Urteil des BPatG vom 30.05.2006

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
23 W (pat) 23/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. Mai 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 199 32 201.5-33
hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 30. Mai 2006 unter Mitwirkung …
- 2 -
beschlossen:
Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2004 wird aufge-
hoben und das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a, 4, 6, 8
und 9, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung
vom 30. Mai 2006, ursprüngliche Beschreibungsseiten 5 und 7,
und ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 6.
G r ü n d e
I
Die Patentanmeldung der Anmelderin und Beschwerdeführerin wurde unter Inan-
spruchnahme zweier japanischen Prioritäten vom 10.
Juli
1998 (Aktenzei-
chen JP 10-196069 und JP 10-196073) am 9. Juli 1999 beim Deutschen Patent-
und Markenamt mit der Bezeichnung „Photonische Halbleitervorrichtung“ mit
9 Patentansprüchen eingereicht.
Im Prüfungsverfahren wurden als Stand der Technik folgende Druckschriften er-
mittelt:
1)
DE 196 29 720 A1,
2)
K. Minegishi et al.: „Growth of p-type Zinc Oxide Films by
Chemical Vapor Deposition“, Jpn. J. Appl. Phys., Vol. 36,
(1997) Seiten L1453 bis L1455,
3) JP 08-139 361 A zusammen mit einem englischsprachigen
Abstract
und
4)
DE 42 07 783 A1.
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Die Anmelderin hat in ihren Anmeldungsunterlagen noch die Entgegenhaltungen
5)
JP 9-45960 A und
6) JP
9-296936
genannt, wobei die zuletzt genannte Druckschrift offensichtlich nichts mit der
Halbleitertechnik zu tun hat.
In der Anhörung vom 8. Januar 2004 wurde die Anmeldung von der Prüfungsstelle
für Klasse H 01 L des Deutschen Patent- und Markenamts zurückgewiesen, weil
der Gegenstand des in der Anhörung überreichten Patentanspruchs 1 im Hinblick
auf die Druckschriften 1) und 2) nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit des Fach-
manns beruhe.
Hiergegen richtet sich die zulässige Beschwerde der Anmelderin.
In der mündlichen Verhandlung vom 30. Mai 2006 überreicht die Beschwerdefüh-
rerin neue Ansprüche 1 bis 6 und die Beschreibungsseiten 1 bis 3 sowie 3a, 4, 6,
8 und 9 und vertritt die Ansicht, dass der Stand der Technik dem Gegenstand des
Patentanspruchs 1 nicht patenthindernd entgegenstehe.
Sie stellt den Antrag,
den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 01 L des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 8. Januar 2004 aufzuheben
und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibungsseiten 1 bis 3, 3a, 4, 6, 8
und 9, diese Unterlagen überreicht in der mündlichen Verhandlung
vom 30. Mai 2006, ursprüngliche Beschreibungsseiten 5 und 7,
ursprüngliche Zeichnung, Figuren 1 bis 6.
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Der in der mündlichen Verhandlung überreichte Patentanspruch 1 hat folgenden
Wortlaut:
„Photonische Halbleitervorrichtung, umfassend:
ein Substrat (2; 22; 32; 42; 52; 62);
eine auf dem Substrat (2; 22; 32; 42; 52; 62) vorgesehene ZnO-
Pufferschicht (3; 23; 33; 43; 53; 63), die mit einem Dotierelement
zur Verringerung des elektrischen Widerstands der ZnO-Puffer-
schicht dotiert ist; und
eine In
x
Ga
y
Al
z
N-Verbindungs-Halbleiterschicht (5, 6, 7; 24, 25; 34,
35, 36; 45, 46, 47; 54, 55; 64, 65), die auf der ZnO-Pufferschicht
vorgesehen ist, wobei x + y + z = 1, 0 < x < 1, 0 < y < 1, 0 < z
< 1 gilt,
dadurch gekennzeichnet, dass
die ZnO-Pufferschicht (3; 23; 33; 43; 53; 63) frei von den die
In
x
Ga
y
Al
z
N-Verbindungs-Halbleiterschicht (5, 6, 7; 24, 25; 34, 35,
36; 45, 46, 47; 54, 55; 64, 65) bildenden Elementen ausgebildet ist
und mit mindestens einem Dotierelement aus der Gruppe beste-
hend aus Sc, Y, La, Ac, Tl, V Nb, Ta, P, Sb und Bi dotiert ist.“
Bezüglich der Unteransprüche 2 bis 6 und weiterer Einzelheiten wird auf den Ak-
teninhalt verwiesen.
II
Die frist- und formgerecht erhobene Beschwerde ist zulässig. Sie ist auch begrün-
det, weil dem Gegenstand des in der mündlichen Verhandlung überreichten Pa-
tentanspruchs 1 der ermittelte Stand der Technik nicht patenthindernd entgegen-
steht.
- 5 -
1) Ausweislich
der
Beschreibungseinleitung betrifft die vorliegende Anmeldung
eine photonische Halbleitervorrichtung, insbesondere eines Verbindungshalblei-
ters auf GaN-Basis als aktive Schicht, wie diese bei Licht emittierenden Dioden
(LED) oder Laserdioden (LD) eingesetzt werden.
Die Verbindungshalbleiter der III
-
V Gruppe haben die allgemeine Formel
In
x
Ga
y
Al
z
N mit 0 < x, y, z < 1 und x + y + z = 1 und werden als Verbindungshalb-
leiter auf GaN-Basis bezeichnet.
Es sei auch schon bekannt, zur Herstellung von Verbindungshalbleitern auf GaN-
Basis auf Silizium- bzw. Saphirsubstraten eine zur Gitteranpassung dienende Al-
dotierte ZnO-Schicht einzufügen, vgl. geltende Beschreibungsseite 2, Abs. 2.
Jedoch haben die Erfinder herausgefunden, dass derartige Vorrichtungen insofern
problematisch sind, als deren Lichtaussende-Charakteristika und deren physikali-
sche Eigenschaften während des Betriebs sich allmählich verändern, weil das in
der ZnO-Zwischenschicht eindotierte Al in die Verbindungshalbleiterschichten auf
GaN-Basis diffundiert und so deren Zusammensetzung nachteilig verändert, vgl.
die zugehörige Offenlegungsschrift Spalte 1, Zn. 50 bis 55 und Spalte 2, Zn. 26 bis
33.
Daher liegt der vorliegenden Erfindung als technisches Problem die (objektive)
Aufgabe zugrunde, Gegenmaßnahmen für das vorstehend angesprochene
Problem der durch Diffusion sich allmählich ändernden Zusammensetzung der
Verbindungshalbleiterschichten auf GaN-Basis vorzuschlagen.
Die Lösung ist im Patentanspruch 1 vom 30. Mai 2006 im Einzelnen angegeben.
Hierbei ist es wesentlich, dass die ZnO-Pufferschicht zur Verringerung ihres
elektrischen Widerstandes dotiert ist und dass die Dotierelemente frei sind von
den die In
x
Ga
y
Al
z
N-Verbindungshalbleiterschicht mit 0 < x, y, z < 1 und x + y + z =
- 6 -
1 bildenden Elementen, d. h. speziell in der ZnO-Pufferschicht werden als Dotier-
elemente Sc, Y, La, Ac, Tl, V, Nb, Ta, P, As, Sb und Bi verwendet.
Speziell bedeutet diese Lehre, dass beim Dotieren der ZnO-Pufferschicht eines
Verbindungshalbleiterelements auf GaN-Basis die Elemente B, Al, Ga und In der
III Periodengruppe und das Element N der V Periodengruppe nicht verwendet
werden dürfen.
2)
Die geltenden Patentansprüche 1 bis 6 sind ursprünglich offenbart und so-
mit zulässig.
Der geltende Patentanspruch 1 geht inhaltlich auf die ursprünglichen Ansprüche 1
bis 3 oder 9 zurück, wobei durch Verzicht auf Bor (B) als Dotierelement in der
ZnO-Pufferschicht der Patentanspruch 1 zusätzlich eingeschränkt wurde. Die gel-
tenden Unteransprüche 2 bis 6 gehen inhaltlich auf die ursprünglichen Unteran-
sprüche 4 bis 8 in dieser Reihenfolge zurück.
3)
Wie sich aus der Abhandlung zur erfinderischen Tätigkeit ergibt, ist die
Lehre des Patentanspruchs 1 neu, weil eine photonische Halbleitervorrichtung mit
einem Substrat, darauf mit einer ZnO-Pufferschicht und darauf mit einer
In
x
Ga
y
Al
z
N-Verbindungs-Halbleiterschicht, deren ZnO-Pufferschicht mit im Patent-
anspruch 1 definierten Auswahl von Elementen dotiert wird, im Stand der Technik
nicht offenbart ist.
4)
Die Lehre des Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit des zuständigen Fachmann, der hier als ein berufserfahrener, mit der
Entwicklung von photonischen Halbleitervorrichtungen, wie Licht emittierende Dio-
den oder Laserdioden, befasster Diplom-Physiker oder Diplom-Ingenieur der
Fachrichtung Elektrotechnik, jeweils mit Hochschulabschluss zu definieren ist.
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Zunächst muss festgehalten werden, dass die Lehre des Patentanspruchs 1, der
zufolge beim Dotieren der ZnO-Pufferschicht eines Verbindungshalbleiterelements
auf GaN-Basis die Elemente B, Al, Ga und In der III Periodengruppe und das
Stickstoff (N) aus der V Periodengruppe nicht eingesetzt werden dürfen, ist in die-
ser wörtlichen Form aus dem Stand der Technik nicht herzuleiten, weil das von
den Erfindern analysierte Problem der Diffusion der Dotierelemente der ZnO-
Schicht in die GaN-Verbindungs-Halbleiterschichten und damit verbundener Ver-
schlechterung der Eigenschaften dieser Halbleiterschichten im Stand der Technik
nicht angesprochen wurde.
Somit setzt im vorliegenden Fall die erfinderische Leistung schon bei der
Problemanalyse ein (vgl. BGH GRUR 1985, 369, 370 re. Spalte Mitte - „Körper-
stativ“.
Der Fachmann gelangt auch nicht aufgrund anderer üblicher Problemstellungen
ohne erfinderisches Zutun zu Gegenständen gemäß Patentanspruch 1, vgl. BGH
GRUR 2003, 693 Leitsatz und 695, li. Spalte, vorle. Abs. – „Hochdruckreiniger“.
Die Entgegenhaltung 1) offenbart anhand des zweiten Ausführungsbeispiels ab
Spalte 6 i. V. m. der Figur 3 eine
- lichtelektrische
Halbleitervorrichtung (Lichtemittierende Halb-
leitervorrichtung)
-
mit einem Substrat
(Si-Substrat
9 niedrigen elektrischen
Widerstands),
-
auf dem eine mittels Al n-dotierte ZnO-Pufferschicht (epitaxi-
ale ZnO-(0001)-Einkristallfilm mit niedrigem Widerstand als
Pufferschicht 10) aufgebracht ist,
-
und auf dem eine Folge von In
x
Ga
y
Al
z
N-Verbindungs-Halblei-
terschichten mit 0 < x, y, z < 1 und x + y + z = 1 (4, 5, 6 und
11) angeordnet sind, die zunächst n-dotiert (4, 11), als aktive
- 8 -
Schicht (Aktivschicht 5) undotiert und als weitere Schicht (6)
p-dotiert sind.
In der Entgegenhaltung 2) wird darauf hingewiesen, dass mit B, Al, Ga und In als
Donatoren in ZnO niedrige Widerstände dieser ZnO-Schicht erreicht werden kön-
nen, vgl. dort den Abschnitt „Introduction“, Abs. 2.
Der Artikel befasst sich schwerpunktmäßig mit mittels Stickstoff (N) p-dotierten
ZnO-Schichten.
In der Entgegenhaltung 5) wird die ZnO-Pufferschicht (ZnO buffer layer 10) mit
Aluminium (Al) dotiert, um niedrige Widerstände zu erhalten, vgl. dort Fig. 3
i. V. m. Abschn. [0031] an der zugehörigen Computerübernetzung.
Schließlich offenbart die Entgegenhaltung 4), dass ZnO-Schichten mittels B oder
Al n-dotiert werden können, um die elektrische Leitfähigkeit dieser Schichten zu
erhöhen, vgl. dort Anspruch 1 i. V. m. Spalte 4, Abs. 2.
Somit wurden im Stand der Technik stets B, Al, Ga, In und N als Dotierelemente
für ZnO-Pufferschichten genannt, die jedoch alle nicht in der gemäß Patentan-
spruch 1 definierten Gruppe von Dotierelementen aus Sc, Y, La, Ac, Tl, V Nb, Ta,
P, Ab, Sb und Bi liegen.
Die in der Entgegenhaltung 3) und 5) vorgesehene ZnO-Pufferschicht ist offen-
sichtlich undotiert.
Somit beruht die photonische Halbleitervorrichtung gemäß Patentanspruch 1 auf
einer erfinderischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns und ist daher patentfä-
hig.
- 9 -
5) Die
Unteransprüche
2 bis 6 betreffen nicht selbstverständliche
Ausgestaltungen der photonischen Halbleitervorrichtung gemäß Patentanspruch 1
und sind ebenfalls patentfähig.
6) Die
Beschreibung
erfüllt
die an sie zu stellenden Anforderungen, weil darin
der Stand der Technik angegeben ist, von dem die Erfindung ausgeht, und darin
die Erfindung hinreichend erläutert ist.
Daher war der angefochtene Beschluss aufzuheben und das Patent wie beantragt
zu erteilen.
gez.
Unterschriften