Urteil des BGH vom 30.08.2018

Urteil vom 30.08.2018

ECLI:DE:BGH:2018:300818B5STR183.18.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
5 StR 183/18
vom
30. August 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Mordes
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundes-
anwalts und nach Anhörung der Beschwerdeführerin am 30. August 2018 ge-
mäß § 349 Abs. 2 StPO beschlossen:
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landge-
richts Chemnitz vom 7. November 2017 wird als unbegründet
verworfen, da die Nachprüfung des Urteils auf Grund der Revi-
sionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der An-
geklagten ergeben hat.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels und
die dem Nebenkläger im Revisionsverfahren entstandenen
notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts bemerkt der Senat:
1. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt R.
Soweit geltend gemacht wird, d
ie „Handzeichen“ unter der Urteilsurkunde erfüll-
ten die Anforderungen von Unterschriften nicht, sondern seien als Paraphen zu
qualifizieren (Verstoß gegen § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO), ist die Rüge unbegrün-
det. Es handelt sich um die Identität des Unterschreibenden ausreichend kenn-
zeichnende Schriftzüge mit individuellen, charakteristischen Merkmalen, die die
Nachahmung erschweren, sich als Wiedergabe eines Namens darstellen und
die Absicht einer vollen Unterschriftsleistung erkennen lassen (vgl. BGH, Be-
schluss vom 9. Februar 2010
– VIII ZB 67/09). Leserlich müssen sie nicht sein.
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Soweit als Verstoß gegen § 338 Nr. 6 StPO die unzulässige Erweiterung der
Öffentlichkeit geltend gemacht wird, handelt es sich um eine Rüge nach § 337
StPO, und nicht nach § 338 Nr. 6 StPO; der Senat schließt aus, dass das Urteil
auf einer etwaigen Rechtsverletzung beruht.
2. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt Ru.
Die Rüge eines Verstoßes gegen § 244 Abs. 4 Satz 2 StPO durch Ablehnung
der Einholung eines Sachverständigengutachtens gemäß (erneutem) Beweis-
Soweit die Beschwerdeführerin moniert, die Ablehnung ihres Antrages vom
21. August/12. September 2017 sei verspätet erfolgt, ist ihre Rüge jedenfalls
unbegründet. Die Strafkammer war nicht gehalten, unverzüglich nach Antrag-
stellung eine Entscheidung zu treffen, sondern konnte diese längstens bis zum
Schluss der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1 StPO) zurückstellen (vgl. BGH,
Beschluss vom 17. November 2010
– 1 StR 145/10, NStZ 2011, 168). Soweit
sie rügt, der Ablehnungsbeschluss der Strafkammer vom 3. November 2017
beziehe sich unter Verstoß gegen § 261 StPO auf die Einlassung des Nichtre-
videnten in der Hauptverhandlung, weil dieser sich nie entsprechend eingelas-
sen habe, ist die Rüge unzulässig. Der Nichtrevident hat sich unter anderem in
den Hauptverhandlungen vom 21. und 28. August sowie 20. Oktober 2017 zur
Sache eingelassen. Die Feststellung der Inhalte seiner Angaben ist wegen des
Rekonstruktionsverbots nicht möglich.
Die Verfahrensrüge nach § 261 StPO (Verstoß gegen das sogenannte Aus-
schöpfungsgebot) ist unzulässig. Die Angeklagte macht insoweit geltend, die
Urteilsgründe hätten angeben müssen, dass die Einlassung des Nichtreviden-
ten in der Hauptverhandlung zustandegekommen sei, ohne dass die Verteidiger
der Angeklagten Fragen an den Nichtrevidenten habe stellen können, weil er
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solche nicht zugelassen habe. Dies trifft allerdings nicht zu. Der Nichtrevident
hatte vielmehr seine Bereitschaft erklärt, Fragen, die von der Strafkammer für
sachdienlich gehalten würden, zu beantworten. Daraufhin hat einer der Vertei-
diger der Angeklagten durch Schriftsätze vom 8. Juni und 14. August 2017 Fra-
genlisten übersandt, die durch das Tatgericht den Verteidigern des Nichtrevi-
denten zugeleitet wurden. Der Nichtrevident hat in den Hauptverhandlungen am
21. Juli und 20. Oktober 2017, also jeweils nach Einreichung der beiden Fra-
genlisten, zur Sache ausgesagt. Ob und gegebenenfalls inwieweit der Nichtre-
vident in diesen Einlassungen zu den Fragen Stellung genommen hat oder die-
se sich angesichts seiner Einlassungen erledigt haben, kann ohne Rekonstruk-
tion der Hauptverhandlung nicht festgestellt werden.
3. Zur Revisionsbegründung von Rechtsanwalt M.
Die Rüge betreffend die fehlende Verwertung der Erkenntnisse aus der Verle-
sung von WhatsApp-Kommunikation im Urteil (Verstoß gegen § 261 StPO) ist
aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts unbegründet.
Die Rüge, das Landgericht habe die Einlassung der Angeklagten zur Sache
unter Verletzung des § 261 StPO nur teilweise in der Urteilsbegründung gewür-
digt, hat ebenfalls keinen Erfolg. Da der Wortlaut der von der Angeklagten vor-
gelesenen Erklärung nicht Gegenstand der Hauptverhandlung geworden ist,
scheitert die
„Inbegriffsrüge“ an dem in der Revisionsinstanz geltenden Struk-
turprinzip des Verbots der inhaltlichen Rekonstruktion der tatrichterlichen Be-
weiserhebungen. Nur dann, wenn das Gericht ausnahmsweise die förmliche
Verlesung einer verschrifteten Einlassung im Wege des Urkundenbeweises an-
ordnet, bewirkt der Vollzug dieser Anordnung, dass der Wortlaut des Schrift-
stücks in die Hauptverhandlung eingeführt wird und deshalb in der Revisions-
instanz als Maßstab zur Überprüfung der Beweiswürdigung herangezogen wer-
den muss (BGH, Beschluss vom 14. August 2003
– 3 StR 17/03, NStZ 2004,
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163, 164; vom 27. Februar 2007
– 3 StR 38/07, NStZ 2007, 349; KK/Schneider,
StPO, 7. Aufl., § 243 Rn. 57 mwN).
Die Verfahrensrüge einer Verletzung des Rechts der Angeklagten auf konfron-
tative Befragung des Nichtrevidenten (Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 6 Abs. 3
Buchst. d EMRK) ist unzulässig. Entgegen dem Vortrag der Revision ist es be-
reits unzutreffend, dass die Fragenliste vom 14. August 2017 vom Tatgericht
nicht weitergegeben worden sei (vgl. die mit Erledigungsvermerk versehene
Verfügung des Richters am Landgericht B. , Bl. 3531R PB). Im Übrigen
wird auf die Ausführungen in der Revisionsbegründung von Rechtsanwalt
Ru. sowie die in der Stellungnahme des Generalbundesanwalts unter Glie-
derungspunkt I.1.b) verwiesen.
Mutzbauer
Sander
Schneider
Mosbacher
Köhler