Urteil des BGH vom 05.10.1961

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 135/03
Verkündet am:
7. Juli 2004
Fritz
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
_____________________
BGB § 2087 Abs. 2
Die Auslegung eines Testaments im Sinne einer Erbeinsetzung setzt nicht
notwendig voraus, daß dem Erben dem Werte nach der größte Teil des Nach-
lasses verbleibt.
BGB § 2304
Weist der Erblasser den Abkömmlingen im Testament ihren gesetzlichen
Pflichtteil zu und ist darin keine Erbeinsetzung zu sehen, steht noch nicht
fest, ob die Abkömmlinge auf das gesetzliche Pflichtteilsrecht beschränkt oder
ob sie mit Vermächtnissen in Höhe ihrer Pflichtteilsquote bedacht werden soll-
ten. Das hängt davon ab, ob der Erblasser die Abkömmlinge begünstigen
oder ihnen nur belassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz nicht entzie-
hen konnte.
Haager Testamentsformübereinkommen vom 5. Oktober 1961, Art. 1 Abs. 1
Buchst. b; EGBGB Art. 26 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Ein deutscher Erblasser kann durch ein gemäß § 2247 BGB gültiges eigen-
händiges Testament wirksam auch über ein in Florida/USA belegenes Grund-
stück verfügen, obwohl diese Testamentsform dort nicht zulässig ist, die USA
nicht dem Haager Testamentsformübereinkommen beigetreten sind und für
das dort belegene Grundstück im übrigen das Erbrecht Floridas gilt (Art. 3
Abs. 3 EGBGB).
BGH, Urteil vom 7. Juli 2004 - IV ZR 135/03 - OLG Celle
LG Hannover
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, die Richter Dr. Schlichting, Seiffert, die Richterin
Dr. Kessal-Wulf und den Richter Felsch auf die mündliche Verhandlung
vom 7. Juli 2004
für Recht erkannt:
Die Revisionen der Beklagten gegen das Urteil des
6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 8. Mai
2003 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens tragen die
Klägerin 8% und die Beklagten als Gesamtschuldner
92%.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die am 27. August 1990 geborene Klägerin ist die Tochter des am
8. September 1997 verstorbenen Erblassers. Sie macht gegen die Be-
klagten, zwei ehemalige Freundinnen des Erblassers, mit denen dieser
jeweils ein Kind hatte, Pflichtteilsansprüche unter Bezug auf das eigen-
händige Testament des Erblassers vom 29. April 1997 geltend.
Der Erblasser hatte mit der Mutter der Klägerin am 23. Dezember
1991 einen notariellen Ehe- und Erbvertrag geschlossen, in dem sich
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beide gegenseitig als alleinige Erben eingesetzt hatten. Die Ehe wurde
am 1. August 1997 rechtskräftig geschieden. Bereits nach der Trennung
der Eheleute Mitte 1996 hatte der Erblasser am 29. April 1997 eigenhän-
dig das folgende Testament errichtet:
Im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte bestimme ich, daß im
Falle meines unerwarteten Todes mein Vermögen wie folgt
geteilt wird:
1.) Rückzahlung meiner Schulden zu je DM 60.000 an mei-
ne Eltern aus meinem Aktienvermögen, das ich für sie
im Auftrag angelegt habe.
2.) Pflichtanteile für jedes meiner 3 Kinder aus dem Verkauf
meiner Häuser abzüglich Bankschulden.
3.) Lebensversicherungen namentlich auf jedes Kind abge-
schlossen.
4.) Sonstige Lebensversicherungen plus Rest aus 2.) zu
gleichen Teilen an ... (Beklagte zu 1 und Beklagte zu 2).
Meine Ehefrau ... erhält nichts! Aufgrund ihres Verhal-
tens und laufender Scheidung enterbe ich sie.
5.) BMW an S… K...
6.) Harley + Corvette + Einrichtung nach Verkauf zu glei-
chen Teilen an meine Eltern.
Zum Nachlaß gehörten unter anderem auch ein in Florida belege-
nes Grundstück sowie eine - inzwischen verkaufte - Finca auf Mallorca.
Es wurde eine Nachlaßpflegschaft angeordnet und durchgeführt, für die
Kosten anfielen.
Die Klägerin ist der Auffassung, ihr stehe gegen die Beklagten
über die bereits erhaltenen 10.000 DM hinaus ein weiterer Pflichtteilsan-
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spruch in Höhe von 48.001,29 € zu. Das Landgericht hat der Klage in
vollem Umfang stattgegeben; auf die Berufung der Beklagten wurde die
Verurteilungssumme auf 35.454,96 € herabgesetzt (vgl. das u.a. in
FamRZ 2003, 1876 veröffentlichte Berufungsurteil). Mit ihren Revisionen
verfolgen die Beklagten ihr Ziel einer vollständigen Klageabweisung wei-
ter. Die Klägerin hat ihre Anschlußrevision zurückgenommen.
Entscheidungsgründe:
Die Revisionen bleiben ohne Erfolg.
I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, durch die Scheidung der
Ehe des Erblassers sei der Erbvertrag vom 23. Dezember 1991 unwirk-
sam geworden. Infolgedessen sei das bereits vor der Scheidung errichte-
te eigenhändige Testament vom 29. April 1997 maßgebend. Danach ste-
he der Klägerin ein Pflichtteilsanspruch in Höhe von 1/6 des Nachlasses
gegen die Beklagten zu. Diese seien Erbinnen zu je 1/2 geworden. Das
ergebe die Auslegung des Testaments vom 29. April 1997. Der Erblasser
habe über sein Vermögen abschließend verfügen wollen. Nach dem
Wortlaut kämen nur die Beklagten als Erben in Betracht. Ihnen sei mit
den Grundstücken der überwiegende Teil des Nachlasses zugewendet.
Bezüglich des Grundstücks in Florida liege allerdings ein Fall der Nach-
laßspaltung vor. Insoweit sei die Erbeinsetzung der Beklagten nicht
formwirksam, weil das anwendbare Recht Floridas eigenhändige Testa-
mente nicht kenne. Erben des in den USA gelegenen Grundstücks seien
daher die Kinder des Erblassers - und damit auch die Klägerin - zu je
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1/3. Dieses Grundstück müsse bei der Berechnung des Pflichtteilsan-
spruchs der Klägerin außer Betracht bleiben. Der Pflichtteilsanspruch sei
auch nicht deswegen nach unten zu korrigieren, weil die Klägerin durch
das Zusammentreffen des Pflichtteils an dem deutschem Recht unterlie-
genden Nachlaßteil und des Erbteils am Grundstück in Florida deutlich
mehr erhalte, als ihr Pflichtteil von 1/6 sowohl am gesamten Nachlaß als
auch am deutschen Nachlaßteil ausmache.
Die im Zusammenhang mit dem Verkauf der Finca angefallenen
Kosten seien keine Nachlaßverbindlichkeiten. Es handele sich vielmehr
um Nachlaßerbenschulden, die aus eigenen Rechtshandlungen der Er-
ben entstanden seien. Da die Eingehung dieser Verbindlichkeiten für die
Pflichtteilsberechtigte nicht von Vorteil sei, müßten sie unberücksichtigt
bleiben. Gleiches gelte im Ergebnis für die Kosten der Nachlaßpfleg-
schaft. Diese seien zwar als Erbfallschulden grundsätzlich in die Berech-
nung des Pflichtteils einzustellen. Doch weil die Beklagten sie erstmals
in der Berufungsinstanz geltend gemacht hätten, ohne daß ein Zulas-
sungsgrund im Sinne des § 531 Abs. 2 ZPO gegeben sei, könnten sie
keine Berücksichtigung finden. Daran ändere nichts, daß ihr Anfall un-
streitig sei und der Rechtsstreit durch ihre Zulassung nicht verzögert
würde.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand. Der Kläge-
rin steht gegen die Beklagten aus Vermächtnis ein Zahlungsanspruch je-
denfalls in Höhe des vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrages
zu.
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1. Unbedenklich geht das Berufungsgericht gemäß §§ 2279, 2077
Abs. 1 Satz 1 BGB von der Unwirksamkeit des Erbvertrages vom
23. Dezember 1991 infolge der Scheidung des Erblassers am 1. August
1997 aus. Damit trat das dem Erbvertrag zuwider laufende eigenhändige
Testament vom 29. April 1997 entsprechend dem Rechtsgedanken der
§§ 2257, 2258 Abs. 2 BGB in Kraft (vgl. OLG Zweibrücken FamRZ 1989,
1355, 1356; AnwK-BGB/Kornexl, § 2289 Rdn. 22; Bamberger/Roth/
Litzenburger, BGB § 2289 Rdn. 8).
2. Die tatrichterliche Auslegung des Testaments vom 29. April
1997 ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. BGHZ 121, 357,
363), soweit sie im Ergebnis zu einer Erbeinsetzung der Beklagten je zur
Hälfte gelangt. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revisionen bleiben
ohne Erfolg.
Wie das Berufungsgericht mit Recht dem Einleitungssatz des Te-
staments entnommen hat, wollte der Erblasser über sein gesamtes Ver-
mögen verfügen. Es ist nicht anzunehmen, daß er überhaupt keinen Er-
ben berufen wollte. Hätten seine Abkömmlinge kraft Gesetzes Erben
werden sollen, wäre die Bestimmung des Testaments sinnlos, mit der ih-
nen "Pflichtanteile" zugedacht sind. Darauf, daß mit dem Testament auch
die Erbfolge geregelt werden sollte, deutet ferner die ausdrückliche Ent-
erbung seiner damals noch nicht von ihm geschiedenen Ehefrau hin.
Obwohl den Kindern mit den "Pflichtanteilen" eine Quote des gesamten
Nachlaßwerts, nämlich in Höhe ihres Pflichtteils von je einem Sechstel,
zugedacht ist, wird die insoweit an sich zu einer Erbeinsetzung führende
Auslegungsregel des § 2087 Abs. 1 BGB außer durch die vorrangige
Auslegung des hier zu beurteilenden Testaments auch durch die negati-
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ve Auslegungsregel des § 2304 BGB überwunden, (wonach die Zuwen-
dung des Pflichtteils im Zweifel nicht als Erbeinsetzung anzusehen ist).
Die Kinder sind daher jedenfalls nicht Erben geworden.
Abgesehen von den beiden Beklagten werden im Testament neben
den mit "Pflichtanteilen" bedachten Kindern nur Personen begünstigt,
denen lediglich bestimmte, im Blick auf das Immobiliarvermögen des
Erblassers jedenfalls nicht als Hauptbestandteile des Nachlasses zu wer-
tende Gegenstände zugewendet werden. Auch diese weiteren Personen
kommen daher nicht als Erben in Betracht (§ 2087 Abs. 2 BGB). Den Be-
klagten sollte dagegen außer Lebensversicherungen der "Rest" aus dem
Verkauf des gesamten Grundvermögens zustehen. Ob ihnen dadurch
letzten Endes mehr oder aber - wie die Revisionen meinen - weniger vom
Wert des Nachlasses zukommt als den Kindern, kann für sich genommen
nicht den Ausschlag geben. Denn die Berufung zum Erben setzt nicht
notwendig voraus, daß dem Erben ein mehr oder weniger großer oder
sogar der größte Teil des Nachlasses verbleibt (vgl. BayObLG FamRZ
2003, 119, 120). Hier hat der Erblasser den Beklagten mit dem "Rest"
gerade das zugewiesen, was bei ausdrücklicher Einsetzung als Erben
nach Erfüllung der Nachlaßverbindlichkeiten, der Vermächtnisse sowie
der Auszahlung der "Pflichtanteile" für sie übrig bliebe. Das spricht ent-
scheidend für eine Erbeinsetzung. Hinzu kommt, daß die Beklagten die
Mütter jeweils eines Kindes des Erblassers sind und der Erblasser unter
derselben Ziffer des Testaments und in unmittelbarem Zusammenhang
mit der Begünstigung der Beklagten die Mutter der Klägerin ausdrücklich
enterbt hat. Das läßt den Rückschluß zu, daß es ihm schon bei der Be-
günstigung der Beklagten um die Regelung seiner Erbfolge ging.
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3. Mit dem Zwischenergebnis, daß die Beklagten und nicht die Kin-
der des Erblassers als Erben berufen sind, steht aber noch nicht fest, ob
der Erblasser die Kinder auf den gesetzlichen Pflichtteil beschränken
oder aber ihnen ein Vermächtnis in Höhe dieses Pflichtteils gewähren
wollte (zu dieser Abgrenzung vgl. etwa OLG Nürnberg FamRZ 2003,
1229; Staudinger/Haas, BGB [1998] § 2304 Rdn. 17). Insoweit ist ent-
scheidend, ob der Erblasser die Kinder begünstigen oder ihnen nur be-
lassen wollte, was er ihnen nach dem Gesetz nicht entziehen konnte.
Das hat das Berufungsgericht verkannt. Zwar hat auch die Klägerin den
von ihr geltend gemachten Anspruch rechtlich als gesetzlichen Pflicht-
teilsanspruch eingeordnet; sie hat sich dafür aber auf die Anordnungen
des Erblassers im Testament vom 29. April 1997 bezogen. Der Senat
kann die insoweit erforderliche Auslegung selbst vornehmen, weil mit
Blick auf das Erbscheinsverfahren und den umfassenden Vortrag der
Parteien zur Frage der Testamentsauslegung in den Vorinstanzen weder
neuer Tatsachenvortrag zu erwarten noch weitere tatsächliche Feststel-
lungen zu treffen sind.
a) Danach ist der Klägerin ein Vermächtnis in Höhe des nach
deutschem Erbrecht auf den gesamten Nachlaßwert anfallenden Pflicht-
teils zugewendet worden. Über das gesetzliche Pflichtteilsrecht war der
Erblasser bei der Beurkundung des Ehe- und Erbvertrages vom 23. De-
zember 1991 vom Notar belehrt worden. Für den Willen des Erblassers,
seine Kinder zu begünstigen, spricht zunächst die sprachliche Gestal-
tung des Testaments. Anders als bei der Ehefrau soll den Kindern nichts
entzogen, sondern im Rahmen der einleitend angekündigten Aufteilung
des Vermögens ein "Pflichtanteil" zugewendet werden. Ferner wird deut-
lich, daß der Erblasser nicht die Absicht hatte, seine Kinder auf das ge-
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setzliche Minimum zu beschränken. In Ziffer 3 des Testaments erwähnt
er die namentlich auf jedes Kind abgeschlossenen Lebensversicherun-
gen, die diese zusätzlich zu den "Pflichtanteilen" erhalten sollen. Dabei
handelt es sich zwar um Schenkungen auf den Todesfall, die an sich
keiner testamentarischen Regelung bedurft hätten. Ihre Erwähnung zeigt
aber, daß der Erblasser seinen Abkömmlingen im Ergebnis mehr als den
gesetzlichen Pflichtteil zuwenden wollte.
b) Das Testament verknüpft die Erfüllung des offenbar auf Zahlung
eines Geldbetrags gerichteten Anspruchs auf den "Pflichtanteil" mit dem
Verkauf der Häuser, aus deren Erlös vorab die Bankschulden beglichen
werden sollen. Daß sich der "Pflichtanteil" der Kinder etwa auf den Be-
trag hätte beschränken sollen, der sich aus dem Verkauf des Grundbe-
sitzes abzüglich der Bankschulden ergeben würde (vgl. Dörner, FamRZ
2003, 1880, 1881), ist nicht anzunehmen. Mit dem W ort "Pflichtanteil"
nimmt der Erblasser den gesetzlichen Pflichtteil in Bezug, der eine Quote
am gesamten Nachlaß darstellt. Von einem Pflichtteil nur in Bezug auf
bestimmte Nachlaßgegenstände zu sprechen, hätte keinen Sinn. Der Zu-
satz "aus dem Verkauf meiner Häuser abzüglich Bankschulden" ist viel-
mehr im Sinne einer Vorsorge des Erblassers für die Nachlaßabwicklung
sowie dafür zu verstehen, daß die Ansprüche der Kinder auf den
"Pflichtanteil" aus den wichtigsten und wertvollsten Teilen seines Vermö-
gens gedeckt seien.
c) Aus dieser testamentarischen Regelung geht ferner hervor, daß
Berechnungsgrundlage des - nur bezüglich der Quote von einem Sech-
stel an das gesetzliche Pflichtteilsrecht angelehnten - "Pflichtanteils" das
gesamte Vermögen des Erblassers einschließlich seines Grundbesitzes
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in Florida sein sollte. Von einer Aufspaltung seines Nachlasses in einen
dem deutschen Erbrecht und einen dem Erbrecht Floridas unterliegen-
den Anteil ist der Erblasser offenbar nicht ausgegangen.
4. Dieser Erblasserwille ist auch für das Vermögen in Florida gül-
tig. Das eigenhändige Testament ist gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b des
Haager Testamentsformübereinkommens (TestÜbk) vom 5. Oktober
1961 (BGBl 1965 II S. 1145; in Kraft getreten für die Bundesrepublik
Deutschland am 1. Januar 1966, BGBl II S. 11) i.V. mit §§ 2231 Nr. 2,
2247 BGB entgegen der Annahme des Berufungsgerichts in vollem Um-
fang formwirksam.
a) Zwar ist eine Nachlaßspaltung in einen dem Erbrecht Floridas
und in einen dem deutschem Erbrecht unterliegenden Nachlaßteil einge-
treten. Denn gemäß Art. 3 Abs. 3 EGBGB haben die besonderen Vor-
schriften, die in den Vereinigten Staaten für die Erbfolge in das dort be-
legene unbewegliche Vermögen gelten (Belegenheitsstatut), Vorrang vor
dem an die Staatsangehörigkeit des Erblassers anknüpfenden Erbstatut
nach Art. 25 Abs. 1 EGBGB (BGH, Urteil vom 21. April 1993 - XII ZR
248/91 - NJW 1993, 1920 unter II 2 a). Die Erbfolge in den unbewegli-
chen Nachlaß eines Erblassers beurteilt sich in Florida nach der zur Zeit
des Todes geltenden lex rei sitae; Florida hat hiervon keine Ausnahme-
regelung getroffen (Ferid/Firsching/Dörner/Hausmann, Internationales
Erbrecht USA Grdz. C II Rdn. 39, 39 a). Damit ist an sich jede Nachlaß-
masse grundsätzlich nach dem jeweils für sie maßgebenden Erbstatut zu
beurteilen.
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b) Das Erbrecht Floridas führt nicht zu einem anderen Ergebnis als
das deutsche Erbrecht, soweit es um die Unwirksamkeit des Erbvertra-
ges vom 23. Dezember 1991 mit Rechtskraft der Scheidung am 1. Au-
gust 1997 geht. Gemäß Chapter 732.507 des Florida Probate Code
(siehe Ferid, aaO USA Texte III Nr. 8) bewirkt nämlich die Scheidung
den Widerruf der für den Ehegatten günstigen testamentarischen Verfü-
gung. Andere Verfügungen als die gegenseitige Alleinerbeinsetzung der
Ehegatten enthält der Erbvertrag nicht. Erbverträge, die das Recht Flori-
das an sich nicht kennt, können als gemeinschaftliche und gegenseitige
Testamente aufrechterhalten werden; sie sind aber stets frei widerruflich.
Die Widerruflichkeit kann zwar durch einen vom Testament zu unter-
scheidenden Vertrag ausgeschlossen werden; ein solcher Vertrag liegt
aber nicht allein schon in der Errichtung eines gegenseitigen und - nach
überwiegender Ansicht - auch nicht in der Errichtung eines gemein-
schaftlichen Testaments; ferner folgt die amerikanische Rechtsprechung
überwiegend der Auffassung, daß eine vertragliche Bindung erst mit dem
Tod des Erstversterbenden eintritt (Ferid, aaO USA Grdz. C II Rdn. 39 b,
Grdz. F III Rdn. 235, u.a. in Fn. 7). Mithin ist der Erbvertrag vom 23. De-
zember 1991 auch aus der Sicht des in Florida geltenden Rechts durch
die Ehescheidung widerrufen und damit unwirksam geworden.
c) Das in Deutschland wirksame eigenhändige Testament des Erb-
lassers vom 29. April 1997 ist, auch soweit es den Nachlaß in Florida be-
trifft, nicht unwirksam. Das Erbrecht Floridas kennt zwar ein eigenhändi-
ges Testament nur in der Form des Zweizeugentestaments; soweit die
Testamentsform des Heimatlandes des Erblassers ausreicht, gilt diese
Ausnahme nicht für eigenhändige Testamente (Chapter 732.502 (1) und
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(2) des Florida Probate Code, abgedruckt bei Ferid, aaO USA Texte III
Nr. 8).
aa) Jedoch steht gemäß Art. 1 Abs. 1 Buchst. b TestÜbk für die
Testamentsform als Anknüpfung das Recht des Staates, dem der Erblas-
ser zum Zeitpunkt der letztwilligen Verfügung oder seines Todes ange-
hörte, zur Verfügung - mithin deutsches Erbrecht, nach dem das streit-
gegenständliche Testament formwirksam errichtet ist. Das Abkommen
löst generell die Formfrage vom Erbstatut (MünchKomm/Birk, BGB
3. Aufl. Art. 26 EGBGB Rdn. 38) mit der Folge, daß für die Frage der
Formgültigkeit die Vorschriften des ansonsten als Erbstatut berufenen
Rechts außer Betracht bleiben müssen (Senatsurteil vom 28. September
1994 - IV ZR 95/93 - NJW 1995, 58 unter A II 2 c). Dem steht nicht ent-
gegen, daß die USA bzw. Florida dem Abkommen nicht beigetreten sind.
Seine Wirkungen erstrecken sich vielmehr auch auf ein nicht in einem
Vertragsstaat belegenes Grundstück (v. Oertzen/Seidenfus, ZEV 1996,
210, 213; Dörner FamRZ 2003, 1880). Das Abkommen schafft für die
Bestimmung des Formstatuts bei letztwilligen Verfügungen für die Ver-
tragsstaaten universell anwendbares Kollisionsrecht. Gemäß Art. 6 Te-
stÜbk setzt seine Anwendbarkeit keine Gegenseitigkeit voraus; es ist als
sog. loi uniforme ohne weitere Verknüpfung des Sachverhalts mit einem
Vertragsstaat und auch gegenüber Nichtvertragsstaaten anzuwenden
(MünchKomm/Birk, aaO Rdn. 73; Erman/Hohloch, BGB 11. Aufl. Art. 26
EGBGB Rdn. 3; Palandt/Heldrich, BGB 63. Aufl. Art. 26 EGBGB Rdn. 1;
Bamberger/Roth/Lorenz, BGB Art. 26 EGBGB Rdn. 2; Kegel/Schurig, In-
ternationales Privatrecht 9. Aufl. § 21 III 2 a S. 1010). Das entspricht
dem Ziel des Abkommens, Testamente zu begünstigen (favor testamenti)
und dem Erblasser die Möglichkeit zu geben, durch ein Testament über
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seinen gesamten Nachlaß zu verfügen, ohne Gefahr zu laufen, daß es
hinsichtlich eines Teils des Nachlaßvermögens, etwa eines im Ausland
belegenen Grundstücks, formungültig ist (Kegel/Schurig, aaO; v. Schack,
DNotZ 1966, 131, 133). Eine letztwillige Verfügung ist somit auch dann
formwirksam, wenn sie zwar nicht die Formvorschriften des Lageortes,
wohl aber - wie hier - die des Heimatrechts des Erblassers einhält.
bb) Diese Rechtslage ändert freilich nichts daran, daß das eigen-
händige Testament des Erblassers in Florida möglicherweise wegen
Formmangels nicht anerkannt wird und sich daraus für die Beklagten als
Erben Schwierigkeiten ergeben können, die rechtliche Verfügungsmacht
über das ererbte Grundstück zu erlangen (vgl. zu einem solchen, interna-
tional hinkenden Rechtsverhältnis Otte, IPrax 1993, 142, 144 ff.;
v. Oertzen, ZEV 1995, 167, 172; Steiner, ZEV 2003, 145, 146 und 500,
501). Wem gegenwärtig das Grundstück in Florida zusteht und wer dar-
über verfügen könnte, ist in den Tatsacheninstanzen nicht vorgetragen
worden. Falls sich ergeben sollte, daß nur die Kinder des Erblassers als
dessen gesetzliche Erben Verfügungsbefugnis haben, würde sich eine
vom Erblasser nicht vorausgesehene und bedachte Situation ergeben.
Vorsorglich weist der Senat darauf hin, daß der im Testament niederge-
legte letzte Wille des Erblassers gleichwohl in Deutschland weiterhin
zwischen den Parteien verbindlich bleibt. Dem Testament läßt sich im
Wege ergänzender Auslegung entnehmen, daß die Kinder, wenn das
Grundstück in Florida nicht ohne ihre Mitwirkung verkauft werden könn-
te, hierzu sowie zu einer dem Testament entsprechenden Auseinander-
setzung des Nachlasses den Beklagten gegenüber verpflichtet wären,
insbesondere im Hinblick auf die Bankschulden und den "Rest" des Ver-
äußerungserlöses. Ein solches Untervermächtnis zu Lasten der Kinder
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als Vermächtnisnehmer und zugunsten der Beklagten würde an deren
Rechtsstellung als Erben nichts ändern.
5. a) Auf die Ausführungen des Berufungsgerichts zu Fragen einer
Angleichung widerstreitender Rechtsordnungen kommt es nicht mehr an.
Wie oben bereits dargelegt, ist dem Testament vielmehr durch Ausle-
gung zu entnehmen, daß der Erblasser seinen Kindern ein Vermächtnis
in Höhe ihrer nach deutschem Recht bestehenden Pflichtteilsquote an
seinem ganzen Nachlaß unabhängig davon zuwenden wollte, wo er be-
legen ist und ob dort ein dem deutschen Recht vergleichbares Pflicht-
teilsrecht gilt. Die Auslegung geht der Rechtsanpassung vor und richtet
sich auch aus der Sicht Floridas nach deutschem Recht, das der hier an
seinem W ohnsitz testierende Erblasser konkludent durch Bezugnahme
auf die Pflichtteilsquote des deutschen Rechts gewählt hat (Dörner,
FamRZ 2003, 1880, 1881).
b) Der Klägerin steht daher selbst bei Berücksichtigung der von
den Beklagten geltend gemachten Kosten, die durch den Verkauf der
Finca und die Nachlaßpflegschaft entstanden sind, ein Vermächtnisan-
spruch zu, der den vom Berufungsgericht zugesprochenen Betrag von
35.454,96 € übersteigt. Auf die weiteren von den Revisionen aufgewor-
fenen Rechtsfragen kommt es somit nicht mehr an.
Der Aktivnachlaß (einschließlich des Grundstücks in Florida) be-
läuft sich nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsge-
richts auf 1.268.425,62 DM; der Passivnachlaß würde 628.078,30 DM
betragen, wenn man den vom Berufungsgericht insoweit festgestellten
559.698,37 DM weiter Nachlaßpflegschaftskosten von 36.987,93 DM und
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Verkaufskosten von 31.392 DM hinzurechnen würde. Von dem sich da-
nach ergebenden Saldo in Höhe von 640.347,32 DM stünde der Klägerin
ein Sechstel, also 106.724,55 DM zu. Darauf erhalten hat sie bereits
10.000 DM, so daß noch 96.724,55 DM (49.454,48 €) offen wären.
Terno Dr. Schlichting Seiffert
Dr. Kessal-Wulf Felsch