Urteil des BGH vom 13.09.2018

YouTube Leitsatzentscheidung

ECLI:DE:BGH:2018:130918BIZR140.15.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 140/15
Verkündet am:
13. September 2018
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
YouTube
RL 2001/29/EG Art. 3 Abs. 1, Art. 8 Abs. 3; RL 2000/31/EG Art. 14 Abs. 1,
Art. 15; RL 2004/48/EG Art. 11 Satz 1, Art. 13
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung von Art. 3
Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des Europäischen Parla-
ments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur Harmonisierung bestimmter As-
pekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informati-
onsgesellschaft (ABl. L 167 vom 22. Juni 2001, S. 10), Art. 14 Abs. 1 der
Richtlinie 2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der Informati-
onsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr"; ABl. L
178 vom 17. Juli 2000, S. 1) sowie Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie
2004/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April
2004 zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom
30. April 2004, S. 45) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Nimmt der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer Vi-
deos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustimmung
der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine Handlung der
Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG
vor, wenn
- 2 -
- er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt,
- der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige An-
sicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer der
Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und gebüh-
renfreie Lizenz an den Videos erhält,
- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen des
Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechtsverletzen-
de Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe
Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos hinwir-
ken können,
- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Suchergeb-
nisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken vornimmt
und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits angesehenen
Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen Videos anzeigen
lässt,
sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheber-
rechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis
diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang zu
ihnen sperrt?
2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Fällt die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform unter
den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwendungsbe-
reich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG?
3. Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit
oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstän-
de, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensicht-
lich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete
rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen?
4. Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, wenn der
Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der
Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen
besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts
oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine gerichtliche
Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis
auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechts-
verletzung gekommen ist?
- 3 -
5. Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1
beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1
und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen?
6. Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:
Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von
Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon
abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf
seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verlet-
zungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste
oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Platt-
form für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?
BGH, Beschluss vom 13. September 2018 - I ZR 140/15 - OLG Hamburg
LG Hamburg
- 4 -
Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhand-
lung vom 9. Mai 2018 durch die Richter Prof. Dr. Koch, Prof. Dr. Schaffert,
Prof. Dr. Kirchhoff, Feddersen und die Richterin Dr. Schmaltz
beschlossen:
I. Das Verfahren wird ausgesetzt.
II. Dem Gerichtshof der Europäischen Union werden zur Auslegung
von Art. 3 Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Mai 2001 zur
Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der
verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft (ABl. L
167 vom 22. Juni 2001, S. 10), Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
2000/31/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom
8. Juni 2000 über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste der In-
formationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Ge-
schäftsverkehrs, im Binnenmarkt ("Richtlinie über den elektroni-
schen Geschäftsverkehr"; ABl. L 178 vom 17. Juli 2000, S. 1) sowie
Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG des Europäi-
schen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Durchset-
zung der Rechte des geistigen Eigentums (ABl. L 157 vom 30. April
2004, S. 45) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Nimmt der Betreiber einer Internetvideoplattform, auf der Nutzer
Videos mit urheberrechtlich geschützten Inhalten ohne Zustim-
mung der Rechtsinhaber öffentlich zugänglich machen, eine
Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtli-
nie 2001/29/EG vor, wenn
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er mit der Plattform Werbeeinnahmen erzielt,
- der Vorgang des Hochladens automatisch und ohne vorherige
Ansicht oder Kontrolle durch den Betreiber erfolgt,
- der Betreiber nach den Nutzungsbedingungen für die Dauer
der Einstellung des Videos eine weltweite, nicht-exklusive und
gebührenfreie Lizenz an den Videos erhält,
- der Betreiber in den Nutzungsbedingungen und im Rahmen
des Hochladevorgangs darauf hinweist, dass urheberrechts-
verletzende Inhalte nicht eingestellt werden dürfen,
- der Betreiber Hilfsmittel zur Verfügung stellt, mit deren Hilfe
Rechtsinhaber auf die Sperrung rechtsverletzender Videos
hinwirken können,
- 5 -
- der Betreiber auf der Plattform eine Aufbereitung der Sucher-
gebnisse in Form von Ranglisten und inhaltlichen Rubriken
vornimmt und registrierten Nutzern eine an von diesen bereits
angesehenen Videos orientierte Übersicht mit empfohlenen
Videos anzeigen lässt,
sofern er keine konkrete Kenntnis von der Verfügbarkeit urheber-
rechtsverletzender Inhalte hat oder nach Erlangung der Kenntnis
diese Inhalte unverzüglich löscht oder unverzüglich den Zugang
zu ihnen sperrt?
2. Für den Fall, dass die Frage 1 verneint wird:
Fällt die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform un-
ter den in Frage 1 beschriebenen Umständen in den Anwen-
dungsbereich von Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG?
3. Für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Muss sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tä-
tigkeit oder Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder
Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Informati-
on offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informa-
tionen beziehen?
4. Weiter für den Fall, dass die Frage 2 bejaht wird:
Ist es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar, wenn
der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst
in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Infor-
mationen besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines
Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist,
eine gerichtliche Anordnung erst dann erlangen kann, wenn es
nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu
einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist?
5. Für den Fall, dass die Fragen 1 und 2 verneint werden:
Ist der Betreiber einer Internetvideoplattform unter den in Frage 1
beschriebenen Umständen als Verletzer im Sinne von Art. 11
Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen?
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6. Für den Fall, dass die Frage 5 bejaht wird:
Darf die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von
Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG davon
abhängig gemacht werden, dass der Verletzer sowohl in Bezug auf
seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verlet-
zungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste
oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Platt-
form für konkrete Rechtsverletzungen nutzen?
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Gründe:
A. Der Kläger ist Musikproduzent und war Mitinhaber des Musikverlags
"Petersongs Musikverlag KG". Er behauptet, Inhaber der "Nemo Studios" zu
sein.
Die Beklagte zu 3, die YouTube LLC, betreibt die Internetplattform
YouTube, auf der Nutzer kostenlos eigene Videodateien hochladen und anderen
Internetnutzern zugänglich machen können. Die Beklagte zu 1, die Google LLC,
ist alleinige Gesellschafterin und gesetzliche Vertreterin der Beklagten zu 3. Die
Beklagten zu 2 und 4 sind am Rechtsstreit nicht mehr beteiligt.
Am 20. Mai 1996 schloss das "Nemo Studio Frank Peterson" mit der Künst-
lerin Sarah Brightman einen weltweit gültigen Künstlerexklusivvertrag zur Aus-
wertung von Ton- und Bildtonaufnahmen ihrer Darbietungen, der im Jahr 2005
durch eine Zusatzvereinbarung ergänzt wurde.
Am 1. September 2000 schloss der Kläger für sich und die Nemo Studios
mit der Capitol Records Inc. eine Lizenzvereinbarung ("Bandübernahmevertrag")
über den exklusiven Vertrieb von Aufnahmen und Darbietungen von Sarah
Brightman durch die Capitol Records Inc. Darin heißt es unter Ziffer 6A:
Provided you and Artist have complied with all your respective material obligations
under this Agreement, Company shall obtain your consent before: a. licensing (or
authorizing Company's affiliates or licensees to license) Masters hereunder for syn-
chronization use in television and film productions during the Exclusivity Term; or b.
otherwise synchronizing (or authorizing Company's affiliates or licensees to syn-
chronize) Masters hereunder with media other than records.
Im November 2008 erschien das Album "A Winter Symphony" mit von der
Künstlerin interpretierten Musikwerken. Am 4. November 2008 begann Sarah
Brightman ihre "Symphony Tour", auf der sie die auf dem Album aufgenomme-
nen Werke darbot.
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Am 6. und 7. November 2008 waren auf der von der Beklagten zu 3 betrie-
benen Internetplattform Musikstücke aus dem Album "A Winter Symphony" und
aus privaten Konzertmitschnitten der "Symphony Tour" eingestellt, die mit Stand-
bildern und Bewegtbildern verbunden waren. Mit anwaltlichem Schreiben vom
7. November 2008 wandte sich der Kläger an die Beklagte zu 4, die Google
Germany GmbH, und forderte sowohl diese als auch die Beklagte zu 1 unter Be-
zugnahme auf Bildschirmausdrucke zur Abgabe strafbewehrter Unterlassungser-
klärungen auf. Die Google Germany GmbH leitete das Schreiben an die Beklagte
zu 3 weiter. Diese ermittelte anhand der vom Kläger übermittelten Bildschirm-
ausdrucke händisch die Internetadressen (URLs) der Videos und nahm Sperrun-
gen vor, über deren Umfang die Parteien streiten.
Am 19. November 2008 waren auf der Internetplattform der Beklagten zu 3
erneut Tonaufnahmen von Darbietungen der Künstlerin abrufbar, die mit Stand-
bildern und Bewegtbildern verbunden waren.
Der Kläger nimmt die Beklagten zu 1 und 3 auf Unterlassung, Auskunftser-
teilung und Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht in Anspruch. Diese Ansprü-
che stützt er auf eigene Rechte als Hersteller des Tonträgers "A Winter Sympho-
ny" sowie auf eigene und von der Künstlerin abgeleitete Rechte an den unter
seiner künstlerischen Mitwirkung als Produzent und Chorsänger entstandenen
Darbietungen der in diesem Album enthaltenen Musikstücke. Darüber hinaus
macht er im Blick auf die Konzertmitschnitte der "Symphony Tour" geltend, er sei
Komponist oder Textautor verschiedener Albumtitel; ferner stünden ihm als Ver-
leger von den Autoren abgeleitete Rechte an verschiedenen Musiktiteln zu.
Das Landgericht hat der Klage hinsichtlich dreier Musiktitel stattgegeben
und sie im Übrigen abgewiesen. Dagegen haben sowohl der Kläger als auch die
Beklagten zu 1 und 3 Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat der Kläger
beantragt, den Beklagten zu 1 und 3 zu verbieten, zwölf näher bezeichnete Ton-
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aufnahmen oder Darbietungen aus dem vom Kläger produzierten Studioalbum
"A Winter Symphony" der Künstlerin sowie zwölf gleichfalls näher bezeichnete
Musikwerke des Klägers oder Darbietungen der Künstlerin aus Konzertauftritten
der "Symphony Tour" in Synchronisationsfassungen oder in sonstigen Verbin-
dungen mit fremden Drittinhalten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zu-
gänglich zu machen oder - hilfsweise - dies Dritten zu ermöglichen. Außerdem
hat er die Erteilung von Auskünften über Verletzungshandlungen und den damit
erzielten Umsatz oder Gewinn und die Feststellung verlangt, dass ihm die Be-
klagte zu 3 zur Zahlung von Schadensersatz und die Beklagte zu 1 zur Heraus-
gabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet sind. Hilfsweise hat er
Auskunft über die Nutzer der Internetplattform begehrt, die die fraglichen Musikti-
tel unter Pseudonymen auf das von der Beklagten zu 3 betriebene Internetportal
hochgeladen haben.
Das Berufungsgericht (OLG Hamburg, BeckRS 2015, 14371) hat unter Zu-
rückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers das landgerichtliche Ur-
teil teilweise abgeändert und die Beklagten zu 1 und 3 auf den Hilfsantrag unter
Androhung von Ordnungsmitteln verurteilt, es zu unterlassen, Dritten in Bezug
auf sieben näher bezeichnete Musiktitel zu ermöglichen, Tonaufnahmen oder
Darbietungen der Künstlerin aus dem Studioalbum "A Winter Symphony" in Syn-
chronisationsfassungen oder in sonstigen Verbindungen mit fremden Drittinhal-
ten oder zu Zwecken der Werbung öffentlich zugänglich zu machen. Ferner hat
es die Beklagten zur Erteilung von Auskunft über Namen und Anschriften sowie
- soweit eine postalische Adresse nicht vorliegt - die E-Mail-Adressen näher be-
zeichneter Nutzer der Plattform verurteilt, die Musiktitel unter einem Pseudonym
auf die Plattform hochgeladen haben. Im Übrigen hat das Berufungsgericht die
Klage als zum Teil unzulässig, zum Teil unbegründet abgewiesen.
Der Senat hat die Revision gegen das Berufungsurteil im Umfang der vom
Berufungsgericht für zulässig erachteten Klageanträge zugelassen. Der Kläger
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verfolgt mit seiner Revision diese Klageanträge weiter, soweit das Berufungsge-
richt sie als unbegründet abgewiesen hat. Die Beklagten zu 1 und 3 erstreben mit
ihrer Revision die vollständige Abweisung der Klage. Die Parteien beantragen
jeweils, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen.
B. Der Erfolg der Revision des Klägers hängt von der Auslegung von Art. 3
Abs. 1 und Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimm-
ter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informa-
tionsgesellschaft, Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektroni-
schen Geschäftsverkehr sowie Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie
2004/48/EG zur Durchsetzung der Rechte des geistigen Eigentums ab. Vor einer
Entscheidung über die Rechtsmittel ist deshalb das Verfahren auszusetzen und
gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 AEUV eine Vorabentscheidung des
Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen.
I. Das Berufungsgericht hat angenommen, der Kläger könne die Beklagten
zu 1 und 3 im zuerkannten Umfang aus § 97 Abs. 1 Satz 1, § 99 UrhG auf Unter-
lassung und aus § 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1 UrhG auf Auskunft in
Anspruch nehmen. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Hinsichtlich der streitgegenständlichen Musiktitel des Albums "A Winter
Symphony" sei der Kläger als Tonträgerhersteller, als künstlerischer Produzent
und als ausübender Künstler Inhaber von nach dem Urheberrechtsgesetz ge-
schützten Rechten an den Tonaufnahmen und Darbietungen. Er habe diese
Rechte durch den Abschluss des Bandübernahmevertrages nicht vollständig ver-
loren; vielmehr habe er das ausschließliche Recht zur Auswertung der Tonauf-
nahmen und Darbietungen durch Synchronisierungen und Verbindungen mit
werkfremden Inhalten zurückbehalten. Dieses Recht erfasse aber nur die Ver-
bindung der Tonaufnahmen mit Bewegtbildern und nicht mit Standbildern.
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Hinsichtlich der streitgegenständlichen Musiktitel, die nach Darstellung des
Klägers bei Konzertauftritten auf der "Symphony Tour" dargeboten worden seien,
habe der Kläger jeweils hinsichtlich bestimmter Titel eigene Rechte als Kompo-
nist oder Textdichter oder abgeleitete Rechte als Verleger inne.
Die dem Kläger zustehenden Rechte am Album "A Winter Symphony" seien
dadurch verletzt worden, dass die Musikstücke unberechtigt auf der Internetplatt-
form der Beklagten zu 3 eingestellt und mit Bewegtbildern wie etwa Filmaufnah-
men aus dem Promotionvideo der Künstlerin verbunden worden seien. Für diese
Rechtsverletzung hafte die Beklagte zu 3 zwar nicht als Täter oder Teilnehmer,
wohl aber als Störer. Die Beklagte zu 3 habe die streitgegenständlichen Inhalte
weder selbst erstellt noch selbst auf die von ihr betriebene Plattform eingestellt.
Als Host-Provider komme die Beklagte zu 3 in den Genuss der Privilegierung
nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG und § 10 Satz 1 TMG. Sie habe
beim Einstellen der Inhalte auf der Plattform keine aktive Rolle gespielt und sich
diese fremden Inhalte auch nicht zu Eigen gemacht. Für eine Haftung als Teil-
nehmer fehle ihr der insoweit erforderliche Vorsatz, weil sie keine Kenntnis von
konkreten Rechtsverletzungen gehabt habe. Die Beklagte zu 3 hafte allerdings
wegen der Verletzung der Rechte des Klägers an sieben näher bezeichneten
Titeln des Studioalbums als Störer auf Unterlassung. Sie habe insoweit ihr oblie-
gende Verhaltenspflichten verletzt, weil sie auf konkrete Verletzungshandlungen
hingewiesen worden sei und die beanstandeten Inhalte nicht unverzüglich ge-
löscht oder gesperrt habe.
Hinsichtlich von Konzertaufnahmen der "Symphony Tour" habe die Beklag-
te zu 3 dagegen keine Verhaltenspflichten verletzt. Zwar seien die Videos mit
den elf näher bezeichneten Musiktiteln rechtswidrig von Dritten in das Videopor-
tal eingestellt worden. Die Beklagte zu 3 sei aber über diese Rechtsverletzungen
nicht zureichend in Kenntnis gesetzt worden oder sie habe die gebotenen Sper-
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rungen rechtzeitig vorgenommen oder ihr sei kein Verstoß gegen die Pflicht zur
unverzüglichen Sperrung vorzuwerfen.
Das Berufungsgericht hat weiter angenommen, dem Kläger stehe der ge-
gen die Beklagte zu 3 nach § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG begründete Unterlassungs-
anspruch gemäß § 99 UrhG auch gegen die Beklagte zu 1 als Inhaber des Un-
ternehmens zu. Da die Beklagten zu 1 und 3 lediglich als Störer hafteten, sei die
Beklagte zu 3 nicht zur Zahlung von Schadensersatz und die Beklagte zu 1 nicht
zur Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung verpflichtet und der An-
spruch auf Auskunftserteilung über den Umfang der Verletzungshandlungen und
den damit erzielten Umsatz oder Gewinn unbegründet. Dagegen hätten die Be-
klagten zu 1 und 3 die Namen und die Anschriften und - soweit keine postali-
schen Anschriften vorhanden seien - die E-Mail-Adressen, nicht aber die IP-
Adressen und die Bankdaten der Nutzer anzugeben, die Musiktitel unter einem
Pseudonym auf die Plattform hochgeladen hätten.
II. Der Erfolg der Revision des Klägers hängt davon ab, ob das Verhalten
der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten Umständen eine Hand-
lung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG dar-
stellt (dazu B II 1). Sofern dies zu verneinen ist, stellt sich die Frage, ob die Tä-
tigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der
Richtlinie 2000/31/EG fällt (dazu B II 2). Sofern dies zu bejahen ist, stellt sich die
Frage, ob sich die tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder
Information und das Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die
rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1
der Richtlinie 2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informati-
onen beziehen muss (dazu B II 3). Ferner stellt sich dann die Frage, ob es mit
Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber
gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen
Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verlet-
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zung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine
gerichtliche Anordnung nur dann erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis
auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung ge-
kommen ist (dazu B II 4).
Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wieder-
gabe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den
Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt sich
die Frage, ob die Beklagte zu 3 gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11
Satz 1 und Art. 13 der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist (dazu B II 5). Falls
diese Frage zu bejahen ist, stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung eines sol-
chen Verletzers zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 der Richt-
linie 2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer so-
wohl in Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die
Verletzungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und wusste oder ver-
nünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete
Rechtsverletzungen nutzen (dazu B II 6).
Diese Fragen lassen sich auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung
des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht zweifelsfrei beantworten.
1. Zunächst stellt sich die Frage, ob das Verhalten des Betreibers einer In-
ternetvideoplattform wie der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten
Umständen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richt-
linie 2001/29/EG darstellt (Vorlagefrage 1).
a) Der Kläger stützt die von ihm erhobenen Ansprüche hinsichtlich der auf
dem Studioalbum "A Winter Symphony" aufgenommenen Musiktitel auf das
Recht des Tonträgerherstellers zum öffentlichen Zugänglichmachen des Tonträ-
gers (§ 85 Abs. 1 Satz 1 Fall 3 UrhG) und das Recht des ausübenden Künstlers
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zum öffentlichen Zugänglichmachen seiner Darbietung (§§ 73, 78 Abs. 1 Nr. 1
UrhG). Hinsichtlich der bei Konzertauftritten auf der "Symphony Tour" dargebo-
tenen Musiktitel beruft er sich auf eine Verletzung des Rechts des Urhebers zum
öffentlichen Zugänglichmachen seines Werkes (§ 15 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 2,
§ 19a UrhG).
b) Bei dem Recht der öffentlichen Zugänglichmachung handelt es sich um
ein besonderes Recht der öffentlichen Wiedergabe (vgl. § 15 Abs. 2 und 3
UrhG). Da es sich bei den hier in Rede stehenden Rechten des Urhebers, des
ausübenden Künstlers und des Tonträgerherstellers zur öffentlichen Wiedergabe
in Form der öffentlichen Zugänglichmachung um nach Art. 3 Abs. 1 und 2
Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG harmonisiertes Recht handelt, sind die
entsprechenden Bestimmungen des deutschen Urheberrechtsgesetzes richtli-
nienkonform auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Art. 3 Abs. 1 und 2
Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG diese Rechte in seinem Anwendungs-
bereich vollständig harmonisiert und die Mitgliedstaaten das durch diese Vor-
schrift begründete Schutzniveau daher weder unterschreiten noch überschreiten
dürfen (vgl. EuGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - C-466/12, GRUR 2014, 360
Rn. 33 bis 41 = WRP 2014, 414 - Svensson/Retriever Sverige; BGH, Beschluss
vom 23. Februar 2017 - I ZR 267/15, GRUR 2017, 514 Rn. 17 = WRP 2017, 569
- Cordoba).
Die im Streitfall in Rede stehende öffentliche Wiedergabe in Form der öf-
fentlichen Zugänglichmachung fällt in den Anwendungsbereich von Art. 3 Abs. 1
und 2 Buchst. a und b der Richtlinie 2001/29/EG, weil bei dem Abruf einer im
Internet bereitgestellten Datei die Wiedergabe in Form der Zugänglichmachung
gegenüber Mitgliedern der Öffentlichkeit erfolgt, die an dem Ort, an dem die Wie-
dergabe in Form der Zugänglichmachung ihren Ursprung nimmt, nicht anwesend
sind (vgl. Erwägungsgründe 23 und 24 der Richtlinie 2001/29/EG; BGH, GRUR
2017, 514 Rn. 19 - Cordoba).
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Da es sich bei der öffentlichen Zugänglichmachung um einen besonderen
Fall der öffentlichen Wiedergabe handelt, kann eine öffentliche Zugänglichma-
chung nur vorliegen, wenn das beanstandete Verhalten die Tatbestandsmerkma-
le einer öffentlichen Wiedergabe erfüllt. Der Begriff der "öffentlichen Wiedergabe"
im Sinne des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG hat zwei Tatbestandsmerk-
male, nämlich eine Handlung der Wiedergabe und die Öffentlichkeit dieser Wie-
dergabe. Ferner erfordert dieser Begriff eine individuelle Beurteilung. Im Rahmen
einer derartigen Beurteilung sind eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichti-
gen, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Da diese Kriterien im
jeweiligen Einzelfall in sehr unterschiedlichem Maß vorliegen können, sind sie
einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden.
Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof die zentrale Rolle des Nutzers und die
Vorsätzlichkeit seines Handelns hervorgehoben (vgl. EuGH, Urteil vom 7. März
2013 - C-607/11, GRUR 2013, 500 Rn. 21 und 31 = WRP 2013, 618 - ITV Broad-
casting/TVC; EuGH, GRUR 2014, 360 Rn. 16 - Svensson/Retriever Sverige;
EuGH, Urteil vom 19. November 2015 - C-325/14, GRUR 2016, 60 Rn. 14 und
15 - SBS/SABAM; Urteil vom 31. Mai 2016 - C-117/15, GRUR 2016, 684 Rn. 35
bis 37 - Reha Training/GEMA; Urteil vom 8. September 2016 - C-160/15, GRUR
2016, 1152 Rn. 32 bis 34 = WRP 2016, 1347 - GS Media BV/Sanoma u.a.; Urteil
vom 26. April 2017 - C-527/15, GRUR 2017, 610 Rn. 28 bis 30 = WRP 2017, 677
- Stichting Brein/Wullems [Filmspeler]; Urteil vom 14. Juni 2017 - C-610/15,
GRUR 2017, 790 Rn. 23 bis 25 = WRP 2017, 936 - Stichting Brein/XS 4ALL [The
Pirate Bay]).
c) Ob die Tätigkeit der Beklagten zu 3 nach den im Streitfall festgestellten
Umständen eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richt-
linie 2001/29/EG darstellt, ist zweifelhaft. Dies kann nach Auffassung des Senats
allenfalls hinsichtlich der sieben Titel des Albums "A Winter Symphony" ange-
nommen werden, von deren rechtswidriger Bereitstellung die Beklagte zu 3 nach
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- 16 -
den Feststellungen des Berufungsgerichts Kenntnis hatte und die sie entweder
nicht oder nicht rechtzeitig gelöscht oder gesperrt hat.
aa) Der Begriff der Wiedergabe ist im Blick auf das Hauptziel der Richtlinie
2001/29/EG, ein hohes Schutzniveau für die Urheber sicherzustellen (vgl. Erwä-
gungsgründe 4 und 9 der Richtlinie 2001/29/EG), weit zu verstehen (vgl. Erwä-
gungsgrund 23 der Richtlinie 2001/29/EG), und zwar dahin, dass er jede Über-
tragung geschützter Werke unabhängig vom eingesetzten technischen Mittel
oder Verfahren umfasst (vgl. EuGH, Urteil vom 4. Oktober 2011 - C-403/08 und
C-429/08, GRUR 2012, 156 Rn. 186 und 193 = WRP 2012, 434 - Football
Association Premier League und Murphy; EuGH, GRUR 2013, 500 Rn. 20 - ITV
Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 17 - Svensson/Retriever Sverige;
EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 23 und 25
= WRP 2014, 418 -
OSA/Léčebné lázně; EuGH, GRUR 2016, 684 Rn. 38 - Reha
Training/GEMA). Im Hinblick auf das Kriterium der zentralen Rolle des Nutzers
und der Vorsätzlichkeit seines Handelns setzt eine Handlung der Wiedergabe
voraus, dass der Nutzer in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also
absichtlich und gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zu einem geschütz-
ten Werk oder einer geschützten Leistung zu verschaffen. Dabei reicht es aus,
wenn Dritte einen Zugang zum geschützten Werk oder zur geschützten Leistung
haben, ohne dass es darauf ankommt, ob sie diesen nutzen (vgl. EuGH, GRUR
2012, 156 Rn. 195 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR
2014, 360 Rn. 19 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2017, 610 Rn. 36
- Stichting Brein/Wullems [Filmspeler]; GRUR 2017, 790 Rn. 31 - Stichting
Brein/XS 4ALL [The Pirate Bay]).
Nach diesen Maßstäben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in der
Bereitstellung anklickbarer Links auf einer Internetseite, die Zugang zu auf ande-
ren Internetseiten veröffentlichten Werken eröffnen (EuGH, GRUR 2014, 360
Rn. 18 - Svensson/Retriever Sverige; EuGH, Urteil vom 21. Oktober 2014
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- C-348/13, GRUR 2014, 1196 Rn. 15 = WRP 2014, 1441 - BestWater Internatio-
nal/Mebes und Potsch; EuGH, GRUR 2016, 1152 Rn. 43 - GS Media BV/
Sanoma u.a.), in der Bereitstellung eines Medienabspielgeräts, das den Zugriff
auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers im Internet zur Verfügung gestellte
Werke ermöglicht (EuGH, GRUR 2017, 610 Rn. 38 bis 42 - Stichting Brein/
Wullems [Filmspeler]), und in der Bereitstellung und dem Betrieb einer Filesha-
ring-Plattform im Internet, die durch die Indexierung von geschützten Werken und
das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern den Zugriff auf ohne Zustimmung
des Rechtsinhabers bereitgestellte Werke ermöglicht (EuGH, GRUR 2017, 790
Rn. 35 bis 39 - Stichting Brein/XS 4ALL [The Pirate Bay]), Handlungen der Wie-
dergabe gesehen.
bb) Nach Auffassung des Senats nimmt die Beklagte zu 3 mit dem Betrieb
der Internetvideoplattform keine für die Annahme einer Handlung der Wiederga-
be erforderliche zentrale Rolle im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs
der Europäischen Union ein, sofern sie nach Erlangung der Kenntnis von der
Verfügbarkeit urheberrechtsverletzender Inhalte diese unverzüglich löscht oder
den Zugang zu ihnen unverzüglich sperrt.
(1) Das Berufungsgericht hat festgestellt, auf die Plattform der Beklagten zu
3 würden bis zu 35 Stunden Videomaterial pro Minute und mehrere hunderttau-
send Videos pro Tag hochgeladen. Das Einstellen der Videos auf die Server der
Beklagten zu 1 erfolge in einem automatisierten Verfahren. Sobald ein Nutzer ein
Video hochgeladen habe, sei dieses für sämtliche Besucher der Webseite im
Wege des Streamings einzusehen. Eine vorherige Ansicht oder Kontrolle durch
die Beklagten erfolge nicht. Um Inhalte hochladen zu können, müsse sich ein
Nutzer mit einem Benutzernamen und einem Passwort registrieren und die Nut-
zungsbedingungen akzeptieren. In den Nutzungsbedingungen sei geregelt, dass
der Nutzer der Beklagten zu 3 eine weltweite, nicht-exklusive und gebührenfreie
Lizenz bezüglich der Nutzung, der Reproduktion, des Vertriebs, der Herstellung
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- 18 -
derivativer Werke, der Ausstellung und der Aufführung der Inhalte im Zusam-
menhang mit dem Zur-Verfügung-Stellen der Webseite und den Geschäften der
Beklagten zu 3 einschließlich der Werbung einräume. Diese Lizenz erlösche
nach den Nutzungsbedingungen, wenn der Nutzer das eingestellte Video von der
Webseite entferne. Der Nutzer bestätige mit der Akzeptanz der Nutzungsbedin-
gungen, dass er über sämtliche erforderlichen Lizenzen, Rechte, Zustimmungen
und Erlaubnisse verfüge, die erforderlich dafür seien, dass die Beklagte zu 3 die
übermittelten Inhalte für die Bereitstellung des Dienstes nutzen könne. In den
"Community Richtlinien" rufe die Beklagte zu 3 dazu auf, das Urheberrecht zu
respektieren. Bei jedem Hochladevorgang werde der Nutzer in graphisch hervor-
gehobener Weise darauf hingewiesen, dass keine urheberrechtsverletzenden
Inhalte eingestellt werden dürften.
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, die Beklagte zu 3 habe techni-
sche Vorkehrungen getroffen, um Rechtsverletzungen auf YouTube zu unterbin-
den. Jeder Nutzer könne schriftlich, per Fax, E-Mail oder Web-Formular eine Be-
schwerde an die Beklagte zu 3 richten. Es sei ein "Meldebutton" eingerichtet, mit
dem anstößige oder rechtsverletzende Inhalte gemeldet werden könnten. Inha-
ber von Urheberrechten hätten über ein spezielles Benachrichtigungsverfahren
die Möglichkeit, unter Angabe der Internetadresse des Videos bis zu zehn konk-
ret bezeichnete Videos pro Beanstandungsvorgang von der Plattform entfernen
zu lassen. Die Beklagte halte weiter ein Programm zur Inhaltsprüfung (Content
Verification Program) bereit, das dem Rechtsinhaber die Bezeichnung der Videos
erleichtere, indem er in einer Liste von Videos diejenigen ankreuzen könne, die
er für rechtsverletzend halte. Dieses Programm stehe nur Unternehmen zur Ver-
fügung, die sich hierfür gesondert registrieren müssten, nicht jedoch Einzelper-
sonen. Sofern ein Video wegen einer Benachrichtigung durch den Rechtsinhaber
gesperrt werde, erhalte der Nutzer, der es hochgeladen habe, eine Mitteilung, mit
der die Sperrung des Nutzerkontos im Wiederholungsfalle angekündigt werde.
Die Beklagte zu 3 habe zur Identifizierung rechtsverletzender Inhalte ferner die
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Programme "YouTube Audio ID" und "YouTube Video ID" entwickelt. Hierfür ha-
be der jeweilige Rechtsinhaber eine Referenzdatei bereitzustellen, die es der
Beklagten zu 3 ermögliche, andere Videos auf der Plattform zu identifizieren, die
ganz oder teilweise die gleichen Inhalte hätten. Werde ein solches Video identifi-
ziert, erhalte der Rechtsinhaber hierüber eine Mitteilung und könne seine Sper-
rung veranlassen. Alternativ könne der Rechtsinhaber den Inhalt genehmigen
und an Werbeeinnahmen partizipieren.
Das Berufungsgericht hat weiter festgestellt, die Beklagte zu 3 halte eine
Suchfunktion vor und führe eine länderspezifische Relevanzermittlung durch,
deren Ergebnis in Form von "Rankings" der Suchergebnisse unter den Rubriken
"Derzeit abgespielte Videos", "Promotete Videos" und "Angesagte Videos" auf
der Startseite zusammengefasst würden. Weitere Übersichten des Angebots
würden unter den Überschriften "Videos" und "Kanäle" mit Unterrubriken wie
"Unterhaltung", "Musik" oder "Film & Animation" bereitgehalten. Soweit ein re-
gistrierter Nutzer das Portal benutze, erhalte er in einer Übersicht "empfohlene
Videos" angezeigt, deren Inhalt sich an den vom Nutzer bereits angesehenen
Videos orientiere. Am Rand der Startseite befänden sich länderspezifische Ban-
nerwerbungen von Drittanbietern. Eine weitere Möglichkeit der Werbevermark-
tung auf YouTube seien Videoanzeigen, deren Schaltung den Abschluss eines
gesonderten Vertrags zwischen dem einstellenden Nutzer und der Beklagten
zu 3 voraussetze. Hinsichtlich der im Streitfall betroffenen Videos sei allerdings
eine Verbindung mit Werbung nicht ersichtlich.
(2) Die Anwendung der vom Gerichtshof der Europäischen Union aufge-
stellten Kriterien spricht gegen die Annahme einer zentralen Rolle der Beklagten
zu 3, sofern diese keine Kenntnis von der Einstellung urheberrechtsverletzender
Inhalte hat. Der Annahme einer zentralen Rolle steht zwar nicht entgegen, dass
die Beklagte zu 3 nicht selbst Inhalte einstellt, sondern es Dritten durch die Be-
reitstellung des Videoportals ermöglicht, den Nutzern des Portals Inhalte zur Ver-
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fügung zu stellen, unter denen auch urheberrechtsverletzende Inhalte sein kön-
nen (vgl. EuGH, GRUR 2017, 790 Rn. 36 - Stichting Brein/XS 4ALL [The Pirate
Bay]). Die Beklagte zu 3 handelt auch im Erwerbsinteresse, weil sie mit dem Be-
trieb des Portals Werbeeinnahmen erzielt. Für die Annahme einer zentralen Rolle
ist jedoch die volle Kenntnis der Folgen des Handelns erforderlich, die sich auch
auf das Fehlen der Erlaubnis des Rechtsinhabers beziehen muss (vgl. EuGH,
GRUR 2017, 610 Rn. 41 - Stichting Brein/Wullems [Filmspeler]). Aufgrund des
Umstands, dass die Einstellung von Videos automatisch erfolgt, hat die Beklagte
zu 3 bis zu einem Hinweis des Rechtsinhabers keine Kenntnis von der Verfüg-
barkeit urheberrechtsverletzender Inhalte. Sie weist Nutzer in ihren Nutzungsbe-
dingungen und während des Hochladevorgangs darauf hin, dass die Einstellung
rechtsverletzender Inhalte nicht gestattet ist. Sie stellt zudem Hilfsmittel zur Ver-
fügung, mittels deren Rechtsinhaber der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte
entgegenwirken können. Nach Auffassung des Senats kommt daher die Annah-
me einer zentralen Rolle allenfalls in Betracht, soweit die Beklagte zu 3 nach Er-
langung der Kenntnis von der Verfügbarkeit rechtsverletzender Inhalte diese
nicht unverzüglich löscht oder nicht unverzüglich den Zugang zu ihnen sperrt.
d) Eine Öffentlichkeit der Wiedergabe liegt im Streitfall vor.
aa) Der Begriff der Öffentlichkeit der Wiedergabe ist nur bei einer unbe-
stimmten Zahl potentieller Adressaten und recht vielen Personen erfüllt, die
gleichzeitig und nacheinander Zugang zu demselben Werk haben (vgl. EuGH,
GRUR 2013, 500 Rn. 32 und 33 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360
Rn. 21 - Svensson/Retriever Sverige; GRUR 2014, 473 Rn. 27 und 28 - OSA/
Léčebné lázně; GRUR 2016, 684 Rn. 40 bis 44 - Reha Training/GEMA; GRUR
2016, 1152 Rn. 36 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 26
- Cordoba).
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Diese Voraussetzung liegt vor, wenn urheberrechtlich geschützte Inhalte
auf einer Internetplattform zum Abruf durch deren Nutzer bereitgestellt werden.
bb) Für eine Einstufung als "öffentliche Wiedergabe" im Sinne von Art. 3
Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG ist es weiterhin erforderlich, dass ein geschütz-
tes Werk unter Verwendung eines technischen Verfahrens, das sich vom bisher
verwendeten unterscheidet, oder - ansonsten - für ein neues Publikum wiederge-
geben wird, also für ein Publikum, an das der Inhaber des Urheberrechts nicht
dachte, als er die ursprüngliche öffentliche Wiedergabe erlaubte (vgl. EuGH, Ur-
teil vom 7. Dezember 2006 - C-306/05, Slg. 2006, I-11519 = GRUR 2007, 225
Rn. 40 und 41 - SGAE/Rafael; EuGH, Beschluss vom 18. März 2010 - C-136/09,
MR-Int. 2010, 123 Rn. 38 - OSDD/Divani Akropolis; EuGH, GRUR 2012, 156
Rn. 197 - Football Association Premier League und Murphy; GRUR 2013, 500
Rn. 39 und 24 bis 26 - ITV Broadcasting/TVC; GRUR 2014, 360 Rn. 24 - Svens-
son/Retriever Sverige; GRUR 2014, 1196 Rn. 14 - BestWater International/
Mebes und Potsch; GRUR 2016, 684 Rn. 45 - Reha Training/GEMA; GRUR
2016, 1152 Rn. 37 - GS Media BV/Sanoma u.a.; BGH, GRUR 2017, 514 Rn. 28
- Cordoba).
Auch diese Voraussetzung einer öffentlichen Wiedergabe ist erfüllt. Das
Einstellen urheberrechtlich geschützter Inhalte ohne Zustimmung des Rechtsin-
habers auf einer Webseite erfolgt selbst dann für ein neues Publikum, wenn die-
se Inhalte zuvor mit Zustimmung des Rechtsinhabers und ohne beschränkende
Maßnahmen, die ein Herunterladen verhindern, auf einer anderen Webseite ein-
gestellt worden sind (vgl. EuGH, Urteil vom 7. August 2018 - C-161/17, GRUR
2018, 911 Rn. 29 bis 47 = WRP 2018, 1052 - Renckhoff/Land Nordrhein Westfa-
len). Soweit der angegriffenen Wiedergabe keine öffentliche Wiedergabe im In-
ternet vorausging, handelte es sich darüber hinaus um ein anderes technisches
Verfahren.
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2. Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 keine Handlung der Wiederga-
be im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, stellt sich die
Frage, ob die Tätigkeit des Betreibers einer Internetvideoplattform wie der Be-
klagten zu 3 nach den Umständen des Streitfalls in den Anwendungsbereich des
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt (Vorlagefrage 2).
a) Nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG ist der Anbieter eines
Dienstes der Informationsgesellschaft, der in der Speicherung von durch einen
Nutzer eingegebenen Informationen besteht, nicht für die im Auftrag eines Nut-
zers gespeicherten Informationen verantwortlich, sofern er a) keine tatsächliche
Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information hat und in Bezug auf
Schadensersatzansprüche sich auch keiner Tatsachen oder Umständen bewusst
ist, aus denen die rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird,
oder b) sobald er diese Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich
tätig wird, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren.
b) Das Angebot einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen
durch Dritte fällt als Hosting-Dienstleistung zwar grundsätzlich in den Anwen-
dungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG (vgl. EuGH, Urteil
vom 16. Februar 2012 - C-360/10, GRUR 2012, 382 Rn. 27 = WRP 2012, 429
- Sabam/Netlog). Die Haftungsprivilegierung nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
2000/31/EG findet auf einen Host-Provider aber keine Anwendung, wenn dieser,
anstatt sich darauf zu beschränken, die Hosting-Dienstleistung mittels rein tech-
nischer und automatischer Verarbeitung der von seinen Kunden eingegebenen
Daten neutral zu erbringen, eine aktive Rolle spielt, die ihm eine Kenntnis dieser
Daten oder eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Insoweit kann allerdings
der bloße Umstand, dass der Betreiber eines Online-Marktplatzes die Ver-
kaufsangebote auf seinem Server speichert, die Modalitäten für seinen Dienst
festlegt, für diesen eine Vergütung erhält und seinen Kunden Auskünfte allge-
meiner Art erteilt, nicht dazu führen, dass die in Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG
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hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen auf ihn keine Anwen-
dung finden. Hat dieser Betreiber hingegen Hilfestellung geleistet, die unter an-
derem darin bestand, die Präsentation der betreffenden Verkaufsangebote zu
optimieren oder diese Angebote zu bewerben, ist davon auszugehen, dass er
zwischen dem fraglichen als Verkäufer auftretenden Kunden und den potenziel-
len Käufern keine neutrale Stellung eingenommen, sondern eine aktive Rolle ge-
spielt hat, die ihm eine Kenntnis der diese Angebote betreffenden Daten oder
eine Kontrolle über sie verschaffen konnte. Hinsichtlich dieser Daten kann er sich
mithin nicht auf die in Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG genannte Ausnahme im
Bereich der Verantwortlichkeit berufen (EuGH, Urteil vom 12. Juli 2011
- C-324/09, Slg. 2011, I-6011 = GRUR 2011, 1025 Rn. 112 bis 116 - L'Oréal/
eBay).
Im Streitfall hat die Beklagte zu 3 nach den Feststellungen des Berufungs-
gerichts die urheberrechtsverletzenden Videos zwar nicht mit Werbung verbun-
den. Es stellt sich aber die unionsrechtlich klärungsbedürftige Frage, ob die Be-
klagte nach den übrigen im Streitfall gegebenen Umständen (dazu oben
Rn. 31 ff. [B II 1 c bb]) eine aktive Rolle gespielt hat, die der Anwendung des
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG entgegensteht.
3. Sofern die Tätigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, weil sie sich auf eine neutrale Rolle
beschränkt und keine aktive Rolle gespielt hat, stellt sich die Frage, ob sich die
tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information und das
Bewusstsein der Tatsachen oder Umstände, aus denen die rechtswidrige Tätig-
keit oder Information offensichtlich wird, nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie
2000/31/EG auf konkrete rechtswidrige Tätigkeiten oder Informationen beziehen
muss (Vorlagefrage 3).
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Nach Ansicht des Senats ist diese Frage zu bejahen. Es genügt nicht, wenn
dem Anbieter allgemein bekannt oder bewusst ist, dass seine Dienste für ir-
gendwelche rechtswidrigen Tätigkeiten genutzt werden. Vielmehr müssen sich
die Kenntnis der Umstände und das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit auf kon-
krete Tätigkeiten oder Informationen beziehen. Das wird bereits durch den Wort-
laut der Regelung und den Gebrauch des bestimmten Artikels zur Bezeichnung
der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information nahegelegt. Darüber hinaus folgt
dies daraus, dass der Anbieter seine Obliegenheit, die rechtswidrige Information
zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren, sobald er diese Kenntnis oder
dieses Bewusstsein erlangt (Art. 14 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2000/31/EG),
nur bezüglich konkreter Informationen erfüllen kann. Deshalb muss ein Hinweis
auf Rechtsverletzungen so konkret sein, dass der Adressat den Rechtsverstoß
unschwer und ohne eingehende rechtliche oder tatsächliche Überprüfung fest-
stellen kann (BGH, Urteil vom 17. August 2011 - I ZR 57/09, BGHZ 191, 19
Rn. 21 - Stiftparfüm). Wird eine urheberrechtlich geschützte Rechtsposition gel-
tend gemacht, bedarf es mithin einer Identifizierung des geschützten Werks oder
der geschützten Leistung und einer Beschreibung der beanstandeten Verlet-
zungsform sowie hinreichend klarer Anhaltspunkte für die urheberrechtliche Be-
rechtigung der Beteiligten (BGH, Urteil vom 29. April 2010 - I ZR 69/08, BGHZ
185, 291 Rn. 39 - Vorschaubilder I).
4. Sofern die Tätigkeit der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des
Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt sich weiter die Frage, ob es
mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber
gegen einen Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen
Nutzer eingegebenen Informationen besteht und von einem Nutzer zur Verlet-
zung eines Urheberrechts oder verwandter Schutzrechte genutzt worden ist, eine
gerichtliche Anordnung erst erlangen kann, wenn es nach einem Hinweis auf ei-
45
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- 25 -
ne klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekom-
men ist (Vorlagefrage 4).
a) Nach Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG stellen die Mitgliedstaaten
sicher, dass die Rechtsinhaber gerichtliche Anordnungen gegen Vermittler bean-
tragen können, deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheber-
rechts oder verwandter Schutzrechte genutzt werden. Entsprechende Regelun-
gen finden sich in Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG und Art. 14 Abs. 3 der
Richtlinie 2000/31/EG. Nach Art. 11 Satz 3 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die
Mitgliedstaaten unbeschadet des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG sicher,
dass die Rechtsinhaber eine Anordnung gegen Mittelspersonen beantragen kön-
nen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geis-
tigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Nach Art. 14 Abs. 3 der Richt-
linie 2000/31/EG lässt Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG die Möglichkeit unbe-
rührt, dass ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde nach den Rechtssystemen
der Mitgliedstaaten vom Diensteanbieter verlangt, die Rechtsverletzung abzustel-
len oder zu verhindern, oder dass die Mitgliedstaaten Verfahren für die Entfer-
nung einer Information oder die Sperrung des Zugangs zu ihr festlegen.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können Vermittler,
deren Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberrechts oder ver-
wandter Schutzrechte genutzt werden sowie Mittelspersonen, deren Dienste von
einem Dritten zwecks Verletzung eines Rechts des geistigen Eigentums in An-
spruch genommen werden, als Störer auf Unterlassung in Anspruch genommen
werden. Bei der Verletzung absoluter Rechte (wie der Rechte des geistigen Ei-
gentums) kann danach als Störer in Anspruch genommen werden, wer - ohne
Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat-
kausal zur Verletzung des geschützten Rechtsguts beiträgt. Als Beitrag kann
auch die Unterstützung oder Ausnutzung der Handlung eines eigenverantwortlich
handelnden Dritten genügen, sofern der in Anspruch Genommene die rechtliche
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- 26 -
und tatsächliche Möglichkeit zur Verhinderung dieser Handlung hatte. Da die
Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die weder als
Täter noch als Teilnehmer für die begangene Urheberrechtsverletzung in An-
spruch genommen werden können, setzt die Haftung des Störers die Verletzung
von Verhaltenspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und
inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen des
Einzelfalls eine Prüfung oder Überwachung zur Verhinderung von Verletzungs-
handlungen Dritter zuzumuten ist. Das richtet sich nach den jeweiligen Umstän-
den des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Funktion und Aufgabenstellung
des als Störer in Anspruch Genommenen sowie mit Blick auf die Eigenverantwor-
tung desjenigen, der die rechtswidrige Beeinträchtigung selbst unmittelbar vor-
genommen hat (BGH, Urteil vom 21. September 2017 - I ZR 11/16, GRUR 2018,
178 Rn. 74 = WRP 2018, 201 - Vorschaubilder III, mwN).
Ist der Störer ein Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von
durch einen Nutzer eingegebenen Informationen besteht, kann er nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich erst dann durch gerichtli-
che Anordnung zur Unterlassung verpflichtet werden, wenn es nach einem Hin-
weis auf eine klare Rechtsverletzung erneut zu einer derartigen Rechtsverletzung
gekommen ist, weil der Diensteanbieter nicht unverzüglich tätig geworden ist, um
den rechtsverletzenden Inhalt zu entfernen oder den Zugang zu diesem zu sper-
ren und dafür zu sorgen, dass es zukünftig nicht zu derartigen Rechtsverletzun-
gen kommt (BGHZ 185, 291 Rn. 39 - Vorschaubilder I; BGHZ 191, 19 Rn. 21
- Stiftparfüm; BGH, Urteil vom 12. Juli 2012 - I ZR 18/11, BGHZ 194, 339
Rn. 28 f. - Alone in the Dark; Urteil vom 5. Februar 2015 - I ZR 240/12, GRUR
2015, 485 Rn. 55 = WRP 2015, 577 - Kinderhochstühle im Internet III; Urteil vom
19. März 2015 - I ZR 94/13, GRUR 2015, 1129 Rn. 42 = WRP 2015, 1326
- Hotelbewertungsportal). Der Rechtsinhaber kann eine gerichtliche Anordnung
gegen einen solchen Diensteanbieter danach nicht bereits dann erwirken, wenn
49
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dessen Dienst von einem Nutzer zur Verletzung eines Rechts des geistigen Ei-
gentums genutzt worden ist.
c) Es stellt sich die Frage, ob es mit Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG
vereinbar ist, wenn der Rechtsinhaber gegen einen Diensteanbieter, dessen
Dienst in der Speicherung von durch einen Nutzer eingegebenen Informationen
besteht und von einem Nutzer zur Verletzung eines Urheberrechts oder verwand-
ter Schutzrechte genutzt worden ist, erst dann eine gerichtliche Anordnung er-
langen kann, wenn es nach einem Hinweis auf eine klare Rechtsverletzung er-
neut zu einer derartigen Rechtsverletzung gekommen ist. Nach Ansicht des Se-
nats ist diese Frage zu bejahen.
Einem Diensteanbieter, dessen Dienst in der Speicherung von durch einen
Nutzer eingegebenen Informationen besteht, darf nach Art. 15 Abs. 1 der Richtli-
nie 2001/29/EG keine allgemeine Verpflichtung auferlegt werden, die von ihm
gespeicherten Informationen zu überwachen oder aktiv nach Umständen zu for-
schen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. Danach ist der Betreiber
einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte grund-
sätzlich nicht gehalten, jedes Angebot vor der in einem automatisierten Verfahren
erfolgenden Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin
zu untersuchen. Ferner ist ein solcher Diensteanbieter nach Art. 14 Abs. 1 der
Richtlinie 2000/31/EG nicht für die im Auftrag eines Nutzers gespeicherten Infor-
mationen verantwortlich, sofern er a) keine tatsächliche Kenntnis von der rechts-
widrigen Tätigkeit oder Information hat und in Bezug auf Schadensersatzansprü-
che sich auch keiner Tatsachen oder Umstände bewusst ist, aus denen die
rechtswidrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird oder b) sobald er die-
se Kenntnis oder dieses Bewusstsein erlangt, unverzüglich tätig wird, um die In-
formation zu entfernen oder den Zugang zu ihr zu sperren. Danach haftet der
Betreiber einer Internetplattform zur Speicherung von Informationen durch Dritte,
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- 28 -
der keine tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information
hat, auch nicht auf Unterlassung.
Eine Verhaltenspflicht des Betreibers einer Internetplattform zur Speiche-
rung von Informationen durch Dritte, deren Verletzung einen Unterlassungsan-
spruch begründen kann, kann daher erst nach Erlangung der Kenntnis von einer
Rechtsverletzung entstehen. Damit kann in derjenigen Verletzungshandlung, die
Gegenstand einer Mitteilung ist, mit der der Betreiber der Plattform erstmalig
Kenntnis von einer Rechtsverletzung erlangt, keine Verletzungshandlung gese-
hen werden, die einen Unterlassungsanspruch begründet (vgl. BGHZ 191, 19
Rn. 39 - Stiftparfüm; BGH, GRUR 2015, 1129 Rn. 42 - Hotelbewertungsportal,
jeweils mwN). Die Bedingungen und Modalitäten für die gerichtliche Anordnung
gegen einen Vermittler können zwar nach Erwägungsgrund 59 Satz 5 der Richt-
linie 2001/29/EG im nationalen Recht der Mitgliedstaaten geregelt werden. Dabei
sind nach Ansicht des Senats aber die Vorgaben von Art. 14 Abs. 1 und Art. 15
Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG zu beachten. Danach kann im nationalen Recht
der Mitgliedstaaten eine gerichtliche Anordnung gegen einen Vermittler, der ei-
nen Dienst anbietet, der in der Speicherung der durch einen Nutzer eingegebe-
nen Informationen besteht, nur für den Fall vorgesehen werden, dass der Ver-
mittler tatsächliche Kenntnis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information
hat.
5. Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wie-
dergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in
den Anwendungsbereich des Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, stellt
sich ferner die Frage, ob die Beklagte zu 3 nach den im Streitfall festgestellten
Umständen gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der
Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist (Vorlagefrage 5).
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- 29 -
a) Die Richtlinie 2004/48/EG betrifft nach ihrem Artikel 1 Satz 1 die Maß-
nahmen, Verfahren und Rechtsbehelfe, die erforderlich sind, um die Durchset-
zung der Rechte des geistigen Eigentums sicherzustellen. Diese Maßnahmen,
Verfahren und Rechtsbehelfe finden auf jede Verletzung von Rechten des geisti-
gen Eigentums, die im Unionsrecht oder im innerstaatlichen Recht des betreffen-
den Mitgliedstaats vorgesehen sind, Anwendung (Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie
2004/48/EG). Die Richtlinie 2004/48/EG gilt unbeschadet von Art. 2 bis 6 und
Art. 8 der Richtlinie 2001/29/EG (Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG) und
berührt nicht Art. 12 bis 15 der Richtlinie 2000/31/EG (Art. 2 Abs. 3 der Richtlinie
2004/48/EG). Die Richtlinie 2004/48/EG unterscheidet zwischen dem Verletzer
und Mittelspersonen, deren Dienste von einem Dritten zwecks Verletzung eines
Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden (vgl. Art. 11 und
13 der Richtlinie 2004/48/EG). Solche Mittelspersonen werden, soweit deren
Dienste von einem Dritten zur Verletzung eines Urheberechts oder verwandter
Schutzrechte genutzt werden, in Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2001/29/EG als Ver-
mittler, und soweit deren Dienste in der Speicherung von durch einen Nutzer ein-
gegebenen Informationen bestehen, in Art. 14 Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG
als Diensteanbieter bezeichnet.
b) Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 eine Handlung der Wiedergabe
im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt, ist die Beklagte
zu 3 als Verletzer im Sinne der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen, der auf Unter-
lassung (Art. 11 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG; § 97 Abs. 1 UrhG), Zahlung
von Schadensersatz (Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 2004/48/EG; § 97 Abs. 2 UrhG)
und Herausgabe der Gewinne (Art. 13 Abs. 2 der Richtlinie 2004/48/EG; § 102a
UrhG, § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB) in Anspruch genommen werden kann.
Sofern das Verhalten der Beklagten zu 3 in den Anwendungsbereich des Art. 14
Abs. 1 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, ist die Beklagte zu 3 als Mittelsperson im
Sinne der Richtlinie 2004/48/EG anzusehen, deren Haftung ausgeschlossen ist,
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sofern die Voraussetzungen der Buchstaben a und b dieser Vorschrift erfüllt sind,
und die anderenfalls wie ein Verletzer haftet.
c) Fraglich ist, ob die Beklagte zu 3 auch dann als Verletzer im Sinne der
Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, der nicht nur auf Unterlassung, sondern
auch auf Zahlung von Schadensersatz und Herausgabe von Gewinnen haften
kann, wenn ihr Verhalten weder eine Handlung der Wiedergabe im Sinne von
Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in den Anwendungsbereich
des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt. Nach Ansicht des Senats ist diese
Frage zu bejahen, weil derjenige, der an einer Verletzungshandlung beteiligt ist,
nach der Richtlinie 2004/48/EG entweder Mittelsperson oder Verletzer sein muss
und daher nur Verletzer sein kann, wenn sich seine Beteiligung nicht auf das An-
gebot von Diensten beschränkt, die von einem Dritten zur Verletzung eines
Rechts des geistigen Eigentums in Anspruch genommen werden. Danach ist
nicht nur der Nutzer, der bei der öffentlichen Wiedergabe eine zentrale Rolle
spielt und in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens - also absichtlich und
gezielt - tätig wird, um Dritten einen Zugang zu einem geschützten Werk oder
einer geschützten Leistung zu verschaffen, Verletzer; Verletzer ist nach Auffas-
sung des Senats vielmehr auch der Diensteanbieter, der sich bei der öffentlichen
Wiedergabe durch Nutzer seiner Plattform nicht auf eine neutrale Rolle be-
schränkt, sondern eine aktive Rolle spielt.
6. Falls das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wie-
dergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in
den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, die Beklagte
zu 3 aber gleichwohl als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der
Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, weil sie bei der Verletzung von Rechten
des Klägers durch die Nutzer ihrer Plattform eine aktive Rolle gespielt hat, stellt
sich die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers zur Leistung von
Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG (§ 97
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Abs. 2 UrhG) davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in
Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verlet-
zungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat und dass er wusste oder
vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass Nutzer die Plattform für konkrete
Rechtsverletzungen nutzen (Vorlagefrage 6).
a) Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG stellen die Mitglied-
staaten sicher, dass die zuständigen Gerichte auf Antrag der geschädigten Partei
anordnen, dass der Verletzer, der wusste oder vernünftigerweise hätte wissen
müssen, dass er eine Verletzungshandlung vornahm, dem Rechtsinhaber zum
Ausgleich des von diesem wegen der Rechtsverletzung erlittenen tatsächlichen
Schadens angemessenen Schadensersatz zu leisten hat.
b) Nach § 97 Abs. 2 Satz 1 UrhG ist derjenige, der das Urheberrecht oder
ein anderes nach dem Urheberrechtsgesetz geschütztes Recht widerrechtlich
verletzt, dem Verletzten zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens ver-
pflichtet, wenn er die Handlung vorsätzlich oder fahrlässig vornimmt. Die Frage,
ob jemand für eine deliktische Handlung wie die Verletzung eines Schutzrechts
zivilrechtlich als Täter oder Teilnehmer haftet, beurteilt sich nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich nach den im Strafrecht entwickelten
Rechtsgrundsätzen. Als Täter haftet danach derjenige, der die Zuwiderhandlung
selbst oder durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft erfor-
dert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zu-
sammenwirken (§ 25 Abs. 2 StGB; vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als Teilneh-
mer - also als Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27 Abs. 1 StGB) - haftet, wer
vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat
bestimmt hat oder ihm dazu Hilfe geleistet hat. Dabei setzt die Teilnehmerhaf-
tung neben einer objektiven Teilnahmehandlung einen zumindest bedingten Vor-
satz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit
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einschließen muss (BGH, Urteil vom 22. Juni 2011 - I ZR 159/10, GRUR 2011,
1018 Rn. 17 und 24 = WRP 2011, 1469 - Automobil-Onlinebörse, mwN).
c) Falls das Verhalten der Beklagten zu 3 weder eine Handlung der Wie-
dergabe im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29/EG darstellt noch in
den Anwendungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt, die Beklagte
zu 3 gleichwohl aber als Verletzer im Sinne von Art. 11 Satz 1 und Art. 13 der
Richtlinie 2004/48/EG anzusehen ist, weil sie bei der Verletzung von Rechten
des Klägers durch die Nutzer ihrer Plattform eine aktive Rolle gespielt hat, kommt
nach diesen Grundsätzen eine Haftung der Beklagten zu 3 als Gehilfe in Be-
tracht.
aa) Dann stellt sich die Frage, ob die Verpflichtung eines solchen Verletzers
zur Leistung von Schadensersatz nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie
2004/48/EG davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verletzer sowohl in
Bezug auf seine eigene Verletzungshandlung als auch in Bezug auf die Verlet-
zungshandlung des Dritten vorsätzlich gehandelt hat.
Möglicherweise muss es auch bei solchen Fallgestaltungen für einen Scha-
densersatzanspruch nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie 2004/48/EG aus-
reichen, wenn der Verletzer vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass er eine
Verletzungshandlung vornahm. Dann käme eine Haftung des Gehilfen auf Scha-
densersatz bereits beim Vorliegen von Fahrlässigkeit in Betracht. Die Haftung
des Diensteanbieters, der eine aktive Rolle spielt, wäre damit strenger als die
des Diensteanbieters, der eine neutrale Rolle einnimmt und damit in den Anwen-
dungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt; dessen Haftung setzt
nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG eine tatsächliche Kennt-
nis von der rechtswidrigen Tätigkeit oder Information voraus.
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bb) Ferner stellt sich dann die Frage, welche Anforderungen an den Vorsatz
oder - falls dies genügt - die Fahrlässigkeit des Verletzers in Bezug auf die Ver-
letzungshandlung des Dritten zu stellen sind. Nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs muss der Teilnehmer in Bezug auf die Haupttat des Dritten
einen zumindest bedingten Vorsatz haben, der das Bewusstsein der Rechtswid-
rigkeit einschließen muss. Dabei müssen sich der Vorsatz und das Bewusstsein
der Rechtswidrigkeit auf eine konkrete Haupttat beziehen. Nach der Rechtspre-
chung des Bundesgerichtshofs genügt es für die Annahme der Haftung des Be-
treibers einer Internetplattform als Teilnehmer auf Schadensersatz deshalb nicht,
dass der Betreiber wusste, dass Nutzer die Plattform zur Verletzung von Rechten
des geistigen Eigentums nutzen, wenn sich dieses Wissen nicht auf konkrete
Rechtsverletzungen bezieht (vgl. BGHZ 194, 339 Rn. 17 - Alone in the Dark;
BGH, Urteil vom 15. August 2013 - I ZR 80/12, GRUR 2013, 1030 Rn. 28 = WRP
2013, 1348 - File-Hosting-Dienst; BGH, GRUR 2015, 485 Rn. 37 - Kinderhoch-
stühle im Internet III).
Es ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Eu-
ropäischen Union fraglich, ob nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 der Richtlinie
2004/48/EG für eine Haftung des Betreibers einer Internetplattform auf Scha-
densersatz verlangt werden kann, dass er von konkreten Rechtsverletzungen
durch die Nutzer der Plattform wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müs-
sen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat es bei der Bereitstellung eines
Medienabspielgeräts, das den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers
im Internet zur Verfügung gestellte Werke ermöglicht (vgl. EuGH, GRUR 2017,
610 Rn. 50 - Stichting Brein/Wullems [Filmspeler]), und der Bereitstellung und
dem Betrieb einer Filesharing-Plattform im Internet, die durch die Indexierung
von geschützten Werken und das Anbieten einer Suchmaschine den Nutzern
den Zugriff auf ohne Zustimmung des Rechtsinhabers bereitgestellte Werke er-
möglicht (vgl. EuGH, GRUR 2017, 790 Rn. 45 - Stichting Brein/XS 4ALL [The
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Pirate Bay]), ausreichen lassen, dass die jeweiligen Beklagten bewusst eine ge-
fährliche Handlung vornahmen und allgemein mit rechtswidrigen Nutzungen
rechneten. Würde es für einen Schadensersatzanspruch gegen einen Dienste-
anbieter, der eine aktive Rolle spielt, genügen, dass er nur allgemein wusste
oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass es zu Rechtsverletzungen auf
der Plattform kommt, wäre seine Haftung auch insoweit strenger als die des
Diensteanbieters, der eine neutrale Rolle einnimmt und damit in den Anwen-
dungsbereich des Art. 14 der Richtlinie 2000/31/EG fällt; dessen Haftung auf
Schadensersatz setzt nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 2000/31/EG
das Bewusstsein von Tatsachen oder Umständen voraus, aus denen die rechts-
widrige Tätigkeit oder Information offensichtlich wird (siehe oben Rn. 44 ff.).
Koch
Schaffert
Kirchhoff
Feddersen
Schmaltz
Vorinstanzen:
LG Hamburg, Entscheidung vom 03.09.2010 - 308 O 27/09 -
OLG Hamburg, Entscheidung vom 01.07.2015 - 5 U 175/10 -