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine Rechtsfrage dar (vgl.
z.B. BGH GRUR 1989, 420 – KSÜD; BPatG 32,5 – CREATION GROSS).
Ob Frucht Frisch für die versagten Waren zusätzlich auch als Produktmerkmals-
bezeichnung im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG anzusehen ist, wofür nach
den Ermittlungen der Markenstelle manches spricht, kann letztlich als nicht ent-
scheidungserheblich offen bleiben.
- 6 -
2. Eine andere Beurteilung ist für die im Beschlusstenor genannten Waren ange-
zeigt, da bei der Herstellung dieser Waren Früchte üblicherweise nicht verwendet
werden. Für diese Waren entbehrt "Frucht Frisch" nicht des notwendigen
Mindestmaßes an betriebskennzeichnender Hinweiskraft; es liegt insoweit auch
keine unmissverständlich Produktmerkmalsangabe vor.
Viereck Merzbach Kruppa
Hu