Urteil des BGH vom 30.08.2018

Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2018:300818BIIIZR363.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
III ZR 363/17
vom
30. August 2018
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
BGB § 839a
a) Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob das
unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-)
ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität)
und ob der geltend gemachte Schaden durch die von dem unrichtigen
Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist
(haftungsausfüllende Kausalität).
b) Bei der Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf die vom unrichtigen
Gutachten beeinflusste Gerichtsentscheidung zurückzuführen ist, ist maß-
gebend, wie der Ausgangsprozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens
des Sachverständigen richtigerweise hätte entschieden werden müssen.
BGH, Beschluss vom 30. August 2018 - III ZR 363/17 - OLG Saarbrücken
LG Saarbrücken
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Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 30. August 2018 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Herrmann, die Richter Tombrink, Dr. Remmert und
Reiter sowie die Richterin Dr. Böttcher
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Re-
vision in dem Urteil des 4. Zivilsenats des Saarländischen Ober-
landesgerichts vom 23. November 2017 - 4 U 26/15 - wird zurück-
gewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen
mit Ausnahme der Kosten ihrer Streithelfer, die diese selbst zu
tragen haben.
Streitwert: 116.455,61
Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von der Beklagten Schadenersatz und Schmerzens-
geld unter dem Vorwurf, sie habe ein unrichtiges aussagepsychologisches Gut-
achten in einem gegen ihn geführten Strafverfahren wegen angeblichen sexuel-
len Missbrauchs seiner damaligen Pflegetochter erstellt. Das Landgericht hat
die materiellen Schadensersatzansprüche des Klägers (Zahlungsanspruch ge-
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mäß Klageantrag zu 1) gemäß § 839a BGB dem Grunde nach für gerechtfertigt
erklärt und die Beklagte - unter Abweisung des diesbezüglich weitergehenden
Klageantrags -
zur Zahlung eines Schmerzensgelds von 50.000 € verurteilt.
Des Weiteren hat es den Feststellungsanträgen des Klägers (bezogen auf künf-
tige und weitere Schäden) stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die hierge-
gen eingelegte Berufung der Beklagten zurückgewiesen und sie auf die An-
schlussberufung des Klägers - unter gleichzeitiger Zurückweisung seines wei-
tergehenden Rechtsmittels - zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgelds von
10.000 € (also: insgesamt 60.000 €) verurteilt. Die Revision hat es nicht zuge-
lassen. Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Nichtzulassungsbe-
schwerde.
II.
1.
Die Beschwerde der Beklagten ist unbegründet, weil die Zulassungsvo-
raussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht erfüllt sind.
a) Die Rüge der Beschwerde, das Berufungsgericht habe für die Beurtei-
lung des Kausalzusammenhangs zwischen dem fehlerhaften Gutachten der
Beklagten und dem Strafurteil gegen den Kläger einen fehlerhaften Maßstab
angelegt, greift nicht durch.
b) Für den Anspruch nach § 839a BGB ist danach zu unterscheiden, ob
das unrichtige Gutachten für den Inhalt der gerichtlichen Entscheidung (mit-)
ursächlich geworden ist ("beruhen auf"; haftungsbegründende Kausalität) und
ob der entstandene Schaden durch die von dem unrichtigen Gutachten beein-
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flusste Gerichtsentscheidung herbeigeführt worden ist (haftungsausfüllende
Kausalität).
aa) Die (Mit-)Ursächlichkeit des Gutachtens der Beklagten für die straf-
gerichtliche Verurteilung des Klägers kommt hinreichend deutlich darin zum
Ausdruck, dass sich die Jugendkammer ausdrücklich auf dieses Gutachten ge-
stützt hat.
bb) Die darüber hinausgehenden Ausführungen des Berufungsgerichts
betreffen die Frage, ob der geltend gemachte Schaden auf das vom unrichtigen
Gutachten der Beklagten beeinflusste Strafurteil zurückzuführen ist, und somit
die haftungsausfüllende Kausalität. Hierfür ist maßgebend, wie der Ausgangs-
prozess bei Vorlage eines richtigen Gutachtens des Sachverständigen richtig-
erweise hätte entschieden werden müssen. Dies entspricht wohl allgemeiner
Auffassung (s. etwa BeckOGK/Dörr, BGB, § 839a Rn. 58 [Stand 1. April 2018];
Geigel/Knerr, Der Haftpflichtprozess, 27. Aufl., 35. Kapitel Nr. 7 Rn. 11;
MüKoBGB/Wagner, 7. Aufl., § 839a Rn. 31 und 41). In seinem Urteil vom
11. März 2010 (III ZR 124/09, VersR 2010, 811) hat der erkennende Senat zu-
grunde gelegt, dass, wenn es für die Frage der Ursächlichkeit einer Amtspflicht-
verletzung für den eingetretenen Schaden darauf ankomme, wie die Entschei-
dung eines Gerichts ausgefallen wäre, darauf abzustellen sei, wie nach Ansicht
des über den Schadensersatzanspruch erkennenden Gerichts richtigerweise
hätte entschieden werden müssen (aaO S. 813 Rn. 11). Für die an § 839 BGB
angelehnte Haftung nach § 839a BGB kann insoweit nichts anderes gelten. Die
abweichende Einschätzung von Mäsch (AnwBl 2009, 855, 858) ist, soweit er-
sichtlich, vereinzelt geblieben.
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2.
Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halb-
satz 2 ZPO abgesehen.
Herrmann
Tombrink
Remmert
Reiter
Böttcher
Vorinstanzen:
LG Saarbrücken, Entscheidung vom 29.01.2015 - 3 O 295/13 -
OLG Saarbrücken, Entscheidung vom 23.11.2017 - 4 U 26/15 -
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