Urteil des BGH vom 01.01.1964

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
IV ZR 279/08
Verkündet
am:
27.
Oktober
2010
Heinekamp
Justizhauptsekretär
als
Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: ja
BGHR: ja
VVG (Fassung vom 1. Januar 1964) § 59 Abs. 2; StVG §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 4,
18 Abs. 1; PflVG § 3 Nr. 1; KfzPflVV § 2; AKB a.F. §§ 10, 10a
Bei der Doppelversicherung eines Gespanns aus einem Kraftfahrzeug und ei-
nem versicherungspflichtigen Anhänger haben im Regelfalle nach einem durch
das Gespann verursachten Schaden der Haftpflichtversicherer des Kraftfahr-
zeugs und der des Anhängers den Schaden im Innenverhältnis je zur Hälfte zu
tragen.
BGH, Urteil vom 27. Oktober 2010 - IV ZR 279/08 - OLG Celle
LG Hannover
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Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch den Vorsit-
zenden Richter Terno, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche
Verhandlung vom 27. Oktober 2010
für Recht erkannt:
Auf die Rechtsmittel der Klägerin wird das Urteil des
5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 27. No-
vember 2008 aufgehoben und das Urteil des Landge-
richts Hannover vom 17. Juni 2008 geändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 6.455,82 €
nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem je-
weiligen Basiszinssatz seit dem 9. August 2007 zu zah-
len.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die
Klägerin
macht
einen Ausgleichsanspruch nach Regulierung
eines Unfallschadens geltend. Der Versicherungsnehmer beider Parteien
verursachte am 28. Dezember 2006 als Fahrer eines Gespanns, beste-
hend aus einer bei der Klägerin haftpflichtversicherten landwirtschaftli-
chen Zugmaschine und einem bei der Beklagten haftpflichtversicherten
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Anhänger, einen Unfall. Infolge nicht angepasster Geschwindigkeit
scherte der mit einem Bagger beladene Anhänger auf regennasser Fahr-
bahn bei einem Bremsmanöver aus. Er stieß zunächst gegen einen ord-
nungsgemäß am Fahrbahnrand abgestellten PKW, anschließend gegen
einen Zaun. Die noch im Aussteigen aus dem PKW begriffene Beifahre-
rin wurde verletzt, der PKW und der Zaun wurden beschädigt.
Die Klägerin hat an die Geschädigten Schadensersatz und
Schmerzensgeld in Höhe von insgesamt 12.911,65 € gezahlt, die sie zur
Hälfte von der Beklagten ersetzt verlangt.
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Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision
verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.
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Entscheidungsgründe:
Das
zulässige
Rechtsmittel hat Erfolg.
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I. Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin kein
Ausgleichsanspruch zu.
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Beide Parteien hafteten den Geschädigten nach §§ 7 Abs. 1, 18
Abs. 1 StVG, § 3 Nr. 1 PflVG a.F., § 421 BGB als Gesamtschuldner. Ihre
Ausgleichspflicht im Innenverhältnis bestimme sich nicht nach § 59
Abs. 2 VVG a.F. oder § 10a der Allgemeinen Bedingungen für die Kraft-
fahrtversicherung a.F. (AKB a.F.), sondern allein nach § 17 StVG. Da-
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nach scheide ein Innenausgleich aus; denn der Halter der Zugmaschine
bleibe gegenüber dem des Anhängers allein zum Schadensersatz ver-
pflichtet, solange nicht besondere Umstände - etwa Mängel - die Be-
triebsgefahr des Anhängers erhöht und dadurch bei dem Unfall mitge-
wirkt hätten. Solche Umstände lägen hier nicht vor. Die bloße Betriebs-
gefahr des Anhängers trete gegenüber dem Mitverursachungs- und Mit-
verschuldensanteil des Halters und Führers der Zugmaschine zurück.
Die Haftungserweiterung auf den Anhängerhalter nach § 7 Abs. 1 StVG
habe lediglich den Schutz des Geschädigten bezweckt, nicht aber dem
Halter der Zugmaschine im Innenverhältnis regelmäßig einen Aus-
gleichsanspruch mit Rücksicht auf die Betriebsgefahr des Anhängers
gewähren sollen.
II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
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Die Beklagte muss nach § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. die Hälfte
des von der Klägerin regulierten Schadens tragen. Mithin steht der Klä-
gerin der geltend gemachte Ausgleichsanspruch zu.
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1.
Die
Haftpflichtversicherungen der Zugmaschine einerseits und
des Anhängers andererseits begründen für das aus beiden Fahrzeugen
gebildete Gespann eine Doppelversicherung i.S. von § 59 Abs. 1 VVG
a.F.. Die Identität des jeweils versicherten Interesses, d.h. die De-
ckungsgleichheit des Versicherungsschutzes (vgl. dazu die Senatsurteile
vom 20. Januar 1988 - IVa ZR 165/86, NJW-RR 1988, 727 und vom
31. März 1976 - IV ZR 29/75, VersR 1976, 847 unter 1), beschränkt sich
nicht auf Haftpflichtansprüche, die aus dem Gebrauch des Anhängers re-
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sultieren (so aber Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversi-
cherung 3. Aufl. § 3 KfzPflVV Rn. 3; Heß/Jahnke, Das neue Schadens-
recht 2000 S. 40 f.; Jahnke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung
18. Aufl. § 3 KfzPflVV Rn. 11; Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57, 61 f.), son-
dern erfasst das gesamte Gespann aus Zugmaschine und Anhänger (vgl.
dazu Knappmann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. AKB 2008 A.1.1
Rn. 31), die insoweit eine Betriebseinheit bilden.
a) Der Umfang des Versicherungsschutzes für das jeweils versi-
cherte Fahrzeug bestimmt sich nach den - beiden Versicherungsverträ-
gen zugrunde liegenden - AKB in deren bis zum Jahre 2008 verwendeten
Fassung. § 10 dieser Bedingungen hat folgenden Wortlaut:
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"§ 10 Umfang der Versicherung
(1) Die Versicherung umfasst die Befriedigung begründe-
ter und die Abwehr unbegründeter Schadenersatzansprü-
che, die auf Grund gesetzlicher Haftpflichtbestimmungen
privatrechtlichen Inhalts gegen den Versicherungsnehmer
oder mitversicherte Personen erhoben werden, wenn
durch den Gebrauch des im Vertrag bezeichneten Fahr-
zeugs:
a) Personen verletzt oder getötet werden,
b) Sachen beschädigt oder zerstört werden oder ab-
handen kommen,
c) Vermögensschäden herbeigeführt werden, die weder
mit einem Personen- noch mit einem Sachschaden mit-
telbar oder unmittelbar zusammenhängen.
(2) Mitversicherte Personen sind:
a) der Halter,
b) der Eigentümer,
c) der Fahrer
(…)"
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aa) Die bei der Klägerin gehaltene Versicherung der Zugmaschine
erstreckt sich nach § 10a AKB a.F. auch auf Schäden, die durch einen
Anhänger verursacht werden, der mit dem Kraftfahrzeug verbunden ist
oder sich während des Gebrauchs von diesem löst und noch in Bewe-
gung befindet. Mitversichert sind dabei auch Halter, Eigentümer und
Fahrer des Anhängers (vgl. Senatsurteile vom 3. März 1971 - IV ZR
134/69, VersR 1971, 611 unter III und vom 18. Dezember 1980 - IVa ZR
49/80, VersR 1981, 322, 323; Baumann in Buschbell, MAH Straßenver-
kehrsrecht 3. Aufl. § 44 Rn. 22; Jacobsen in Feyock/Jacobsen/Lemor,
Kraftfahrtversicherung 3. Aufl. § 3 KfzPflVV Rn. 1a; Knappmann in
Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. AKB 2008 A.1.1 Rn. 26 f.; Jahnke in Stiefel/
Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. § 3 KfzPflVV Rn. 10).
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bb) Der bei der Beklagten genommene Versicherungsschutz für
den - nicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 Buchst. c PflVG, § 18 Abs. 2 Nr. 1 StVO
versicherungsfreien - Anhänger ergibt sich aus dem Leistungsverspre-
chen des § 10 Abs. 1 AKB a.F., da der Anhänger hier das unmittelbar
versicherte Fahrzeug ist. Eines Rückgriffs auf § 10a AKB a.F. bedarf es
insoweit nicht (vgl. dazu Knappmann in Prölss/Martin, VVG 27. Aufl. § 10
AKB Rn. 1 und in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. AKB 2008 A.1.1 Rn. 26).
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(1) Entgegen einer in der Literatur vereinzelt vertretenen Meinung
(z.B. Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB A.1.2
Rn. 24) beschränkt sich der Versicherungsschutz in der Anhängerversi-
cherung nicht auf die Halterhaftung, vielmehr ist auch hier nach § 10
Abs. 2 Buchst. c AKB a.F. der Fahrer des Anhängers mitversichert, der
zugleich Fahrer des gesamten, verbundenen Gespanns ist (vgl. Knapp-
mann in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. AKB 2008 A.1.1 Rn. 31).
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Das folgt bereits aus gesetzlichen Vorgaben (vgl. dazu Jacobsen
in Feyock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 3. Aufl. § 3 KfzPflVV
Rn. 3; Jahnke in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. § 2
KfzPflVV Rn. 4 f.). § 1 PflVG verpflichtet den Halter eines Anhängers, für
sich, den Eigentümer und den Fahrer eine Haftpflichtversicherung zu
nehmen. Nach der aufgrund von § 4 PflVG erlassenen Kraftfahrzeug-
pflichtversicherungsverordnung (KfzPflVV) muss die Versicherung Scha-
densersatzansprüche umfassen, die gegen mitversicherte Personen er-
hoben werden (§ 2 Abs. 1 KfzPflVV). Als eine solche bestimmt § 2 Abs. 2
Nr. 3 KfzPflVV auch den Fahrer, wobei die Vorschrift nicht zwischen mo-
torisierten Fahrzeugen und Anhängern unterscheidet.
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Das findet eine Entsprechung in der Fahrzeugzulassungsverord-
nung (FZV), deren § 2 als "Fahrzeuge" Kraftfahrzeuge und ihre Anhänger
erfasst. Nach § 3 Abs. 1 FZV bedürfen Fahrzeuge - also auch Anhänger
mit Ausnahme der in § 3 Abs. 2 Nr. 2 FZV genannten - für den Betrieb
auf öffentlichen Straßen einer Zulassung. Voraussetzung dafür ist eine
"dem Pflichtversicherungsgesetz entsprechende" Kraftfahrzeug-Haft-
pflichtversicherung (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FZV).
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(2) Da der Versicherungsnehmer - für den Versicherer erkennbar -
die Anhängerversicherung auch zu dem Zweck abschließt, die Voraus-
setzung für die Zulassung zu schaffen, ergibt schon die Auslegung der
Vertragserklärungen, dass der Fahrer des Anhängers mitversichert sein
soll. Ein Ausschluss dieser Haftung widerspräche im Übrigen dem vom
Pflichtversicherungsgesetz errichteten Leitbild und würde den Vertrags-
zweck einer die Zulassungsvoraussetzungen erfüllenden Versicherung
gefährden.
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(3) Aus den hier vereinbarten Bedingungen (AKB a.F.) ergibt sich
nichts anderes. Die Mitversicherung des Fahrers des Anhängers folgt
aus § 10 Abs. 2 Buchst. c AKB a.F.
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b) Infolge der mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung schadenser-
satzrechtlicher Vorschriften vom 19. Juli 2002 (BGBl. I 2674-2680) geän-
derten §§ 7, 17, 18 StVG haben auch Halter und Fahrer eines Anhängers
- neben den früher alleine haftenden Halter und Fahrer des Zugfahr-
zeugs - für den Verursachungsbeitrag einzustehen, der im Außenverhält-
nis einem Gespann aus Zugmaschine und Anhänger als Betriebseinheit
zuzuweisen ist (vgl. Baumann in Buschbell, MAH Straßenverkehrsrecht
3. Aufl. § 44 Rn. 21; Kaufmann in Geigel, Haftpflichtprozess 25. Aufl.
Kap. 25 Rn. 24; Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs 4. Aufl. § 3
Rn. 21 f., 117; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht
40. Aufl. § 7 Rn. 8; Heß/Jahnke, Das neue Schadensrecht 2000 S. 43 f.;
Lemcke, ZfS 2002, 318, 319, 321). Diese Haftung besteht unabhängig
davon, ob sich bei einem Unfall die Betriebsgefahr nur eines der zum
Gespann verbundenen Fahrzeuge ausgewirkt hat (vgl. Burmann in Bur-
mann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 21.
Aufl. §
7 StVG
Rn. 15; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 40. Aufl.
§ 7 Rn. 13; Huber, Das neue Schadensersatzrecht 2003 § 4 Rn. 100).
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c) Der Annahme einer Doppelversicherung i.S. von § 59 Abs. 1
VVG a.F. steht eine Subsidiarität (vgl. dazu Senatsurteile vom 13. Sep-
tember 2006 - IV ZR 273/05, BGHZ 169, 86 Rn. 24 und vom 21. April
2004 - IV ZR 113/03, VersR 2004, 994 unter II 1 a) der Anhängerversi-
cherung nicht (mehr) entgegen.
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Lediglich nach der bis zum 30. September 2003 verwendeten Fas-
sung des § 10a Abs. 2 Satz 1 AKB sollte die Haftpflichtversicherung ei-
nes im Rahmen einer Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung mitversicher-
ten Anhängers nur solche Schäden decken, "die durch den Anhänger
verursacht werden, wenn er mit einem Kraftfahrzeug nicht verbunden ist
oder sich von dem Kraftfahrzeug gelöst hat und sich nicht mehr in Bewe-
gung befindet (…)". Dieser Regelung wurde früher über die bloße Mitver-
sicherung des Anhängers hinaus eine allgemeine Abgrenzung der Ein-
standspflichten im Innenverhältnis der Versicherer von Zugmaschine und
Anhänger zu Lasten des ersteren entnommen (vgl. OLG München, NZV
1999, 124, 125; OLG Köln, VersR 1995, 163 f.; Johannsen in Bruck/Möl-
ler, VVG 8. Aufl. Kraftfahrtversicherung Anm. G 57; Jacobsen in Fey-
ock/Jacobsen/Lemor, Kraftfahrtversicherung 2. Aufl. § 10a AKB Rn. 11;
Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung 17. Aufl. § 10a AKB Rn. 1, § 3
KfzPflVV Rn. 7).
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Diesem Verständnis ist jedoch mit Einführung einer selbständigen
Gefährdungshaftung für - auch mit dem Zugfahrzeug verbundene - An-
hänger nach § 7 StVG, dem damit einhergehenden Wegfall des früheren
§ 3 Abs. 2 KfzPflVV zum 31. Dezember 2002 (vgl. BT-Drucks. 14/8770,
S. 9, 18) und der oben zitierten Fassung des § 10a Abs. 2 AKB a.F. zum
30. September 2003 jede Grundlage entzogen (vgl. BT-Drucks. 14/7752,
S. 29; Lang/Stahl/Suchomel, NZV 2003, 441, 443; Wilms, DAR 2008,
671, 672; a.A. OLG Hamburg, DAR 2008, 649, 650).
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2. Nach § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. hat die Klägerin infolge ihrer
Schadenregulierung im Außenverhältnis einen Ausgleichsanspruch ge-
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gen die Beklagte. Der Ausgleich führt zu einer hälftigen Teilung des auf-
grund §§ 7, 17, 18 StVG geschuldeten Schadensersatzes.
a) Dabei bestimmt sich der Anteil, den der einzelne Versicherer im
Innenverhältnis zu tragen hat, nach dem Verhältnis der Entschädigungs-
leistungen, die die an der Doppelversicherung beteiligten Versicherer ih-
rem Versicherungsnehmer im Versicherungsfall vertragsgemäß schulden
(§ 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F., vgl. dazu Senatsurteil vom 13. September
2006 - IV ZR 273/05, BGHZ 169, 86 Rn. 24; Armbrüster in Beck-
mann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 6
Rn. 67, 70; BK/Schauer, VVG § 59 Rn. 23; MünchKommVVG/Halbach,
§ 78 Rn. 15; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG 28. Aufl. § 78 Rn. 19;
Kohleick, Die Doppelversicherung im deutschen Versicherungsvertrags-
recht 1999 S. 95).
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b) Hier erstreckt sich der von beiden Parteien geschuldete Versi-
cherungsschutz jeweils auf die Deckung der gesamten Unfallschäden, so
dass - mangels anderweitiger Vereinbarungen unter den Versicherern -
im Innenverhältnis jeder von ihnen die Hälfte des von der Klägerin regu-
lierten, der Höhe nach unstreitigen Unfallschadens zu tragen hat.
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c) Aus den §§ 17 und 18 StVG ergibt sich nichts anderes.
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Dabei kann hier dahinstehen, ob grundsätzlich eine nach §§ 17
Abs. 4, 18 Abs. 3 StVG ermittelte Haftungsverteilung im Innenverhältnis
mehrerer durch ein Gespann verbundener Schädiger den Ausgleichsan-
spruch ihrer Versicherer nach § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. beeinflussen
kann (in diesem Sinne: OLG Celle, DAR 2008, 648; LG Dortmund, Urteil
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vom 8. November 2007 - 11 S 129/07, juris; Biela in Becker/Böhme,
Kraftverkehrshaftpflichtschäden 24. Aufl. Kap. 1 Rn. 42; Burmann in Bur-
mann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 21.
Aufl. §
7 StVG
Rn. 15; König in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 40. Aufl.
§ 17 Rn. 32; Huber, Das neue Schadensersatzrecht 2003 § 4 Rn. 104,
107, 127; Maier in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung 18. Aufl. AKB
2008 A.1.1 Rn. 81; Hentschel, NZV 2002, 433, 439; Stahl/Jahnke, NZV
2010, 57, 60 ff.) oder ob die Regelung des § 59 Abs. 2 VVG a.F. vorran-
gig ist.
aa) Allerdings scheint die Entwurfsbegründung für die mit dem
Zweiten Gesetz zur Änderung schadensersatzrechtlicher Vorschriften
vorgenommene Änderung der §§ 7, 17, 18 StVG (BT-Drucks. 14/7752,
S. 29) einen solchen Vorrang des Innenausgleichs nach § 17 Abs. 4
StVG nahe zu legen. Der Gesetzgeber ist dort ersichtlich davon ausge-
gangen, der Innenausgleich lasse sich so handhaben, als stellten Zug-
maschine und Anhänger vergleichbare Unfallverursacher dar wie zwei
getrennte, den Schaden herbeiführende Kraftfahrzeuge (i.S. von § 17
Abs. 1 StVG). Er hat deshalb ausgeführt:
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"Ist der Schaden ausschließlich durch das Zugfahrzeug
oder dessen Führer verursacht worden, sichern ihm die
insoweit ergänzten §§ 17 Abs. 2 und 18 Abs. 3 StVG (…)
ein Rückgriffsrecht im Innenverhältnis. Letztendlich soll in
solchen Fällen der Halter des Anhängers nicht den Scha-
den tragen, der durch das Zugfahrzeug oder dessen Füh-
rer verursacht wurde und in denen sich die Betriebsgefahr
des Anhängers nicht realisiert hat."
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Wegen
dieser
Begründung sieht ein Teil der Literatur die Ein-
standspflicht des Anhänger-Versicherers im Innenverhältnis auf Fälle be-
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schränkt, in denen sich bei einem Unfall lediglich Mängel des Anhängers
ausgewirkt haben (Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57, 62; zu § 17 StVG auch:
Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrsrecht 21.
Aufl.
§ 17 StVG Rn. 25; Heß/Jahnke, Das neue Schadensrecht 2000 S. 45).
Dem kann nicht gefolgt werden. Die - die zitierte Entwurfsbegrün-
dung tragende - Gegenüberstellung von Führer und Halter des Zugfahr-
zeugs einerseits und Anhängerhalter andererseits trifft weder haftungs-
rechtlich noch versicherungsrechtlich zu. Sie übersieht haftungsrechtlich,
dass zum Haftungsverband des Anhängers auch dessen Führer zählt,
was sich schon aus § 18 Abs. 1 StVG unmittelbar ergibt. Nach ständiger
Rechtsprechung bilden Halter und Fahrer desselben schädigenden Fahr-
zeugs eine Haftungseinheit, die unterschiedliche Haftungsquoten zwi-
schen beiden verbietet (BGH, Urteile vom 26. April 1966 - VI ZR 221/64,
VersR 1966, 664 unter 1 b und c und vom 13. Dezember 2005 - VI ZR
68/04, VersR 2006, 369 Rn. 11).
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Auch ein Innenausgleich der Versicherer nach dem Modell des
§ 17 Abs. 1 StVG wäre nur möglich, wenn sich mit dem Zugmaschinen-
haftungsverband und dem Anhängerhaftungsverband zwei voneinander
trennbare, selbständige Haftungseinheiten gegenüberstünden. So liegen
die Dinge aber nicht. Vielmehr hat die Entwurfsbegründung übersehen,
dass der Zugmaschinenführer - sowohl haftungs- wie versicherungs-
rechtlich - in Personalunion zugleich dem Anhänger-Haftungsverband als
Fahrzeugführer angehört. Darin unterscheidet sich ein unfallverursa-
chendes Gespann von zwei voneinander unabhängigen schädigenden
Fahrzeugen. Es ist nicht nur technisch, sondern über die Person des
Fahrzeugführers auch personell verbunden (vgl. OLG Köln, r+s 1985,
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270; Biela in Becker/Böhme, Kraftverkehrshaftpflichtschäden 24. Aufl.
Kap. 1 Rn. 352; Heß in Burmann/Heß/Jahnke/Janker, Straßenverkehrs-
recht 21. Aufl. § 18 StVG Rn. 4; Heß/Jahnke, Das neue Schadensrecht
2000 S. 43; Stahl/Jahnke, NZV 2010, 57, 58; BT-Drucks. 14/8780,
S. 23). Es hat zudem - anders als zwei getrennte Kraftfahrzeuge - als
Betriebseinheit eine aus der Fahrzeugverbindung herrührende, spezifi-
sche Betriebsgefahr.
Das wird gerade im hier zu entscheidenden Fall deutlich: Bei einer
Anwendung der §§ 17 Abs. 4, 18 Abs. 3 StVG in der Weise, dass ledig-
lich die Verursachungsbeiträge von Halter und Fahrer der Zugmaschine
einerseits und Halter des Anhängers andererseits gegeneinander abge-
wogen würden, bliebe unberücksichtigt, dass der Fahrer der Zugmaschi-
ne, dem hier infolge einer den Witterungsverhältnissen nicht angepass-
ten Geschwindigkeit ein unfallursächliches, schuldhaftes Fehlverhalten
anzulasten ist und der damit die Betriebsgefahr des gesamten Gespanns
maßgeblich erhöht hat, zugleich Fahrer des Anhängers war. Sein Fehl-
verhalten muss deshalb auch der Anhängerhaftung zugeordnet werden.
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bb)
Jedenfalls
dann, wenn Zugmaschine einerseits und Anhänger
andererseits keine selbständigen Haftungseinheiten bilden können, weil
sie - wie hier - über die Person des Gespannführers zu einer Haftungs-
einheit verbunden sind, innerhalb derer die Zuweisung unterschiedlicher
Haftungsquoten ausgeschlossen ist, kann § 17 Abs. 4 StVG zu keiner
von der Rechtsfolge des § 59 Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. abweichenden
Ausgleichspflicht führen.
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3. Verzugszinsen stehen der Klägerin infolge der Leistungsverwei-
gerung der Beklagten aus §§ 286 Abs. 1, 2 Nr. 3, 288 Abs. 1 BGB zu.
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Terno Wendt Felsch
Harsdorf-Gebhardt Dr. Karczewski
Vorinstanzen:
LG Hannover, Entscheidung vom 17.06.2008 - 2 O 274/07 -
OLG Celle, Entscheidung vom 27.11.2008 - 5 U 88/08 -