Urteil des BGH vom 13.09.2018

Prozessfinanzierer Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2018:130918UIZR26.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
I ZR 26/17
Verkündet am:
13. September 2018
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
Prozessfinanzierer
UWG § 8 Abs. 3 Nr. 3, § 10; BGB § 242 Cd
Die Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, die von einem ge-
werblichen Prozessfinanzierer finanziert wird, dem eine Vergütung in Form ei-
nes Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird, widerspricht dem Verbot
unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB und ist unzulässig.
BGH, Urteil vom 13. September 2018 - I ZR 26/17 - OLG Düsseldorf
LG Düsseldorf
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 28. Juni 2018 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert,
Prof. Dr. Kirchhoff, Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Schlussurteil des
20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. Februar
2017 aufgehoben.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Teil-Urteil der 12. Zivil-
kammer des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2015
abgeändert.
Die Klage wird als unzulässig abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger ist als gemeinnütziger Verbraucherschutzverein in die Liste
qualifizierter Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Zu seinen satzungs-
mäßigen Aufgaben gehört es, Verbraucherinteressen wahrzunehmen und den
Verbraucherschutz zu fördern. Die Beklagte ist ein Telekommunikationsunter-
nehmen, das unter anderem Telefon- und Internetzugangsdienstleistungen an
Verbraucherinnen und Verbraucher erbringt.
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Die Beklagte hat ihren Kunden seit 2012 bei der Abwicklung von Telefon-
und DSL-Verträgen für Rücklastschriften einen Betrag in Höhe von 13
€ und für
Mahnungen einen Betrag in Höhe von 9
€ in Rechnung gestellt. Der Kläger ist
der Ansicht, die in Rechnung gestellten Beträge seien überhöht gewesen; die
Beklagte habe daher vorsätzlich eine unlautere geschäftliche Handlung vorge-
nommen und hierdurch zu Lasten einer Vielzahl von Abnehmern einen Gewinn
erzielt.
Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Stufenklage nach § 10 UWG
auf Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt in Anspruch. Auf der ers-
ten Stufe seiner Klage erstrebt er die Verurteilung der Beklagten zur Aus-
kunftserteilung über die seit dem 29. Januar 2013 durch die Vereinnahmung der
Pauschalen - hilfsweise durch die erhobenen und nicht zurückgezahlten Pau-
schalen - erzielten Gewinne.
Der Kläger hat zur Finanzierung des Prozesses einen Prozessfinanzierer
eingeschaltet, der ihn im Unterliegensfall von Kosten freistellen und im Obsie-
gensfall am abgeschöpften Gewinn beteiligt werden soll. Das Bundesamt für
Justiz hat mit Schreiben vom 27. Januar 2015 dem zwischen dem Kläger und
dem Prozessfinanzierer geschlossenen Vertrag zugestimmt. Es hat mitgeteilt,
hinsichtlich der Kosten für die Inanspruchnahme des gewerblichen Prozessfi-
nanzierers zu den Bedingungen des vorgelegten Vertragsangebots, insbeson-
dere hinsichtlich der Kostenerstattung und Erlösbeteiligung, nicht den Einwand
zu erheben, bei diesen Kosten handele es sich nicht um für die Geltendma-
chung des Anspruchs erforderliche Aufwendungen im Sinne von § 10 Abs. 4
Satz 2 UWG.
Das Landgericht hat der Klage durch Teilurteil in der Auskunftsstufe un-
ter Abweisung des Hauptantrags nach dem Hilfsantrag stattgegeben. Die Beru-
fung der Beklagten ist ohne Erfolg geblieben; auf die Berufung des Klägers hat
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das Berufungsgericht die Beklagte nach dem Hauptantrag verurteilt (OLG Düs-
seldorf, GRUR-RR 2017, 331).
Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision, deren Zurück-
weisung der Kläger beantragt, verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageab-
weisung weiter.
Entscheidungsgründe:
A. Das Berufungsgericht hat die Auskunftsklage nach dem Hauptantrag
für zulässig und begründet erachtet. Dazu hat es ausgeführt:
Der Kläger sei nach Maßgabe des Unterlassungsklagengesetzes aktivle-
gitimiert; begründete Zweifel am Fortbestehen der Eintragungsvoraussetzungen
lägen nicht vor. Der Zulässigkeit der Klage stehe nicht entgegen, dass der Klä-
ger die Kosten des Verfahrens über einen Prozessfinanzierer aufbringe und an
diesen im Falle des Obsiegens einen Teil des an sich dem Bundeshaushalt zu-
stehenden Gewinns abführe. Ohne Einschaltung eines Prozessfinanzierers
könne keine der zu Klagen dieser Art berechtigten Einrichtungen Gewinnab-
schöpfungsprozesse finanzieren. Von einem sachfremden Motiv der Einnah-
meerzielung sei nicht auszugehen, solange gewährleistet sei, dass Gläubiger
und Prozesskostenfinanzierer weder personell noch finanziell verflochten seien,
und der an den Prozessfinanzierer abzuführende Gewinnanteil das übliche Maß
nicht übersteige. Das sei dadurch gesichert, dass das Bundesamt für Justiz
dem Prozessfinanzierungsvertrag zugestimmt habe. Würde dem Kläger die
Einschaltung eines Prozessfinanzierers untersagt, wäre dies ein nicht gerecht-
fertigter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit. Die Zustimmung des Bundes-
amtes sei nicht wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig; sie
stelle einen Verwaltungsakt dar, der nicht nichtig sei. Auch im Übrigen liege
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kein rechtsmissbräuchliches Vorgehen vor. Dass der Klägervertreter Mitglied
des Klägers sei, sei unschädlich. Das Auskunftsbegehren sei nach den Grund-
sätzen von Treu und Glauben begründet. Die Voraussetzungen des Gewinnab-
schöpfungsanspruchs seien gegeben.
B. Die gegen diese Beurteilung gerichtete Revision der Beklagten hat Er-
folg. Die Revision ist zulässig (dazu B I). Sie ist auch begründet, weil die Klage
unzulässig ist. Der Kläger ist zwar klagebefugt (dazu B II), seine Klage aber
rechtsmissbräuchlich (dazu B III).
I. Die Revision ist uneingeschränkt zulässig und nicht auf Fragen der Zu-
lässigkeit der Klage beschränkt. Der Entscheidungssatz des Berufungsurteils
enthält keine Beschränkung der Revisionszulassung. Eine solche Beschrän-
kung ergibt sich auch nicht aus den Entscheidungsgründen. Das Berufungsge-
richt hat dort zwar ausgeführt, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeu-
tung zuzulassen, weil die Frage, ob die Einschaltung eines Prozessfinanzierers
eine Klage gemäß § 10 UWG rechtsmissbräuchlich mache, eine Rechtsfrage
von besonderem Gewicht für die beteiligten Verkehrskreise sei. Damit ist indes
lediglich der Grund für die Zulassung der Revision genannt. Das genügt nicht,
um mit der notwendigen Sicherheit von einer nur beschränkten Zulassung des
Rechtsmittels auszugehen. Der Grundsatz der Rechtsmittelklarheit gebietet es,
dass für die Parteien zweifelsfrei erkennbar ist, welches Rechtsmittel für sie in
Betracht kommt und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist (BGH, Ur-
teil vom 1. Februar 2018 - I ZR 82/17, GRUR 2018, 627 Rn. 9 = WRP 2018,
827 - Gefäßgerüst, mwN).
II. Mit Recht hat das Berufungsgericht angenommen, der Kläger sei als
qualifizierte Einrichtung im Sinne des Unterlassungsklagengesetzes nach § 8
Abs. 3 Nr. 3 UWG für einen Gewinnabschöpfungsprozess klagebefugt.
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1. Ansprüche auf Gewinnabschöpfung können nach § 10 Abs. 1 UWG
nur von den nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG zur Geltendmachung eines Unter-
lassungsanspruchs Berechtigten erhoben werden. Die Bestimmungen des § 8
Abs. 3 Nr. 2 und 3 UWG regeln nicht nur die sachlich-rechtliche Anspruchsbe-
rechtigung, sondern auch die prozessuale Klagebefugnis, die als Sachurteils-
voraussetzung im Revisionsverfahren fortbestehen muss. Die Frage, ob die
Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 Nr. 2 oder 3 UWG erfüllt sind, ist deshalb vom
Revisionsgericht ohne Bindung an die vom Berufungsgericht getroffenen tat-
sächlichen Feststellungen zu prüfen (BGH, Urteil vom 1. März 2007
- I ZR 51/04, GRUR 2007, 809 Rn. 12 = WRP 2007, 1088 - Krankenhauswer-
bung; Urteil vom 22. September 2011 - I ZR 229/10, GRUR 2012, 415 Rn. 10 =
WRP 2012, 467 - Überregionale Klagebefugnis; Urteil vom 7. Mai 2015
- I ZR 158/14, GRUR 2015, 1240 Rn. 13 = WRP 2015, 1464 - Der Zauber des
Nordens).
2. Nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG sind qualifizierte Einrichtungen, die nach-
weisen, dass sie in der Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKlaG
eingetragen sind, anspruchsberechtigt und klagebefugt. Das Berufungsgericht
hat festgestellt, dass der Kläger in dieser Liste eingetragen ist. Das stellt auch
die Revision nicht in Abrede.
3. Gemäß § 4 Abs. 4 UKlaG kann das Gericht das Bundesamt für Justiz
zur Überprüfung der Eintragung auffordern und die Verhandlung bis zu dessen
Entscheidung aussetzen, wenn sich in einem Rechtsstreit begründete Zweifel
am Fortbestehen der Eintragungsvoraussetzungen ergeben. Derartige Zweifel
bestehen im Streitfall nicht.
a) Der Einwand der Revision, die Eintragungsvoraussetzungen lägen
nicht vor, weil der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts keine
ausreichenden finanziellen Mittel habe, um die Kosten des vorliegenden Pro-
zesses zu tragen, greift nicht durch. Entgegen der Ansicht der Revision setzt
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die Eintragung qualifizierter Einrichtungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG nicht vor-
aus, dass sie die Kosten eines Gewinnabschöpfungsprozesses aus eigenem
Vermögen aufbringen können.
aa) Die Bestimmung des § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG dient der Umsetzung der
Richtlinie 2009/22/EG über Unterlassungsklagen zum Schutz der Verbraucher-
interessen (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG,
36. Aufl., § 8 Rn. 3.52). Das Ziel der Richtlinie besteht im Schutz der Kollektivin-
teressen der Verbraucher durch zu ihrem Schutz berufene öffentliche Stellen
(vgl. Erwägungsgrund 10 sowie Art. 1, 2 und 3 der Richtlinie 2009/22/EG; BGH,
Urteil vom 14. Dezember 2017 - I ZR 184/15, GRUR 2018, 423 Rn. 51 = WRP
2018, 434 - Klauselersetzung). Qualifizierte Einrichtung ist nach Art. 3 der
Richtlinie 2009/22/EG jede Stelle oder Organisation, die nach dem Recht eines
Mitgliedstaats ordnungsgemäß errichtet wurde und ein berechtigtes Interesse
daran hat, die Einhaltung der in Art. 1 der Richtlinie 2009/22/EG genannten Be-
dingungen sicherzustellen. Mindestvorgaben für die finanzielle Ausstattung
stellt die Richtlinie nicht auf.
bb) Voraussetzung für die Aufnahme eines Verbrauchervereins in die
Liste der qualifizierten Einrichtungen ist nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 UKlaG,
dass auf Grund seiner bisherigen Tätigkeit gesichert erscheint, dass er seine
satzungsmäßigen Aufgaben auch künftig dauerhaft wirksam und sachgerecht
erfüllen wird. Der Verband muss dafür über eine hinreichende finanzielle, sach-
liche und personelle Ausstattung verfügen (vgl. Köhler/Feddersen in Köhler/
Bornkamm/Feddersen aaO § 8 Rn. 3.57; MünchKomm.ZPO/Micklitz/Rott,
5. Aufl., UKlaG § 4 Rn. 17; vgl. auch BT-Drucks. 18/4631, S. 25). Die Frage, ob
die Voraussetzungen einer Eintragung nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG vorliegen,
ist in erster Linie mit Blick auf die den qualifizierten Einrichtungen nach diesem
Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu beurteilen. In die Liste der qualifizierten
Einrichtungen werden nach § 4 Abs. 2 Satz 1 UKlaG auf Antrag rechtsfähige
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Verbände eingetragen, zu deren satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, Inter-
essen der Verbraucher durch nicht gewerbsmäßige Aufklärung und Beratung
wahrzunehmen. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG stehen qualifizierten Ein-
richtungen die in den §§ 1 bis 2 UKlaG bezeichneten Ansprüche auf Unterlas-
sung, Widerruf und Beseitigung zu. Es gibt keinen Anhaltspunkt dafür, dass die
finanzielle Ausstattung des Klägers zur Erfüllung dieser Aufgaben nicht aus-
reicht. Gewinnabschöpfungsklagen nach § 10 UWG gehören nicht zu den Auf-
gaben, die Verbrauchervereinen nach dem Unterlassungsklagengesetz zuge-
wiesen sind. Dass der Kläger keine ausreichende finanzielle Ausstattung für
eine Gewinnabschöpfungsklage haben mag, begründet deshalb keine Zweifel
am Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen.
b) Hinzu kommt, dass nach den unbeanstandeten Feststellungen des
Berufungsgerichts das Bundesamt für Justiz nach Einleitung des vorliegenden
Verfahrens geprüft hat, ob der Kläger weiterhin die Eintragungsvoraussetzun-
gen erfüllt. Bei dieser Prüfung war dem Bundesamt bekannt, dass der Kläger
über keine ausreichenden finanziellen Mittel verfügt, um die Kosten des vorlie-
genden Prozesses selber zu tragen, und deshalb einen Prozessfinanzierer ein-
geschaltet hat. Gleichwohl hat das Bundesamt angenommen, dass der Kläger
die Eintragungsvoraussetzungen erfüllt. Die Revision hat nicht dargelegt, dass
ein neuer Anlass zur Überprüfung der Eintragungsvoraussetzungen besteht.
4. Das mit der vorliegenden Klage verfolgte Ziel steht mit den satzungs-
mäßigen Aufgaben des Klägers in Einklang.
a) Die Klagebefugnis des Klägers folgt nicht schon daraus, dass dieser in
die Liste qualifizierter Einrichtungen eingetragen ist. Die Notwendigkeit der Prü-
fung, ob die Prozessführung im konkreten Einzelfall vom Satzungszweck des
klagenden Verbandes umfasst ist, bleibt davon unberührt (BGH, GRUR 2012,
415 Rn. 11 - Überregionale Klagebefugnis, mwN).
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b) Das Führen eines Gewinnabschöpfungsprozesses ist vom Satzungs-
zweck des Klägers umfasst.
Zu den Aufgaben des Klägers gehört es nach § 3 Abs. 1 Satz 1 seiner
Satzung, Verbraucherinteressen wahrzunehmen und den Verbraucherschutz zu
fördern, die Stellung des Verbrauchers in der sozialen Marktwirtschaft zu stär-
ken und zur Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Der
Verein wird nach § 3 Abs. 1 Satz 2 seiner Satzung im gesamten Bundesgebiet
insbesondere dort tätig, wo rechtswidrige unternehmerische Praktiken die
Rechte einer Vielzahl von Verbrauchern verletzen können, der einzelne Ver-
braucher aber üblicherweise aus tatsächlichen oder wirtschaftlichen Gründen
nicht wirksam gegen die Verletzung seiner Rechte vorgehen kann beziehungs-
weise will oder aber eine Bündelung der Verbraucherinteressen zu deren
Durchsetzung sonst geboten ist. Dabei befasst sich der Kläger nach § 3 Abs. 1
Satz 3 seiner Satzung unter anderem mit Problemen, die aus der Verwendung
von Allgemeinen Geschäftsbedingungen resultieren. Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1
Nr. 4 seiner Satzung strebt der Kläger die Erreichung des Vereinszwecks ins-
besondere dadurch an, dass er Wettbewerbsverstöße und Verstöße gegen das
Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen durch geeignete Maßnahmen
unterbindet, erforderlichenfalls auch durch die Einleitung und Durchführung ge-
richtlicher Verfahren.
Aus § 3 Abs. 1 Satz 2 der Satzung ergibt sich zweifelsfrei, dass der Klä-
ger bei Rechtsverletzungen tätig wird, die Gewinnabschöpfungsansprüche be-
gründen; die Formulierung ist an die Gesetzesbegründung zu § 10 UWG ange-
lehnt (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes gegen den un-
lauteren Wettbewerb, BT-Drucks. 15/1487, S. 23). In § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der
Satzung sind Wettbewerbsverstöße und Verstöße gegen das Recht der Allge-
meinen Geschäftsbedingungen explizit genannt. Dass ausdrücklich nur von ei-
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ner Durchführung gerichtlicher Verfahren zum Unterbinden solcher Verstöße
und nicht von Gewinnabschöpfungsverfahren die Rede ist, ist unschädlich.
III. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, der Zulässigkeit der Klage
stehe der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht entgegen, hält einer rechtli-
chen Nachprüfung nicht stand. Der Annahme eines Rechtsmissbrauchs steht
allerdings nicht entgegen, dass das Bundesamt für Justiz dem Prozessfinanzie-
rungsvertrag zugestimmt hat (dazu B III 1). Die Beurteilung, ob eine Gewinnab-
schöpfungsklage gemäß § 10 Abs. 1 UWG rechtsmissbräuchlich ist, richtet sich
nicht nach § 8 Abs. 4 UWG, sondern nach § 242 BGB (dazu B III 2). Danach ist
die Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, die von einem ge-
werblichen Prozessfinanzierer finanziert wird, der im Falle des Obsiegens einen
Anteil am abgeschöpften Gewinn erhalten soll, aber rechtsmissbräuchlich und
damit unzulässig (dazu B III 3).
1. Eine rechtsmissbräuchliche Klageerhebung ist nicht bereits aufgrund
des Schreibens des Bundesamts für Justiz vom 27. Januar 2015 ausgeschlos-
sen. Dem Zivilgericht ist durch dieses Schreiben nicht die eigenständige Prü-
fung der Frage verwehrt, ob in der Klageerhebung ein Verstoß gegen Treu und
Glauben liegt.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, es sei nicht rechtsmiss-
bräuchlich, dass der Gläubiger die Prozesskosten einer Gewinnabschöpfungs-
klage über einen Prozessfinanzierer aufbringe, solange gewährleistet sei, dass
Gläubiger und Prozessfinanzierer weder personell noch finanziell verflochten
seien, und der an den Prozessfinanzierer im Falle des Obsiegens abzuführende
Gewinnanteil das Maß des in solchen Fällen Üblichen nicht übersteige. Der
Umstand, dass der Prozessfinanzierungsvertrag dem Bundesamt für Justiz vor-
gelegen und dieses ihm zugestimmt habe, gewährleiste, dass diese Vorausset-
zungen erfüllt seien. Das Bundesamt für Justiz sei bei Erteilung der Zustim-
mung als "mittelbewirtschaftende Stelle" aufgetreten und habe für die Staats-
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kasse darauf verzichtet, den Einwand zu erheben, die mit der Prozessfinanzie-
rung verbundenen Kosten seien für die Geltendmachung des Anspruchs nicht
erforderlich gewesen. Bei dieser Zustimmung handele es sich um einen wirk-
samen Verwaltungsakt. Mit dieser Begründung kann eine rechtsmissbräuchli-
che Klageerhebung nicht verneint werden.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats scheidet der Tatbestand eines
Wettbewerbsverstoßes aus, wenn die zuständige Verwaltungsbehörde einen
wirksamen Verwaltungsakt erlassen hat, der das beanstandete Marktverhalten
ausdrücklich erlaubt (zu § 3a UWG [§ 4 Nr. 11 UWG aF] vgl. BGH, Urteil vom
23. Juni 2005 - I ZR 194/02, BGHZ 163, 265, 269 [juris Rn. 17] - Atemtest I;
Urteil vom 24. September 2013 - I ZR 73/12, GRUR 2014, 405 Rn. 10 = WRP
2014, 429 - Atemtest II; Urteil vom 30. April 2015 - I ZR 13/14, GRUR 2015,
1228 Rn. 31 = WRP 2015, 1468 - Tagesschau-App; Urteil vom 7. Mai 2015
- I ZR 29/14, GRUR 2015, 1244 Rn. 19 = WRP 2016, 44 - Äquipotenzangabe in
Fachinformation; Urteil vom 2. Dezember 2015 - I ZR 239/14, GRUR 2016, 702
Rn. 24 bis 27 = WRP 2016, 874 - Eligard). Solange ein solcher Verwaltungsakt
nicht durch die zuständige Behörde oder durch ein Verwaltungsgericht aufge-
hoben worden ist oder nichtig ist, ist die Zulässigkeit des beanstandeten Verhal-
tens einer Nachprüfung durch die Zivilgerichte entzogen (sogenannte Tatbe-
standswirkung des Verwaltungsakts, vgl. BGH, GRUR 2015, 1228 Rn. 33 - Ta-
gesschau-App, mwN). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
c) Es kann offenbleiben, ob das Schreiben des Bundesamtes für Justiz
vom 27. Januar 2015 einen Verwaltungsakt darstellt und dieser wirksam ist.
Selbst wenn dieses Schreiben als Verwaltungsakt zu werten wäre, stünde damit
nicht mit bindender Wirkung für den vorliegenden Rechtsstreit fest, dass die
Einschaltung eines Prozessfinanzierers auf Seiten des Klägers zulässig und die
Klageerhebung mithin nicht wegen Rechtsmissbrauchs unzulässig ist.
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aa) Die Reichweite der Tatbestandswirkung eines Verwaltungsakts wird
durch seinen Regelungsgehalt bestimmt, der in entsprechender Anwendung der
§§ 133, 157 BGB nach den Grundsätzen zu bestimmen ist, die auch für die
Auslegung von Willenserklärungen gelten (vgl. BGH, GRUR 2015, 1228 Rn. 35
- Tagesschau-App, mwN; GRUR 2016, 702 Rn. 25 - Eligard; BVerwGE 126,
254 Rn. 78). Danach ist der erklärte Wille der Behörde maßgebend, wie ihn der
Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (vgl. BGH, Urteil vom
14. Juni 2007 - I ZR 125/04, WRP 2007, 1359 Rn. 16; BGH, GRUR 2015, 1228
Rn. 35 - Tagesschau-App; GRUR 2016, 702 Rn. 25 - Eligard). Bei der Ermitt-
lung dieses objektiven Erklärungswerts ist in erster Linie auf den Entschei-
dungssatz und die Begründung des Verwaltungsakts abzustellen; darüber hin-
aus ist das materielle Recht, auf dem der Verwaltungsakt beruht, heranzuzie-
hen (BGH, GRUR 2015, 1228 Rn. 35 - Tagesschau-App; GRUR 2016, 702
Rn. 25 - Eligard; BVerwGE 126, 254 Rn. 78). Ein Verwaltungsakt ist vom Revi-
sionsgericht selbständig auszulegen (BGH, GRUR 2015, 1228 Rn. 35 - Tages-
schau-App).
bb) Der Regelungsgehalt des Zustimmungsschreibens des Bundesamtes
für Justiz ist mit Blick auf die Bestimmungen des § 10 Abs. 4 UWG zu ermitteln.
Diese Vorschrift weist dem Bundesamt für Justiz als der im Sinne dieser Be-
stimmung zuständigen Stelle des Bundes (§ 10 Abs. 5 UWG) keine Prüfungs-
oder Regelungskompetenz hinsichtlich der Prozessführung durch den Gläubi-
ger eines Gewinnabschöpfungsanspruchs zu.
(1) Nach § 10 Abs. 4 Satz 1 UWG haben die Gläubiger der zuständigen
Stelle des Bundes über die Geltendmachung von Gewinnabschöpfungsansprü-
chen Auskunft zu erteilen. Durch die Auskunftspflicht soll die Abwicklung zwi-
schen der zuständigen Stelle des Bundes und den zur Geltendmachung des
Gewinnabschöpfungsanspruchs Berechtigten erleichtert werden (vgl. BT-
Drucks. 15/1487 S. 25; Goldmann in Harte/Henning, UWG, 4. Aufl., § 10
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Rn. 166). Das Führen eines Gewinnabschöpfungsprozesses bedarf jedoch kei-
ner Genehmigung der zuständigen Stelle des Bundes (zur fehlenden Tatbe-
standswirkung der Notifikationsbestätigung der Europäischen Arzneimittel-
Agentur vgl. BGH, Urteil vom 30. März 2017- I ZR 263/15, GRUR 2017, 1160
Rn. 30 = WRP 2017, 1337 - Bretaris Genuair).
(2) Nach § 10 Abs. 4 Satz 2 UWG können die Gläubiger von der zustän-
digen Stelle des Bundes Erstattung der für die Geltendmachung des Anspruchs
erforderlichen Aufwendungen verlangen, soweit sie vom Schuldner keinen Aus-
gleich erlangen können. Das Bundesamt für Justiz ist zwar nach den Feststel-
lungen des Berufungsgerichts bei seiner vorab erteilten Zustimmung als "mittel-
bewirtschaftende Stelle" aufgetreten und hat nach "pflichtgemäßem Ermessen"
eigenverantwortlich entschieden, ob die Zustimmung zu einer Prozessfinanzie-
rungsvereinbarung im Hinblick auf die Aufwendungen erteilt wird. Die Regelung
des Anspruchs auf Aufwendungsersatz in § 10 Abs. 4 Satz 2 UWG und eine im
Hinblick auf diese Regelung erteilte Zustimmung des Bundesamtes für Justiz
sind für die Prozessführungsbefugnis des Klägers jedoch ohne Belang. Dem
klagenden Verband bliebe es unbenommen, den Prozess im Falle der Nichter-
teilung der begehrten Zusage gleichwohl zu führen und die Kosten der Prozess-
finanzierung selbst zu tragen oder auf anderem Wege für die Finanzierung zu
sorgen.
2. Maßgebend für die Beurteilung der Frage, ob eine Gewinnabschöp-
fungsklage nach § 10 UWG rechtsmissbräuchlich ist, ist nicht die Bestimmung
des § 8 Abs. 4 UWG in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung, son-
dern das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB.
Eine diesem Verbot widersprechende Klage ist unzulässig.
a) Nach § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG ist die Geltendmachung der in § 8 Abs. 1
UWG bezeichneten Ansprüche auf Beseitigung und Unterlassung unzulässig,
wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist,
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insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen Zuwiderhandelnde einen
Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung
entstehen zu lassen. Die Vorschrift kann auf die Geltendmachung von Gewinn-
abschöpfungsansprüchen weder direkt noch analog angewendet werden.
b) Nach der Rechtsprechung des Senats beschränkt sich der Anwen-
dungsbereich des § 8 Abs. 4 UWG auf Beseitigungs- und Unterlassungsan-
sprüche (vgl. BGH,
Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 45/11, GRUR 2012, 949
Rn. 20 = WRP 2012, 1086 - Missbräuchliche Vertragsstrafe; Goldmann in Har-
te/Henning aaO § 8 Rn. 634; Köhler/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen
aaO §
8 Rn.  4.8; Ohly in Ohly/Sosnitza, UWG, 7. Aufl., § 8 Rn. 157; Büscher in
Fezer/Büscher/Obergfell, UWG, 3. Aufl., § 8 Rn. 282; Teplitzky/Büch, Wettbe-
werbsrechtliche Ansprüche und Verfahren, 11. Aufl., Kap. 13 Rn. 43a). Auf ver-
tragliche Ansprüche, insbesondere Zahlungsansprüche, ist die Vorschrift weder
unmittelbar noch entsprechend anwendbar (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juni 2006
- I ZR 167/03, GRUR 2007, 164 Rn. 11 = WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II;
BGH, GRUR 2012, 949 Rn. 20 - Missbräuchliche Vertragsstrafe).
Eine analoge Anwendung von § 8 Abs. 4 UWG auf die Geltendmachung
von Gewinnabschöpfungsansprüchen kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl.
Nordemann, WRP 2005, 184, 189; Herzberg, Die Gewinnabschöpfung nach
§ 10 UWG, 2013, S. 397 f.; Loschelder in Festschrift Büscher, 2018, S. 513,
520; aA Ohly in Ohly/Sosnitza aaO § 10 Rn. 19; Großkomm.UWG/Poelzig,
2. Aufl., § 10 Rn. 163; MünchKomm.UWG/Micklitz, 2. Aufl., § 10 Rn. 162). Die
entsprechende Anwendung einer Vorschrift setzt eine vergleichbare Interessen-
lage und eine planwidrige Regelungslücke voraus. Hier fehlt es bereits an einer
vergleichbaren Interessenlage. Wesentliche Funktion des § 8 Abs. 4 UWG ist
es, als Korrektiv der weit gefassten Anspruchsberechtigung aus § 8 Abs. 3
UWG zu wirken (BGH, GRUR 2012, 949 Rn. 20 - Missbräuchliche Vertragsstra-
fe; BGH, Urteil vom 31. Mai 2012 - I ZR 106/10, GRUR 2013, 176 Rn. 17 =
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WRP 2013, 336 - Ferienluxuswohnung). Bei § 10 Abs. 1 UWG fehlt es an einer
vergleichbaren Gefahr der Inanspruchnahme durch mehrere Gläubiger, weil der
Kreis der Anspruchsberechtigten wesentlich stärker eingeschränkt ist. Klagebe-
fugt und anspruchsberechtigt sind allein die Verbände, Einrichtungen und
Kammern nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 bis 4 UWG, nicht aber jeder Mitbewerber (§ 8
Abs. 3 Nr. 1 UWG). Darüber hinaus wird die Gefahr einer mehrfachen Inan-
spruchnahme weiter dadurch gemindert, dass dem Bundesamt für Justiz die
Einleitung eines Prozesses gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 UWG anzuzeigen ist.
Überdies liegt keine planwidrige Regelungslücke vor. Auch für den Gewinnab-
schöpfungsanspruch gilt das allgemeine Verbot unzulässiger Rechtsausübung
nach § 242 BGB.
c) Eine gegen das Verbot unzulässiger Rechtsausübung aus § 242 BGB
verstoßende Gewinnabschöpfungsklage gemäß § 10 UWG ist unzulässig. Der
das materielle Recht beherrschende Grundsatz von Treu und Glauben gilt auch
im Verfahrensrecht (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 10. Mai 2007 - V ZB 83/06,
BGHZ 172, 218 Rn. 12; Urteil vom 16. Juni 2011 - III ZR 342/09, BGHZ 190, 99
Rn. 15; Beschluss vom 20. Mai 2014 - VI ZB 9/13, GRUR 2014, 709 Rn. 6; Zöl-
ler/Vollkommer, ZPO, 32. Aufl., Einl. 56 mwN). Er verpflichtet die Parteien zu
redlicher Prozessführung und verbietet den Missbrauch prozessualer Befugnis-
se (vgl. BGHZ 172, 218 Rn. 12 mwN). Ein Verstoß gegen § 242 BGB führt zur
Unzulässigkeit der Ausübung prozessualer Befugnisse (vgl. BGHZ 172, 218
Rn. 12 mwN; KG, GRUR-RR 2018, 78 f. [juris Rn. 28]; aA Großkomm.UWG/
Poelzig aaO § 10 Rn. 163; Loschelder in Festschrift Büscher, 2018, S. 513,
519) und ist in jeder Lage des Verfahrens - und damit auch in der Revisions-
instanz - von Amts wegen zu prüfen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2001
- I ZR 215/98, GRUR 2002, 715, 717 [juris Rn. 32] - Scanner-Werbung; Urteil
vom 11. Dezember 2014 - I ZR 113/13, GRUR 2015, 694 Rn. 15 = WRP 2015,
856 - Bezugsquellen für Bachblüten).
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- 16 -
3. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Erhebung der Klage sei nicht
rechtsmissbräuchlich und damit zulässig, hält rechtlicher Nachprüfung nicht
stand. Die Gewinnabschöpfungsklage eines Verbraucherverbands, die von ei-
nem gewerblichen Prozessfinanzierer finanziert wird, der im Falle des Obsie-
gens einen Anteil am abgeschöpften Gewinn erhalten soll, widerspricht dem
Verbot unzulässiger Rechtsausübung nach § 242 BGB.
a) Das Berufungsgericht hat angenommen, es liege kein Fall des
Rechtsmissbrauchs vor, wenn der Gläubiger die Prozesskosten über einen
Prozessfinanzierer aufbringe, solange gewährleistet sei, dass Gläubiger und
Prozesskostenfinanzierer weder personell noch finanziell verflochten seien, und
der an den Prozessfinanzierer im Falle des Obsiegens abzuführende Gewinn-
anteil das Maß des in solchen Fällen Üblichen nicht übersteige. Unter diesen
Umständen die Einschaltung eines Prozessfinanzierers gleichwohl zu untersa-
gen, wäre mit der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) nicht vereinbar.
Gewinnabschöpfungsverfahren dienten dem Gemeinwohl. Die zur Klagerhe-
bung Berechtigten könnten mangels entsprechender finanzieller Ausstattung
solche Prozesse nicht alleine finanzieren. Auch vermeintlich aussichtsreiche
Verfahren seien für den Prozessfinanzierer mit dem Risiko behaftet, dass sie
verloren würden. Das Verlangen des Prozessfinanzierers, am Gewinn eines
gewonnenen Prozesses beteiligt zu werden, sei Teil einer auf dessen Seite
notwendigen Mischkalkulation. Diese Beurteilung ist nicht frei von Rechtsfeh-
lern.
b) Bei der Prüfung des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB können
Umstände, die gemäß § 8 Abs. 4 UWG oder § 2b UKlaG einen Rechtsmiss-
brauch begründen, herangezogen werden (vgl. BGH, GRUR 2012, 949 Rn. 21
- Missbräuchliche Vertragsstrafe; Teplitzky/Büch aaO Kap. 13 Rn. 47a). Dabei
ist allerdings zu berücksichtigen, dass bei der Annahme eines Rechtsmiss-
brauchs mit Blick auf den nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20
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Abs. 3 GG sowie Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK zu gewährleistenden effektiven
Rechtsschutz eine gewisse Zurückhaltung geboten ist, wenn die Besonderhei-
ten der Interessenlage des § 8 Abs. 4 UWG, namentlich eine Vielzahl von
Gläubigern, nicht vorliegen (vgl. Büscher in Fezer/Büscher/Obergfell aaO § 8
Rn. 296; MünchKomm.BGB/Schubert, 7. Aufl., § 242 Rn. 110; KG, AfP 2006,
254 [juris Rn. 9]). Ein Missbrauch im Sinne des § 8 Abs. 4 Satz 1 UWG liegt
nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor, wenn Anspruchsberech-
tigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich
gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgen und diese als die
eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung
erscheinen (vgl.
BGH, Urteil vom 6. April 2000 - I ZR 76/98, BGHZ 144, 165,
170 [juris Rn. 19] - Mißbräuchliche Mehrfachverfolgung; Urteil vom 6. Oktober
2011 - I ZR 42/10, GRUR 2012, 286 Rn. 13 = WRP 2012, 464 - Falsche Such-
rubrik). Die Ausübung von Befugnissen, die nicht den gesetzlich vorgesehenen,
sondern anderen und rechtlich zu missbilligenden Zwecken dient, ist auch nach
§ 242 BGB missbräuchlich (vgl. BGHZ 172, 218 Rn. 12 mwN; KG, GRUR-RR
2018, 78 Rn. 21; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., § 242 Rn. 50).
c) Danach kann ein Rechtsmissbrauch nicht verneint werden. Dabei
kommt es nicht entscheidend darauf an, ob der Gläubiger und der Prozessfi-
nanzierer personell oder finanziell verflochten sind und ob der an den Prozess-
finanzierer im Falle des Obsiegens abzuführende Gewinnanteil das Maß des in
solchen Fällen Üblichen übersteigt. Die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klage
resultiert bereits daraus, dass die Einschaltung eines Prozessfinanzierers, dem
eine Vergütung in Form eines Anteils am abgeschöpften Gewinn zugesagt wird,
dem Zweck der gesetzlichen Regelung des § 10 UWG widerspricht.
aa) Nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines Gesetzes ge-
gen den unlauteren Wettbewerb (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 25 und 43) soll
die Regelung des § 10 Abs. 1 UWG der Gefahr vorbeugen, dass der Anspruch
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aus dem sachfremden Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht
wird. Diesem Ziel widerspricht es, wenn die Führung von Gewinnabschöp-
fungsprozessen von der Entscheidung eines Prozessfinanzierers abhängig ge-
macht wird, dem für den Erfolgsfall eine Beteiligung am abgeschöpften Gewinn
zugesagt wird. Der klagende Verband entscheidet dann letztlich nicht selbst
darüber, welche Gewinnabschöpfungsklagen angestrengt werden; vielmehr
werden nur solche Prozesse geführt, für die der Prozessfinanzierer eine Finan-
zierungszusage erteilt hat. Diese Zusage ist von einer Kosten-Nutzen-Analyse
des Prozessfinanzierers abhängig. Damit wird der Anspruch aus dem - nach
Ansicht des Gesetzgebers als sachfremd anzusehenden - Motiv des Prozessfi-
nanzierers, Einnahmen aus dem abgeschöpften Gewinn zu erzielen, geltend
gemacht; die Interessen der geschädigten Verbraucherinnen und Verbraucher
spielen letztlich keine, zumindest keine entscheidende Rolle mehr. Daneben
widerspricht auch das finanzielle Interesse des vom Verband beauftragten
Rechtsanwalts dem Zweck des § 10 Abs. 1 UWG, soweit dieser - wie üblich -
bei Einschaltung eines Prozessfinanzierers eine weitere Gebühr erhält.
bb) Hinzu kommt, dass § 10 Abs. 4 UWG dem Bundesamt für Justiz, das
sich als staatliche Behörde neutral und objektiv zu verhalten hat, allein die Rolle
einer Zahlstelle zuweist. Das Bundesamt für Justiz verlässt dadurch, dass es
die vom Prozessfinanzierer als Voraussetzung für sein Tätigwerden geforderte
Zusage der Beteiligung am abgeschöpften Gewinn erteilt, diese neutrale Stel-
lung und entscheidet ebenfalls faktisch mit darüber, welche Gewinnabschöp-
fungsprozesse geführt werden. Die Zusage des Bundesamts für Justiz, die Kos-
ten zu übernehmen, entfaltet für Gewinnabschöpfungsklagen eine Filter- und
Anreizwirkung, die dem Zweck der gesetzlichen Regelung widerspricht. Es mag
zutreffen, dass mit der gewerblichen Prozessfinanzierung der Zweck verfolgt
wird, der Regelung über die Gewinnabschöpfung in § 10 UWG im Interesse der
Verbraucherinnen und Verbraucher zum Erfolg zu verhelfen. Das kann aber
nicht in der geschehenen Weise erfolgen. Dass die klagebefugten Verbände im
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Obsiegensfall den Gewinn an den Bundeshaushalt abzuführen haben und im
Unterliegensfall die Kosten des Rechtsstreits tragen müssen und daher - wie
bereits vom Bundesrat vorhergesagt (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 35) - kein
besonderes Interesse an einer Rechtsverfolgung haben, beruht auf einer be-
wussten Entscheidung des Gesetzgebers. Diese darf nicht dadurch umgangen
werden, dass Dritte eingeschaltet werden, die von der Klagemöglichkeit wirt-
schaftlich zu profitieren suchen.
Der vorstehenden Beurteilung steht nicht entgegen, dass die Gläubiger
die Erstattung der Kosten eines Prozessfinanzierers auch ohne eine Zusage
des Bundesamtes für Justiz verlangen können. Die Gläubiger können zwar
nach § 10 Abs. 4 Satz 2 UWG von der zuständigen Stelle des Bundes Erstat-
tung der für die Geltendmachung des Anspruchs erforderlichen Aufwendungen
verlangen, soweit sie vom Schuldner keinen Ausgleich erlangen können. Bei
den Kosten eines Prozessfinanzierers handelt es sich aber nicht um erforderli-
che Aufwendungen im Sinne dieser Regelung. Dazu zählen nur Aufwendungen,
die im Grundsatz vom Schuldner zu erstatten sind, für die von diesem aber kein
Ausgleich erlangt werden kann (vgl. BT-Drucks. 15/1487, S. 35;
Goldmann in
Harte/Henning aaO § 10 Rn. 168). Die Erforderlichkeit der Aufwendungen wird
daran gemessen, ob sie nach den zu § 91 ZPO entwickelten Grundsätzen für
Prozessvorbereitungskosten und deren Erstattungsfähigkeit als notwendig an-
gesehen werden können (vgl. von Braunmühl in Fezer/Büscher/Obergfell aaO
§ 10 Rn. 267). Der Schuldner eines Gewinnabschöpfungsanspruchs hat die
zusätzlichen Kosten eines Prozessfinanzierers oder die zusätzlichen Gebühren
des Rechtsanwalts des Gläubigers aber weder als notwendige Kosten des
Rechtsstreits nach § 91 Abs. 1 ZPO noch aus materiellem Recht nach den
Grundsätzen des Verzugs zu erstatten (vgl. LG Aachen, Urteil vom 22. De-
zember 2009 - 10 O 277/09, BeckRS 2010, 28938; Rensen, MDR 2010, 182 f.;
vgl. auch OLG München, Urteil vom 21. April 2011 - 1 U 2363/10, juris Rn. 79
[insoweit nicht abgedruckt in VersR 2011, 1012]).
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cc) Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs beschränkt Grundrechte der
Verbraucherverbände - etwa aus Art. 9 Abs. 1 oder Art. 12 Abs. 1 GG - nicht
ungerechtfertigt. Die Möglichkeit, Gewinnabschöpfungsprozesse zu führen, ist
den Verbraucherverbänden mit der Einführung der Bestimmung des § 10 UWG
durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 3. Juli 2004 (BGBl. I
S. 1414) eingeräumt worden. Dieses durch § 10 Abs. 1 UWG in Verbindung mit
§ 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG neu geschaffene Betätigungsfeld für Verbraucherverbän-
de war von Beginn an immanent begrenzt durch den mit dem Erfordernis der
Herausgabe des Gewinns an den Bundeshaushalt verfolgten Zweck des § 10
Abs. 1 UWG, der Gefahr vorzubeugen, dass der Anspruch aus dem sachfrem-
den Motiv der Einnahmeerzielung heraus geltend gemacht wird. In der Unzu-
lässigkeit einer mit Hilfe eines Prozessfinanzierers erhobenen Gewinnabschöp-
fungsklage realisiert sich mithin lediglich diese bereits bei Einräumung der Kla-
gebefugnis angelegte Beschränkung.
d) Die Klagemöglichkeit von Verbraucherverbänden nach § 10 Abs. 1 in
Verbindung mit § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG läuft gleichwohl nicht ins Leere, da die
klagenden Verbände die Herabsetzung des Streitwerts nach § 12 Abs. 4 Satz 1
UWG, § 51 Abs. 5 GKG beantragen können.
aa) Macht eine Partei in Rechtsstreitigkeiten, in denen durch Klage ein
Anspruch aus einem der im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb geregel-
ten Rechtsverhältnisse geltend gemacht wird, glaubhaft, dass die Belastung mit
den Prozesskosten nach dem vollen Streitwert ihre wirtschaftliche Lage erheb-
lich gefährden würde, so kann nach § 12 Abs. 4 Satz 1 UWG das Gericht auf
ihren Antrag anordnen, dass die Verpflichtung dieser Partei zur Zahlung von
Gerichtskosten sich nach einem ihrer Wirtschaftslage angepassten Teil des
Streitwerts bemisst. In § 12 Abs. 4 Satz 2 UWG ist geregelt, wie sich diese An-
ordnung auf die Gerichtskosten und die Rechtsanwaltsgebühren auswirkt. Ge-
mäß § 12 Abs. 5 Satz 1 UWG kann der Antrag auf Streitwertbegünstigung auch
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- 21 -
zur Niederschrift vor der Geschäftsstelle des Gerichts erfolgen; er unterliegt
also keinem Anwaltszwang (§ 78 Abs. 3 ZPO; vgl. auch Gruber, GRUR 2018,
585, 588).
bb) Die Bestimmung des § 12 Abs. 4 UWG eröffnet damit seit ihrer Neu-
fassung mit Wirkung vom 9. Oktober 2013 durch das Gesetz gegen unseriöse
Geschäftspraktiken vom 1. Oktober 2013 (BGBl. I S. 3714) - wie bis 2004 die
Regelung in § 23b UWG aF (vgl. BT-Drucks. 17/13057, S. 26) - die Möglichkeit,
unter Beibehaltung des Streitwerts den Gebührenstreitwert in allen Wettbe-
werbssachen (vgl. MünchKomm.UWG/Schlingloff aaO § 12 Rn. 638 mwN) her-
abzusetzen. Die Vorschrift bezweckt - wie die entsprechenden Regelungen in
§ 144 PatG, § 142 MarkenG, § 26 GebrMG und § 54 DesignG - den Schutz der
wirtschaftlich Schwächeren vor dem Kostenrisiko eines Prozesses mit hohem
Streitwert. Sie sollen den Prozess mit einem ihren wirtschaftlichen Verhältnis-
sen angepassten Streitwert führen können und so davor bewahrt werden, ihr
Recht gegenüber den wirtschaftlich Stärkeren nicht ausreichend geltend ma-
chen zu können. Die Vorschrift dient damit der Waffengleichheit (zu § 144 PatG
vgl. BGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 - X ZR 153/04, GRUR 2009, 1100 Rn. 8
= WRP 2009, 1401 - Druckmaschinen-Temperierungssystem III) und ist verfas-
sungsrechtlich nicht zu beanstanden (zu § 23b UWG aF vgl. BVerfG, NJW-RR
1991, 1134 f. [juris Rn. 1 bis 11]; BVerfG, Beschluss vom 28. Juni 1993
- 1 BvR 1321/90, juris Rn. 1 bis 6).
cc) Die besondere Bedeutung der Streitwertminderung gerade für Ver-
bände ergibt sich aus der historischen Entwicklung (vgl. dazu Großkomm.UWG/
Ebersohl aaO § 12 F Rn. 59 bis 63). Eine Vorschrift über die Streitwertherab-
setzung in Wettbewerbssachen wurde erstmals 1965 zusammen mit der Klage-
befugnis für Verbraucherverbände nach dem Vorbild der besonderen Streitwert-
regelung in Patentstreitsachen (§ 53 PatG aF) eingefügt (vgl. Gesetz zur Ände-
rung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, des Warenzeichenge-
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setzes und des Gebrauchsmustergesetzes vom 21. Juli 1965, BGBl. I, S. 625).
Nach der Begründung des Regierungsentwurfs sollte die Regelung insbesonde-
re für Fälle gelten, in denen ein mit beschränkten finanziellen Mitteln ausgestat-
teter Verband gegen unlautere Wettbewerbsmaßnahmen vorzugehen beabsich-
tigte und dabei vor der Frage stand, ob er das mit Streitsachen wegen unlaute-
ren Wettbewerbs häufig verbundene hohe Kostenrisiko einzugehen in der Lage
war. Der mit der vorgeschlagenen Klagebefugnis der Verbraucherverbände ver-
folgte Zweck werde aber nicht oder jedenfalls nur unvollkommen erreicht, so die
Entwurfsbegründung, wenn diese Verbände zum Beispiel gerade bei einer irre-
führenden Großwerbung nur wegen des Kostenrisikos von einer Rechtsverfol-
gung absehen oder sich auf einen Vergleich einlassen müssten (BT-Drucks.
IV/2217, S. 6). Bei Verbraucherverbänden nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG kommt
zudem nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Erhalt ihrer
Funktionsfähigkeit häufiger und in stärkerem Maße eine Streitwertbegünstigung
in Betracht als bei Wirtschaftsverbänden (zu § 12 Abs. 4 UWG aF vgl. BGH,
Beschluss vom 17. März 2011 - I ZR 183/09, GRUR 2011, 560 Rn. 6 = WRP
2011, 752 - Streitwertherabsetzung II; zu § 12 Abs. 4 UWG nF vgl. Beschluss
vom 15. Dezember 2016 - I ZR 213/15, juris Rn. 7).
dd) Die Regelung des § 12 Abs. 4 UWG kann damit gerade in Konstella-
tionen wie der vorliegenden zum Tragen kommen, sollte die Verbandsklage
wegen eines selbst unter Berücksichtigung von § 51 Abs. 2 und 3 GKG hohen
Streitwerts ein nicht unerhebliches Kostenrisiko für den klagenden Verbrau-
cherverband bergen. Gleichzeitig wird damit dem Anspruch auf Gewährleistung
eines effektiven Rechtsschutzes aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20
Abs. 3 GG sowie aus Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK Rechnung getragen. Ferner ist
zu berücksichtigen, dass im Rahmen von Gewinnabschöpfungsklagen nach
§ 10 UWG zunächst allein der Auskunftsanspruch rechtshängig gemacht wer-
den kann; der Streitwert einer solchen Auskunftsklage beträgt in der Regel - wie
vorliegend - nur einen Bruchteil des Leistungsanspruchs (vgl. BGH, Beschluss
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vom 4. Februar 2015 - III ZR 62/14, juris Rn. 2 mwN; Beschluss vom 14. Okto-
ber 2015 - IV ZB 21/15, juris Rn. 9).
C. Danach ist auf die Revision der Beklagten das angefochtene Urteil
aufzuheben und auf die Berufung der Beklagten die Klage unter Abänderung
des landgerichtlichen Urteils mit der Kostenfolge des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO
als unzulässig abzuweisen.
Koch
Schaffert
Kirchhoff
Feddersen
Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Düsseldorf, Entscheidung vom 11.11.2015 - 12 O 5/15 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 07.02.2017 - I-20 U 139/15 -
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