Urteil des BGH vom 31.07.2018

Urteil vom 31.07.2018

ECLI:DE:BGH:2018:310718UXZR68.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
X ZR 68/16
Verkündet am:
31. Juli 2018
Zöller
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in der Patentnichtigkeitssache
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 31. Juli 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Meier-Beck, die
Richter Gröning, Dr. Grabinski und Dr. Deichfuß sowie die Richterin
Dr. Kober-Dehm
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats
(Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 23. Februar
2016 abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen
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Tatbestand:
Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik
Deutschland erteilten europäischen Patents 1 718 474 (Streitpatents), das ein
System zur kombinierten Ablation und Belichtung eines Fotopolymers und ein
entsprechendes Belichtungsverfahren betrifft. Das Streitpatent ist unter Inan-
spruchnahme der Prioritäten zweier US-amerikanischer Patentanmeldungen
vom 25. Februar 2004 und vom 9. April 2004 am 24. Februar 2005 angemeldet
worden.
Die Patentansprüche 1 und 11, auf die die jeweils nachfolgenden Pa-
tentansprüche rückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache:
"1. A system (10) for exposing a photopolymer with ultraviolet light,
comprising:
a rotation system (20) for rotating the photopolymer,
an ablating engine (22) adjacent to the rotation system and
a light source assembly (14) adjacent to the rotation system,
wherein the ablating engine (22) and the light source assembly
(14) are movable across a length of the rotation system (20)
perpendicular to a direction of rotation of the rotation system,
the ablating engine (22) being arranged to lead the light source
assembly (14) so that exposure by the light source assembly
follows ablation by the ablating engine
characterized by:
the light source assembly (14) including at least one plasma
capillary light source (18) for directing light onto the photopoly-
mer is configured with a toroidal geometry around the rotation
system (20), having a plurality of light outputs directed toward
the rotation system inside the toroidal geometry, so that all
points of the photopolymer are continuously exposed.
11. A method of exposing a photopolymer with ultraviolet light, com-
prising:
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rotating the photopolymer and
directing light from a light source assembly (14) onto the photo-
polymer from at least one plasma capillary light source (18) and
moving the light source assembly across a length of the photo-
polymer perpendicular to a direction of rotation of the photopol-
ymer to expose the photopolymer
characterized by:
directing the light from the light source assembly onto the pho-
topolymer comprises directing ["directly"] the light from a plurali-
ty of light outputs so that all points of the photopolymer are con-
tinuously exposed."
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei
nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung
sowie mit acht Hilfsanträgen verteidigt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wen-
det sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent weiterhin in der
erteilten Fassung sowie mit den erstinstanzlich gestellten Hilfsanträgen vertei-
digt. Demgegenüber beantragt die Klägerin, die Berufung zurückzuweisen, und
verteidigt das Urteil des Patentgerichts.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg.
I.
Das Streitpatent betrifft ein System zum Abtragen (Ablation) und zur
Belichtung eines Fotopolymers sowie ein darauf bezogenes Belichtungsverfah-
ren.
1. In der Beschreibung wird erläutert, dass digitale Flexodruckplatten
für gewöhnlich in zwei Schritten bebildert werden. Zunächst werde die Platte
auf einem Drehzylinder angeordnet und die Ablation der Platte mit einer linear
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beweglichen Bebilderungsquelle durchgeführt, wodurch eine Maske entstehe.
Die Maske stelle das grafische Bild dar, für dessen Druck die Platte verwendet
werde. Anschließend erfolge die Belichtung der Maske mit Licht hoher Intensi-
tät, woraus sich die verwendungsbereite Platte ergebe. Dafür werde die mas-
kierte Platte typischerweise auf einem Flachbett angeordnet (Abs. 2).
Nach der Ablation der Platte und vor deren Belichtung muss nach der
Beschreibung mit großer Vorsicht vorgegangen werden, da die Gefahr bestehe,
dass der Kohlenstoff auf der Platte zerkratzt oder die Platte in anderer Weise
beschädigt und damit unbrauchbar werde (Abs. 3).
Um dies zu vermeiden, sei es bekannt, die Belichtungseinrichtung in das
Ablationssystem zu integrieren, indem eine Lichtquelle, wie beispielsweise eine
Kompaktbogenlampe, entlang des Zylinders, auf dem sich die Platte befinde,
beweglich angeordnet werde, so dass die Platte nach der Ablation belichtet
werden könne, während sie sich auf dem Zylinder drehe. Die Lichtquelle sei
aufgrund ihrer Geometrie nicht in der Lage, die für eine effektive Belichtung er-
forderliche Leistung bereitzustellen, da Belichtungslatenz auftreten könne, wenn
sich ein Punkt auf der Platte aus dem Beleuchtungsfeld der Lichtquelle drehe
und infolgedessen nicht wirksam belichtet werde (Abs. 4).
2. Das Patentgericht hat angenommen, dem Streitpatent liege die Auf-
gabe zugrunde, ein Belichtungssystem und ein Verfahren für die Herstellung
von flexografischen Druckplatten bereitzustellen, die eine schnelle und effektive
Aushärtung des Fotopolymers erlauben.
Dem kann nur teilweise beigetreten werden. Nach der Rechtsprechung
des Senats dient die Bestimmung des technischen Problems (der Aufgabe) in
einem Nichtigkeitsverfahren dazu, den Ausgangspunkt der fachmännischen
Bemühungen um eine Bereicherung des Standes der Technik ohne Kenntnis
der Erfindung zu lokalisieren, um bei der anschließenden und davon zu tren-
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nenden Prüfung der Patentfähigkeit zu bewerten, ob die dafür vorgeschlagene
Lösung durch den Stand der Technik nahegelegt war oder nicht (BGH, Urteil
vom 11. November 2014 - X ZR 128/09, GRUR 2015, 356 Rn. 9 - Repaglinid).
Danach ist das dem Streitpatent zugrunde liegende Problem darin zu se-
hen, ein System zur Ablation und Belichtung eines Fotopolymers und ein Be-
lichtungsverfahren zu entwickeln, mit dem die Druckplatte beschädigungsfrei
hergestellt und wirksam belichtet werden kann.
3. Das soll nach der Lehre aus Patentanspruch 1 durch folgendes Sys-
tem erreicht werden (Gliederung des Patentgerichts):
1.
System (10) zum Belichten eines Fotopolymers mit ultraviolettem
Licht, das Folgendes umfasst:
2. ein Rotationssystem (20) zum Drehen des Fotopolymers,
3. eine Ablationseinrichtung (22) neben dem Rotationssystem (20),
4. eine Lichtquellenbaugruppe (14) neben dem Rotationssystem (20),
4.1 die wenigstens eine plasmaanregende Gasentladungslampe als
Lichtquelle ( zum Richten von
Licht auf das Fotopolymer hat und
4.2 mit einer Torusgeometrie um das Rotationssystem (20) angeord-
net ist, wobei
4.3 mehrere Lichtausgänge innerhalb der Torusgeometrie auf das
Rotationssystem (20) gerichtet sind,
4.4 derart, dass alle Punkte des Fotopolymers kontinuierlich belichtet
werden.
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5. Die Ablationseinrichtung (22) und die Lichtquellenbaugruppe (14)
sind längs des Rotationssystems (20) senkrecht zu dessen Drehrich-
tung beweglich.
6. Die Ablationseinrichtung (22) ist so angeordnet, dass sie sich immer
so vor der Lichtquellenbaugruppe (14) befindet, dass die Belichtung
auf die Ablation folgt.
4. Das Patentgericht hat als Fachmann einen Maschinenbauingenieur
mit mehrjähriger Erfahrung in der Drucktechnik, insbesondere auf dem Gebiet
der Herstellung von Flexodruckformen, angesehen.
Aus dessen Sicht sei der in Merkmal 4.2 verwendete Begriff einer Licht-
quellenbaugruppe mit einer Torusgeometrie um das Rotationssystem zwar zu-
nächst dahin zu verstehen, dass damit sowohl eine Vollkreis- als auch eine
Halbkreis-Belichtungseinheit gemeint seien. Aus Merkmal 4.4, nach dem alle
Punkte des Fotopolymers kontinuierlich belichtet werden, ergebe sich jedoch,
dass nur eine Vollkreis-Belichtungseinheit als erfindungsgemäß angesehen
werden könne, da anderenfalls die Belichtung aller Punkte des Fotopolymers
auf einem Mantelsegment des Rotationszylinders nicht kontinuierlich, sondern
gepulst erfolge.
Die von den Parteien nicht beanstandete Bestimmung des Fachmanns
und Auslegung der Lehre des Streitpatents durch das Patentgericht begegnen
keinen Bedenken und werden daher auch der Beurteilung im Berufungsverfah-
ren zugrunde gelegt.
II. Das Patentgericht hat zur Patentfähigkeit im Wesentlichen folgendes
ausgeführt:
Der Gegenstand von Patentanspruch 1 möge zwar neu sein, beruhe je-
doch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
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Der Fachmann, der vor die Aufgabe gestellt gewesen sei, ein Belich-
tungssystem für die Herstellung flexografischer Druckplatten bereitzustellen,
welches eine schnelle und effektive Aushärtung des Fotopolymers erlaube, hät-
te die europäische Patentanmeldung 1 154 326 (TM2) herangezogen. Die darin
offenbarte Vorrichtung vermeide das "Handling" zwischen dem Ablations- und
dem Belichtungsschritt, indem die dafür benötigten Bearbeitungsstationen auf
einem Bearbeitungsschlitten montiert seien. Die aus Fotopolymer bestehende
Druckplatte sei auf der äußeren Umfangsfläche eines drehbar gelagerten Trä-
gerzylinders befestigt. In Längsrichtung des Zylinders sei ein beweglicher Bear-
beitungsschlitten vorgesehen, der aus einer Bearbeitungsstation zur Ablation
und einer dieser nachgeordneten zweiten Bearbeitungsstation zur Belichtung
der Druckplatte bestehe und senkrecht zur Drehrichtung des Trägerzylinders
bewegbar sei.
Die zweite Bearbeitungsstation umfasse mehrere in Umfangsrichtung
des Trägerzylinders im Abstand voneinander angeordnete UV-Lampen, wie
Metall-Halogen-Lampen, die eine ausreichende Bestrahlungsstärke im UV-
Bereich von 300 - 400 nm lieferten. Die Lampen befänden sich an der konkaven
Seite eines bogenförmigen Trägers. Bei Drehung der Druckplatte entlang des
Trägers werde daher jeder Punkt der Druckplatte durch die bogenförmige An-
ordnung der UV-Lampen über längere Zeit gepulst belichtet.
Da in Fachkreisen zudem bekannt gewesen sei, dass für eine effiziente
Aushärtung des Fotopolymers der Druckplatte eine ausreichende Belichtungs-
zeit erforderlich sei, habe der Fachmann, der nach einer Lösung für das dem
Streitpatent zugrunde liegende Problem gesucht habe, lediglich der mit in der
TM2 genannten Vorrichtung gegebenen Anregung folgen und zur Vermeidung
des Nachteils einer unzureichenden Aushärtung der Druckplatte nach dem UV-
Belichtungsschritt eine Lichtquellenbaugruppe in Erwägung ziehen müssen, die
ihm eine schnellere und effizientere Belichtung ermöglichte. Dazu hätte er sich
im Stand der Technik umgesehen und Lösungsvorschläge auch auf dem der
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TM2 sachlich unmittelbar benachbarten Gebiet der Herstellung von nahtlosen
Druckhülsen für den Flexodruck, wie sie etwa in der europäischen Patentschrift
237 574 (TM6) offenbart seien, in Erwägung gezogen.
Die in der TM6 angegebene Vorrichtung zur Herstellung zylindrischer
Druckplatten für den Flexodruck verfüge über einen stationären Rundumbelich-
ter auf der Außenseite des Trägerzylinders für die UV-Belichtung der bemuster-
ten Druckplatte, welcher sich über die gesamte Mantelfläche erstrecke. Als
Lichtquellen würden wie im Streitpatent Hochdruck-Quecksilberlampen, Xenon-
oder Metall-Halogen-Lampen eingesetzt. Damit erreiche die TM6 eine Verbes-
serung der Produktivität und eine Steigerung der Einheitlichkeit der Produktdi-
cke.
Da die TM6 ein der streitpatentgemäßen Aufgabenstellung ähnliches
Problem löse, habe für den Fachmann Veranlassung bestanden, die dort be-
schriebene Belichtung der bemusterten Druckplatten über die gesamte Mantel-
fläche zu berücksichtigen und diese Belichtungskonfiguration auf die in der TM2
offenbarte Bearbeitungsstruktur zu übertragen.
Bei Berücksichtigung des in der TM6 offenbarten Rundumbelichters
komme entweder in Betracht, den Bearbeitungsschlitten nach der TM2 mit wei-
teren Lampen in Längsrichtung des Zylinders auszurüsten oder die Bogengeo-
metrie der Belichtungseinheit zu einem Vollkreis zu erweitern. Damit sei auch
die erfindungsgemäße Lösung nahegelegt, zumal die alternative Ausgestaltung
zur Folge hätte, dass auch die Ablationsstation kongruent verbreitert werden
müsste, damit die Ablation- und Belichtungsflächen gleich blieben.
Die in der TM2 offenbarte Lichtquellenbaugruppe lasse sich auch in Be-
zug auf die zu gewährleistende Befestigung bzw. Abnahme der Druckplatten
vom Trägerzylinder ohne erheblichen konstruktiven Aufwand zu einem Vollkreis
abändern. Denn während der Befestigung bzw. Abnahme der Platten befinde
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sich der Bearbeitungsschlitten bei der Vorrichtung nach der TM2 in einer
"Parkposition" neben dem Trägerzylinder, so dass die Belichtungseinheit auch
nicht entfernt werden müsse.
III. Die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit durch das Patentgericht
hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt
nicht stand.
1. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist neu.
a) Er wird durch die TM2 nicht offenbart.
(1) Die Entgegenhaltung geht davon aus, dass Druckplatten, etwa aus
Fotopolymermaterial, herkömmlicherweise mit Hilfe eines Flachbelichters her-
gestellt werden. Werde die derart entwickelte Druckplatte zum Drucken auf ei-
ner Druckwalze befestigt, könne dies aufgrund der Krümmung der Druckplatte
zu Verzerrungen des in der Druckplatte vorhandenen Musters auf dem zu be-
druckenden Gut führen (TM2, Abs. 3 f.).
Die TM2 macht es sich zur Aufgabe, ein Verfahren und eine Vorrichtung
anzugeben, mit denen Druckplatten hergestellt werden können, die beim Druck
verzerrungsärmere Muster erzeugen.
Als Lösung wird eine Vorrichtung zur Herstellung von Druckplatten offen-
bart, die über einen drehbar gelagerten Trägerzylinder sowie einen parallel da-
zu angeordneten Bearbeitungsschlitten verfügt, auf dem hintereinander eine
Ablations- und eine Belichtungsvorrichtung angeordnet sind. Die lichtempfindli-
che Druckplatte wird auf der äußeren Umfangsfläche des Trägerzylinders be-
festigt, bevor durch die Ablationseinrichtung eine Bemusterungsmaske erstellt
wird, die anschließend von der Belichtungsvorrichtung belichtet wird.
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Die TM2 schlägt vor, die Belichtungsvorrichtung derart auszubilden, dass
sich diese in Umfangsrichtung des Trägerzylinders erstreckt. Die Zeit, über die
ein Punkt auf der Oberfläche der lichtempfindlichen Druckplatte bei Drehung
des Trägerzylinders belichtet werde, werde bei einer solchen Ausgestaltung
verlängert, so dass sich auch relativ dicke Druckplatten über relativ große Tie-
fen aushärten ließen (Abs. 28). Bei den beiden Ausführungsbeispielen der TM2
weist, wie auch aus deren nachfolgend wiedergegebenen Figuren 4 und 5 er-
sichtlich ist, die zweite Bearbeitungsstation (20) zur Belichtung der nicht abge-
deckten Bereiche der Druckplatte (2) mehrere in Umfangrichtung des Trägerzy-
linders in einem Abstand voneinander angeordnete UV-Lampen (23) auf, die
etwa in einem Wellenbereich von 300 bis 400 nm strahlende Metall-Halogen-
Lampen sein können. Die UV-Lampen befinden sich an der konkaven Seite ei-
nes als viertelkreisförmiger Bogen ausgebildeten Trägers (24).
(2) Damit offenbart die TM2 zwar ein Belichtungssystem nach Maßgabe
der Merkmale 1 bis 4.3 sowie 5 und 6. Aus der TM2 ergibt sich aber nicht, die
zweite Bearbeitungsstation als Torusgeometrie mit mehreren auf das Rotati-
onssystem gerichteten Lichtausgängen so auszuführen, dass alle Punkte des
Fotopolymers kontinuierlich belichtet werden können (Merkmal 4.4 in Verbin-
dung mit den Merkmalen 4.2 und 4.3). Daran ändert auch die genannte Stelle in
Absatz 28 der TM2 nichts, die zwar eine Anordnung der Belichtungsvorrichtung
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in Umfangsrichtung des Trägerzylinders offenbart, nicht aber eine Ausführung
in Vollkreisgeometrie, bei der alle Punkte des Fotopolymers kontinuierlich be-
lichtet werden können.
b) Gleiches gilt für die nach dem Vorbringen der Klägerin vorbenutzte
BOXCOR Maschine mit "onfly"-Belichtung (TM4), deren Aufbau der in der TM2
offenbarten Vorrichtung mit einer auf einem Bearbeitungsschlitten parallel zum
rotierenden Zylinder angeordneten bogenförmigen Belichtungsbaugruppe ent-
sprochen haben soll.
2. Die Lehre aus Patentanspruch 1 wurde dem Fachmann auch nicht
nahegelegt.
a) Die TM2 gab dem Fachmann keine Veranlassung, die dort offenbarte
Belichtungsstation als Vollkreisgeometrie im erfindungsgemäßen Sinne auszu-
gestalten.
(1) Zwar war die TM2 für den Fachmann, der sich vor die Aufgabe ge-
stellt sah, ein System zur Ablation und Belichtung eines Fotopolymers und ein
darauf bezogenes Belichtungsverfahren zu entwickeln, bei dem die auf die
Druckplatte aufgebrachte Kohlenstoff-Schicht zwischen Ablation und Belichtung
nicht beschädigt und die Druckplatte dennoch wirksam belichtet wird, von Inter-
esse, da bei der darin offenbarten Vorrichtung die Druckplatte während des Ab-
lations- und Belichtungsschritts auf der äußeren Umfangsfläche des drehbaren
Trägerzylinders verbleibt, so dass es nicht zu Beschädigungen der auf der
Druckplatte aufgebrachten Kohlenstoff-Schicht infolge des Platzierens der mas-
kierten Platte auf einem Flachbelichter kommen kann.
Zudem stellte die TM2 dem Fachmann ein "praktisch" verzerrungsfreies
Druckmuster in Aussicht, wenn die belichtete Druckplatte zum Zwecke des Dru-
ckens auf eine Druckwalze gelegt wird, die wenigstens annähernd denselben
Durchmesser wie der Trägerzylinder aufweist, auf dessen äußeren Umfang die
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Druckplatte während des Ablations- und Belichtungsvorgangs angeordnet ist
(Abs. 9).
(2) Aus der TM2 ergibt sich jedoch kein Hinweis, die in der Entgegenhal-
tung offenbarte Teilkreisgeometrie der Belichtungsstation in eine Vollkreisgeo-
metrie zu ändern. Die Ausgestaltung der zweiten Bearbeitungsstation als eine
sich in Umfangsrichtung des Trägerzylinders erstreckende Belichtungsstation
soll nach den Angaben der TM2 der Verlängerung der Belichtungszeit dienen,
so dass auch relativ dicke Druckplatten über relativ große Tiefen ausgehärtet
werden können. Einen Anhaltspunkt dafür, dass eine Ausgestaltung der Belich-
tungsstation als Vollkreisgeometrie unter diesem oder einem anderen Ge-
sichtspunkt sinnvoll sein könnte, ist der TM2 nicht zu entnehmen. Die TM2 zeigt
die Belichtungsstation allein in einer teilbogenförmigen Ausgestaltung. Bei den
in den Figuren 4 und 5 gezeigten Ausführungsbeispielen weisen die Belich-
tungsstationen in etwa eine Viertelbogengeometrie auf.
(3) Der Fachmann wurde durch die TM2 auch dann nicht veranlasst,
über eine Erweiterung der Teilbogengeometrie der Belichtungsstation in eine
Vollbogengeometrie nachzudenken, wenn er sich vor die Notwendigkeit gestellt
sah, eine Verlängerung der Belichtungszeit in Erwägung zu ziehen, etwa weil
die Vorrichtung auch zur Bearbeitung relativ dicker Druckplatten geeignet sein
sollte, die über relativ große Tiefen ausgehärtet werden müssen.
Die TM2 erwähnt das Problem der Aushärtung relativ dicker Druckplatten
über eine relativ große Tiefe und schlägt dem Fachmann zu dessen Lösung
zwei konstruktive Maßnahmen vor, die die in den Figuren 4 und 5 offenbarte
Ausgestaltung der Belichtungsstation als Teilbogengeometrie ergänzen.
Zum einen wird offenbart, mehrere in Umfangsrichtung des Trägerzylin-
ders hintereinanderliegende Lichtquellen vorzusehen (Abs. 28, Patentan-
spruch 24). Zum anderen wird vorgeschlagen, die Bemusterungs- und die Be-
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lichtungsstation auf zwei unterschiedlichen Schlitten anzuordnen, so dass mate-
rialabhängig die Einstellung einer längeren Belichtungszeit möglich wird, indem
der Belichtungsschlitten langsamer als der Bemusterungsschlitten bewegt wird
(Abs. 52). Beide Maßnahmen sind einzeln oder zusammen mit einer Teilbogen-
geometrie der Belichtungsstation kombinierbar und führen dazu, dass die Be-
lichtungszeit im Bedarfsfall (wie bei relativ dicken Druckplatten) verlängert wer-
den kann. Hingegen fehlt es in der TM2 an einer Anregung, die Teilgeometrie
der Belichtungsstation durch eine Vollgeometrie zu ersetzen, um die Belich-
tungszeit zu verlängern.
b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 wurde dem Fachmann auch
nicht nahegelegt, wenn er ergänzend zur TM2 oder TM4 die europäische Pat-
schrift 237 574 (TM6) in den Blick nahm.
(1) Die TM6 befasst sich mit einem Verfahren zum Herstellen einer naht-
losen, zylindrischen Struktur aus lichtempfindlichem Harz insbesondere für die
Anfertigung einer zylindrischen Druckplatte für den Flexodruck. Die nahtlose,
zylindrische Struktur soll dadurch hergestellt werden, dass eine flüssige Zu-
sammensetzung aus lichtempfindlichem Harz in ein hohlzylindrisches Element
zugeführt und das hohlzylindrische Element bei hoher Geschwindigkeit gedreht
wird, um die Zusammensetzung unter Einwirkung der Zentrifugalkräfte gleich-
mäßig auf der Innenfläche des hohlzylindrischen Elements abzulagern und ihre
Härtung zu bewirken, wobei ein spezielles nahtloses Gewebeträgerele-
ment nach der rückseitigen Belichtung in das gegenüber aktinischem Licht
durchlässige hohlzylindrische Element eingefügt wird (TM6, S. 3, Z. 8 ff.; Pa-
tentanspruch 1).
In der Entgegenhaltung werden auch Vorrichtungen offenbart, mit denen
ein solches Verfahren ausgeführt werden kann. Diese weisen eine stationäre
Infrarot-Heizvorrichtung (10a) auf, die in dem nachfolgend abgebildeten Ausfüh-
rungsbeispiel der Figuren 1 und 2 der TM6 aus vier Teilen besteht, die sich
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über die Länge des Zylinders erstrecken und im Vorrichtungsgehäuse (5) befes-
tigt sind (TM6, S. 6, Z. 54 ff.; vgl. auch Figuren 5, 6, 10, 11, 12).
Zur Ausübung des Verfahrens wird das lichtempfindliche Harz in einem
Ausführungsbeispiel mit Hilfe eines länglichen, rinnenförmigen Zuführungsmit-
tels durch eine Tür (6) des Gehäuses (5) so weit wie möglich in das hohlzylind-
rische Element (1) der Vorrichtung eingeführt, wobei sich das hohlzylindrische
Element behutsam dreht. Nach dem Einfüllvorgang wird die Umdrehung des
hohlzylindrischen Elements mit hoher Geschwindigkeit fortgesetzt und das Harz
durch eine Infrarot-Heizvorrichtung als Wärmequelle erhitzt und getrocknet.
Nach vollständiger Erstarrung der zylindrischen Struktur wird die Gehäusetür
(6) wieder geöffnet und die Struktur aus dem hohlzylindrischen Element entfernt
(TM6, S. 6, Z. 7, 14 ff.).
(2) Dem Patentgericht ist im Ausgangspunkt darin beizutreten, dass ein
Fachmann, der die Aufgabe hatte, ein System zur Ablation und Belichtung ei-
nes Fotopolymers zu entwickeln, sich bei der Suche nach Lösungsvorschlägen
auch für Veröffentlichungen im Bereich der Herstellung von nahtlosen Druck-
hülsen für den Flexodruck interessierte, da beide Verfahren der Herstellung von
Druckzylindern aus Fotopolymer für den Flexodruck dienen.
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(3) Entgegen der Ansicht des Patentgerichts gab die TM6 dem Fach-
mann aber keine Veranlassung, die in der TM2 als Teilkreisgeometrie offenbar-
te Belichtungsstation in eine Vollkreisgeometrie umzubauen.
(a) Das Patentgericht begründet seine Auffassung damit, dass die TM6
aufgrund des stationären Rundumbelichters, bei dem wie im Streitpatent Hoch-
druck-Quecksilberlampen, Xenon- oder Metall-Halogen-Lampen eingesetzt
würden, eine Verbesserung der Produktivität und eine bemerkenswerte Steige-
rung der Einheitlichkeit der Produktdicke erreiche. Das verkürzt den Offenba-
rungsgehalt der TM6. Darin wird zwar hervorgehoben, dass das dort offenbarte
Verfahren neben einem Anstieg der Produktivität auch zu einer erheblichen Zu-
nahme der Gleichmäßigkeit der Produktstärke führe (TM6, S. 5, Z. 37
). Die Gleichmäßigkeit
der Produktstärke wird aber darauf zurückgeführt, dass sich das zylindrische
Element während des Verfahrens mit hoher Geschwindigkeit dreht. Dies habe
zur Folge, dass sich das lichtempfindliche Gießharz mittels Zentrifugalkraft über
dessen ganze innere Wand verteile, um eine luftzellenfreie Gießharzschicht
gleichmäßiger Dicke auf dieser Oberfläche auszubilden (TM6, S. 4, Z. 46 ff.;
S. 5, Z. 21 ff., 27 ff.). Eine Anregung dahin, einen Rundumbelichter auch bei
einem System zur Ablation und Belichtung eines Fotopolymers einzusetzen,
weil damit eine wirksamere Belichtung erfolgen könne, ergab sich daraus nicht.
(b) Auch sonst ist kein Hinweis ersichtlich, der den Fachmann dazu hät-
te anregen können, den in der TM6 offenbarten Rundumbelichter auf die in der
TM2 offenbarte Vorrichtung zu übertragen. Die jeweils in den beiden Entgegen-
haltungen offenbarten Vorrichtungen unterscheiden sich aufgrund der unter-
schiedlichen Herstellungsverfahren, die damit ausgeführt werden sollen, in ihrer
räumlich-körperlichen Ausgestaltung in vielfacher Hinsicht.
Die Vorrichtung nach der TM2 ist so eingerichtet, dass zunächst die
lichtempfindliche Druckplatte auf der äußeren Umfangsfläche des Trägerzylin-
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ders befestigt wird (TM2, Rn. 43 f.). Dafür befindet sich der Bearbeitungsschlit-
ten in den in den Figuren 3 und 5 gezeigten Ausführungsbeispielen in einer
Parkposition neben dem Trägerzylinder, worauf auch bereits das Patentgericht
hingewiesen hat. Danach wird mit Hilfe der ersten auf dem fahrbaren Schlitten
angeordneten Bearbeitungsstation eine Bemusterungsmaske durch Strukturie-
rung einer auf der Druckplatte liegenden Abdeckschicht gebildet. Sodann erfolgt
mit Hilfe der zweiten, gleichfalls auf einem fahrbaren Schlitten angeordneten
Bearbeitungsstation in Teilbogengeometrie die Belichtung der nicht abgedeck-
ten Bereiche der Druckplatte (TM2, Rn. 47).
Demgegenüber ist bei der Vorrichtung nach der TM6 das zylindrische
Element mit einem Gehäuse abgedeckt, das mit flüssigem lichtempfindlichem
Harz gefüllt wird. Der Zylinder wird sodann mit hoher Geschwindigkeit gedreht,
damit sich das Harz gleichmäßig auf der Innenfläche des hohlzylindrischen
Elements ablagert. Zugleich wird das Harz durch einen den Hohlzylinder in
Vollbogengeometrie umgebenden Rundumbelichter erhitzt und getrocknet, so
dass es erstarrt. Die erstarrte zylindrische Struktur wird schließlich von dem
zylindrischen Element weggezogen (TM6, Beispiel 1, S. 6, Z. 40 ff.).
Eine Anregung, ungeachtet der verfahrensbedingt räumlich-körperlich
unterschiedlichen Gesamtkonstruktion beider Vorrichtungen die Vollbogengeo-
metrie des ortsfesten Rundumbelichters der Vorrichtung nach TM6 auf die in
Teilbogengeometrie ausgeführte, auf einem Schlitten angeordnete Belichtungs-
station der Vorrichtung nach TM2 oder TM4 zu übertragen, ist weder von der
Klägerin aufgezeigt worden, noch ist diese sonst ersichtlich.
(4) Die europäische Patentschrift 7 127 (TM5) gab dem Fachmann
ebenfalls keinen Anlass, die bei der Vorrichtung nach TM2 oder TM4 als Teil-
kreisgeometrie offenbarte Belichtungsstation in eine Vollkreisgeometrie umzu-
bauen.
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Die TM5 offenbart eine Vorrichtung, bei der zunächst fotopolymerisierba-
re Flüssigkeit in einen drehbaren, transparenten, horizontal angeordneten und
hohlen Zylinder (2) gefüllt wird. Der Zylinder wird nach der Befüllung mit hoher
Geschwindigkeit gedreht und gleichzeitig durch einen innerhalb und außerhalb
des Zylinders angeordneten Kreis von Röhren (11, 9) mit UV-Licht bestrahlt.
Dabei bildet sich eine vorpolymerisierte Druckform, die aus dem Zylinder ent-
fernt und gereinigt wird, bevor sie zur Nachhärtung erneut einer Rundumbelich-
tung ausgesetzt wird (TM5, Sp. 1, Z. 27 ff.; Sp. 3, Z. 34 ff.; Patentansprüche 1
und 10; Figuren 1 und 2).
Ein Hinweis, den in der TM5 offenbarten Rundumbelichter auf die Vor-
richtung nach TM2 oder TM4 zu übertragen, ist der TM5 ebenso wenig wie der
TM6 zu entnehmen.
3. Die in Patentanspruch 11 des Streitpatents unter Schutz gestellte
Verfahrenslehre ist ebenfalls patentfähig, da weder bekannt noch durch den
Stand der Technik nahegelegt war, das Licht der Lichtquellenbaugruppe so auf
das Fotopolymer zu richten, dass alle Punkte des Fotopolymers kontinuierlich
belichtet werden, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen zu Patentan-
spruch 1 ergibt.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG, § 91 Abs. 1
ZPO.
Meier-Beck
Gröning
Grabinski
Deichfuß
Kober-Dehm
Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 23.02.2016 - 3 Ni 27/14 (EP) -
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