Urteil des BPatG vom 25.01.2001

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, beschwerde, verhandlung, benutzung, abstand, kennzeichnungskraft, antrag, telefax, arzneimittel)

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 126/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
25. Januar 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angegriffene Marke 398 02 563
BPatG 154
6.70
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hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 25. Januar 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Kliems sowie der Richter Knoll und Brandt
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Cefdigrün
ist unter der Nummer 398 02 563.0 als Marke für "pharmazeutische und veterinär-
medizinische Erzeugnisse" in das Markenregister eingetragen worden. Die Mar-
keninhaberin hat das Warenverzeichnis der angegriffenen Marke im Beschwerde-
verfahren eingeschränkt auf "Antiinfektiva", wobei sie in der mündlichen Verhand-
lung klargestellt hat, daß das Warenverzeichnis richtig wie folgt lautet: "Pharma-
zeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse, nämlich Antiinfektiva". Nach der
Veröffentlichung der Eintragung am 20. März 1998 ist Widerspruch erhoben wor-
den von der Inhaberin der älteren, seit dem 20. August 1954 für "Mittel zur Be-
handlung von Herzkrankheiten" eingetragenen Marke 661 652
Cefacardin
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat noch
ausgehend von dem ursprünglichen weiteren Warenverzeichnis der angegriffenen
Marke in zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen
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ist, die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch
zurückgewiesen. Auch wenn die Marken zur Kennzeichnung identischer Waren
verwendet werden könnten und von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft
der Widerspruchsmarke auszugehen sei, sei ein ausreichender Markenabstand
eingehalten, zumal auch die angesprochenen allgemeinen Verkehrskreise bei Wa-
ren, welche die Gesundheit beträfen, eine gewisse Sorgfalt walten ließen. Die Ver-
gleichsbezeichnungen stimmten lediglich in den drei Anfangsbuchstaben "Cef"
und im Schlußbuchstaben "n" überein. Durch die Abweichungen im übrigen werde
aber sowohl klanglich als auch schriftbildlich ein ausreichender Abstand herge-
stellt. Eine Verwechslungsgefahr unter dem Aspekt eines Serienzeichens komme
auch nicht in Betracht. Zwar könne "Cefa" ein Stammbestandteil für Marken der
Widersprechenden sein. Dieser Bestandteil sei aber mit dem Bestandteil "Cef" der
jüngeren Marke nicht wesensgleich.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, die im Verfahren
keinen konkreten Antrag gestellt hat.
In der Sache hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren nichts vorgetra-
gen. Vor der Markenstelle hatte sie ausgeführt, daß an den Markenabstand stren-
ge Anforderungen zu stellen seien, zumal auch die Waren der Widerspruchsmarke
von Laien empfohlen werden könnten. Es seien auch der flüchtige Betrachter und
die zum Teil undeutlichen telefonischen Bestellungen zu berücksichtigen. Sowohl
klanglich als auch schriftbildlich bestehe aufgrund des identischen Wortan-
fangs "Cef", der nahezu identischen Endung "ün" bzw "in" sowie der Ähnlichkeit
von "a" und "d" im Schriftbild durchaus Verwechslungsgefahr.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
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Vor der Markenstelle hatte sie ausgeführt, daß keine Verwechslungsgefahr beste-
he. Die Vergleichsbezeichnungen wiesen einen ganz unterschiedlichen Sprech-
und Betonungsrhythmus auf und stimmten in keiner Silbe überein. Auch die klang-
tragenden Vokalfolgen wiesen so erhebliche Unterschiede auf, daß eine Ver-
wechslungsgefahr ausgeschlossen sei. In schriftbildlicher Hinsicht sei ebenfalls
ein ausreichender Abstand eingehalten.
Im Beschwerdeverfahren hat die Inhaberin der angegriffenen Marke die Benut-
zung der Widerspruchsmarke bestritten. Die Widersprechende hat sich zur Frage
der Benutzung ihrer Marke in der mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2001,
zu der sie trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war, nicht geäußert. In
einem am späten Nachmittag des Vortages vor der mündlichen Verhandlung vom
25. Januar 2001 nicht als eilig gekennzeichneten und ohne Hinweis auf die münd-
liche Verhandlung eingegangenen Telefax, das bis zur mündlichen Verhandlung
nicht zu den Akten gelangt war, hat die Widersprechende vorgetragen, daß die
Widerspruchsmarke fiktiv zugelassen sei und sich im Nachzulassungsverfahren
befinde. Der Antrag hierzu sei vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinpro-
dukte im August 1993 aufgerufen worden. Zuvor sei ein Produkt der Widerspre-
chenden unter anderem zur Anwendung bei "leichteren Formen der Herzmuskel-
und Kreislaufschwäche" mit der Marke gekennzeichnet und im Handel gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse der Markenstelle sowie
auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie
form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
In der Sache konnte die Beschwerde jedoch keinen Erfolg haben. Der Wider-
spruch war gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen, weil die Wider-
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sprechende nach Erhebung der Nichtbenutzungseinrede im Beschwerdeverfahren
eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke bzw berechtigte Gründe
für eine Nichtbenutzung im maßgeblichen Zeitraum nicht glaubhaft gemacht hat,
so daß mangels berücksichtigungsfähiger Waren auf seiten der Widerspruchsmar-
ke der Widerspruch schon aus diesem Grund keinen Erfolg haben konnte, 43
Abs 1 Satz 3 MarkenG.
Im übrigen konnte die Beschwerde auch wegen der fehlender Verwechslungsge-
fahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG keinen Erfolg haben. Der nach § 42
Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch ist von der Markenstelle zu Recht ge-
mäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen worden.
Nachdem die Widerspruchsmarke bereits seit 1954 eingetragen ist, konnte die In-
haberin der jüngeren Marke die Benutzung der Widerspruchsmarke bestreiten,
§ 43 Abs 1 MarkenG. Da die Benutzungsschonfrist vor der Veröffentlichung der
Eintragung der angegriffenen Marke abgelaufen war, war es Aufgabe der Wider-
sprechenden, eine ernsthafte Benutzung bzw berechtigte Gründe für eine Nichtbe-
nutzung der Widerspruchsmarke für die Zeiträume nach § 43 Abs 1 Satz und
Satz 2 MarkenG glaubhaft zu machen (vgl zum Nebeneinander der beiden Einre-
den bzw der beiden Zeiträume BGH GRUR 1998, 938 - DRAGON).
Die Widersprechende hat zwar vorgetragen, daß "Cefacardin" fiktiv zugelassen sei
und sich seit August 1993 in einem Nachzulassungsverfahren beim Bundesinstitut
für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) befinde. Anders als nach der frühe-
ren Rechtsprechung zum WZG (vgl BGH BlPMZ 1978, 159 ff "Orbicin") kann dies
unter der Geltung des Markengesetzes grundsätzlich nicht mehr als Benutzungs-
handlung angesehen werden, sondern ist unter dem Gesichtspunkt berechtigter
Gründe für eine Nichtbenutzung im Sinne des § 26 Abs 1 MarkenG zu prüfen (vgl
BGH GRUR 2000, 890 "IMMUNINE/IMUKIN; vgl dazu auch im einzelnen die Se-
natsentscheidung GRUR 1999, 1002 - Sapen).
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Da Benutzungsfragen dem Beibringungsgrundsatz unterstellt sind (vgl dazu BGH
GRUR 1998, 938, 939 reSp 1. Absatz), mußte die Widersprechende die berechtig-
ten Gründe für die Nichtbenutzung darstellen. Hierzu gehören vorliegend Ausfüh-
rungen, wie sie das Nachzulassungsverfahren vor dem BfArM von ihrer Seite ge-
fördert hat und weshalb nach so langer Verfahrensdauer noch keine Entscheidung
getroffen ist. Ob insoweit der Vortrag der Widersprechenden ausreichend substan-
tiiert ist, kann dahinstehen, da die Widersprechende keinerlei Glaubhaftmachungs-
mittel vorgelegt hat. Regelmäßig sind insoweit zumindest der Zulassungsantrag
und die Bescheide bzw Zwischenbescheide des BfArM einzureichen (vgl allge-
mein zur Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung Althammer/Strö-
bele MarkenG, 6. Aufl, § 43 Rdn 43 ff).
Auch wenn der Senat mangels Kenntnis des am 24. Januar 2001 eingegangenen
Telefax die am Ende der Verhandlung vom 25. Januar 2001 verkündete Entschei-
dung in der kurzen mündlichen Begründung in erster Linie auf die durchgreifende
Nichtbenutzungseinrede gestützt hat, können die weiteren Einzelheiten zu den Be-
nutzungsfragen dahinstehen, da die Beschwerde auch im Hinblick auf fehlende
Verwechslungsgefahr keinen Erfolg haben konnte.
Selbst wenn ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke und uneingeschränkt angesprochenen allgemeinen Verkehrskrei-
sen trotz eines nicht unerheblichen Indikations- und Warenabstandes, der zwi-
schen "Antiinfektiva" und "Mitteln zur Behandlung von Herzkrankheiten" gegeben
ist, noch strenge Anforderungen an den Markenabstand gestellt werden, wird die
angegriffene Marken diesen Anforderungen gerecht.
Klanglich weisen die Markenwörter zwar gleiche Anfangssilben und eine ähnliche
Endungen "-ün" gegenüber "-in" auf. Demgegenüber heben sie sich aber in der
Sprechsilbenzahl, im Sprech- und Betonungsrhythmus, in der klangtragenden Vo-
kalfolge und auch in der konsonantischen Lauten im Wortinnern so deutlich von-
einander ab, daß ein ausreichend abweichender Gesamteindruck entsteht.
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Auch in schriftbildlicher Hinsicht weisen die Marken aufgrund der zahlreichen ab-
weichenden Buchstaben solche Unterschiede in der Umrißcharakteristik auf, das
die Bejahung einer entsprechenden Verwechslungsgefahr nicht Betracht kommt.
Der Widerspruch und die Beschwerde konnten nach alledem keinen Erfolg haben.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Brandt Knoll