Urteil des BPatG vom 26.04.2001

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BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 76/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 398 42 319.9
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 26. April 2001 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems so-
wie der Richter Knoll und Brandt
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelder wird der Beschluß der Marken-
stelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
25. Januar 2000 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
HEARSAFE
ist am 28. Juli 1998 für die Waren und Dienstleistungen
"Produkte zur Gesundheitspflege, nämlich Gehörschutzprodukte,
Kapselgehörschutz, Schallpegelmesser; Produkte zur gehörrichti-
gen Ton- und Sprachübertragung, nämlich Im-Ohr-Hörer zur Mu-
sik- und Sprachübertragung, Kopfhörer zur Musik- und Sprach-
übertragung, Übertragungsanlagen zur Musik- und Sprachübertra-
gung, Körperschall-Überträger; wissenschaftliche und industrielle
Forschung; Lieferung von technischem Know How, Durchführung
von Messungen, technische Beratung, Entwicklung, Konstruktion
und Planung, alle vorgenannten Dienstleistungen beziehen sich
auf die vorgenannten Waren"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung zurückgewiesen. Die Entscheidung nimmt auf den Beanstandungsbe-
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scheid vom 5. Oktober 1999 Bezug. Dort war ausgeführt, daß sich die angemelde-
te Bezeichnung aus den englischen Begriffen "HEAR" und "SAFE" mit der Bedeu-
tungen "hören" und "sicher" zusammensetze. Auch in der Kombination der schutz-
unfähigen Bestandteile ergebe sich kein neuer schutzfähiger Gesamtbegriff. Der
Verkehr werde der Bezeichnung lediglich entnehmen, daß die Waren und Dienst-
leistungen es ermöglichen, daß man sicher hört, dh richtig hört. Als ohne weiteres
verständliche, unmittelbar beschreibende Angabe sei das Markenwort nicht unter-
scheidungskräftig. Im übrigen bestehe an der die Waren und Dienstleistungen be-
schreibenden Angabe ein Freihaltebedürfnis.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelder mit dem Antrag,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben und die angemeldete
Marke einzutragen.
Die Anmelderin hat im Verfahren vor der Markenstelle und im Beschwerdeverfah-
ren in der Sache nichts vorgetragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluß der Markenstelle sowie
auf die Schriftsätze des Anmelders Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelder ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und
fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Nach Auffassung des Senats ste-
hen der Eintragung der angemeldeten Marke die von der Markenstelle angenom-
menen Schutzhindernisse nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG nicht entgegen.
Die Markenstelle hat die Bedeutung der Zeichenbestandteile "HEAR" und "SAFE"
zwar richtig erkannt. Für einen erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs ist
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die angemeldete Gesamtbezeichnung "HEARSAFE" auch ohne weiteres im Sinne
von "hören-sicher" oder auch "hörsicher" verständlich. Im Zusammenhang mit den
beanspruchten Waren und Dienstleistungen kann auch eine Vermutung dahinge-
hend angestellt werden, daß die Waren und Dienstleistungen der Sicherheit bzw
dem Schutz des Gehörs dienen.
Dies genügt aber nicht, um der angemeldeten Bezeichnung die Schutzfähigkeit
abzusprechen, zumal es zahlreiche sogenannte sprechende Marken gibt, die in ir-
gendeiner Form die Art und Weise der Waren und Dienstleistungen, deren Zusam-
mensetzung, deren Anwendungsbereich oder auch deren geographische Herkunft
mehr oder weniger deutlich beschreiben. Dies steht grundsätzlich der Eintragbar-
keit nicht entgegen und spricht für sich genommen häufig noch nicht einmal gegen
die Annahme einer normalen Kennzeichnungskraft, wenn die Zeichen über ihren
beschreibenden Gehalt hinaus auch noch kennzeichnende Eigenart besitzen.
Vorliegend weicht die angemeldete Bezeichnung im Vergleich zu zahlreichen an-
deren sprechenden Marken zwar im Originalitätsgrad nach unten ab, da lediglich
zwei Wörter des englischen Grundwortschatzes, welche für sich genommen zur
Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen geeignet und des-
halb wohl nicht eintragungsfähig sind, zu einem Wort verknüpft werden. Die
Schutzunfähigkeit einzelner Bestandteile spricht aber weder unter dem Gesichts-
punkt fehlender Unterscheidungskraft noch unter dem Gesichtspunkt eines Frei-
haltebedürfnisses gegen die Eintragungsfähigkeit der Gesamtbezeichnung. Der
Verkehr nimmt ein als Marke verwendetes Zeichen nämlich regelmäßig in seiner
Gesamtheit mit all seinen Bestandteilen auf, ohne es zu zergliedern oder zu analy-
sieren (so BGH in ständiger Rechtsprechung, vgl zB GRUR 1995, 408 – PRO-
TECH; vgl auch zu Mehrwortmarken BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFT-
WARE CORPORATION; GRUR 1996, 771 – THE HOME DEPOT).
Ein Schutzhindernis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG kann nicht mit der erforderli-
chen Sicherheit festgestellt werden. Die angemeldete Bezeichnung besteht nicht
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ausschließlich aus beschreibenden Angaben. Nach Auffassung des Senats eignet
sie sich nicht zu einer konkreten und üblichen Beschreibung der beanspruchten
Waren und Dienstleistungen. Eine beschreibende Verwendung der Gesamtbe-
zeichnung konnte weder der Senat noch die Markenstelle nachweisen. Entspre-
chende gründliche Recherchen in einschlägigen Wörterbüchern und auch im Inter-
net über die Suchmaschine "AltaVista" blieben ohne Ergebnis. Gegen eine Eig-
nung der angemeldeten Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung spricht,
daß das Markenwort "HEARSAFE" nicht sprachregelgerecht gebildet ist. Vielmehr
ist die Verknüpfung von Verb und Adjektiv oder auch Adverb in einem Wort in der
englischen, aber auch in der deutschen Sprache unüblich. Von der Konstruktion
sind mit der angemeldeten Bezeichnung am ehesten noch Begriffe der deutschen
Sprache wie "standsicher, treffsicher, fangsicher oder trittsicher" vergleichbar, wo-
bei der Anfangsbestandteile dieser Wörter teilweise von Verben abgeleitet sein
mögen, es sich gleichwohl nicht um Verben handelt. In der englischen Sprache
sind - soweit ersichtlich - solche Komposita völlig unüblich. Selbst wenn die ange-
meldete Bezeichnung im Hinblick auf die genannten Beispiele aus der deutschen
Sprache nach einer entsprechenden Adaption im Sinne von "hörsicher" verstan-
den würde, ergibt sich daraus kein die beanspruchten Waren und Dienstleistungen
hinreichend klar beschreibender Sinngehalt. Analog zu den Begriffen "standsicher,
treffsicher, fangsicher oder trittsicher" könnte "hörsicher" zwar dahingehend ver-
standen werden, daß die Waren und Dienstleistungen das Hörvermögen steigern,
etwa bei hörbehinderten Personen. Ein solches Verständnis ist allerdings von der
Waren- und Dienstleistungenlage her nicht nahegelegt, da keine Produkte für Hör-
behinderte beansprucht werden. Ein Verständnis dahingehend, daß die entspre-
chenden Produkte das Gehör schützen, erfordert schon mehrere Gedankenschrit-
te. Eine solche analysierende Betrachtungsweise kann aber im Rahmen der
Schutzfähigkeitsbeurteilung nicht zum Maßstab gemacht werden und kann die Be-
jahung eines Freihaltebedürfnisses nicht rechtfertigen.
Ausgehend von diesen Überlegungen zum Schutzhindernis nach § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG kann der angemeldeten Marke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft
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abgesprochen werden. Sie ist nach Auffassung des Senats vielmehr hinreichend
originell gebildet, um als betrieblicher Herkunftsnachweis zu dienen. Sie erschöpft
sich nicht in der Aneinanderreihung schutzunfähiger Bestandteile, sondern vermit-
telt gerade durch die sprachunübliche Kombination von zwei englischen Wörtern
und durch die Interpretationsbedürftigkeit der Gesamtaussage noch einen hinrei-
chend phantasievollen Gesamteindruck.
Auf die Beschwerde des Anmelders hin waren demzufolge die Beschlüsse der
Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts aufzuheben.
Kliems Brandt Knoll