Urteil des BPatG vom 08.01.2008

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
8. Januar 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 196 55 033.5-55
17 W (pat) 39/05
Verkündet am
Richters Dipl.-Ing. Prasch sowie der
Richterinnen Eder und Dipl.-Ing. Wickborn
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 8. Januar 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, des
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prü-
fungsstelle für Klasse G 11 C des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 20. Dezember 2004 aufgehoben und die Sache zur wei-
teren Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und
Markenamt zurückverwiesen.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
G r ü n d e :
I.
Die vorliegende Patentanmeldung, für die die Prioritäten der Anmeldungen
JP 7-157377 vom 23. Juni 1995 und JP 7-309576 vom 28. November 1995 in
Japan in Anspruch genommen werden, mit der Bezeichnung:
„Halbleitereinrichtung“
ist am 22. Mai 1996 als Ausscheidung aus der Anmeldung 196 20 666.9 beim
Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht worden.
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 11 C des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 20. Dezember 2004 mit der Begründung zurückge-
wiesen, der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfin-
derischer Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt
den Antrag,
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den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentansprüche 1-5, überreicht in der mündlichen Verhandlung,
noch anzupassender Beschreibung und 29 Blatt Zeichnungen mit
29 Figuren, jeweils vom 24. April 1998.
Sie regt die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Der geltende Patentanspruch 1 mit einer möglichen Gliederung lautet:
„Halbleitereinrichtung
a) zum Durchführen eines vorgeschriebenen Betriebs synchron mit
einem Taktsignal mit
b) einem Oszillator (7) zum Erzeugen des Taktsignals, bei dem die Oszil-
lationsfrequenz geändert werden kann, und
c) einem Einstellmittel (10-13) zum Ändern und Einstellen der Oszillati-
onsfrequenz des Oszillators (7),
d) bei der der Oszillator (75) eine Mehrzahl von Invertern (73.1-73.K), die
in einer Ringform verbunden sind,
e) einen ersten Transistor (72.1-72.K), der entsprechend zu jedem der
Inverter (73.1-73.K) vorgesehen ist und zwischen einem Versorgungs-
knoten des entsprechenden Inverters (73.1-73.K) und einer Potential-
versorgungsleitung geschaltet ist und
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f) einen zweiten Transistor (74.1-74.K), der entsprechend zu jedem der
Inverter (73.1-73.K) vorgesehen ist und zwischen einem Erdungskno-
ten des entsprechenden Inverters (73.1-73-K) und einer Erdungslei-
tung geschaltet ist, enthält und
g) das Einstellmittel (10-13, 60) die Eingabespannung des ersten und
des zweiten Transistors ändert und einstellt,
h) wobei das Einstellmittel (10-13, 60) eine Konstantstromquelle (61)
zum Bewirken des Fliessens eines konstanten Stroms,
i) einen dritten Transistor (66, 64, 62), der in Reihe mit der Konstant-
stromquelle (61) verbunden ist und mit einem von dem ersten und
zweiten Transistor (72.1-72.K, 74.1-74.K) eine Stromspiegelschaltung
bildet,
j) eine Mehrzahl von vierten Transistoren (63, 65, 67), die jeweils seriell
mit dem dritten Transistor (66, 64, 62) verbunden sind zum Teilen des
Ausgabestromflusses der Konstantstromquelle (61) und
k) eine Sicherung (43), die jeweils zu jedem der vierten Transistoren (63,
65, 67) zum Festlegen des jeweiligen vierten Transistors (63, 65, 67)
in einen leitenden Zustand oder nichtleitenden Zustand durch Unter-
brechen vorgesehen ist, enthält.“
Wegen des genauen Wortlauts der geltenden Unteransprüche 2 - 5 wird auf die
Akte verwiesen.
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II.
Die Beschwerde führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur
Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und Markenamt gemäß
§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG.
1. Die
Anmeldung
betrifft nunmehr ausweislich des Patentbegehrens im Beson-
deren eine Halbleitereinrichtung, bei der zur Änderung und Einstellung der Oszil-
lationsfrequenz, mit der die Halbleitereinrichtung synchron betrieben werden soll,
der intern in der Halbleitereinrichtung angeordnete Oszillator zum Erzeugen des
Taktsignals intern und zur Änderung und Einstellung der Oszillationsfrequenz
extern eine entsprechende Hardwaregestaltung aufweist.
Als Fachmann für eine solche Halbleitereinrichtung wird ein FH - Ingenieur für
Elektrotechnik mit Erfahrungen im Entwurf analoger und digitaler Schaltungen
angesehen.
2. Der geltende Anspruch 1 basiert auf den ursprünglichen Patentansprü-
chen 1, 5 und 6 der Ausscheidungsanmeldung, die wiederum den Ansprüchen 4,
8 und 9 der Stammanmeldung entsprechen. Die Klarstellung im geltenden
Anspruch 1, dass die vierten Transistoren mit den dritten Transistoren seriell ver-
bunden sind, ist in Fig. 14 der Anmeldeunterlagen offenbart.
Die geltenden Patentansprüche 2 bis 5 basieren auf den ursprünglichen Patentan-
sprüchen 7 bis 10 der Ausscheidungsanmeldung. Sie sind somit erfindungswe-
sentlich offenbart. Das Patentbegehren ist daher zulässig.
3. Der
Zurückweisungsbeschluss
der
Prüfungsstelle wurde damit begründet,
dass der damals geltende Patentanspruch 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit
beruhe.
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Dieser damals geltende Anspruch, der lediglich die Merkmale a bis c des gelten-
den Anspruchs 1 umfasst, wurde durch Aufnahme der Merkmale der ursprüngli-
chen Patentansprüche 5 und 6 der Ausscheidungsanmeldung so präzisiert, dass
sich der geltende Hauptanspruch mit den Merkmalen d bis k nunmehr auf eine
Halbleiterschaltung bezieht, bei der zusätzlich der intern in der Halbleitereinrich-
tung angeordnete Oszillator ein Ringoszillator ist, bei dem eine Mehrzahl von
Invertern ringförmig geschaltet ist und zur Änderung der zu erzeugenden Taktfre-
quenz der Treiberstrom jedes Inverters geändert wird, indem jeder Inverter zwi-
schen seinem Versorgungsanschluss und seinem Masseanschluss jeweils zwei
Transistoren aufweist, deren Eingangsspannung über einen Stromeinstellabschnitt
einstellbar ist, wobei der Stromeinstellabschnitt aus einer Konstantstromquelle und
weiteren Transistoren besteht, und die Transistoren jeweils einzeln ansteuerbar
sowie über eine Sicherung einstellbar sind.
Damit trägt der im Zurückweisungsbeschluss genannte Grund nicht mehr.
4.
Der im bisherigen Verfahren genannte Stand der Technik wurde in Bezug auf
den Gegenstand des damals geltenden Hauptanspruchs genannt (Merkmale a bis
c des geltenden Patentanspruchs 1) und steht dem geltenden Patentanspruch 1
nicht patenthindernd entgegen, da er keine Anregung in Bezug auf die Merkmale d
bis k des geltenden Patentanspruchs 1 enthält.
Die jetzigen Merkmale d bis k der ursprünglichen Patentansprüche 5 und 6 sind
ersichtlich nicht Gegenstand des bisherigen Prüfungsverfahrens gewesen und im
bisherigen Verfahren noch nicht recherchiert worden. Im Bescheid vom 12. Au-
gust 1997 zur Stammanmeldung, auf den im Zurückweisungsbeschluss Bezug
genommen wird, findet sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür.
Demnach hat das Deutsche Patent- und Markenamt für die geltende Fassung der
Patentansprüche bisher nicht geprüft, ob die Voraussetzungen für die Erteilung
eines Patents erfüllt sind. Weil es damit noch nicht in der Sache selbst entschie-
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den hat, war die Anmeldung - auch um der Anmelderin keine Tatsacheninstanz zu
nehmen - zurückzuverweisen.
5.
Über die Unteransprüche braucht bei dieser Sachlage nicht befunden zu wer-
den.
III.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuord-
nen. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht.
Das ist dann der Fall, wenn die Beschwerde bei sachgemäßer Behandlung durch
das Patentamt vermeidbar gewesen wäre, wobei alle Umstände des Falls zu
berücksichtigen sind (Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 80 Rdnr. 95). Die Billigkeit
der Rückzahlung kann sich danach aus einem Verfahrensverstoß durch das Deut-
sche Patent- und Markenamt ergeben (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 21;
Schulte, PatG, 7. Aufl., § 80 Rdnr. 66 ff.).
Die Ablehnung der von der Anmelderin beantragten Anhörung stellt einen solchen
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß dar.
§ 46 Abs. 1 Satz 2 PatG gibt vor, dass der Anmelder bis zum Beschluss über die
Erteilung auf Antrag zu hören ist, wenn es sachdienlich ist. Sachdienlich ist eine
Anhörung immer dann, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn
sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung
verspricht. Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt deshalb nur aus-
nahmsweise in Betracht, nämlich wenn triftige Gründe dafür vorliegen, weil z. B.
die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde
(Schulte, a. a. O. § 46 Rdnr. 9 f.) - etwa wenn die Anmelderin zu der Argumenta-
tion der Prüfungsstelle keinerlei sachliche Stellungnahme abgibt. Bei der Nach-
prüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist der Senat unter Ausschluss von
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Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (Benkard,
a. a. O., § 46 Rdnr. 8; BPatGE 26, 44).
Im vorliegenden Fall ist der Beurteilungsspielraum des Prüfers überschritten wor-
den, da die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung rechtfertigende Gründe nicht
ersichtlich sind. Allerdings hat die Anmelderin in ihrer Erwiderung auf den Prü-
fungsbescheid die dort genannten Beanstandungen nicht umgesetzt und den
Patentanspruch unverändert aufrecht erhalten. In ihrem Schriftsatz vom
21. April 1998 hat die Anmelderin dies aber ausführlich erläutert, indem sie sich im
Einzelnen mit den Entgegenhaltungen der Prüfungsstelle auseinandergesetzt hat
und auf die Argumente der Prüfungsstelle eingegangen ist. Dabei hat sie die Auf-
fassung vertreten, die Merkmale von Patentanspruch 1 seien nicht aus den von
der Prüfungsstelle zitierten Druckschriften ableitbar und hat für den Fall, dass die
Prüfungsstelle ohne Erlass eines weiteren Prüfungsbescheides eine Zurückwei-
sung beabsichtigt, eine Anhörung beantragt. Da bislang lediglich ein Prüfungsbe-
scheid ergangen war und die Anmelderin sich mit den Bedenken der Prüfungs-
stelle auseinandergesetzt hat, durfte sie - auch im Hinblick auf ihre Verhandlungs-
bereitschaft - damit rechnen, vor einer endgültigen Zurückweisung der Anmeldung
gehört zu werden, mindestens aber erneut einen Hinweis zu erhalten. Dies konnte
sie auch dann erwarten, wenn sich - wie hier - hinsichtlich der Wertung der Druck-
schriften 1 und 2 verschiedene Auffassungen gegenüberstehen. Aus diesem Ver-
halten konnte die Prüfungsstelle nicht den Schluss ziehen, es bestünden keine
Meinungsverschiedenheiten über das, was den Druckschriften entnehmbar sei
und es bestünden nur Meinungsverschiedenheiten darüber, ob die Schriften im
Sinne des Patentrechts kombinierbar seien, so dass die Ergebnislosigkeit der
Durchführung einer Anhörung absehbar sei. Die Aussage der Prüfungsstelle, der
Antrag auf Anhörung ziele im Wesentlichen auf eine Verzögerung des Verfahrens,
ist in Anbetracht dessen, dass zwischen Erwiderung der Anmelderin und Zurück-
weisungsbeschluss mehr als sechs Jahre vergangen sind, nicht nachvollziehbar.
Sonstige Anhaltspunkte, die eine solche Annahme zuließen, sind nicht ersichtlich.
Gerade eine Anhörung bietet den geeigneten Rahmen, mit der Anmelderin eine
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fachliche Diskussion zu führen und mit Hilfe der mündlichen Erörterung die jewei-
ligen Standpunkte mit relativ geringem Aufwand präzise zu erarbeiten. Dass die
Anmelderin zudem durchaus auch bereit war, auf die Argumente einzugehen,
zeigt die Vorlage eines geänderten Patentbegehrens im Verfahren vor dem Bun-
despatentgericht. Die Anmerkung der Prüfungsstelle, es läge eine gefestigte Auf-
fassung darüber vor, ob die Schriften im Sinne des Patentrechts kombinierbar
seien, ruft zudem die Besorgnis hervor, die Prüfungsstelle habe von vornherein
keinerlei Bereitschaft gehabt, sich mit den Argumenten der Anmelderin auseinan-
derzusetzen, sondern sich vielmehr auf einen vorgefassten Standpunkt versteift.
Bei der konkreten Verfahrensführung sieht der Senat deshalb die Rückzahlung der
Beschwerdegebühr als gerechtfertigt an.
Dr. Fritsch
Prasch
Eder
Wickborn
Fa