Urteil des BPatG vom 19.07.2005

BPatG (marke, verwechslungsgefahr, zeichen, beschwerde, klasse, verbraucher, eugh, abstand, beurteilung, habm)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 132/04
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 303 24 787
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hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 19. Juli 2005 durch den Richter Dr. van Raden als
Vorsitzenden, den Richter Schwarz und die Richterin Prietzel-Funk
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Beschluss
der Markenstelle für Klasse 24 vom 1. April 2004 teilweise auf-
gehoben, soweit der Widerspruch aus der Marke EU 208 439
hinsichtlich der für die angegriffene Marke geschützten Waren
„Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckung, Unterwä-
sche, Badewäsche, Dessous“ zurückgewiesen wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Löschung der angegriffenen
Marke 303 24 787 für die Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwa-
ren, Kopfbedeckung, Unterwäsche, Badewäsche, Dessous“
aufgrund des Widerspruchs aus der Gemeinschaftsmarke
208 439 angeordnet.
3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Widersprechende hat gegen die für
„Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten; Bekleidungsstücke, Schuhwa-
ren, Kopfbedeckung, Unterwäsche, Badewäsche, Dessous; Spitzen, Stic-
kereien, Bänder“
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eingetragene Wortmarke
Queenz
Widerspruch eingelegt aus ihrer prioritätsälteren, ua für
„Bekleidungsartikel; Schuhwaren; Kopfbedeckungen; T-Shirts,
Mäntel, Jacken, Anoraks, Hosen, Kleider, Schlafanzüge, Anzüge,
Sweatshirts“
eingetragenen Wortmarke EU 208 439
QUEEN
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 1. April 2004 den Widerspruch zurückgewiesen. Trotz teilweise in
einem markenrechtlichen Ähnlichkeitsbereich stehender Waren und Dienstleistun-
gen hielten die Vergleichsmarken auch bei Anlegung strengster Maßstäbe einen
hinreichend großen Abstand ein, selbst wenn die beteiligten Verkehrskreise ihnen
nicht nebeneinander begegneten und sie nur aus der Erinnerung abgrenzen
müssten. Denn der letzte Buchstabe „Z“ in der jüngeren Marke reiche aus, um die
Gefahr von Verwechslungen zwischen den Vergleichszeichen auszuschließen, da
sie sich hierdurch in ihrem Gesamteindruck prägnant unterschieden. In klanglicher
Hinsicht könne der Schlussbuchstabe durch seinen auffälligen Klangeffekt nicht
überhört werden. Wegen der prägnanten, klanglich besonders auffälligen Abwei-
chung und der relativen Kürze der beiden Markenwörter träte der Unterschied
auch schriftbildlich hinreichend klar hervor. Dem umsichtigen und kritisch prüfen-
den Verbraucher, von dem bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr auszuge-
hen sei, würden die Unterschiede nicht entgehen.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben, da die beiderseits beanspruchten
Waren teils identisch, teils hochgradig ähnlich seien und die beiden Vergleichszei-
chen einen hohen Ähnlichkeitsgrad in klanglicher, schriftbildlicher und begrifflicher
Hinsicht aufwiesen. Denn in klanglicher Hinsicht seien die Zeichen nach Wortan-
fang, Vokalfolge, Betonung und Aussprechrhythmus sowie Silbenzahl und -gliede-
rung identisch; der zusätzliche Endbuchstabe „Z“ in der angegriffenen Marke kön-
ne eine Verwechslungsgefahr nicht ausschließen, da Endungen in der Regel vom
Verkehr weniger beachtet würden und daher meist nicht geeignet seien, Ver-
wechslungen auszuschließen; auch die Kürze der Markenwörter stehe dem nicht
entgegen, weil der klangliche Gesamteindruck der Zeichen quasi identisch sei und
der zusätzliche Buchstabe „Z“ unbetont bleibe. Darüber hinaus bestehe auch eine
hochgradige schriftbildliche und begriffliche Zeichenähnlichkeit. Schließlich sei zu
berücksichtigen, dass die Verbraucher die Marken nur aufgrund eines undeutli-
chen Erinnerungseindrucks an das andere Zeichen vergleichen und die überein-
stimmenden Merkmale stärker hervorträten als die Unterschiede.
Die Widersprechende beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält eine Verwechslungsgefahr für nicht gegeben, weil das Wort „Queenz“ we-
der im englischen Sprachgebrauch vorkomme noch in einem Zusammenhang mit
dem Begriff „Queen“ stehe; es leite sich vielmehr von der schwäbischen Brauerei
Quenzer her. Dementsprechend werde es auch in deutscher und nicht an die Plu-
ralform des englischen Wortes Queen erinnernder Weise klanglich wiedergege-
ben.
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In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte
aufrechterhalten und vertieft. Eine im Anschluss hieran ins Auge gefasste ver-
gleichsweise Regelung ist nach längeren Verhandlungen zwischen den Beteiligten
gescheitert.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg, weil die Gefahr
von Verwechslungen der Vergleichsmarken nach § 43 Abs 2 Satz 2, § 42 Abs 2
Nr 1, § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG nur hinsichtlich der im Tenor genannten Waren der
Klasse 25 besteht, während sie im Hinblick auf die darüber hinaus angegriffenen
Waren, für welche die jüngere Marke ebenfalls geschützt ist, mangels einer hinrei-
chenden Ähnlichkeit zu den von der Widerspruchsmarke beanspruchten Waren
nicht mehr vorliegt.
Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr mitein-
ander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Marken-
ähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl EuGH
GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei
ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähn-
lichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st Rspr; vgl EuGH
GRUR 1998, 387, 389 Tz 23 f - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923 Tz 16 f
- Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), hält die jüngere Marke den erforderlichen
Abstand zur unstreitig normal kennzeichnungskräftigen älteren Marke lediglich im
Hinblick auf die Waren der Klasse 25 nicht ein.
Die für die angegriffene Marke geschützten Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwa-
ren, Kopfbedeckung, Unterwäsche, Badewäsche, Dessous“ sind mit den von der
Widerspruchsmarke beanspruchten Waren
„Bekleidungsartikel; Schuhwaren;
Kopfbedeckungen; T-Shirts, Mäntel, Jacken, Anoraks, Hosen, Kleider, Schlafanzü-
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ge, Anzüge, Sweatshirts“ identisch, so dass die jüngere Marke insoweit einen er-
heblichen Abstand zu letzterer einzuhalten hat.
Demgegenüber liegt zwischen den vorgenannten für die ältere Marke geschützten
Waren und den angegriffenen Waren „Textilwaren, soweit in Klasse 24 enthalten;
Spitzen, Stickereien, Bänder“ eine erhebliche Warenferne vor, so dass die Unter-
schiede zwischen den Zeichen zum Ausschluss der Verwechslungsgefahr ausrei-
chen. Zwar werden Bekleidungsstücke in der Regel aus Textilwaren gefertigt und
können auch Spitzen, Stickereien und Bänder enthalten, so dass sich hierdurch
Überschneidungen in der Stoffbeschaffenheit ergeben. Trotzdem liegt zwischen
diesen Waren ein nicht unbeträchtlicher Abstand vor, weil sie üblicherweise aus
verschiedenen Herstellerbetrieben stammen, einem unterschiedlichen Gebrauchs-
zweck dienen und in der Regel nicht in denselben Vertriebsstätten angeboten wer-
den, was selbst für große Kaufhäuser gilt, in denen sie sich durchgängig in ver-
schiedenen, teils räumlich weit auseinanderliegenden Abteilungen finden (ebenso
BPatG 27 W (pat) 154/96 GHIBLI # Ghibli; HABM R 321/02-1 SARZANA # SU-
ZANNA, beides veröffentlicht auf der PAVIS CD-ROM; HABM Entscheidung
Nr
334/2000 REVOLUTION # NATURAL REVOLUTION, abrufbar unter
http://oami.eu.int/search/legaldocs/la/de_Opposition_index.cfm).
Zwischen den Vergleichsmarken liegt allerdings entgegen der Ansicht der Marken-
inhaberin eine hochgradige Ähnlichkeit zumindest in schriftbildlicher Hinsicht vor,
was im Bereich der Warenidentität eine Verwechslungsgefahr zwischen beiden
Zeichen begründet, während der vorhandene Unterschied im Bereich der nur sehr
entfernten Warenähnlichkeit gerade noch ausreicht, um Verwechslungen zwi-
schen beiden Zeichen auszuschließen.
Von ihrem Schriftbild her, welches nach ständiger höchstrichterlicher Rechtspre-
chung für sich genommen auch im Bereich der Mode bereits eine Verwechslungs-
gefahr begründen kann (vgl BGH GRUR 99, 241, 243 – Lions), unterscheiden sich
beide Kennzeichnungen nur wegen des in der Widerspruchsmarke nicht enthalte-
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nen letzten Buchstabens „Z“ in der angegriffenen Marke. Schon wegen seiner
Stellung am Wortende ist aber nicht auszuschließen, dass die angesprochenen
Verkehrskreise – dies sind bei den identisch beanspruchten Waren alle inländi-
schen Verbraucher – die beiden Marken bei der optischen Wahrnehmung leicht
füreinander erachten. Da nämlich die übereinstimmenden Merkmale beider Zei-
chen, die üblicherweise stärker ins Gewicht fallen als die Unterschiede (vgl BGH
GRUR 1999, 587, 569 – Cefallone), bei einer optischen Wahrnehmung unmittelbar
auffallen, während der einzige vorhandene Unterschied am Wortende der jünge-
ren Marke erst bei deren genauerer Betrachtung erkennbar ist, wobei auch zu be-
rücksichtigen ist, dass die Verbraucher den einander gegenüberstehenden Zei-
chen erfahrungsgemäß nicht gleichzeitig begegnen, sondern ihre Auffassung nur
aufgrund einer undeutlichen Erinnerung an eine der beiden Marken gewinnen (vgl
EuGH GRUR Int 1999, 734, 736 [Rn 26] – Lloyd; BGH GRUR 1993, 972, 974 f –
Sana/Schosana), kann dieser einzige Unterschied zwischen beiden Marken, auch
wenn es sich bei ihnen um relativ kurze Zeichen handelt, bei der Kennzeichnung
identischer Waren nicht mehr geeignet sein, eine Verwechslungsgefahr hinrei-
chend auszuschließen.
Ob daneben auch eine klangliche Verwechslungsgefahr anzunehmen ist, kann bei
dieser Sachlage dahinstehen, auch wenn hierfür spricht, dass - wie die Widerspre-
chende zutreffend ausgeführt hat - beide Zeichen nach Wortanfang, Vokalfolge,
Betonung und Aussprechrhythmus sowie Silbenzahl und –gliederung übereinstim-
men, wobei ein nicht unerheblicher Teil der Verbraucher entgegen der Annahme
der Markeninhaberin auch eher dazu neigen wird, die jüngere Marke englisch aus-
zusprechen, weil der Austausch der Pluralendung „S“ durch den Buchstaben „Z“
im englischen Sprachkreis (werbe-) üblich ist und die angebliche Anlehnung der
angegriffenen Marke an den Namen einer kleinen schwäbischen Brauerei aus Bad
Urach wegen deren bloß regionaler Bedeutung den wenigsten Verbrauchern be-
kannt sein dürfte. Angesichts der bestehenden schriftbildlichen Ähnlichkeit bedarf
dies aber genauso wenig einer Vertiefung wie die Frage einer begrifflichen Ähn-
lichkeit beider Zeichen.
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Da somit in Bezug auf die identisch beanspruchten Waren eine Verwechslungsge-
fahr nicht verneint werden kann, war auf die Beschwerde der Widersprechenden
der anderslautende Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die teilweise Lö-
schung der angegriffenen Marke in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang an-
zuordnen, während die weitere Beschwerde mangels hinreichender Warenähnlich-
keit zurückzuweisen war.
Es sind keine Gründe ersichtlich, von dem Grundsatz des § 71 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG abzuweichen, dass jeder Beteiligte seine Kosten selbst trägt.
Dr. van Raden
Prietzel-Funk
Schwarz