Urteil des BPatG vom 24.04.2001

BPatG: freihaltebedürfnis, unterscheidungskraft, internet, patent, computer, bildzeichen, kommunikation, gestaltung, kabel, gesamteindruck

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 127/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 300 39 441
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 22. April 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Buchetmann sowie der Richter Schramm und Voit
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes
vom 24. April 2001 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister ist als Bildzeichen angemeldet
siehe Abb. 1 am Ende
für – nach einem Teilverzicht –
"Elektrische und elektronische Apparate und Geräte, Geräte zur
Aufzeichnung, und Wiedergabe von Ton, Bild und Daten, optische
und magnetische Aufzeichnungsträger; Funknavigationsgeräte,
Datenverarbeitungsgeräte und Computer, Computer Ein- und
Ausgabegeräte, Datenverarbeitungsprogramme.
Planung, Entwicklung, Herstellung und Vertrieb von Navigations-
systemen sowie elektronischen Geschäfts- und Verkaufssyste-
men, Erstellung von Datenverarbeitungsprogrammen.
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Schulungen und Schulungskonzepte auf dem Gebiet der Daten-
verarbeitungstechnik.“
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung nach einer vorangegangenen Beanstandung mit Beschluss eines Be-
amten des höheren Dienstes zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt,
dem angemeldeten Zeichen fehle die erforderliche Unterscheidungskraft, auch
stehe seiner Eintragung ein Freihaltebedürfnis entgegen, da Symbole gängiger
Währungen für den Wettbewerb freizuhalten seien. Die graphische Ausgestaltung
des Zeichens gehe dabei über die üblichen Elemente der Werbegraphik nicht
hinaus und sei nicht so eigenwillig und hervorstechend, dass eine herkunftsbe-
stimmende Wirkung gewährleistet sei.
Der Anmelder hat Beschwerde erhoben. Zur Begründung ist ausgeführt, es handle
sich um eine phantasievolle Verfremdung des Symbols "@“, das einen über die
Kombination der beiden Symbole "@“ und "€“ hinausgehenden Bedeutungsgehalt
repräsentiere und daher als Unterscheidungsmittel geeignet sei. Zudem sei das
Eurosymbol so verfremdet, dass der beantragten Eintragung auch ein Freihalte-
bedürfnis nicht entgegen gehalten werden könne.
Der Anmelder beantragt,
den angegriffenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des
Deutschen Patent- und Markenamtes aufzuheben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss der Markenstelle und die
Schriftsätze Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde des Anmelders ist auf der Grundlage des im Be-
schwerdeverfahren eingeschränkten Warenverzeichnisses begründet. Ein der
Eintragung des angemeldeten Zeichens entgegenstehendes Freihaltebedürfnis
iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG lässt sich ebenso wie eine mangelnde Unterschei-
dungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht hinreichend sicher feststellen.
Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeich-
nung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der damit gekennzeichne-
ten Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dieses Eintragungshindernis
bezieht sich allerdings nicht nur auf die in der genannten Bestimmung ausdrück-
lich aufgeführten Angaben, sondern auch auf solche, die andere, für den Waren-
verkehr wichtige und für die umworbenen Abnehmerkreise irgendwie bedeutsame
Umstände mit konkretem Bezug auf die beanspruchte Ware oder Dienstleistung
selbst beschreiben vgl. BGH GRUR 1999, 1093 – FOR YOU).
Das angemeldete Bildzeichen besteht zwar aus der Kombination zweier Symbole,
von denen zwar jedes für sich genommen freihaltebedürftig ist (vgl zum Symbol
"@“ BPatG, 29 W (pat) 195/98, PAVIS PROMA, Knoll; zum Symbol "€“ HABM,
R0190/99-3, PAVIS-PROMA, Bender) und auch die Verfremdung einzelner Buch-
staben eines Wortes mit der an das Symbol "@“ angelehnten Minuskel wird je-
denfalls dann einer schutzbegründenden Wirkung entgegenstehen, wenn damit
lediglich der Bezug zum Internet angedeutet wird (vgl BPatG Mitt 2002, 28
- Computer).
Im vorliegenden Fall lässt sich auf der Grundlage des – durch Teilverzicht seitens
des Anmelders – eingeschränkten Warenverzeichnisses nicht hinreichend sicher
nachweisen, dass das angemeldete Zeichen als beschreibender Bezug auf das
Medium Internet zu verstehen ist. Das Symbol "@“ dient als Hilfsmittel zur Kenn-
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zeichnung von Adressbestandteilen bei der elektronischen Kommunikation in
Computernetzwerken wie dem Internet; diese Kommunikation wird nunmehr vom
Anmelder aber nicht mehr beansprucht, so dass dem angemeldeten Gesamtzei-
chen im Ergebnis ein Freihaltebedürfnis gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht
entgegengehalten werden kann. Dass die beanspruchten Waren auch im Zusam-
menhang mit der Nutzung des Internets und dabei zum Senden/Empfangen von
E-Mails eine Rolle spielen können, wird zwar durch das Zeichen möglicherweise
angedeutet, jedoch eher versteckt, also nicht unmittelbar beschrieben, so daß
dem Zeichen insoweit nur die Rolle eines "sprechenden Zeichens" zukommt. Im
übrigen resultiert aus der graphischen Kombination zweier gängiger Symbole hier
ein schutzbegründender "Überschuss“ (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl.,
§ 8 Rdnr 146), der über den Charakter eines die Wortbedeutung nur graphisch
erläuternden Bildelements hinausgeht und dem Zeichen einen hinreichend phan-
tasievollen Gesamteindruck verleiht. Anhaltspunkte dafür, dass das Anmeldezei-
chen von Mitbewerbern zur Beschreibung der in Rede stehenden Waren gegen-
wärtig oder im Hinblick auf eine künftige Verwendung benötigt oder verwendet
würden, sind nicht ersichtlich, so dass auch diesbezüglich ein die Eintragung hin-
derndes Freihaltebedürfnis iSv § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht mit der erforderli-
chen Sicherheit festgestellt werden kann. Dafür, dass die Verfremdung einzelner
Buchstaben oder anderer Symbole durch die offene Kreisumrundung des Klam-
meraffenzeichens allgemein üblich ist, haben sich keine ausreichenden Feststel-
lungen treffen lassen. Solche Zeichen sind über die derzeitigen Suchmaschinen
im Internet nicht recherchierbar und in Nachschlagewerken nicht verzeichnet. Im
allgemeinen kann solchen spiralförmigen Bändern eine dynamisch hervorhebende
Wirkung nicht abgesprochen werden (vgl insoweit zum Zeichen des Senders Ka-
bel 1 BGH BlPMZ 2000, 247, 249 ARD-1), so dass erst eine sehr häufig anzutref-
fende Verwendung den Verfremdungscharakter des Euro-Zeichens nicht mehr
ausreichend deutlich erscheinen lassen könnte.
Der angemeldeten Marke fehlt auch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft
im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Es bestehen keine Bedenken dagegen,
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dem angemeldeten Symbol die Eignung zu einem betrieblichen Herkunftshinwei-
ses zuzubilligen, zumal es infolge seiner graphischen Gestaltung über die bloße
Verwendung der beiden einzelnen Symbole hinausgeht und damit den an die Un-
terscheidungskraft zu stellenden Anforderungen, die nicht allzu hoch anzusetzen
sind (vgl BGH GRUR 2001, 239 – Zahnpastastrang), genügt. Die Verfremdung der
beiden bekannten Symbole infolge der Kombination vermittelt einen hinreichend
prägnanten und phantasievollen Eindruck, um das Erinnerungsvermögen des
Verkehrs, der Zeichen ohne analysierende Betrachtung aufnimmt, in herkunfts-
hinweisender Funktion zu beeinflussen (vgl BGH GRUR 1991, 136 – NEW MAN).
Dr. Buchetmann
Schramm
Voit
Ju
Abb. 1