Urteil des BPatG vom 08.12.2005

BPatG: beschreibende angabe, psychische störung, unterscheidungskraft, begriff, eugh, name, verbraucher, unternehmen, verkehr, allgemeininteresse

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 15/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die angemeldete Marke 305 23 876.0
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
27. Juni 2006 durch …
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 vom 8. Dezember 2005 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
dem im Tenor genannten Beschluss die Anmeldung der u. a. für
„bespielte Ton- und Bildträger, insbesondere Compact-Discs, CD-
ROMs, DVD (digital Versatile-Disc), Magnetaufzeichnungsträger,
Tonbänder, Tonkassetten, Videokassetten; Druckereierzeugnisse;
Zeitschriften, Zeitungen, Magazine; Bekleidungsstücke; Unterhal-
tung, insbesondere Durchführung von Live-Veranstaltungen, Or-
ganisation und Veranstaltung von Konzerten“
als Wortmarke beanspruchten Kennzeichnung
Dirndlwahnsinn
nach § 37 Abs. 1, § 8 Abs. 2 MarkenG (nicht unterscheidungskräftige
und freihaltungsbedürftige Angabe) für die oben genannten Waren und Dienstleis-
tungen teilweise zurückgewiesen. Für die beanspruchten Bekleidungsstücke fehle
der Anmeldemarke die Unterscheidungskraft, weil der Verkehr sie nur als be-
schreibenden Hinweis verstehe, dass es sich um ein wahnsinnig tolles Dirndl oder
ähnliches handle. Für die übrigen zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen
stelle die Bezeichnung eine freihaltungsbedürftige Angabe dar, weil der Begriff
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„Dirndlwahnsinn“ nach Angabe der Anmelderin der Name einer Musikgruppe sei
und daher das Thema, den Gegenstand oder sonst den Inhalt dieser Produkte
angebe; ob er daneben für diese Waren und Dienstleistungen auch keine Unter-
scheidungskraft besitze, hänge von der Bekanntheit der Musikgruppe ab, worüber
keine Informationen vorlägen. Da die Anmeldemarke aber bereits aus anderem
Grund nicht schutzfähig sei, könne dies letztlich auf sich beruhen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt. Sie stellt den beschreibenden Gehalt der
Anmeldemarke i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schon deshalb in Frage, weil es
bereits zahlreiche Namen anderer Musikgruppen gebe, die als Marke für die hier
in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen eingetragen seien. Soweit die
Markenstelle auch die Unterscheidungskraft verneint habe, habe sie den hier an-
gemeldeten Begriff, dem der Verbraucher als Fantasiebezeichnung keine konkrete
Bedeutung beilegen werde, unzulässig mit dem Begriff „Wahnsinnsdirndl“ gleich-
gesetzt.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen stellt die angemeldete Bezeichnung weder eine unter das Eintra-
gungsverbot des nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG fallende beschreibende Angabe
dar noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle steht der Eintragung der angemel-
deten Bezeichnung nicht das Eintragungshindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
entgegen, denn die angemeldete Bezeichnung besteht nicht aus Zeichen oder
Angaben, die zumindest in einer ihrer möglichen Bedeutungen (vgl. EuGH,
MarkenR 2004, 450, 453 [Rz. 32] – DOUBLEMINT) ausschließlich zur Bezeich-
nung von Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen dienen können, (vgl. hierzu
BGH GRUR 1999, 1093, 1094 – FOR YOU; GRUR 2000, 211, 232 - FÜNFER;
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GRUR 2005, 417, 419 – Berlin Card). Hier fehlt der erforderliche Bezug zu den
Waren und Dienstleistungen, weil nicht erkennbar ist, inwieweit mit dem Begriff
„Dirndlwahnsinn“ auch bei Zugrundelegung des von der Markenstelle unterstellten
Begriffsinhalts mögliche Merkmale der zurückgewiesenen Waren oder Dienstleis-
tungen unmittelbar bezeichnet werden könnten.
a) Sofern die Markenstelle darauf abgestellt hat, dass die Anmeldemarke auch der
Name einer Musikgruppe sei, übersieht sie, dass der Name einer Musikgruppe
eine markenmäßige Bezeichnung der Waren oder Dienstleistungen, welche die
Musikgruppe anbietet, ist. Da gerade diese Waren und Dienstleistungen vorlie-
gend mit der angemeldeten Bezeichnung gekennzeichnet werden sollen, ist die
Produkt als solche keine Produktweil sie - wovon
auch die Markenstelle zutreffend ausgegangen ist - keinen warenbeschreibenden
Bedeutungsgehalt aufweist.
b) Schließlich steht die Auffassung der Markenstelle, dass die Verwendung des
Namens einer Musikgruppe allen Mitbewerbern offen stehen müsse, auch entge-
gen, dass eine solche freie Verwendung, soweit die Voraussetzungen des § 23
MarkenG nicht gegeben sind, ohnehin nach § 15 Abs. 1 MarkenG bzw. - soweit
die Voraussetzungen für solche vorrangigen markenrechtlichen Ansprüche nicht
bestehen sollten (vgl. hierzu Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2.
Aufl., nach §
15
Rn. 3 ff.) - nach § 12 BGB ausgeschlossen ist; dann sind aber schon im Ansatz
keine Gründe ersichtlich, dass der Name der Musikgruppe nicht auch für be-
stimmte Waren oder Dienstleistungen als Marke eingetragen werden kann.
c) Da der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung daher nicht das im
Allgemeininteresse liegende Ziel entgegen steht, dass Zeichen oder Angaben, die
Merkmale der angemeldeten Waren bzw. Dienstleistungen beschreiben, von allen
Unternehmen frei verwendet werden und nicht aufgrund ihrer Eintragung als
Marke zugunsten eines Unternehmens monopolisiert werden können (vgl. EuGH
GRUR 1999, 723, 725 Rn. 25 – CHIEMSEE; GRUR 2004, 680, 681 Rn. 35, 36
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- BIOMILD), scheidet ein Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
aus.
2. Entgegen der Ansicht der Markenstelle fehlt der angemeldeten Bezeichnung
auch nicht jegliche Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, also
nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (vgl. EuGH
MarkenR 2003, 187, 190 [Rz. 41] - Gabelstapler, WRP 2002, 924, 930 [Rz. 35]
- Philips/Remington) und des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2000, 502,
503 – St. Pauli Girl; GRUR 2000, 720, 721 - Unter Uns) die Eignung, von den Ab-
nehmern, an welche sich die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen richten,
als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren oder Dienstleistungen ei-
nes Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu wer-
den. Unter Berücksichtigung des grundsätzlich gebotenen großzügigen Maßstabs
(st. Rspr., vgl. BGH, GRUR 1995, 408 [409] – PROTECH; BGH GRUR 2001, 413,
415 - SWATCH) kann nämlich nicht festgestellt werden, dass die durchschnittlich
informierten, aufmerksamen und verständigen (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, 605
- Libertel; GRUR 2004, 943, 944 – SAT. 2) Abnehmer in ihr keinen Hinweis mehr
auf die Herkunft der beanspruchten Waren und Dienstleistungen aus einem
Unternehmen sehen, weil sie der angemeldeten Marke nur einen für
diese Waren und Dienstleistungen im Vordergrund stehenden beschreibenden
Begriffsinhalt entnehmen (vgl. BGH GRUR 2001, 1151, 1153 – marktfrisch;
GRUR 2003, 1050, 1051 – City-Service; BGH, GRUR 2001, 162, 163 m. w. N.
- RATIONAL SOFTWARE CORPORATION).
a) Dem steht schon entgegen, dass - wie oben ausgeführt - ein solcher unmittel-
barer beschreibender Sinngehalt vorliegend erkennbar nicht gegeben ist.
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Etwas anderes gilt auch nicht für Bekleidungsstücke, denn schon aufgrund der
konkreten Wortverbindung kann nicht davon ausgegangen werden, dass der
Begriff „Dirndlwahnsinn“ von den angesprochenen Verbrauchern unmittelbar mit
demselben Sinngehalt wie etwa „Wahnsinnsdirndl“ verstanden wird.
aa) Bei Nominalverbindungen wäre dies grammatikalisch korrekt nämlich nur dann
der Fall, wenn es sich um ein sog. Kopulativkompositum (vgl. hierzu DUDEN,
Grammatik, 7. Aufl., Rz. 1100) handeln würde; dies ist vorliegend aber mangels
Angehörigkeit der einzelnen Wortbestandteile zum gleichen semantischen Feld
- „Dirndl“ ist eine Sach, „Wahnsinn“ demgegenüber ein menschlicher
Gemütszustand oder eine Sach nicht nahe liegend. Bei Determinativ-
komposita (vgl. hierzu DUDEN, a. a. O., Rz. 1095 ff.) leitet sich die Bedeutung
demgegenüber vom Zweitglied ab, welches durch das Erstglied im Bedeutungs-
umfang eingeschränkt wird. „Wahnsinnsdirndl“ ist demnach ein Dirndl, das als
„wahnsinnig“ - hier im umgangssprachlichen Sinn als „in begeisternder Weise
schön, gut, großartig, toll“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 5. Aufl.
Mannheim 2003 [CD-ROM], Stichwort „wahnsinnig“) - angesehen wird, während
„Dirndlwahnsinn“ nach der grammatikalisch üblichen Regel nur ein Bedeutungs-
gehalt zukäme, demzufolge eine „psychische Störung“ oder ein „unvernünftiges,
unsinniges Denken oder Verhalten“ (vgl. Duden - Deutsches Universalwörterbuch,
a. a. O. Stichwort „Wahnsinn“) vorläge, die oder das in irgendeiner Weise mit ei-
nem Dirndl in Zusammenhang steht; es liegt auf der Hand, dass letztgenannte
(Be-) Deutung letztlich inhaltsleer ist.
bb) Zwar ist es ungeachtet dieser grammatikalisch allein zutreffenden Bedeu-
tungsbestimmung nicht ausgeschlossen, dass Teile des Verkehrs beide Kompo-
sita in ihrer Bedeutung doch gleichsetzen; da es sich bei der angemeldeten Marke
aber um keine gebräuchliche Wortverbindung handelt, würde dies voraussetzen,
dass sich die Verbraucher Gedanken machen, um ihr eine gleiche Bedeutung wie
„Wahnsinnsdirndl“ oder „wahnsinnig(toll-)es Dirndl“ geben zu können; zu solchen
analysierenden Betrachtungen neigt der Verkehr aber nicht (vgl. st. Rspr., vgl.
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BGH GRUR 1992, 515, 516 – Vamos; BGH GRUR 195, 408, 409 – PROTECH),
so dass auch ein solches mögliches Verständnis nicht die Annahme rechtfertigt,
der Anmeldemarke fehle es für Bekleidungsstücke an dem erforderlichen Mindest-
maß an Unterscheidungskraft.
Inwieweit die Anmeldemarke für die betroffenen Waren wegen Anlehnung an eine
beschreibende Angabe möglicherweise über nur einen geringen Schutzumfang
verfügt, ist im Eintragungsverfahren nicht zu prüfen.
b) Das angemeldete Zeichen ist auch kein gebräuchlicher Begriff, den die
Verbraucher - etwa wegen seiner Verwendung in der Werbung - nicht als Unter-
scheidungsmittel verstehen (vgl. BGH GRUR 2003, 1050 - CITYSERVICE).
3. Da die Markenstelle somit im Ergebnis der Anmeldemarke zu Unrecht die
Eintragung wegen der Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG
versagt hat, war auf die Beschwerde der Anmelderin der Beschluss der
Markenstelle aufzuheben.
gez.
Unterschriften