Urteil des BGH vom 06.10.2016

Urteil vom 06.10.2016

ECLI:DE:BGH:2016:061016UIZR97.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
I ZR 97/15
Verkündet am:
6. Oktober 2016
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 6. Oktober 2016 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Büscher,
die Richter Prof. Dr. Koch, Dr. Löffler, die Richterin Dr. Schwonke und den Rich-
ter Feddersen
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 8. Zivilkammer
des Landgerichts Bochum vom 26. März 2015 im Kostenpunkt und
insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Klägerin erkannt wor-
den ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung
und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Be-
rufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin ist Inhaberin der ausschließlichen Rechte zur Verwertung
des Computerspiels "T. W. ". Zwischen dem 11. und 23. Juni 2011 wur-
de eine Datei mit diesem Computerspiel insgesamt neunmal von einem dem
Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss über eine Tauschbörse im Internet
zum Download angeboten.
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Die Klägerin hat geltend gemacht, der Beklagte sei ihr gegenüber zur
Unterlassung des von ihr als rechtsverletzend beanstandeten Downloadange-
bots verpflichtet. Mit ihrer Klage hat sie den Beklagten auf Schadensersatz in
Höhe von 300 €, auf Ersatz von Ermittlungskosten in Höhe von 39,64 € sowie
auf Erstattung pauschalierter Abmahnkosten in Höhe von 5
00 € in Anspruch
genommen.
Die Klägerin hat behauptet, bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart am
17. Mai 2011 seien weit über 100.000 Vorbestellungen des Computerspiels zu
verzeichnen gewesen. Das Spiel sei in den Bestseller-Charts des Anbieters
Amazon zu diesem Zeitpunkt an erster Stelle geführt worden.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. an die Klägerin 500
€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Februar 2013 zu zahlen,
2.
an die Klägerin 39,64 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Mai 2014 zu zahlen,
3. an die Klägerin 300
€ nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über
dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. August 2011 zu zahlen.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat in Abrede gestellt,
das Computerspiel "T. W. " über seinen Internetanschluss zum Down-
load zur Verfügung gestellt zu haben.
Das Amtsgericht hat den Beklagten
zur Zahlung von 178,64 € (100 €
Schadensersatz, 39,64 € Ermittlungskosten, 39 € Abmahnkosten) nebst Zinsen
verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin
hat das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts teilweise abgeändert und den
Beklagten zur Zahlung von insgesamt 532,54
€ (300 € Schadensersatz, 39,64 €
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Ermittlungskosten, 192,90 € Abmahnkosten) nebst Zinsen verurteilt. Im Übrigen
hat das Landgericht die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit ihrer Revi-
sion verfolgt die Klägerin den geltend gemachten Anspruch auf Erstattung der
Kosten der Abmahnung in Höhe des verbleibenden Differenzbetrages von
307,10
€ weiter.
Der ordnungsgemäß geladene Beklagte war im Termin zur mündlichen
Verhandlung vor dem Revisionsgericht nicht vertreten. Die Klägerin beantragt,
über ihr Rechtsmittel durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Entscheidungsgründe:
I. Das Berufungsgericht hat die Berufung der Klägerin als teilweise be-
gründet angesehen. Es hat angenommen, der Klägerin stehe ein aus einem
Gegenstandswert von 2.0
00 € berechneter Anspruch auf Erstattung der Kosten
der Abmahnung zu. Hierzu hat es ausgeführt:
Der Gegenstandswert der der Klägerin nach § 97a UrhG zuzusprechen-
den Abmahnkosten richte sich nach dem Wert des mit der Abmahnung verfolg-
ten Unterlassungsanspruches. Dieser sei mit dem Doppelten der angemesse-
nen Lizenzgebühr anzusetzen. Der objektive Wert der angemaßten Benut-
zungsberechtigung entspreche der üblichen und angemessenen Lizenzgebühr.
Diese sei in Ermangelung einer marktüblichen Lizenz anhand des gängigen
Kaufpreises für ein Computerspiel am Markt und unter Berücksichtigung des
Umstandes zu bestimmen, dass das beanstandete Downloadangebot an eine
unendliche Zahl von Nutzern gerichtet sei. Im Hinblick auf eine im Bereich des
Massenphänomens File-Sharing zu vermeidende Überkompensation zugunsten
der Rechtsinhaber sei der Lizenzschaden auf 1.0
00 € zu schätzen. Hiernach sei
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der Gegenstandswert des Unterlassungsanspruches mit einem Betrag von
2.000
€ anzusetzen, so dass sich die erstattungsfähigen Kosten der Abmah-
nung auf 192,90
€ beliefen.
II. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision hat Erfolg.
1. Über die Revision ist antragsgemäß durch Versäumnisurteil zu ent-
scheiden, da der Beklagte in der mündlichen Revisionsverhandlung trotz ord-
nungsgemäßer Ladung nicht anwaltlich vertreten war. Inhaltlich beruht das Ur-
teil indessen nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprü-
fung (vgl. nur BGH, Versäumnisurteil vom 19. März 2015 - I ZR 190/13,
TranspR 2015, 342 Rn. 10 = VersR 2016, 211 mwN).
2. Das Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt zutreffend davon ausge-
gangen, dass die Klägerin gemäß § 97a Abs. 1 UrhG aF von dem Beklagten die
Erstattung von Abmahnkosten verlangen kann.
a) Auf den mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von
Abmahnkosten ist § 97a UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fas-
sung anzuwenden. Die durch das Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken
vom 1. Oktober 2013 (BGBl I, S. 3714, 3717) mit Wirkung ab dem 9. Oktober
2013 eingeführten Neuregelungen zur Wirksamkeit der Abmahnung und zur
Begrenzung der erstattungsfähigen Kosten nach § 97a Abs. 2 und 3 Satz 2 und
3 UrhG nF gelten erst für Abmahnungen, die nach Inkrafttreten des Gesetzes
gegen unseriöse Geschäftspraktiken ausgesprochen worden sind. Für den An-
spruch auf Erstattung von Abmahnkosten kommt es auf die Rechtslage zum
Zeitpunkt der Abmahnung an (vgl. zu § 97a Abs. 1 Satz 2 UrhG aF BGH, Urteil
vom 28. September 2011 - I ZR 145/10, ZUM 2012, 34 Rn. 8 mwN; Urteil vom
8. Januar 2014 - I ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 11 - BearShare; Urteil vom
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11. Juni 2015 - I ZR 75/14, GRUR 2016, 191 Rn. 56 = WRP 2016, 73 - Tausch-
börse III).
b) Nach § 97a Abs. 1 UrhG aF soll der Verletzte den Verletzer vor Einlei-
tung eines gerichtlichen Verfahrens auf Unterlassung abmahnen und ihm Gele-
genheit geben, den Streit durch Abgabe einer mit einer angemessenen Ver-
tragsstrafe bewehrten Unterlassungsverpflichtung beizulegen. Soweit die Ab-
mahnung berechtigt ist, kann der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen ver-
langt werden. Danach besteht ein Anspruch auf Abmahnkostenersatz, wenn die
Abmahnung begründet gewesen ist, ihr also ein materieller Unterlassungsan-
spruch zugrunde gelegen hat. Darüber hinaus muss die Abmahnung wirksam
und erforderlich sein, um dem Unterlassungsschuldner einen Weg zu weisen,
den Unterlassungsgläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu
stellen (BGH, Urteil vom 21. Januar 2010 - I ZR 47/09, GRUR 2010, 354 Rn. 8
= WRP 2010, 525 - Kräutertee; Urteil vom 19. Mai 2010 - I ZR 140/08, GRUR
2010, 1120 Rn. 16 = WRP 2010, 1495 - Vollmachtsnachweis; Urteil vom
11. Juni 2015 - I ZR 7/14, GRUR 2016, 184 Rn. 55 ff. = WRP 2016, 66
- Tauschbörse II). Diese Voraussetzungen sind gegeben.
aa) Das Berufungsgericht hat angenommen, der Klägerin habe im Zeit-
punkt der an den Beklagten gerichteten Abmahnung wegen der öffentlichen
Zugänglichmachung des Computerspiels ein auf Unterlassung gerichteter An-
spruch zugestanden (§ 97 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit §§ 19a, 69c Nr. 4
UrhG).
(1) Mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts ist im
Streitfall davon auszugehen, dass das Computerprogramm "T. W. "
nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2, § 69a Abs. 3 UrhG urheberrechtlich geschützt
ist. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist eine Datei mit dem
Computerspiel "T. W. " ohne Zustimmung der Klägerin als Inhaberin
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ausschließlicher Verwertungsrechte zu den von der Klägerin vorgetragenen
Zeiten über einen dem Beklagten zuzuordnenden Internetanschluss im Wege
des "File-Sharing" Teilnehmern einer Tauschbörse zum Herunterladen angebo-
ten worden. Hierdurch ist widerrechtlich in das der Klägerin zustehende Recht
der öffentlichen Zugänglichmachung (§§ 19a, 69 c Nr. 4 UrhG) eingegriffen
worden (vgl. BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 77/11, ZUM-RD 2012,
587 Rn. 32 f.).
(2) Nach der Beurteilung des Berufungsgerichts, die die Revision als ihr
günstig hinnimmt, haftet der Beklagte als Inhaber des Internetanschlusses tä-
terschaftlich für die vorgenannten Rechtsverstöße. Hiervon ist für die Revisions-
instanz auszugehen.
bb) Das Berufungsgericht ist weiter davon ausgegangen, dass Form und
Inhalt der Abmahnung den an eine berechtigte Abmahnung zu stellenden An-
forderungen entsprechen. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erken-
nen.
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Gegenstandswert, aus dem
die erstattungsfähigen Kosten der anwaltlichen Abmahnung zu berechnen sei-
en, sei stets mit dem Doppelten des erstattungsfähigen Lizenzschadens anzu-
setzen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Gegenstandswert einer Abmahnung wegen Verletzung eines
Schutzrechtes ist nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG nach billigem Ermessen zu be-
stimmen (BGH, Urteil vom 13. November 2013 - X ZR 171/12, GRUR 2014, 206
Rn. 13 = WRP 2014, 317 - Einkaufskühltasche; Rohn in Mayer/Kroiß, RVG,
6. Aufl., § 23 Rn. 10). Auch die Beurteilung der Angemessenheit des vom An-
spruchsteller angesetzten Gegenstandswerts liegt im pflichtgemäßen Ermessen
des Tatrichters. Seine Entscheidung ist daher durch das Revisionsgericht nur
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daraufhin zu überprüfen, ob das Ermessen überhaupt und in den ihm gesetzten
Grenzen ausgeübt worden ist und alle für seine Ausübung wesentlichen Um-
stände beachtet worden sind (BGH, Urteil vom 26. März 2009 - I ZR 44/06,
GRUR 2009, 660 Rn. 22 - Resellervertrag; Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 54/11,
GRUR 2013, 301 Rn. 56 = WRP 2013, 491 - Solarinitiative; BGH, GRUR 2014,
206 Rn. 17 - Einkaufskühltasche; Teplitzky/Bacher, Wettbewerbsrechtliche An-
sprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 41 Rn. 92). Einer solchen Überprüfung
hält das Berufungsurteil nicht stand.
b) Im Ausgangspunkt zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausge-
gangen, dass der Gegenstandswert der Abmahnung dem Wert des mit der Ab-
mahnung allein geltend gemachten Unterlassungsanspruchs entspricht.
c) Das Berufungsgericht hat ferner angenommen, der Wert des von der
Klägerin mit der Abmahnung verfolgten Unterlassungsbegehrens sei mit dem
Doppelten einer fiktiven Lizenzgebühr anzusetzen. Dem kann nicht zugestimmt
werden.
aa) Der Wert eines Unterlassungsanspruches bestimmt sich nach dem
Interesse des Anspruchstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Ver-
stöße. Dieses Interesse ist pauschalierend unter Berücksichtigung der Umstän-
de des Einzelfalles zu bewerten (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2013
- I ZR 174/11, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 = WRP 2013, 1364 - Beschwer des
Unterlassungsschuldners;
BGH,
Beschluss
vom
11. November
2015
- I ZR 151/14, juris Rn. 7) und wird maßgeblich durch die Art des Verstoßes,
insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für den Inhaber des ver-
letzten Schutzrechts bestimmt (vgl. BGH, Beschluss vom 26. April 1990
- I ZR 58/89, GRUR 1990, 1052, 1053 - Streitwertbemessung; BGH, GRUR
2013, 301 Rn. 56 - Solarinitiative; Hirsch in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerbli-
cher Rechtsschutz Urheberrecht Medienrecht, 3. Aufl., Kap. 18 Rn. 28).
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bb) Anhaltspunkte für die Beurteilung der mit dem Unterlassungsan-
spruch abzuwehrenden Gefährdung der Interessen des Inhabers eines nach
dem Urheberrechtsgesetz geschützten Rechts sind sowohl der wirtschaftliche
Wert des verletzten Rechts als auch die Intensität und der Umfang der Rechts-
verletzung (sogenannter Angriffsfaktor; vgl. BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16
- Einkaufskühltasche; KG Berlin, ZUM-RD 2011, 543, 544; OLG Brandenburg,
NJW-RR 2014, 227; OLG Celle, ZUM-RD 2014, 486 Rn. 5; OLG Schleswig,
ZUM-RD 2015, 473 Rn. 10; OLG München, BeckRS 2015, 08403 Rn. 6; J. B.
Nordemann in Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 11. Aufl., § 97 UrhG Rn. 223;
Kefferpütz in Wandtke/Bullinger aaO § 105 UrhG Rn. 8; Rachow in Limper/
Musiol, Urheber- und Medienrecht, 2011, Kap. 21 Rn. 252; Nordemann-Schiffel
in Mayer/Kroiß aaO Anhang I Abschnitt V Rn. 13). Der Angriffsfaktor wird ins-
besondere durch die Stellung des Verletzers und des Verletzten, die Qualität
der Urheberrechtsverletzung, den drohenden Verletzungsumfang, die Art der
Begehung des Rechtsverstoßes und eine hierdurch etwa begründete Gefahr
der Nachahmung durch Dritte sowie subjektive Umstände auf Seiten des Ver-
letzers wie den Verschuldensgrad bestimmt (BGH, Beschluss vom 24. Februar
2011 - I ZR 220/10, AfP 2011, 216 Rn. 5; BGH, GRUR 2013, 1067 Rn. 12 - Be-
schwer des Unterlassungsschuldners; BGH, Beschluss vom 11. November
2015 - I ZR 151/14, juris Rn. 7, mwN; Ahrens/Büttner, Der Wettbewerbspro-
zess, 7. Aufl., Kap. 40 Rn. 39; Teplitzky/Feddersen Kap. 49 Rn. 13 und 16).
cc) Das mit dem Unterlassungsbegehren verfolgte Interesse des An-
spruchstellers ist darauf gerichtet, in Zukunft weitere oder fortgesetzte Rechts-
verletzungen zu unterbinden. Der Gefährlichkeit der bereits begangenen Verlet-
zungshandlung kommt bei der Wertbemessung Indizwirkung zu. Allerdings
kann auch anderen, von der Verletzungshandlung unabhängigen Faktoren
- etwa dem Grad der Wahrscheinlichkeit künftiger Zuwiderhandlungen - Rech-
nung zu tragen sein (BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche; OLG
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Düsseldorf, GRUR-RR 2011, 341 Rn. 3; Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell,
UWG, 3. Aufl., § 12 Rn. 205; Ahrens/Büttner aaO Kap. 40 Rn. 40; Teplitzky/
Feddersen aaO Kap. 49 Rn. 14; Spätgens in Gloy/Loschelder/Erdmann, Hand-
buch des Wettbewerbsrechts, 4. Aufl., § 87 Rn. 3).
d) Diesen Maßstäben wird eine Wertbemessung, die sich allein an der
Höhe des Lizenzschadensersatzes orientiert, nicht gerecht.
aa) In der obergerichtlichen Rechtsprechung wird der Wert des auf die
Verletzung von Urheberrechten gestützten Unterlassungsanspruchs ver-
schiedentlich auf der Grundlage der für die geschehene Nutzungshandlung an-
zusetzenden Lizenzgebühr berechnet (vgl. zur öffentlichen Zugänglichmachung
von Produktfotografien OLG Braunschweig, GRUR-RR 2012, 93, 94; OLG
Hamm, GRUR-RR 2013, 39; OLG Nürnberg, WRP 2013, 667, 668; OLG Bran-
denburg, NJW-RR 2014, 227, 228 und eines Kartenausschnitts OLG Schleswig,
GRUR-RR 2010, 126 sowie in Abgrenzung hierzu OLG Hamm, Urteil vom
17. November 2015 - 4 U 34/15, juris Rn. 173). Diesen Entscheidungen liegt die
Erwägung zugrunde, dass das Interesse des Rechtsinhabers an der Abwehr
künftiger Rechtsverletzungen im Einzelfall vorrangig dem Interesse entsprechen
kann, die eigene Lizenzierung vergleichbarer Nutzungen sicherzustellen, wäh-
rend andere Faktoren wie die Beeinträchtigung anderweitiger Auswertungsmög-
lichkeiten, die Gefahr der Nachahmung des Rechtsverstoßes, Intensität und
Dauer der Verletzungshandlung und der Verschuldensgrad auf Verletzerseite in
den Hintergrund treten (vgl. auch OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270 und OLG
Hamm, Beschluss vom 23. August 2012 - 22 W 55/12, juris zur öffentlichen
Wiedergabe von Sportsendungen sowie OLG Schleswig, ZUM-RD 2015, 473
und LG Flensburg, ZUM 2016, 299 zum Angebot eines Vervielfältigungsstücks
eines nicht autorisierten Konzertmitschnitts; vgl. ferner Saenger/Bendtsen,
ZPO, 6. Aufl., § 3 Rn. 15 Stichwort "Urheberrechtsverletzung"; Heinrich in
Musielak/Voit, ZPO, 13. Aufl., § 3 Rn. 36 Stichwort "Unterlassung").
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bb) Eine schematische Bestimmung des Gegenstandswertes eines Un-
terlassungsanspruches auf der Grundlage eines Mehrfachen der für die bereits
geschehene Nutzung anzusetzenden fiktiven Lizenzgebühr trägt allerdings we-
der der unterschiedlichen Funktion von Schadensersatz- und Unterlassungsan-
spruch Rechnung, noch ist sie mit dem bei jeder Wertbestimmung nach pflicht-
gemäßem Ermessen zu beachtenden Gebot der Abwägung aller Umstände des
Einzelfalles in Einklang zu bringen (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Januar
2015 - I ZR 95/14, WRP 2015, 414 Rn. 2 f.; Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 1/15,
GRUR 2016, 1275 Rn. 29 ff. = WRP 2016, 1525 - Tannöd).
Zwar ist das Interesse des Unterlassungsgläubigers an der Unterbindung
künftiger Verletzungen eines urheberrechtlich geschützten Rechts auch anhand
des wirtschaftlichen Wertes des verletzten Schutzrechts zu bestimmen und die-
ser schlägt sich unter anderem in den Lizenzeinnahmen nieder, die ein Rechts-
inhaber bei der Auswertung eines Werkes üblicherweise für vergleichbare Nut-
zungshandlungen erzielen kann (vgl. hierzu OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229,
230; OLG Köln, ZUM 2013, 497, 498). Dass die Erteilung einer Lizenz im Falle
der widerrechtlichen Zugänglichmachung durch Bereitstellung eines Werkes in
einer Internettauschbörse tatsächlich nicht in Betracht kommt, steht dabei der
Heranziehung einer sogenannten fiktiven Lizenz nicht entgegen, weil es sich
hierbei um einen normativen Maßstab handelt, der nicht voraussetzt, dass es
bei korrektem Verhalten des Verletzers tatsächlich zum Abschluss eines Li-
zenzvertrags gekommen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 22. März
1990 - I ZR 59/88, GRUR 1990, 1008, 1009 - Lizenzanalogie; Urteil vom
17. Juni 1992 - I ZR 107/90, BGHZ 119, 20, 26 - Tchibo/Rolex II; BGH, GRUR
2016, 184 Rn. 49 ff. - Tauschbörse II).
Der Wert des verletzten Schutzrechtes und dessen drohende Beeinträch-
tigung durch künftige Verletzungen wird jedoch nicht allein durch die für eine
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konkrete Nutzungshandlung zu erzielenden fiktiven Lizenzeinnahmen, sondern
auch durch die dem Rechtsinhaber insgesamt zu Gebote stehenden Auswer-
tungsmöglichkeiten bestimmt, deren Verwirklichung durch künftige Rechtsver-
letzungen beeinträchtigt zu werden droht. Neben der - je nach Art des verletz-
ten Rechts - in Betracht zu ziehenden Beeinträchtigung verschiedener Verwer-
tungsarten können auch Faktoren wie die Aktualität und Popularität des Wer-
kes, dessen künftige Nutzung durch den Unterlassungsschuldner unterbunden
werden soll, von Bedeutung sein.
Die vom Verletzer auf der Grundlage der Lizenzanalogie (§ 97 Abs. 2
Satz 3 UrhG) für eine bereits erfolgte Nutzung als Schadensersatz zu entrich-
tende fiktive Lizenzgebühr dient dem Ausgleich der Einbußen, die der Rechts-
inhaber durch den widerrechtlichen Eingriff in die ihm zustehenden Verwer-
tungsrechte erlitten hat. Bei der Bewertung des Interesses des Rechtsinhabers
an der Abwehr künftiger Verletzungshandlungen muss hingegen nicht nur dem
Interesse an der Verhinderung fortgesetzter unlizenzierter Nutzungen Rech-
nung getragen werden, sondern es ist auch das einer fortgesetzten Rechtsver-
letzung innewohnende Gefährdungspotential für das Schutzrecht und seine
wirtschaftliche Auswertung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Juni
2015 - I ZR 19/14, GRUR 2016, 176 Rn. 80 = WRP 2016, 57 - Tauschbörse I;
BGH, GRUR 2016, 184 Rn. 73 - Tauschbörse II). Die Bereitstellung eines Wer-
kes über eine Tauschbörse im Internet eröffnet einer unbegrenzten Vielzahl von
Tauschbörsenteilnehmern die Möglichkeit, das Werk kostenlos herunterzuladen
und anschließend anderen Nutzern zum Herunterladen zur Verfügung zu stel-
len. Ein solcher Eingriff in die urheberrechtlich geschützten Verwertungsrechte
stellt die kommerzielle Auswertung des Werkes insgesamt in Frage (vgl. hierzu
auch BGH, Beschluss vom 19. April 2012 - I ZB 80/11, BGHZ 195, 257 Rn. 23
- Alles kann besser werden). Demgegenüber tritt das Interesse des Rechtsin-
habers an der Verhinderung einer fortgesetzten unlizenzierten Nutzung in den
Hintergrund.
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cc) Das Gefährdungspotential, welches dem Bereitstellen eines Werkes
in einer Internettauschbörse innewohnt, ist mit Blick auf das konkrete Streitver-
hältnis zu bestimmen. Für generalpräventive Erwägungen, mit denen Dritte von
Rechtsverletzungen abgeschreckt werden sollen, ist bei der Bewertung eines
zivilrechtlichen Unterlassungsanspruchs kein Raum (OLG Schleswig, GRUR-
RR 2010, 126; OLG Celle, GRUR-RR 2012, 270; OLG Brandenburg, NJW-RR
2014, 227, 230; OLG Hamm, NJW-RR 2014, 229; Teplitzky/Feddersen aaO
Kap. 49 Rn. 14a; aA J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG
Rn. 51).
dd) Anhaltspunkte für die Bewertung des Unterlassungsanspruchs las-
sen sich der Qualität und Intensität der bereits erfolgten Verletzungshandlung
entnehmen (BGH, GRUR 2014, 206 Rn. 16 - Einkaufskühltasche). Als für die
Bemessung des Gegenstandswertes heranzuziehende Kriterien kommen da-
nach beispielsweise Dauer und Häufigkeit der dem Unterlassungsschuldner
zuzurechnenden Downloadangebote sowie die Anzahl der zum Herunterladen
bereitgehaltenen Werke in Betracht. Darüber hinaus können - soweit feststell-
bar - auch subjektive Umstände auf Seiten des Verletzers in den Blick zu neh-
men sein.
ee) Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beklagten können nicht zu ei-
ner Minderung des für die Kosten der Abmahnung anzusetzenden Gegen-
standswertes führen. Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG in der bis zum
8. Oktober 2013 geltenden Fassung, nach der es bei der Bemessung des
Streitwertes für Unterlassungsansprüche wertmindernd zu berücksichtigen ist,
wenn die Belastung einer der Parteien mit den Prozesskosten nach dem vollen
Streitwert angesichts ihrer Vermögens- und Einkommensverhältnisse nicht
tragbar erscheint, ist auf urheberrechtliche Abmahnungen nicht entsprechend
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anwendbar (BGH, GRUR 2016, 176 Rn. 81 - Tauschbörse I; GRUR 2016, 184
Rn. 74 - Tauschbörse II).
e) Im Streitfall fehlt es an vom Berufungsgericht festgestellten greifbaren
Anhaltspunkten dafür, dass den in die Bemessung des Gegenstandswertes
einzubeziehenden Faktoren durch eine Verdoppelung der fiktiven Lizenzgebühr
hinreichend Rechnung getragen wäre. Die Ausführungen des Berufungsge-
richts lassen zudem nicht erkennen, dass es bei der Ausübung seines Ermes-
sens die weiteren, im vorliegenden Einzelfall relevanten Kriterien berücksichtigt
hat.
4. Eine Bestimmung des Gegenstandswertes der Abmahnung, die den
vorgenannten Bemessungskriterien Rechnung trägt, ist im Streitfall auch nicht
deshalb entbehrlich, weil der Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gemäß
§ 97a Abs. 2 UrhG in der bis zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung auf
100
€ beschränkt wäre, mit der Folge, dass der Klägerin jedenfalls kein höherer
Aufwendungsersatz zugesprochen werden könnte, als ihn das Berufungsgericht
der Klägerin bereits zuerkannt hat.
a) Nach § 97a Abs. 2 UrhG aF beschränkt sich der Ersatz der erforderli-
chen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für
die erstmalige Abmahnung in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerhebli-
chen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 €. Ein
Eingreifen dieser Ausnahmeregelung, deren Voraussetzungen der Unterlas-
sungsschuldner darzulegen und - soweit erforderlich - zu beweisen hat (BGH,
GRUR 2016, 1275 Rn. 48 - Tannöd), setzt neben einer erstmaligen Abmahnung
und einer außerhalb des geschäftlichen Verkehrs geschehenen Rechtsverlet-
zung einen einfach gelagerten Streitfall und eine nur unerhebliche Rechtsver-
letzung voraus. Davon, dass diese Voraussetzungen im Streitfall vorliegen,
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kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen
nicht ausgegangen werden.
b) Ein Streitfall ist einfach gelagert, wenn er nach Art und Umfang ohne
größeren Arbeitsaufwand zu bearbeiten ist, also zur Routine gehört (vgl. die
Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der
Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums, BT-Drucks. 16/5048,
S. 49; Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 16). Für die Einord-
nung einer Rechtssache als einfach kommt es darauf an, wie leicht ein Sach-
verhalt in tatsächlicher Hinsicht aufzuklären ist und wie leicht die aufgeworfenen
Rechtsfragen zu beantworten sind. Von einem einfach gelagerten Streitfall ist
daher auszugehen, wenn der Sachverhalt überschaubar, im Wesentlichen un-
streitig oder ohne aufwendige Beweiserhebung und -würdigung zu klären ist,
und wenn die sich stellenden Rechtsfragen ohne vertiefte Auseinandersetzung
mit Rechtsprechung und Literatur zu beantworten sind (vgl. zu § 97a UrhG aF
HK-UrhR/Meckel, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 6; zu § 12 Abs. 4 UrhG in der bis
zum 8. Oktober 2013 geltenden Fassung Büscher in Fezer/Büscher, UWG,
2. Aufl., § 12 Rn. 208; Köhler in Köhler/Bornkamm, UWG, 31. Aufl., § 12
Rn. 5.22).
Aus dem Umstand, dass eine Rechtsverletzung häufig geschieht und
daher von den Rechteinhabern auch routinemäßig verfolgt wird, kann für sich
genommen nicht auf einen einfach gelagerten Streitfall geschlossen werden
(Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 35; aA
Faustmann/Ramsperger, MMR 2010, 662, 664). Vielmehr ist die Frage nach
der Haftung des Anschlussinhabers für Urheberrechtsverletzungen grundsätz-
lich geeignet, sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht Schwierig-
keiten aufzuwerfen (J. B. Nordemann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG
Rn. 34; Ewert/v. Hartz, MMR 2009, 84, 87). Ob die Verfolgung einer Urheber-
rechtsverletzung, die sich durch die Teilnahme an einer Tauschbörse auszeich-
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net, nach diesen Maßstäben gleichwohl im Einzelfall als einfach gelagert gelten
kann, braucht im Streitfall jedoch nicht entschieden werden.
c) Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Feststellun-
gen kann nicht angenommen werden, dass die hier in Rede stehende Rechts-
verletzung unerheblich ist. Das Angebot eines urheberrechtlich geschützten
Werkes zum Herunterladen über eine Internettauschbörse stellt regelmäßig
keine nur unerhebliche Rechtsverletzung im Sinne von § 97a Abs. 2 UrhG aF
dar (vgl. BGH, GRUR 2016, 1275 Rn. 51 - Tannöd). Dass im vorliegenden Fall
aufgrund besonderer Umstände von dieser Regel eine Ausnahme zu machen
wäre, ist nicht ersichtlich.
aa) Nach der Begründung zum Regierungsentwurf des Gesetzes zur
Verbesserung der Durchsetzung von Rechten des geistigen Eigentums (BT-
Drucks. 16/5048, S. 49) ist das Erfordernis einer unerheblichen Rechtsverlet-
zung nur bei einem Eingriff in das verletzte Schutzrecht erfüllt, dem nach den
Umständen des Einzelfalles ein in qualitativer und quantitativer Hinsicht ledig-
lich geringes Ausmaß beizumessen ist. Solche Bagatellverstöße sind etwa die
öffentliche Zugänglichmachung eines Stadtplanausschnitts oder eines Liedtex-
tes auf einer privaten Homepage oder die Verwendung eines Lichtbildes zur
Illustration eines privaten Angebots bei einer Internetversteigerung (vgl. Be-
schlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses zum Regierungsent-
wurf, BT-Drucks. 16/8783, S. 50). Von einer unerheblichen Rechtsverletzung ist
nur auszugehen, wenn sich die Verletzungshandlung auf einen nach Art und
Ausmaß geringfügigen Eingriff in die Rechte des Abmahnenden beschränkt
(Kefferpütz in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 97a UrhG Rn. 36).
bb) Diese Voraussetzungen sind bei dem Anbieten urheberrechtlich ge-
schützter Gegenstände zum Herunterladen über eine Internettauschbörse re-
gelmäßig nicht erfüllt (Dreier in Dreier/Schulze, UrhG, 4. Aufl., § 97a Rn. 16;
Wild in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 4. Aufl., § 97a UrhG Rn. 34;
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BeckOK UrhR/Reber, Stand: 1. März 2013, § 97a UrhG Rn. 23; J. B. Norde-
mann in Fromm/Nordemann aaO § 97a UrhG Rn. 3a).
Das Anbieten urheberrechtlich geschützter Werke zum Herunterladen
über eine Internettauschbörse ist grundsätzlich geeignet, die geschützten Rech-
te und wirtschaftlichen Interessen des Rechteinhabers erheblich zu beeinträch-
tigen. Dies gilt selbst dann, wenn die einzelne Rechtsverletzung für sich ge-
nommen kein beträchtliches Ausmaß erreicht (BGHZ 195, 257 Rn. 23 - Alles
kann besser werden). Vor diesem Hintergrund können auch an das Vorliegen
eines nur unerheblichen Eingriffs in die urheberrechtlich geschützte Rechtsposi-
tion im Einzelfall keine zu geringen Anforderungen gestellt werden. Die Annah-
me einer unerheblichen Rechtsverletzung gemäß § 97a Abs. 2 UrhG aF kommt
hiernach allenfalls in Betracht, wenn die Rechtsverletzung im Hinblick auf Art
und Anzahl der zum Herunterladen bereitgehaltenen Werke und die Dauer und
Häufigkeit des im konkreten Fall in Rede stehenden Downloadangebotes von
verhältnismäßig geringem Ausmaß ist.
Das Bereithalten eines erst vor kurzer Zeit erschienenen Computerspiels
zum Herunterladen stellt keine unerhebliche Rechtsverletzung dar (vgl. OLG
Frankfurt, WRP 2014, 1232, 1234; LG Berlin, MMR 2011, 401; LG Köln, ZUM
2011, 350, 352; Urteil vom 12. Februar 2014 - 308 O 227/13, juris und Be-
schluss vom 28. April 2014 - 308 O 83/14, juris; LG Frankfurt, GRUR-RR 2015,
431, 436; LG Köln, ZUM-RD 2010, 479, 481 und ZUM 2012, 350, 352; AG
Hamburg, ZUM-RD 2011, 565, 567; AG München, Urteil vom 7. März 2014
- 158 C 15658/13, juris).
Der Umstand, dass sich der Gesetzgeber entschlossen hat, die in § 97a
Abs. 2 UrhG aF vorgesehene Begrenzung des Anspruches auf Erstattung der
Kosten der Abmahnung mit Wirkung zum 9. Oktober 2013 durch die in § 97a
Abs. 3 Satz 2 UrhG niedergelegte Regelung zu ersetzen, nach der sich der Er-
satz der erforderlichen Aufwendungen unter bestimmten Voraussetzungen auf
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Gebühren nach einem Gegenstandswert für den Unterlassungs- und Beseiti-
gungsanspruch von 1.000 € beschränkt, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Vielmehr hat der Gesetzgeber mit dieser Regelung bewusst davon abgesehen,
die von ihm beabsichtigte Reduzierung der Belastung mit den Kosten einer
Abmahnung bei Urheberrechtsverletzungen, die dem privaten Nutzerverhalten
zugerechnet werden können, weiterhin an das Vorliegen einer nur "unerhebli-
chen Rechtsverletzung" zu knüpfen (vgl. die Begründung zum Regierungsent-
wurf eines Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken, BR-Drucks. 219/13,
S. 13). Die hiermit etwa einhergehende Erweiterung des Anwendungsbereichs
der Regelungen über die Begrenzung des Erstattungsanspruches kann danach
nicht vor dem Inkrafttreten der Neuregelung greifen.
III. Hiernach ist das Berufungsurteil auf die Revision der Klägerin inso-
weit aufzuheben, als das Berufungsgericht die Klage abgewiesen hat (§ 562
Abs. 1 ZPO). Da die Ausübung des dem Gericht bei der Prüfung der Angemes-
senheit des vom Anspruchsteller angesetzten Gegenstandswertes der Abmah-
nung eingeräumten Ermessens grundsätzlich dem Tatrichter obliegt und das
Berufungsgericht keine abschließenden Feststellungen zu allen in die Würdi-
gung einzubeziehenden Umständen des Einzelfalles getroffen hat, ist der
Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif (§ 563 Abs. 3 ZPO). Die Sache ist
daher im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung
- auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückzuverwei-
sen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Für das weitere Verfahren wird auf Folgendes hingewiesen:
Bei der Bestimmung des angemessenen Gegenstandswertes des Unter-
lassungsanspruchs ist einerseits dem Wert des verletzten Schutzrechts ange-
messen Rechnung zu tragen, wobei das Angebot zum Herunterladen eines
Spielfilms, eines Computerprogramms oder eines vollständigen Musikalbums
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regelmäßig einen höheren Gegenstandswert rechtfertigen wird, als er etwa für
das Angebot nur eines Musiktitels anzusetzen ist (vgl. BGH, GRUR 2016, 184
Rn. 73 - Tauschbörse II). Weiter ist die Aktualität und Popularität des Werkes
und der Umfang der vom Rechtsinhaber bereits vorgenommenen Auswertung
zu berücksichtigen. Wird ein durchschnittlich erfolgreiches Computerspiel nicht
allzu lange nach seinem Erscheinungstermin öffentlich zugänglich gemacht, so
ist regelmäßig ein Gegenstandswert des Unterlassungsanspruchs von nicht
unter 15
.000 € angemessen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2016 - I ZR 43/15,
K&R 2017, 45 Rn. 48). Liegen besondere Umstände vor (z.B. eine in erhebli-
chen Verkaufszahlen zum Ausdruck kommende besondere Popularität), kann
auch ein höherer Gegenstandswert anzunehmen sein (vgl. BGH, GRUR 2016,
1275 Rn. 59 - Tannöd).
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Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen dieses Versäumnisurteil steht der säumigen Partei der Einspruch zu.
Dieser ist von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt bin-
nen einer Notfrist von zwei Wochen ab Zustellung des Versäumnisurteils bei
dem Bundesgerichtshof, Karlsruhe, durch Einreichung einer Einspruchsschrift
einzulegen.
Büscher
Koch
Löffler
Schwonke
Feddersen
Vorinstanzen:
AG Bochum, Entscheidung vom 23.09.2014 - 65 C 541/14 -
LG Bochum, Entscheidung vom 26.03.2015 - I-8 S 26/14 -