Urteil des BGH vom 06.09.2018

Urteil vom 06.09.2018

ECLI:DE:BGH:2018:060918BAK34.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
AK 34/18
vom
6. September 2018
in dem Ermittlungsverfahren
gegen
wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen
Vereinigung
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Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Beschuldig-
ten und seiner Verteidiger am 6. September 2018 gemäß §§ 121, 122 StPO
beschlossen:
Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.
Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundes-
gerichtshof findet in drei Monaten statt.
Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allge-
meinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.
Gründe:
I.
Der Beschuldigte befindet sich aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungs-
richters des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 21. Februar 2018 (2 OJs 6/18)
seit diesem Tag in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der
Vorwurf, der Beschuldigte habe sich im Jahr 2013 oder 2014 zumindest für
20 bis 30 Tage als Mitglied an einer ausländischen terroristischen Vereinigung,
nämlich der "Harakat Ahrar al-Sham al-Islamiya" (Ahrar al-Sham), beteiligt, de-
ren Zwecke und Tätigkeiten darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB) oder
Totschlag (§ 212 StGB) zu begehen, strafbar nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b
Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB.
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Der Ermittlungsrichter des Oberlandesgerichts Frankfurt hat mit Be-
schluss vom 9. August 2018 die weitere Untersuchungshaft für erforderlich er-
klärt.
II.
Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über
sechs Monate hinaus liegen vor.
1. Der Beschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Oberlandesgerichts
Frankfurt vom 21. Februar 2018 vorgeworfenen Tat dringend verdächtig.
a) Nach dem bisherigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden
Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:
aa) Die Vereinigung Ahrar al-Sham
(1) Die Ahrar al-Sham ist aus den im Jahr 2011 gegründeten "Kata'ib
Ahrar al-Sham" ("Brigaden der Freien von Großsyrien") hervorgegangen, die
sich Ende des Jahres 2012 dem Bündnis "Al-Jabha al-Islamiya as-Suriya"
("Syrisch-Islamische Front") anschloss. Nach der damaligen Verlautbarung war
Ziel der Organisation der Sturz des Assad-Regimes; mit militärischen und zivi-
len Mitteln sollte eine islamische Gesellschaft entstehen, die gemäß den Regeln
der Sharia regiert werden sollte. Nicht-Muslime wurden indes nicht als Feinde
bezeichnet; in der militärischen Auseinandersetzung sollten Zivilisten geschont
werden.
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Ende Januar 2013 schloss sich die Kata'ib Ahrar al-Sham mit drei an-
deren Gruppierungen zur Ahrar al-Sham zusammen. In dem dazu veröffent-
lichten Video mit dem Titel "Gründungserklärung der Harakat Ahrar al-Sham
al-Islamiya" wurde nunmehr eine streng islamische Ausrichtung der Organisati-
on betont. Ende November 2013 löste sich die "Syrisch-Islamische Front" auf
und gab zugleich die Gründung eines neuen, umfassenderen Bündnisses mit
dem Namen "Islamische Front" bekannt, als dessen Ziele der Sturz des Assad-
Regimes und die Gründung eines "rechtgeleiteten islamischen Staates" unter
der Geltung der Sharia in ihrer radikal-islamistischen Ausrichtung benannt wur-
den. Die Ahrar al-Sham wurde in der Erklärung als Gründungsmitglied bezeich-
net; sie ist als eigenständige Vereinigung innerhalb des Bündnisses gleichwohl
bestehen geblieben.
(2) Ziel der Ahrar al-Sham ist nach wie vor in erster Linie der Sturz des
Assad-Regimes. Im Gegensatz zu früheren Verlautbarungen, in denen von
Toleranz gegenüber Andersdenkenden und -gläubigen die Rede war, wird nun-
mehr eine salafistische Ausrichtung der Organisation betont, die den Schutz
des Islam und die Errichtung einer Gesellschaftsordnung unter dem Gesetz der
Sharia als weitere Ziele definiert. Korrespondierend mit den teilweise engen
Bindungen der Ahrar al-Sham zu etwa der Jabhat al-Nusra und zum Teil auch
dem Al-Qaida-Netzwerk sind die Ziele der Ahrar al-Sham von denen dieser
jihadistisch ausgerichteten Gruppierungen nicht klar abzugrenzen: So akzeptiert
die Ahrar al-Sham die derzeitigen Grenzen des syrischen Staates nicht und be-
absichtigt dementsprechend, den islamischen Staat, dessen Errichtung sie an-
strebt, über die Grenzen des heutigen Syriens hinaus auszudehnen. Eine politi-
sche Lösung des Konflikts lehnt die Organisation ab; der bewaffnete Kampf
wird als einzige Möglichkeit angesehen. Das politische System des zu schaf-
fenden Staates soll auf der Basis der Sharia autoritär geprägt sein; Säkularis-
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mus und Demokratie sieht die Ahrar al-Sham als Übel an, die in ihrem Staat
keinen Platz hätten. Dem allgemeinen Ziel der Al-Qaida, einen transnationalen
islamischen Staat zu schaffen, stimmt die Vereinigung zu, wenn sie auch die
Auffassung vertritt, dass zur Erreichung dieses Ziels Realismus und Geduld von
Nöten seien.
(3) Im Lauf des Jahres 2013 wurde die Ahrar al-Sham mit 10.000 bis
20.000 Kämpfern zur stärksten Gruppierung innerhalb des syrischen Aufstands.
Sie setzt im Kampf gegen das Assad-Regime in erster Linie militärische Mittel
und Einsatztaktiken ein. Selbstmordattentate lehnte sie zwar ab, arbeitete aber
bei Operationen mit der Jabhat al-Nusra zusammen, deren Kämpfer dabei
Selbstmordanschläge begingen. Bereits seit dem Jahr 2012 war sie bzw. ihre
Vorgängerorganisation - häufig in enger Zusammenarbeit mit Gruppierungen
der späteren Islamischen Front - an fast allen wichtigen Operationen der syri-
schen Aufständischen beteiligt, insbesondere an der Offensive in der Stadt
Aleppo im Juli 2012, der Einnahme der Provinzhauptstadt Raqqa im März 2013,
in Zusammenarbeit mit der Jabhat al-Nusra, dem "Islamischen Staat im Irak
und Syrien" und anderen jihadistischen Gruppierungen ab dem 4. August 2013
an der Offensive gegen alawitische Dörfer im Gebirge in der Provinz Latakia,
bei der zahlreiche Zivilisten ermordet wurden, sowie im Februar 2014 an dem
Angriff auf das Zentralgefängnis von Aleppo, an dem wiederum auch die Jabhat
al-Nusra und weitere jihadistische Vereinigungen teilnahmen. Seit März 2015
besteht ein dauerhaftes militärisches Zweckbündnis mit der Jabhat al-Nusra.
(4) An der Spitze der Organisation stand bis September 2014 als politi-
scher Führer Hassan Abboud, der im Juni 2013 in einem Interview mit dem
Nachrichtensender Al-Jazeera an die Öffentlichkeit trat und sich ausführlich zur
Ahrar al-Sham und ihren Zielen äußerte. Nachdem Abboud mit anderen Füh-
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rungspersönlichkeiten der Vereinigung am 9. September 2014 getötet worden
war, setzte der Shura-Rat der Organisation bereits am Tag nach seinem Tod
mit Hashim al Sheikh (Kampfname: Abu Dschabir) einen Nachfolger für ihn ein
und mit Abu Salih Tahhan den Nachfolger für den ebenfalls getöteten bisheri-
gen Militärverantwortlichen Abu Talha. Seit September 2015 führt Abu Yahia
al-Hamawi (alias Mohannad al-Masri) die Ahrar al-Sham. Die zentrale Führung
der Ahrar al-Sham besteht aus einem Shura-Rat sowie Büros für Militär, Religi-
on, Finanzen, humanitäre Aktivitäten und Öffentlichkeitsarbeit. Die Organisation
verfügt nach eigenen Angaben über ein eigenes Medienbüro, das die diversen
Videoveröffentlichungen erstellt; Verlautbarungen sowie Bekenner- und Propa-
gandavideos werden sowohl über soziale Netzwerke als auch über die eigene
Internetpräsenz verbreitet. Eine weitere Führungsebene bilden die Anführer in
den einzelnen syrischen Provinzen. Die Mitglieder der Vereinigung stammen
zumeist aus Syrien, in einigen Fällen auch aus anderen Ländern. Die Kampf-
einheiten sind überwiegend mit erbeuteten ehemaligen Beständen der syri-
schen Armee bewaffnet. Die Organisation verfügt über koordinierende Befehls-
strukturen; die Anweisungen und Planungen der höheren Ebenen werden durch
die nachgeordneten Abteilungen umgesetzt.
bb) Die Tathandlungen des Beschuldigten
Der Beschuldigte schloss sich im Jahr 2013 oder 2014 der Ahrar
al-Sham in Kenntnis ihrer Ziele und Methoden zumindest für einen Zeitraum
von 20 bis 30 Tagen an. Er ließ sich von der Vereinigung als Mitglied registrie-
ren, erhielt von ihr einen Namen und gliederte sich in das Verbandsleben ein.
Auf Seiten der Ahrar al-Sham nahm der Beschuldigte an Kampfhandlungen im
syrischen Bürgerkrieg teil und ließ sich in paramilitärischer Kleidung vor bzw.
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auf der Ladefläche eines LKW fotografieren, auf dem ein Flak-Geschütz mit der
Aufschrift "
Kata’ib Ahar al-Sham" montiert war.
b) Der dringende Tatverdacht folgt, soweit er die Vereinigung Ahrar
al-Sham betrifft, aus öffentlich zugänglichen Quellen und den vorliegenden
Strukturerkenntnissen zu dieser Organisation (vgl. Strukturakte Ahrar al
–Sham
Bd. I bis IV). Hinsichtlich der Einzelheiten wird Bezug genommen insbesondere
auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. S. vom 19. Februar 2015
und vom 21. März 2016.
Betreffend die Tathandlungen des Beschuldigten ergibt sich der dringen-
de Tatverdacht aus seinen Angaben in der Beschuldigtenvernehmung vom
20. Februar 2018 und gegenüber dem Ermittlungsrichter des Oberlandes-
gerichts Frankfurt vom 21. Februar 2018, mit denen er eingeräumt hat, er sei
2013 oder 2014 für 20 bis 30 Tage bei der Ahrar al-Sham gewesen und habe
sich als Mitglied dieser Vereinigung registrieren lassen; allerdings habe er nicht
an Kampfhandlungen teilgenommen und sei der Vereinigung allein zu dem
Zweck beigetreten, um mit ihrer Hilfe gegen Zahlung von 50.000 syrische Lira
in die Türkei auszureisen. Die Bilder seien von der Vereinigung gefertigt wor-
den, um sie an Geldgeber zum Nachweis der Rekrutierung weiterzureichen. In
seinem an den Senat gerichteten Brief vom 15. August 2018 hat er bestätigt,
sich etwa 20 Tage lang bei den Kämpfern der Ahrar al-Sham aufgehalten zu
haben; dabei habe er sich "zur tarnung, nur vorübergehend als Al Sham zuge-
hörig" gestellt, "um das Überleben von mir und meiner Familie zu sichern", bis
ihm schließlich die "Flucht" in die Türkei gelungen sei. Der dringende Tatver-
dacht hinsichtlich der Teilnahme an Kampfhandlungen stützt sich insbesondere
auf die Bekundungen des Zeugen T. , wonach der Beschuldigte im Kreise
mehrerer Flüchtlinge erklärt habe, dass er als Mitglied der Ahrar al-Sham im
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syrischen Bürgerkrieg gekämpft habe, sowie daneben auf die Auswertung von
Lichtbildern, die auf dem Facebookprofil des Beschuldigten eingestellt waren.
Eines der Bilder zeigt den Beschuldigten, wie er auf der Ladefläche eines Last-
kraftwagens an einem darauf montierten, mit dem Schriftzug "
Kata’ib Ahrar
al-Sham" versehenen Flak-Geschütz steht, welches er zu bedienen scheint. Ein
weiteres Lichtbild zeigt den Beschuldigten - bekleidet mit einer Schutzweste mit
Tarnfleckmuster - vor einem LKW stehend, auf dessen Ladefläche eine andere
männliche Person hinter einem Flak-Geschütz sitzt und daran zu hantieren
scheint. Aus den bei dem Beschuldigten sichergestellten Datenträgern ergeben
sich weitere belastende Indizien: So sind eine Videodatei (Slideshow) mit Fotos
bewaffneter Kämpfer und Symbolen terroristisch-jihadistischer Organisationen,
Bilder des Beschuldigten selbst - mit und ohne Bewaffnung - sowie WhatsApp-
Chats gesichert worden, die Hinweise auf Kontakte zum Umfeld syrischer Mili-
zen enthalten.
2. Es besteht nach alledem der dringende Tatverdacht, dass sich der
Beschuldigte wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen
Vereinigung im Ausland nach § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2
StGB strafbar gemacht hat.
a) Die Gruppierung Ahrar al-Sham stellt sich nach den vorliegenden Er-
kenntnissen dar als auf gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer
Zusammenschluss von mindestens drei Personen, die bei Unterordnung des
Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke
verfolgen und unter sich derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheit-
licher Verband fühlen und mithin als Vereinigung im Sinne der §§ 129 ff. StGB
(st. Rspr.; etwa BGH, Urteil vom 3. Dezember 2009 - 3 StR 277/09, BGHSt 54,
216, 221 mwN). Ihre Zwecke und ihre Tätigkeit sind darauf gerichtet, Mord und
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Totschlag (§§ 211, 212 StGB) zu begehen, wobei Opfer nicht nur Soldaten des
von ihr bekämpften Assad-Regimes sind, sondern - wie etwa die Massaker in
alawitischen Dörfern zeigen - auch Zivilisten. Selbst eine angenommene Aus-
richtung allein auf die Bekämpfung der syrischen Regierungstruppen änderte
nichts an dieser Einordnung, da weder völkervertragsrechtliche noch völkerge-
wohnheitsrechtliche Grundsätze die Straftaten gegen deren Soldaten zu recht-
fertigen vermögen.
b) Der Beschuldigte hat sich dieser Vereinigung als Mitglied angeschlos-
sen und sich an ihr durch die Teilnahme an Kampfhandlungen im syrischen
Bürgerkrieg beteiligt.
Zwar werden seine Beteiligungshandlungen in dem Haftbefehl nur äu-
ßerst knapp, jedoch noch so konkret umschrieben, dass die Erfüllung des ihm
vorgeworfenen Straftatbestandes erkennbar ist und der Haftbefehl seinen Funk-
tionen gerecht wird, den Beschuldigten zu informieren und dem Haftprüfungs-
gericht im Rahmen der besonderen Haftprüfung nach den §§ 121 ff. StPO eine
Kontrolle der Haftzeit zu ermöglichen (vgl. Senat, Beschluss vom 17. Au-
gust 2017 - AK 34/17, NStZ-RR 2017, 347 ff.).
c) Deutsches Strafrecht ist anwendbar (vgl. im Einzelnen BGH, Be-
schluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.).
d) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung
zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern oder Unterstützern der Ahrar
al-Sham, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, hat das Bun-
desministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 25. Juli 2014 erteilt.
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3. Es bestehet der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO):
Die Gesamtwürdigung der Umstände des Falles macht es wahrschein-
licher, dass sich der Beschuldigte dem Strafverfahren entzieht, als dass er sich
ihm zur Verfügung halten werde. Der Beschuldigte hat aufgrund der bisherigen
Ermittlungen mit einer empfindlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen ho-
hen Fluchtanreiz bietet. Umstände, die geeignet sind, diesem Fluchtanreiz hin-
reichend entgegenzuwirken, liegen nicht vor: Der Beschuldigte reiste erstmals
im Jahr 2015 in die Bundesrepublik Deutschland ein und verfügt hier weder
über stabile soziale noch berufliche Bindungen. Er lebte zeitweise in einer
Flüchtlingsunterkunft in V. und hatte vor seiner Festnahme keinen fes-
ten Wohnsitz im Bundesgebiet. Seine Familie lebt in der Türkei. Im Sommer
2017 reiste er in die Türkei und nach Syrien aus; bei seiner Wiedereinreise in
das Bundesgebiet wurde er am 20. Februar 2018 festgenommen. Vor diesem
Hintergrund sind in der Zusammenschau keine ausreichenden fluchthemmen-
den Umstände erkennbar, zumal sich aus der Auswertung der in seinem Mobil-
telefon gespeicherten Chatverläufe Hinweise auf Kontakte zum Umfeld syri-
scher Milizen und damit zu Personen ergeben, die bei einer Flucht behilflich
sein könnten. Die genannten Umstände begründen die Gefahr, dass die alsbal-
dige Aufklärung und Ahndung der Tat ohne die weitere Inhaftierung des Be-
schuldigten vereitelt werden könnte.
Darüber hinaus liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität gemäß § 112
Abs. 3 StPO vor.
Unter den gegebenen Umständen vermögen Maßnahmen nach § 116
Abs. 1 StPO - auch unter Beachtung des durch die Verteidigung erklärten Ein-
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verständnisses mit jeglichen Auflagen - nicht die Erwartung zu begründen, dass
auch durch sie der Zweck der Untersuchungshaft erreicht werden kann.
4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über
sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO) liegen vor. Der Umfang der Ermitt-
lungen und ihre besondere Schwierigkeit haben ein Urteil noch nicht zugelas-
sen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft:
Die Auswertung der sichergestellten Beweismittel dauert an. Insbesonde-
re gestaltet sich die Aufbereitung der Daten des sichergestellten Smartphones
des Beschuldigten zeitintensiv, da dieses mehrere Messenger-Programme und
eine Vielzahl von Video- und Bilddateien sowie Geodaten und insbesondere
Chats enthält, deren Auswertung dadurch erschwert ist, dass die Kommunikati-
on zunächst mit Dolmetschern für die arabische Sprache übersetzt und sodann
gesichtet und ggf. durch islamwissenschaftliche Sachverständige bewertet wer-
den muss. Zur Aufbereitung der Daten musste auf das Spezialwissen einer ex-
ternen Firma zurückgegriffen werden; der - nach den Ermittlungsergebnissen
gebotene - Versuch, eine sichergestellte defekte SD-Karte auszuwerten, blieb
auch nach Einschalten eines auf Datenrettung spezialisierten Unternehmens
erfolglos. Zudem mussten mehrere Zeugen vernommen, Sachverständigengut-
achten eingeholt und umfangreiche Finanzermittlungen bezüglich Transaktio-
nen mit Auslandsbezug geführt werden.
Der Senat geht davon aus, dass alsbald - jedenfalls vor Ablauf der Frist
des § 122 Abs. 4 Satz 2 StPO - Anklage erhoben werden wird.
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5. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht zu den gegen den
Beschuldigten erhobenen Vorwürfen nicht außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1
Satz 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 6. April 2017 - StB 6/17, juris Rn. 34 ff.).
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