Urteil des BPatG vom 14.01.2003

BPatG (au pair, marke, bezeichnung, internet, verkehr, unterscheidungskraft, klasse, eintragung, beschwerde, bezug)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 35/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 24 891.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 14. Januar 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Winkler, der Richterin Dr. Hock und des Richters k.A. Kätker
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse
der Markenstelle für Klasse 35 des Patent- und Markenamts
vom 6. Juni 2001 und vom 13. Dezember 2001 aufgehoben.
BPatG 152
6.70
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G r ü n d e
I
Am 29. April 1999 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke
BUSINESS-BOX
für folgende Waren und Dienstleistungen angemeldet worden (Waren- und
Dienstleistungsverzeichnis gemäß Eingabe vom 10. Mai 2001):
"Kl. 16: Druckereierzeugnisse
Kl. 35: Dienstleistungen einer Werbeagentur, insbesondere Präsentation von
Waren und Dienstleistungen, Geschäftsideen in elektronischen Medien, insbe-
sondere im Internet, Sales Promotion und Vermittlung von Handelsgeschäften
bezüglich dieser Waren, Dienstleistungen und Geschäftsideen".
Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung mit Beschluss vom
6. Juni 2001 durch eine Angestellte des gehobenen Dienstes nach §§ 37 Abs. 1
und 5, 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG teilweise zurückgewiesen, nämlich für die
Dienstleistungen der Klasse 35. Nach ihrer Auffassung werden
Wortzusammensetzungen mit dem Bestandteil "Box" gebildet, um
Internetdienste zu kennzeichnen, die Informationen oder einen Austausch zu
bestimmten Themen anböten. Dies gehe aus vergleichbaren Wortbildungen
hervor, z.B. "Multimedia-Box", "Au-Pair-Box", "Internet-TV-Box". Der Verkehr
werde die angemeldete Marke daher nur als Hinweis auf die Art der ange-
botenen Dienstleistungen verstehen. Die Erinnerung des Anmelders ist
erfolglos geblieben.
Gegen die Entscheidungen des Patentamts richtet sich die Beschwerde des
Anmelders, mit der er sinngemäß beantragt,
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die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 35 des Patent-
und Markenamts aufzuheben.
Zur Begründung verweist er auf die Entscheidung "Baby-Dry" des Europäischen
Gerichtshofs, deren tragende Erwägungen auch hier anwendbar seien. Weder
für den Bestandteil "Box" noch für die angemeldete Wortkombination in ihrer
Gesamtheit sei ein beschreibender Gebrauch festzustellen. Vielmehr habe eine
kurze Internetrecherche nur einen Hinweis auf eine als "Business-Box" be-
zeichnete Pralinenschachtel ergeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete
Marke für unterscheidungskräftig und nicht freihaltungsbedürftig, so dass der
Eintragung keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG ent-
gegenstehen.
Die angemeldete Marke ist nicht nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG freihaltungs-
bedürftig. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der Eintragung ausgeschlos-
sen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung
der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der geographischen Herkunft, der
Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder
zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen
können. Nach Auffassung der Markenstelle bezeichnet die angemeldete Marke
einen Internetdienst, der Geschäftsinformationen zur Verfügung stellt. Die dazu
von der Markenstelle angeführten Internetseiten und Auszüge aus Trefferlisten
einer Internetsuchmaschine belegen diesen Bedeutungsgehalt jedoch nicht. Die
Begriffe "Webbox" und "NGI-Box" werden in den Trefferlisten in einer eher mar-
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kenmäßigen, jedenfalls nicht erkennbar rein beschreibenden Form, verwendet,
wobei das Wort "Box" hier offenbar im Sinne einer Mailbox bzw. eines virtuellen
Postkastens verstanden wird ("Webbox – Ihre persönliche Multimedia Box ...";
"Zur Zeit stehen Ihnen monatlich 25 SMS Mitteilungen zum Versand aus Ihrer
NGI-Box kostenlos zur Verfügung"). Ähnlich ist der Begriff "Au-Pair-Box" in ei-
ner Liste von Internet-Links aufgeführt, die jeweils zu den Webseiten von ein-
zelnen Stellenbörsen führen. "Krims Krams Box" ist die Überschrift einer pri-
vaten Webseite mit Abhandlungen über Wortbildungen der deutschen Sprache.
Nur der Begriff "Web TV Box" wird erkennbar beschreibend verwendet ("VIA TV
ins Internet mit einer Web TV Box – Verschiedene Möglichkeiten"), wobei er auf
ein Gerät hindeutet, das mit Hilfe des Fernsehgeräts den Zugang zum Internet
ermöglicht.
Diese Belege sind keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte, die darauf
schließen lassen, dass die Gesamtkombination "BUSINESS-BOX" vom Verkehr
als Merkmalsbezeichnung aufgefasst wird. Insbesondere lassen sie offen, wel-
ches Merkmal der zurückgewiesenen Dienstleistungen hier überhaupt in Be-
tracht kommt.
Eine vom Senat durchgeführte Recherche im Internet hat ebenfalls keine Hin-
weise auf einen bestimmten, konkret beschreibenden Begriffsinhalt der ange-
meldeten Marke, dafür aber Anhaltspunkte für deren Mehrdeutigkeit ergeben.
So wird die Wortzusammenstellung "business box" neben einer Vielzahl rein
markenmäßiger Verwendungen beispielsweise zur Bezeichnung eines Ge-
schäftsfachs im Sinne eines geschäftlich genutzten (körperlichen wie auch
elektronischen) Postfachs verwendet. In englischsprachigen Webseiten kann
eine business box ein Klick-Button sein, den Unternehmen bzw. beruflich Inte-
ressierte im Gegensatz zu Privatleuten bei Interesse an einem Internetangebot
anklicken sollen. Ähnlich ist "business box" in Formularen, z.B. Einreiseformula-
ren, ein für Geschäftsleute bestimmtes Ankreuzkästchen. Als "Business Box"
werden - etwa bei einem Stadionprojekt des Fußballvereins FC Schalke 04 oder
im Hofbräuzelt des Münchner Oktoberfests - auch räumlich abgetrennte Auf-
enthalts- oder Zuschauerräume für Geschäftsleute bzw. Geschäftspartner be-
zeichnet. Häufig werden körperliche Warenpakete ebenso wie EDV-Programm-
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pakete als "business box" benannt, wenn sie für Geschäftsleute bestimmt sind
oder einen geschäftlich nutzbaren Inhalt aufweisen. Weiterhin wird "business
box" auch für geschäftlich nutzbare Geräte, z.B. Rechner, verwendet. Gele-
gentlich stellt "Business Box" in größeren Datensammlungen, etwa in Text-
sammlungen von Online-Zeitschriften, die Überschrift einer Untergliederung mit
wirtschaftlichen bzw. geschäftlich interessierenden Inhalten dar. Schließlich
scheint "business box" in englischsprachigen Internetseiten auch als Bezeich-
nung für eine Art "Denk-Schublade" im Sinne einer geschäftlich-wirtschaftlich
orientierten Sichtweise verwendet zu werden ("It seems that web designers
have a tendency to think in the business box because ...").
Die meisten dieser Bedeutungen können für die verfahrensgegenständlichen
Dienstleistungen einer Werbeagentur zwar in irgendeiner Form relevant sein,
sei es als Bezeichnung des Werbemittels bzw. -mediums oder des beworbenen
Gegenstands, es ist jedoch nicht ersichtlich, dass ein konkreter Bedeutungsge-
halt im Vordergrund steht. Eine vieldeutige Bezeichnung eignet sich jedoch
nicht zur beschreibenden Verwendung (vgl. BPatGE 38, 182 – MAC; 40, 85 –
CT). Es bestehen daher keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die
angemeldete Marke für die Mitbewerber freigehalten werden müsste.
Darüber hinaus weist die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung die für eine
Marke erforderliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Unter-
scheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende
(konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemel-
deten Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen
aufgefasst zu werden (vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.;
GRUR 2001, 240, 241 - SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hier-
bei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer
Wortmarke kein für die fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschrei-
bender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht
um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdspra-
che, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung
in der Werbung – stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel
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verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Un-
terscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH
MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.).
Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderun-
gen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Wie oben festgestellt, weist die
Marke in Bezug auf die zurückgewiesenen Dienstleistungen verschiedene Be-
deutungsgehalte auf, die zwar jeweils für sich beschreibend sein können, von
denen jedoch kein bestimmter beschreibender Begriffsinhalt im Vordergrund
steht. Verschiedene Bedeutungsgehalte verbieten es aber, einem Wort jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft abzusprechen (vgl. BGH GRUR
2000, 231 – FÜNFER; GRUR 2000, 722 – LOGO).
Winkler Dr.
Hock Kätker
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