Urteil des BGH vom 11.09.2018

Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2018:110918UIIZR307.16.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
II ZR 307/16
Verkündet am:
11. September 2018
Stoll
Amtsinspektorin
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
HGB § 109, § 161 Abs. 2, § 163
Eine im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft vereinbarte
Mehrheitsklausel, die unter dem Vorbehalt abweichender gesetzlicher Bestimmungen
steht, ist typischerweise dahin auszulegen, dass die Mehrheitsklausel dispositiven
gesetzlichen Regelungen vorgeht.
BGH, Urteil vom 11. September 2018 - II ZR 307/16 - OLG Celle
LG Stade
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Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 11. September 2018 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher,
die Richter Born und Sunder, die Richterin B. Grüneberg sowie den Richter
V. Sander
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des
9. Zivilsenats
des
Oberlandesgerichts
Celle
vom
9. November 2016 unter Zurückweisung des weitergehenden
Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als
die Klage über den Zahlungsantrag hinaus abgewiesen wur-
de.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Ver-
handlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revi-
sionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Kommanditistin der beklagten Publikumskommanditge-
sellschaft mit einer Einlage von 20.000 DM. Ihr Ehemann, Prof. Dr. M.
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H. , und G. J. bilden den Beirat der Beklagten. Zu Gunsten
von Prof. Dr. H. und J. bestehen Stimmrechtsvollmachten weite-
rer Kommanditisten, die insgesamt mehr als 50 % der Stimmen in der Gesell-
schafterversammlung ausmachen.
Der Gesellschaftsvertrag (nachfolgend: GV) der Beklagten enthält für
Gesellschafterbeschlüsse in § 8 u.a. folgende Regelungen:
"(1) Die Gesellschafter fassen ihre Beschlüsse in der Ge-
sellschafterversammlung oder auf schriftlichem Wege.
(…)
(3) Die Gesellschafterversammlung beschließt nach Maß-
gabe dieses Vertrages über alle Angelegenheiten der
Gesellschaft. Sie beschließt insbesondere über:
(…)
c) Maßnahmen der Geschäftsführung gemäß § 6 (4);
(…)
(9) Die Gesellschafterversammlung faßt ihre Beschlüsse
mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, so-
fern nicht gesetzliche Regelungen oder dieser Gesell-
schaftsvertrag andere Mehrheitserfordernisse vorse-
hen. Die Beschlußfassung über die Änderung des Ge-
sellschaftsvertrages oder die Auflösung der Gesell-
schaft bedarf einer Mehrheit von 75% der Stimmen."
§ 6 des Gesellschaftsvertrags regelt die Geschäftsführung und Vertre-
tung der Beklagten; Absatz 4 hat auszugsweise folgenden Wortlaut:
"Die persönlich haftende Gesellschafterin bedarf zu folgen-
den Rechtsgeschäften und Maßnahmen der vorherigen Zu-
stimmung der Gesellschafterversammlung:
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(…)
c) Rechtshandlungen und Maßnahmen, die über den
gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft er-
heblich hinausgehen und für die Gesellschaft von
besonderer Bedeutung sind. (…)"
Im Jahr 2010 betrieb der Beirat den Austausch der Komplementärin der
Beklagten durch die W. R. GmbH, der im Ergebnis scheiterte. Am
17. September 2010 beschloss die Gesellschafterversammlung, der W.
R. GmbH ihre im Zusammenhang mit dieser Gesellschafterversammlung
entstandenen und noch entstehenden Rechtsberatungs- und Gerichtskosten
gegen Nachweis bis zur Höhe von 10.000
€ zu erstatten. Eine entsprechende
Zahlung erhielt die W. R. GmbH am 23. Mai 2011.
Am 30. September 2011 beschloss die Gesellschafterversammlung, ge-
gen Nachweis die Hälfte der 10.000
€ übersteigenden Kosten der W.
R. GmbH (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten sowie Kostenerstattungsan-
sprüche der Gegenseite) im Zusammenhang mit den Gesellschafterversamm-
lungen vom 17. September 2010 und 28. April 2011 zu tragen. Da sich die
Komplementärin der Beklagten weigerte, die von der W. R. GmbH
auch gerichtlich geltend gemachten 62.083,24
€ zu zahlen, wurde in einer au-
ßerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 26. März 2015 unter TOP 2
über folgende Anträge abgestimmt:
"1. Die Gesellschafterversammlung beschließt, der W.
R. GmbH die Hälfte der ihr entstandenen Vor-
bereitungs- und Prozesskosten (Anwalts- und Gerichts-
kosten sowie Kostenerstattungsansprüche der Gegen-
seite) im Zusammenhang mit den Beschlussfassungen
der Gesellschafterversammlungen vom 17.09.2010 und
vom 28.04.2011 zu erstatten, soweit sie 10.000,00 Euro
übersteigen.
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2.
Die Gesellschafterversammlung beschließt, den Wider-
spruch gegen den auf Antrag W. R. GmbH
ergangenen Mahnbescheid des Amtsgerichts Hagen
vom 06.01.2015 über 62.477,37 Euro einschließlich
Kosten und Zinsen zurückzunehmen und keinen Pro-
zess mit der W. R. GmbH über die Kostener-
stattung zu führen.
3.
Die Gesellschafterversammlung beschließt, der W.
R. GmbH den von ihr geltend gemachten Be-
trag in Höhe von 62.477,37 Euro auszuzahlen."
Der Geschäftsführer der Komplementärin stellte als Versammlungsleiter
fest, dass diese Beschlüsse bei 241 Ja-Stimmen, 435 Nein-Stimmen und
531 Enthaltungen nicht zu Stande gekommen seien. Diese Feststellung beruhte
auf einer Stimmzählung, die die von Prof. Dr. H. und J. abgege-
benen Stimmen unberücksichtigt ließ. Das Protokoll weist weiter aus, dass sich
mit den über den Beirat abgegebenen Stimmen 769 Ja-Stimmen, 435 Nein-
Stimmen und 3 Enthaltungen ergeben würden.
Die Klägerin ficht die Ablehnung der Beschlussanträge an und begehrt
die Feststellung, dass ein Beschluss antragsgemäß gefasst worden sei. Dar-
über hinaus erstrebt sie die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von
62.083,24 € nebst Zinsen an die W. R. GmbH. Das Landgericht hat
die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zu-
rückgewiesen. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin
ihre Anträge weiter.
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Entscheidungsgründe:
Die Revision hat teilweise Erfolg. Insoweit führt sie zur Aufhebung des
Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsge-
richt.
I. Das Berufungsgericht (OLG Celle, NZG 2017, 418) hat seine Entschei-
dung im Wesentlichen wie folgt begründet: Für den Beschluss über die Anwei-
sung der Geschäftsführung zu einer (weiteren) Auszahlung an die W.
R. GmbH habe es der Zustimmung aller Kommanditisten bedurft, die bei
außergewöhnlichen Geschäften zur Mitwirkung an der Geschäftsführung be-
rechtigt seien. Ein außergewöhnliches Geschäft liege vor, weil aus den Mitteln
der Gesellschaft Leistungen in erheblicher Höhe hätten erbracht werden sollen,
die mit dem Geschäftsbetrieb nicht in Zusammenhang stünden und der Gesell-
schaft auch keinen Vorteil gebracht hätten. Der Gesellschaftsvertrag enthalte
keine von § 116 Abs. 2 HGB abweichende Regelung. Der Wortlaut der Satzung
biete für eine solche Auslegung keinen Anhaltspunkt; diese sei auch nicht inte-
ressengerecht. Überdies habe das Landgericht zu Recht ein Stimmverbot der
Klägerin und der Beiratsmitglieder - auch soweit diese als Vertreter weiterer
Kommanditisten gehandelt hätten - angenommen. Ein Teil der von der W.
R. GmbH geltend gemachten Aufwendungen seien solche, die von
dieser der Klägerin bzw. der Ehegattin von J. für die verlorenen Prozesse
im Zusammenhang mit dem gescheiterten Komplementärwechsel erstattet oder
direkt an die jeweiligen Gläubiger gezahlt worden seien. Der Ausschluss vom
Stimmrecht erstrecke sich auch auf die Ehemänner der Begünstigten. Insoweit
genüge zwar nicht jedweder Interessenkonflikt, so dass die Verfolgung eigener
Interessen bzw. die Interessen der Ehefrau ggf. noch nicht genügend sei. Es
komme aber hinzu, dass die vom Beirat favorisierte großzügige Bereitstellung
von Mitteln der Gesellschaft zu Gunsten der W. R. GmbH die Koope-
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ration über den seinerzeit angestrebten Führungswechsel hinaus hätte möglich
machen sollen, wodurch sich der Beirat die eigenen Interessen folgenden Be-
strebungen der W. R. GmbH letztlich zu eigen gemacht habe. Die
Beiratsmitglieder seien ferner deshalb vom Stimmrecht ausgeschlossen, weil im
Innenverhältnis tatsächlich die Ehemänner die Klageaufträge für ihre Frauen
erteilt hätten und deswegen hinsichtlich der verlorenen Prozesse unmittelbar
selbst betroffen seien.
Die Zahlungsklage sei schon deswegen unbegründet, weil der Erstat-
tungsbeschluss nicht wirksam gefasst worden sei.
II. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Prüfung nicht in allen
Punkten stand.
1. Nach den Feststellungen des Landgerichts, auf die sich das Beru-
fungsgericht bezieht, gilt für die Beklagte das kapitalgesellschaftsrechtliche
System, nach dem Beschlussmängelstreitigkeiten zwischen dem eine Be-
schlussfassung beanstandenden Gesellschafter und der Gesellschaft auszutra-
gen sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2003 - II ZR 4/01, ZIP 2003, 843, 844;
Urteil vom 1. März 2011 - II ZR 83/09, ZIP 2011, 806 Rn. 19). Hiervon ist das
Berufungsgericht unausgesprochen ausgegangen, ohne dass die Revisionsbe-
klagte hiergegen etwas erinnert.
2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Versammlungsleiter habe zu
Recht die Ablehnung der Anträge zu TOP 2 festgestellt, weil eine positive Be-
schlussfassung der Zustimmung aller Gesellschafter bedurft hätte, ist rechtsfeh-
lerhaft.
a) Das Berufungsgericht hat im Ausgangspunkt zutreffend erkannt, dass
die gesetzlichen Vorschriften über die Beteiligung der Kommanditisten an Maß-
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nahmen der Geschäftsführung nach §§ 164, 161 Abs. 1, § 116 HGB, wie sich
aus §§ 109, 161 Abs. 2, § 163 HGB ergibt, durch den Gesellschaftsvertrag ge-
ändert werden können (BGH, Urteil vom 13. Januar 1954 - II ZR 6/53, BB 1954,
143; Beschluss vom 24. Juli 2012 - II ZR 185/10, ZIP 2013, 366 Rn. 3).
b) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen indes schon die An-
nahme eines zustimmungsbedürftigen Geschäfts nicht. Es hat die Frage, ob die
Zustimmung aller Gesellschafter für eine Beschlussfassung erforderlich ist, un-
zutreffend an § 161 Abs. 2, § 116 Abs. 2 HGB gemessen. Das Berufungsgericht
hat dabei übersehen, dass § 8 Abs. 3 c) und § 6 Abs. 4 c) GV eine von der ge-
setzlichen Regelung abweichende Bestimmung über das Zustimmungserfor-
dernis der Gesellschafter für Maßnahmen der Geschäftsführung enthält. Nach
dieser Bestimmung bedürfen nur Rechtshandlungen und Maßnahmen, die über
den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft erheblich hinausgehen
und für die Gesellschaft von besonderer Bedeutung sind, der vorherigen Zu-
stimmung der Gesellschafterversammlung. Die gesellschaftsvertragliche Rege-
lung sieht damit von §§ 164, 161 Abs. 1, § 116 HGB abweichende Vorausset-
zungen für die Mitwirkung an Geschäftsführungsmaßnahmen vor, die das Beru-
fungsgericht seiner Prüfung indes nicht zu Grunde gelegt hat. Es hat weder ge-
prüft, ob das betreffende Geschäft erheblich über den gewöhnlichen Ge-
schäftsbetrieb hinausgeht noch, ob es für die Gesellschaft von besonderer Be-
deutung war.
c) Einer rechtlichen Prüfung ebenfalls nicht stand hält die Annahme des
Berufungsgerichts, ein einer Geschäftsführungsmaßnahme zustimmender Be-
schluss bedürfe nicht einer einfachen Mehrheit gemäß § 8 Abs. 9 Satz 1 GV,
sondern eine Zustimmung müsse gemäß § 161 Abs. 2, § 116 Abs. 2 HGB
durch alle Gesellschafter erfolgen. Das Berufungsgericht hat die Reichweite
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einer im Gesellschaftsvertrag einer Publikumspersonengesellschaft vereinbar-
ten Mehrheitsklausel verkannt.
aa) Der Gesellschaftsvertrag einer Publikumsgesellschaft ist objektiv
auszulegen. Diese Auslegung kann der Senat selbständig vornehmen (BGH,
Urteil vom 19. März 2007 - II ZR 73/06, ZIP 2007, 812 Rn. 8; Urteil vom
11. Januar 2011 - II ZR 187/09, ZIP 2011, 322 Rn. 12; Urteil vom 15. November
2011 - II ZR 266/09, BGHZ 191, 293 Rn. 17). Bei einer von dem - grundsätzlich
dispositiven - gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip (§ 709 Abs. 1 BGB, § 119
Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB) abweichenden Verankerung der Mehrheitsmacht im
Gesellschaftsvertrag ist zunächst, gegebenenfalls durch Auslegung des Gesell-
schaftsvertrags, zu prüfen, ob der betreffende Beschlussgegenstand einer
Mehrheitsentscheidung unterworfen ist (BGH, Urteil vom 15. Januar 2007
- II ZR 245/05, BGHZ 170, 283 Rn. 10 - Otto). Bei dieser Prüfung geht es nur
um die formelle Legitimation für Mehrheitsentscheidungen auf der Grundlage
einer Mehrheitsklausel, die als solche eine wertneutrale Verfahrensregel ist,
deren Vor- und Nachteile allen Gesellschaftern von Fall zu Fall zugutekommen
können (BGH, Urteil vom 24. November 2008 - II ZR 116/08, BGHZ 179, 13
Rn. 16 - Schutzgemeinschaftsvertrag II; Urteil vom 21. Oktober 2014
- II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 12). Bei der Auslegung des Gesellschaftsver-
trags ist der frühere Bestimmtheitsgrundsatz auch nicht in Gestalt einer Ausle-
gungsregel des Inhalts zu berücksichtigen, dass allgemeine Mehrheitsklauseln
restriktiv auszulegen sind oder Beschlussgegenstände, die die Grundlagen der
Gesellschaft betreffen oder ungewöhnliche Geschäfte beinhalten, jedenfalls von
allgemeinen Mehrheitsklauseln, die außerhalb eines konkreten Anlasses ver-
einbart wurden, regelmäßig nicht erfasst werden. Eine solche Auslegungsregel
findet im Gesetz keine Stütze (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
BGHZ 203, 77 Rn. 14). Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Frage,
ob das Zustimmungserfordernis sämtlicher Gesellschafter gemäß § 161 Abs. 2,
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§ 116 Abs. 2 HGB durch eine allgemeine Mehrheitsklausel im Gesellschaftsver-
trag abbedungen wurde (vgl. Oetker/Oetker, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 23). Für
Publikumspersonengesellschaften hat der Senat bereits früher angenommen,
dass der Bestimmtheitsgrundsatz keine Anwendung findet und in diesem Zu-
sammenhang darauf hingewiesen, dass bei solchen Gesellschaften offensicht-
lich die Notwendigkeit besteht, den Gesellschaftsvertrag durch Mehrheitsbe-
schluss ändern zu können (BGH, Urteil vom 13. März 1978 - II ZR 63/77,
BGHZ 71, 53, 58).
bb) Die Auslegung von § 8 Abs. 9 Satz 1 GV durch das Berufungsgericht
ist hiervon ausgehend rechtsfehlerhaft. Sie haftet zu eng am Wortlaut der Ver-
tragsbestimmung, ohne ihren gesamten Regelungsgehalt, Kontext sowie ihren
Sinn und Zweck in den Blick zu nehmen. Überdies berücksichtigt das Beru-
fungsgericht bei seiner Auslegung in einer mit den oben beschriebenen
Grundsätzen nicht in Einklang stehenden Weise die materielle Bedeutung des
Beschlussgegenstands für die Bestimmung der Reichweite der Mehrheitsklau-
sel.
(1) Mit der Formulierung, eine einfache Mehrheit der abgegebenen
Stimmen genüge für eine Beschlussfassung, "sofern nicht gesetzliche Regelun-
gen (…) andere Mehrheitserfordernisse vorsehen", würde, wie die Revision mit
Recht erinnert, die Klausel bei einer wörtlichen Auslegung, die auch dispositive
gesetzliche Regelungen als der gesellschaftsvertraglichen Mehrheitsklausel
vorrangig behandelt, keinen sinnvollen Anwendungsbereich haben, weil § 119
Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB als dispositive Regelung allgemein ein Einstimmig-
keitserfordernis für Gesellschafterbeschlüsse vorsieht. Nach allgemeiner Le-
benserfahrung ist aber davon auszugehen, dass eine vertragliche Bestimmung
nach dem Willen der Parteien einen bestimmten, rechtserheblichen Inhalt ha-
ben soll. Deshalb ist einer Auslegung der Vorzug zu geben, bei welcher der
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Vertragsbestimmung eine tatsächliche Bedeutung zukommt, wenn sich diese
Regelung ansonsten als ganz oder teilweise sinnlos erweisen würde (BGH,
Urteil vom 23. April 2002 - XI ZR 136/01, ZIP 2002, 1155, 1157; Urteil vom
7. März 2005 - II ZR 194/03, ZIP 2005, 1068, 1070).Schon dieser Gesichts-
punkt legt nahe, die Mehrheitsklausel dahin auszulegen, dass lediglich zwin-
gende gesetzliche Regelungen unberührt bleiben sollten.
(2) Die Verhältnisse der Gesellschafter untereinander richten sich in der
Kommanditgesellschaft gemäß §§ 109, 161 Abs. 2, § 163 HGB in erster Linie
nach dem Gesellschaftsvertrag. Dieser Vorrang gilt für das in § 119 Abs. 1,
§ 161 Abs. 2 HGB vorgesehene Einstimmigkeitsprinzip ebenso wie für ein Zu-
stimmungserfordernis nach § 116 Abs. 2, § 161 Abs. 2 HGB. Die dispositive
gesetzliche Regelung kommt entsprechend nur dann zur Anwendung, wenn
sich im Wege der Auslegung eine abweichende Vereinbarung der Gesellschaf-
ter nicht feststellen lässt (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13,
BGHZ 203, 77 Rn. 15). Hieran anknüpfend hat der Senat eine unter dem Vor-
behalt abweichender gesetzlicher Bestimmungen stehende allgemeine Mehr-
heitsklausel so verstanden, dass diese den dispositiven gesetzlichen Regelun-
gen vorgeht (BGH, Urteil vom 21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77
Rn. 3, 20).
(3) Die Regelung in § 8 Abs. 9 Satz 2 GV spricht ebenfalls gegen die
Auslegung des Berufungsgerichts. Es wäre widersprüchlich, wenn - wie es die-
se Bestimmung vorsieht - eine Beschlussfassung über die Änderung des Ge-
sellschaftsvertrags oder die Auflösung der Gesellschaft mit 75 % der Stimmen
erfolgen müsste, die Vornahme eines einzelnen (bedeutsamen) Geschäfts,
oder gar sämtliche Beschlussfassungen im Übrigen, dagegen von einem ein-
zelnen Gesellschafter verhindert werden könnten.
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Eine Abweichung vom Einstimmigkeitserfordernis gem. § 116 Abs. 2
HGB legt auch § 6 Abs. 4 GV nahe. Die Bestimmung sieht die Zustimmung der
Gesellschafterversammlung für die dort genannten Rechtsgeschäfte und Maß-
nahmen vor, die nach den für diese geltenden Regelungen zur Willensbildung
(Beschlussfähigkeit und Mehrheitserfordernis) zu erteilen ist.
(4) Die Revision weist auch zu Recht darauf hin, dass das Mehrheitsprin-
zip bei der Publikumsgesellschaft interessengerecht ist, weil bei ihr eine ge-
schlossene Beteiligung an der Gesellschafterversammlung praktisch nicht er-
reicht werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 1977 - II ZR 89/75, BGHZ 69,
160, 166 f.; Urteil vom 13. März 1978 - II ZR 63/77, BGHZ 71, 53, 58; Urteil vom
15. November 1982 - II ZR 62/82, BGHZ 85, 350, 356; Urteil vom 19. November
1984 - II ZR 102/84, WM 1985, 256, 257). Soweit das Berufungsgericht demge-
genüber meint, eine solche Auslegung sei nicht interessengerecht, weil sie bei
geringster Beteiligung an einer Versammlung größtmögliche Eingriffe in das
Gesellschaftsvermögen erlaube, verkennt es bereits, dass die Mehrheitsklausel
für sich genommen als Verfahrensregel wertneutral ist. Die Erwägung ist über-
dies sachlich unrichtig, weil die Mehrheitsklausel für sich betrachtet keine Ein-
griffsmöglichkeiten bei geringster Beteiligung an einer Versammlung ermöglicht.
Die Mindestbeteiligung an der Willensbildung der Gesellschafter ist vielmehr in
erster Linie eine Frage der Beschlussfähigkeit der Gesellschafterversammlung.
Schließlich bezieht das Berufungsgericht mit seiner Argumentation in unzuläs-
siger Weise die materielle Bedeutung des Beschlussgegenstands in die Ausle-
gung ein.
3. Die Entscheidung kann auch nicht mit der weiteren vom Berufungsge-
richt gegebenen Begründung aufrecht erhalten werden, dass der angefochtene
Beschluss nicht mit der erforderlichen Mehrheit gefasst worden sei, weil die Bei-
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ratsmitglieder als Vertreter von Kommanditisten einem Stimmverbot unterlegen
hätten.
a) Das Berufungsgericht nimmt rechtsfehlerhaft an, die Mitglieder des
Beirats hätten einem Stimmverbot unterlegen, weil ein Teil der von der W.
R. GmbH geforderten Aufwendungen solche seien, die der Klägerin
bzw. der Ehefrau J. für die verlorenen Prozesse im Zusammenhang mit
dem gescheiterten Komplementärwechsel erstattet bzw. an deren Gläubiger
entrichtet worden seien.
aa) Bei Beschlussfassungen der Gesellschafter über die Entlastung ei-
nes Gesellschafters, die Einleitung eines Rechtsstreits oder die außergerichtli-
che Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Gesellschafter sowie die
Befreiung eines Gesellschafters von einer Verbindlichkeit unterliegt der be-
troffene Gesellschafter auch im Personengesellschaftsrecht einem Stimmver-
bot. Dem liegt der allgemein geltende Grundsatz (vgl. § 712 Abs. 1, §§ 715, 737
Satz 2 BGB; § 34 BGB, § 47 Abs. 4 Satz 1 Alt. 1 und Satz 2 Alt. 2 GmbHG,
§ 43 Abs. 6 GenG, § 136 Abs. 1 Satz 1 AktG) zugrunde, dass niemand Richter
in eigener Sache sein darf (BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09,
ZIP 2012, 917 Rn. 16 mwN). Ein irgendwie gearteter Konflikt zwischen den
außergesellschaftlichen Interessen des Gesellschafters und denen der Gesell-
schaft genügt für die Annahme eines Stimmverbots nicht (für § 47 Abs. 4
GmbHG: BGH, Urteil vom 20 Juni 1986 - II ZR 73/85, BGHZ 97, 28, 33).
Ein Stimmverbot, dem ein Gesellschafter unterliegt, erstreckt sich nicht
ohne weiteres auf seinen Ehegatten (BGH, Urteil vom 16. Februar 1981
- II ZR 168/79, BGHZ 80, 69, 71; Urteil vom 13. Januar 2003 - II ZR 227/00,
BGHZ 153, 285, 291 f.). Ebenso kann ein Stimmverbot für einen Gesellschafter
nicht allein aus dem Näheverhältnis zu seinem Ehegatten hergeleitet werden,
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da nicht typischerweise davon ausgegangen werden kann, dass Ehegatten den
Interessen des jeweils anderen oder ggf. dadurch vermittelten eigenen (priva-
ten) Interessen stets den Vorzug vor den Interessen der Gesellschaft geben
(BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 34).
bb) Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht im Streitfall nicht im vol-
len Umfang berücksichtigt. Es nimmt allerdings im Ausgangspunkt zutreffend
an, dass ein Verfolgen eigener Interessen bzw. derjenigen der Ehefrau, auch
wenn dies mit Nachdruck geschieht, einen Stimmrechtsausschluss im Hinblick
auf dessen einschneidende Wirkungen nicht zu rechtfertigen vermag. Die weite-
re Erwägung, die Beiratsmitglieder hätten sich die "eigenen Interessen folgen-
den Bestrebungen" der von der Beschlussfassung unmittelbar betroffenen
W. R. GmbH "zu eigen gemacht", beschreibt keinen Sachverhalt, aus
dem sich ein Stimmverbot ableiten lässt. Sie lässt sich nicht mit dem vom Beru-
fungsgericht herangezogenen Argument konkretisieren, die Bereitstellung von
Mitteln zu Gunsten der W. R. GmbH habe eine Kooperation über den
seinerzeit erstrebten Führungswechsel hinaus möglich machen sollen. Dieses
Argument zielt letztlich ebenfalls nur auf die Gleichrichtung der Interessen, was
für ein Richten in eigener Sache jedoch nicht genügt und einem solchen auch
nicht gleichzustellen ist, zumal das Berufungsgericht festgestellt hat, dass zum
Zeitpunkt der Beschlussfassung im Jahr 2015 nichts mehr dafür ersichtlich ge-
wesen sei, dass die W. R. GmbH tatsächlich noch Geschäftsführerin
hätte werden können.
b) Das Berufungsurteil hält auch mit der Begründung einer rechtlichen
Überprüfung nicht stand, die Beiratsmitglieder seien deswegen (auch für Dritte)
vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen, weil sie im Hinblick darauf, dass sie
den Klageauftrag im Innenverhältnis erteilt hätten, nicht besser stünden als ihre
Ehefrauen.
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aa) Die von der Revision gegen diese Feststellung gerichtete Verfah-
rensrüge ist allerdings unzulässig. Eine etwaige Unrichtigkeit tatbestandlicher
Feststellungen im Berufungsurteil kann nur im Berichtigungsverfahren nach
§ 320 ZPO, nicht jedoch mit einer Verfahrensrüge nach § 551 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 Buchst. b ZPO behoben werden (BGH, Urteil vom 8. Januar 2007
- II ZR 334/04, NZG 2007, 428 Rn. 11; Urteil vom 10. Juli 2012 - VI ZR 341/10,
BGHZ 194, 26 Rn. 35; Urteil vom 28. Mai 2013 - XI ZR 6/12, ZIP 2013, 1372
Rn. 18; Urteil vom 4. Mai 2017 - IX ZR 285/16, ZIP 2017, 1232 Rn. 11). Ein auf
die Berichtigung des Tatbestands gerichtetes Verfahren hat die Klägerin nicht
durchgeführt.
bb) Die Feststellungen des Berufungsgerichts tragen indes nicht seine
Schlussfolgerung, die Beiratsmitglieder seien von der Beschlussfassung unmit-
telbar betroffen, weil diese sie von einer Verbindlichkeit befreie. Ein Stimmver-
bot entsprechend § 47 Abs. 4 Satz 1 Fall 2 GmbHG greift nur, wenn Schuldner
der Verbindlichkeit, von der befreit werden soll, der Gesellschafter oder eine mit
diesem verbundene Gesellschaft ist (MünchKommGmbHG/Drescher, 2. Aufl.,
§ 47 Rn. 151). Danach kann - ungeachtet der Frage, ob eine mittelbare Befrei-
ung überhaupt unter das Stimmverbot fällt (verneinend MünchKomm
GmbHG/Drescher, 2. Aufl., § 47 Rn. 149; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck,
GmbHG, 21. Aufl., § 47 Rn. 79; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl.,
§ 47 Rn. 46) - ein Stimmverbot nicht unabhängig davon angenommen werden,
ob eine Verbindlichkeit der Beiratsmitglieder wegfällt, wenn die Forderung der
W. R. GmbH erfüllt wird. Hierzu hat das Berufungsgericht, wie die
Revision zu Recht geltend macht, keine Feststellungen getroffen. Diesen lässt
sich nicht entnehmen, dass die Beiratsmitglieder mit der Erstattung der Auf-
wendungen an die W. R. GmbH von einer Verbindlichkeit befreit wür-
den.
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4. Den Zahlungsantrag der Klägerin hat das Berufungsgericht im Ergeb-
nis zu Recht abgewiesen. Im Hinblick auf die dargestellten Rechtsfehler hat
zwar die Abweisung des Zahlungsantrags mit der vom Berufungsgericht gege-
benen Begründung keinen Bestand, weil es diese darauf gestützt hat, dass ein
Erstattungsbeschluss nicht wirksam gefasst worden sei. Die Entscheidung er-
weist sich in diesem Punkt jedoch aus anderen Gründen als richtig (§ 561
ZPO). Die Klägerin kann auch für den Fall, dass ein wirksamer Gesellschafter-
beschluss über die Erstattung von Aufwendungen an die W. R.
GmbH gefasst worden sein sollte, hieraus keinen gegen die Gesellschaft ge-
richteten Zahlungsanspruch zu Gunsten der W. R. GmbH herleiten.
Die Ausführung eines außergewöhnlichen Geschäfts, dem die Gesellschafter
zugestimmt haben, obliegt dem geschäftsführenden Gesellschafter (Drescher in
Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 116 Rn. 15; Schäfer in
Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 116 Rn. 23; MünchKommHGB/Jickeli, 4. Aufl.,
§ 116 Rn. 43). Der Kommanditist kann den geschäftsführenden Gesellschafter
im Wege der actio pro socio zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung seiner Ge-
schäftsführungspflichten anhalten (Oetker/Oetker, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 61;
Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 52). Hieraus folgt aber nicht,
dass der Gesellschafter im Wege der Klage gegen die Gesellschaft einen Titel
zu Gunsten eines von einem Gesellschafterbeschluss begünstigten Dritten
schaffen kann.
III. Das Berufungsurteil ist daher in dem aus dem Tenor ersichtlichen
Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO) und die Sache an das Berufungsge-
richt zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 ZPO), damit es die zur
Beurteilung der Begründetheit der Klage erforderlichen Feststellungen treffen
kann. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin:
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1. Der Gesellschafterversammlung kommt im Streitfall nach dem Gesell-
schaftsvertrag ungeachtet der Frage, ob von einem außergewöhnlichen Ge-
schäft nach § 6 Abs. 4 c) des Gesellschaftsvertrags auszugehen ist, eine Be-
schlusskompetenz zu. Die Gesellschafterversammlung beschließt nach § 8
Abs. 3 Satz 1 des Gesellschaftsvertrags über alle Angelegenheiten der Gesell-
schaft. Damit ist es ihr nach der konkreten Ausgestaltung des Gesellschaftsver-
trags auch eröffnet, der Geschäftsführung Weisungen in Angelegenheiten der
Geschäftsführung zu erteilen (vgl. BGH, Urteil vom 9. Dezember 1968
- II ZR 33/67, BGHZ 51, 198, 201 f.; Oetker/Oetker, HGB, 5. Aufl., § 164
Rn. 45 f.; Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 44 f.). Soweit durch
§ 8 Abs. 3 Satz 2 c), § 6 Abs. 4 c) GV bestimmte Maßnahmen der Geschäfts-
führung einem Zustimmungserfordernis unterliegen, werden damit nur diejeni-
gen Maßnahmen benannt, bei denen die Geschäftsführung eine Entscheidung
der Gesellschaft über die Zustimmung herbeiführen muss.
2. Sollte das Berufungsgericht im wiedereröffneten Verfahren feststellen,
dass nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen nicht davon auszugehen
ist, dass die Mitglieder des Beirats einem Stimmverbot unterlegen haben, wird
das Berufungsgericht zu prüfen haben, ob die Stimmabgabe der Mitglieder des
Beirats bezogen auf den Einzelfall treupflichtwidrig war (BGH, Urteil vom
21. Oktober 2014 - II ZR 84/13, BGHZ 203, 77 Rn. 12 f.; Urteil vom 7. Februar
2012 - II ZR 230/09, ZIP 2012, 917 Rn. 34). Die Gesellschafter unterliegen bei
einer die Ausübung des Weisungsrechts gegenüber dem geschäftsführenden
Gesellschafter betreffenden Beschluss einer gesteigerten Treuepflicht, nach der
das Stimmrecht unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft uneigennützig
zu erfolgen hat (Konzen, NJW 1989, 2977, 2983; Oetker/Oetker, HGB, 5. Aufl.,
§ 164 Rn. 46; Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 45; Schäfer in
Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 105 Rn. 230).
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Ob ein darüber hinaus gehendes Widerspruchsrecht des geschäftsfüh-
renden Gesellschafters bei außergewöhnlichen Geschäften entsprechend § 116
Abs. 2 BGB anzuerkennen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner grundsätzli-
chen Entscheidung (für die Möglichkeit einer umfassenden Beschränkungsmög-
lichkeit der Geschäftsführungsbefugnisse: BGH, Urteil vom 27. Juni 1955
- II ZR 232/54, BGHZ 17, 392, 394; Urteil vom 9. Dezember 1968 - II ZR 33/67,
BGHZ 51, 198, 201; Urteil vom 25. April 1983 - II ZR 170/82, ZIP 1983, 1066;
aA Casper in Großkomm. HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 45; Oetker/Oetker, HGB,
5. Aufl., § 164 Rn. 46; Horn in Heymann, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 10; Münch-
KommHGB/Grunewald, 3. Aufl., § 164 Rn. 23; Kindler in Koller/Roth/Morck,
HGB, 8. Aufl., § 164 Rn. 3; Roth in Baumbach/Hopt, HGB, 38. Aufl., § 164
Rn. 7; Haas/Mock in Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl., § 164
Rn. 14; Häublein in BeckOK HGB, Stand: 15.07.2018, § 164 Rn. 42.1), weil ein
solches allenfalls im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der Interessen
des geschäftsführenden Gesellschafters anzuerkennen wäre (Horn in
Heymann, HGB, 2. Aufl., § 164 Rn. 10; Kindler in Koller/Roth/Morck, HGB,
8. Aufl., § 164 Rn. 3; MünchKomm HGB/Grunewald, 3. Aufl., § 164 Rn. 23). Für
eine solche Bedrohung ist vorliegend nichts ersichtlich.
3. Die Treupflichtwidrigkeit der Stimmrechtsausübung durch die Beirats-
mitglieder wird vom Berufungsgericht, das diesbezüglich noch keine ausrei-
chenden Feststellungen getroffen hat, unter dem Gesichtspunkt der Verfolgung
ausschließlich eigennütziger Zwecke zu prüfen sein, wenn die Mehrheitsmacht
zur Erlangung ungerechtfertigter Sondervorteile eingesetzt worden sein sollte
(BGH, Urteil vom 12. April 2016 - II ZR 275/14, ZIP 2016, 1220 Rn. 23). Dies
könnte der Fall sein, wenn die Erstattung von Aufwendungen an die W.
R. GmbH zumindest mittelbar dazu führen würde, dass von den Beiratsmit-
gliedern oder ihren Ehefrauen persönlich zu tragende Kosten aus dem Gesell-
schaftsvermögen aufzubringen wären.
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Die Treupflichtwidrigkeit wäre schließlich zu verneinen, wenn die ge-
schäftsführende Gesellschafterin schon im Hinblick auf den Gesellschafterbe-
schluss vom 30. September 2011 verpflichtet gewesen wäre, der W.
R.
GmbH ihre 10.000 € übersteigenden Aufwendungen im Zusammenhang
mit den Gesellschafterversammlungen vom 17. September 2010 und 28. April
2011 hälftig zu erstatten und der vorliegend angefochtene Beschluss diese Ent-
scheidung lediglich bestätigt. Ein wirksam gefasster Beschluss über die Durch-
führung einer Geschäftsführungsmaßnahme wäre nämlich für die geschäftsfüh-
renden Gesellschafter grundsätzlich bindend (vgl. Drescher in Ebenroth/
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Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl., § 116 Rn. 15; Schäfer in Großkomm.
HGB, 5. Aufl., § 116 Rn. 18, 23; MünchKommHGB/Jickeli, 4. Aufl., § 116
Rn. 43).
Drescher Born Sunder
B. Grüneberg V. Sander
Vorinstanzen:
LG Stade, Entscheidung vom 04.02.2016 - 8 O 45/15 -
OLG Celle, Entscheidung vom 09.11.2016 - 9 U 38/16 -