Urteil des BPatG vom 26.10.2010

BPatG (fachmann, rechtliches gehör, gegenstand, verschiebung, frequenz, anmeldung, fig, druckschrift, messung, anhörung)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
17 W (pat) 65/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
26. Oktober 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 10 2005 028 856.1-51
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 26. Oktober 2010 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Eder, des Richters
Dipl.-Ing. Baumgardt sowie der Richterin Dipl.-Phys. Dr. Thum-Rung
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e :
I.
Die vorliegende Patentanmeldung ist am 22. Juni 2005 beim Deutschen Patent-
und Markenamt unter der Bezeichnung
„Fokussierungseinrichtung für optische Systeme“
eingereicht worden.
Die Prüfungsstelle für Klasse G02B hat durch Beschluss vom 9. März 2006 die
Anmeldung zurückgewiesen, da der Patentanspruch 1 mangels Neuheit seines
Gegenstandes nicht gewährbar sei.
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss auf-
zuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen mit
Patentansprüchen 1 bis 4 vom 19. April 2006, eingegangen am
21. April 2006,
Beschreibung S. 1 bis 4, eingegangen am Anmeldetag,
1 Blatt Zeichnung mit 1 Figur vom Anmeldetag.
Außerdem beantragt sie, die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.
- 3 -
Zur Begründung des Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr führt sie
aus, es hätte der Verfahrensökonomie entsprochen, wenn die Prüfungsstelle die
Argumentation im Hinblick auf den ursprünglichen Anspruch nicht erst in dem
Zurückweisungsbeschluss, sondern bereits in dem ersten Bescheid dargelegt
hätte. Dies hätte den Unterzeichneten veranlasst, bereits mit der Eingabe vom
21. Februar 2006 den jetzt vorgelegten Anspruch vorzulegen. Alleine der Um-
stand, dass die Prüfungsstelle um Überprüfung ihrer Ansicht gebeten wird, gebe
keinen Anlass zu einer Zurückweisung der Anmeldung. Die Prüfungsstelle werde
weiter um Verständnis gebeten, dass der Unterzeichnete, der in K… ansässig sei,
nicht sogleich einen Antrag auf Anhörung stellen könne, da eine Anhörung mit
erheblichen Zeitaufwendungen und Kosten verbunden sei.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt sind folgende
Druckschriften genannt worden:
D1: DE 199 30 628 A1
D2: DE 31 47 758 A1.
Vom Senat wurden zusätzlich die Druckschriften
D3: US 5 606 236
D4: US 6 068 189
D5: JP 2000-180108 A (englisches Abstract)
in das Verfahren eingeführt.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
„1. Optisches System mit Fokussierungseinrichtung (10), mit einem auf
einem ferritischen Element (50) angeordneten Permanentmagneten (20)
und von einem zwischen dem Permanentmagneten (20) und dem ferriti-
- 4 -
schen Element (50) angeordneten ringförmigen Spalt (60) aufgenomme-
nen Tauchspule (30), einem mit der Tauchspule (30) verbundenen opti-
schen Element (40), das entlang der optischen Achse des optischen Sys-
tems verschiebbar gelagert ist, und einer die Tauchspule (30) steuernden
Steuereinheit, wobei die Tauchspule (30) mit einer mit einer Wechselspan-
nung überlagerten, die vertikale Position der Tauchspule (30) im Spalt (60)
steuernden Gleichspannung beaufschlagt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
die Steuereinheit zur Messung der vertikalen Position der gleichzeitig als
Aktor und als Sensor dienenden Tauchspule (30) im Spalt (60) anhand des
Wechselspannungsanteils der an die Tauchspule (30) angelegten Span-
nung, deren Frequenz ausreichend hoch ist, um keine Bewegung der
Spule zu bewirken, eingerichtet ist.“
Gemäß Seite 2 Absatz 4 der Beschreibung soll der Anmeldung die Aufgabe
zugrunde liegen, eine Fokussierungseinrichtung für ein optisches System auf der
Grundlage eines Aktors zu schaffen, die eine zuverlässige und präzise Positions-
bestimmung und Positionierung eines optischen Elementes auf kleinem Raum
ermöglicht.
Im Verfahren vor dem Bundespatentgericht wurde die Anmelderin darauf hinge-
wiesen, dass die der Anmelderin bereits bekannte Druckschrift D1 in Verbindung
mit D3 den Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 für den Fachmann nahegelegt
haben könnte, mithin das System gemäß Anspruch 1 möglicherweise nicht auf
erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Zu den Einzelheiten wird auf die Akte verwiesen.
- 5 -
II.
Die Beschwerde ist frist- und formgerecht eingereicht. Sie konnte jedoch keinen
Erfolg haben, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer
Tätigkeit beruht (§ 1 Abs. 1 in Verbindung mit § 4 Satz 1 PatG).
1.
Gegenstand der Anmeldung ist eine Fokussierungseinrichtung für optische
Systeme.
Gemäß einer möglichen Gliederung und nach Korrektur eines offensichtlichen
Fehlers betrifft der Patentanspruch 1 ein
a) Optisches System mit Fokussierungseinrichtung (10),
b) mit einem auf einem ferritischen Element (50) angeordneten Perma-
nentmagneten (20) und
c)
von einem zwischen dem Permanentmagneten (20) und dem
ferritischen Element (50) angeordneten ringförmigen Spalt (60) aufgenom-
menen Tauchspule (30),
d) einem mit der Tauchspule (30) verbundenen optischen Element (40),
das entlang der optischen Achse des optischen Systems verschiebbar
gelagert ist,
e) und einer die Tauchspule (30) steuernden Steuereinheit,
f)
wobei die Tauchspule (30) mit einer mit einer Wechselspannung über-
lagerten, die vertikale Position der Tauchspule (30) im Spalt (60) steuern-
den Gleichspannung beaufschlagt wird,
dadurch gekennzeichnet, dass
- 6 -
g) die Steuereinheit zur Messung der vertikalen Position der gleichzeitig
als Aktor und als Sensor dienenden Tauchspule (30) im Spalt (60) anhand
des Wechselspannungsanteils der an die Tauchspule (30) angelegten
Spannung, deren Frequenz ausreichend hoch ist, um keine Bewegung der
Spule zu bewirken, eingerichtet ist.
Die Verschiebung eines optischen Elements zur Fokussierung wird bewerkstelligt
über eine in ein Magnetfeld eintauchende Tauchspule, deren Eintauchtiefe durch
Beaufschlagung mit einer Gleichspannung verändert wird. Außerdem wird die
Position der Tauchspule gemessen; hierzu wird die Tauchspule mit einer hochfre-
quenten Wechselspannung beaufschlagt. Für die Messung wird ausgenutzt, dass
sich mit der Eintauchtiefe die Anzahl der eintauchenden Spulenwindungen und
damit die Induktivität ändert. Die Tauchspule wirkt somit als Aktor und als Sensor.
Für die hochfrequente Wechselspannung, welche keine Bewegung der Spule
bewirken soll, ist im Unteranspruch 4 als untere Grenzfrequenz 12 kHz angege-
ben.
Als Fachmann für eine derartige Lehre sieht der Senat einen Ingenieur der Fach-
richtung Elektrotechnik oder einen Physiker an, der auf dem Gebiet der Fokussie-
rungseinrichtungen für optische Systeme arbeitet und aufgrund seiner Ausbildung
und Erfahrung mit elektromechanischen Aktuatoren und deren Anwendungen ver-
traut ist.
2.
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht nicht auf einer erfinderi-
schen Tätigkeit, da er dem Fachmann durch die vorveröffentlichten Druckschrif-
ten D1 und D3 nahegelegt war.
Die Druckschrift D1 betrifft ein Topographiemessgerät, in dem ein von einem
Laser 1 kommender Lichtstrahl über ein Objektiv 3 durch Verschiebung des Objek-
tivtubus 16 auf ein zu vermessendes Objekt 3a fokussiert wird - ; aus
- 7 -
der jeweiligen Tubuslage wird das Oberflächenprofil des Objekts bestimmt, vgl.
Fig. 1 mit Beschreibung. An dem das Objektiv 3 enthaltenden, entlang der opti-
schen Achse verschiebbaren, federgelagerten Tubus 16 ist eine Tauchspule 9
angebracht, die in einen ringförmigen Spalt zwischen einem Permanentmagne-
ten 10 und einem diesen tragenden ferromagnetischen Zylinder 32 beweglich ein-
taucht - . Ein Lageregler 14 liefert über eine Endstufe 13 ein
Gleichspannungssignal zur Steuerung der vertikalen Position der Tauchspule im
Spalt - . Die Lage des Tubus (und damit auch der Tauch-
spule) wird über einen optischen Positionsdetektor 15 und eine Auswerteschal-
tung 19 ermittelt, sie geht in die Bestimmung des Ansteuersignals im Lagereg-
ler 14 ein.
Die Druckschrift D3 beschreibt eine Positionsbestimmungs- und Ansteuerungsvor-
richtung für ein Gasventil oder andere elektromechanische Aktuatoren, vgl. den
Titel sowie Sp. 1 Abs. 1. Als nachteilig bei bestehenden Systemen werden deren
Komplexität und Kosten aufgrund des zusätzlichen Positionssensors angesehen,
vgl. Sp. 1 Abs. 2, insbesondere Z. 36 bis 42. Diese Nachteile sollen durch das in
D3 beschriebene System beseitigt werden, welches einfach, billig herzustellen und
leicht an eine Vielzahl von elektromechanischen Aktuatoren anpassbar ist, vgl.
Sp. 1 Z. 65 bis Sp. 2 Z. 4. Fig. 2 zeigt ein Ventil mit einem nach unten beweglichen
Ventilteil (oben beginnend mit dem Bezugszeichen 72), mit dem eine Tauch-
spule 84 verbunden ist, die in einen Spalt zwischen einem ferromagnetischen Ele-
ment 93 und einem auf diesem angeordneten Permanentmagneten 96 eintaucht.
Durch Beaufschlagung der Spule 84 mit einer Gleichspannung wird diese zusam-
men mit dem beweglichen Ventilteil bewegt, während eine zusätzliche Beaufschla-
gung der Spule 84 mit einem hochfrequenten Wechselspannungssignal eine Be-
stimmung der Position des beweglichen Teils erlaubt, vgl. Fig. 3 mit Beschreibung,
insbesondere in Sp. 5 Z. 42 bis 49; die Position ergibt sich aus dem gemessenen
Spulenstrom bzw. der hierzu proportionalen Induktivität der Spule, vgl. auch Fig. 4
und 6 mit Beschreibung, insbesondere in Sp. 6 Z. 29 bis 32. Die Wechselspan-
nung hat eine Frequenz von 27 kHz, vgl. Sp. 5 Abs. 3.
- 8 -
Wie oben ausgeführt, sind beim aus D1 bekannten optischen System mit Fokus-
sierungseinrichtung getrennte Einheiten für die Verschiebung des optischen Ele-
ments (durch Verschiebung der Tauchspule) und für die Positionsbestimmung vor-
handen.
Zu den Aufgaben, die sich dem Fachmann routinemäßig stellen, gehört es, beste-
hende Systeme wie das aus D1 bekannte im Hinblick auf Einfachheit bzw. Kom-
paktheit sowie geringe Herstellungskosten zu verbessern. Da Tauchspulen ver-
wendende elektromechanische Aktuatoren mit Lageregelung (einschließlich Positi-
onsmessung) bekanntermaßen nicht nur zur Fokussierung, sondern auch in ande-
ren Bereichen angewendet werden, lag es für den Fachmann nahe, sich nach ent-
sprechenden Anregungen nicht nur bei Fokussierungseinrichtungen, sondern all-
gemein im Bereich solcher Aktuatoren und deren Anwendungen umzusehen. Hier-
bei konnte der Fachmann auf die Druckschrift D3 stoßen, welche lehrt, eine zur
Verschiebung mit Gleichspannung beaufschlagte Tauchspule zur Positionsbestim-
mung zusätzlich mit einer hochfrequenten Wechselspannung zu beaufschlagen,
was gegenüber einer herkömmlichen Positionsbestimmung über eine separate
Einheit vorteilhaft weniger komplex und billiger ist; die Tauchspule dient dann als
Aktor und als Sensor. Für den Fachmann bot es sich an, das aus D1 bekannte
System im Sinne der Lehre von D3 zu vereinfachen, d. h. dort die Tauchspule
zusätzlich zur Gleichspannung mit einer hochfrequenten Wechselspannung zur
Positionsmessung zu beaufschlagen, wobei auf eine separate Positionsbestim-
mungseinheit verzichtet werden kann. Hierbei las der Fachmann in D3 als selbst-
verständlich mit, dass die Frequenz der Wechselspannung ausreichend hoch sein
muss, um die Spule nicht zu bewegen und die gewünschte Aktorbewegung nicht
zu stören; vgl. auch die in D3 angegebene Frequenz von 27 kHz, welche deutlich
oberhalb der im geltenden Anspruch 4 angegebenen unteren Grenzfrequenz von
12 kHz liegt - .
Auf diese Weise konnte der Fachmann zum Gegenstand des geltenden An-
spruchs 1 gelangen, ohne erfinderisch tätig werden zu müssen.
- 9 -
3.
Der geltende Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.
Da über einen Antrag nur einheitlich entschieden werden kann, sind auch die
abhängigen Patentansprüche 2 bis 4 nicht gewährbar (BGH in GRUR 1997, 120
„Elektrisches Speicherheizgerät“).
4.
Die Beschwerdegebühr war nicht zurückzuzahlen, da kein Verfahrensfehler
des Patent- und Markenamts ersichtlich ist (§ 80 Abs. 3 PatG).
Die Prüfungsstelle hat im Erstbescheid auf die mangelnde Neuheit des Gegen-
standes des ursprünglichen Anspruchs 1 gegenüber D1 hingewiesen. Die Anmel-
derin hat mit Eingabe vom 21. Februar 2006 dargelegt, warum ihrer Ansicht nach
der Gegenstand der Erfindung neu ist; sie hat keine neuen Ansprüche eingereicht.
Der darauf folgende Zurückweisungsbeschluss war gestützt auf mangelnde Neu-
heit hinsichtlich des Anspruchs 1, mit im Wesentlichen derselben, der Anmelderin
bereits bekannten Argumentation wie im Erstbescheid, zu der sich die Anmelderin
bereits geäußert hatte. Eine Anhörung war nicht beantragt. Der Anspruch auf
rechtliches Gehör ist nicht verletzt. Zudem ist die im Zurückweisungsbeschluss
gegebene Begründung durchaus schlüssig.
Dr. Fritsch
Eder
Baumgardt
Dr. Thum-Rung
Fa