Urteil des BGH vom 26.03.2018

Urteil vom 26.03.2018

ECLI:DE:BGH:2018:260318B4STR408.17.0
BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
4 StR 408/17
vom
26. März 2018
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
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Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat nach Anhörung des Generalbun-
desanwalts und des Beschwerdeführers am 26. März 2018 gemäß § 349 Abs. 4
StPO beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landge-
richts Halle vom 15. März 2017 mit den zugehörigen Feststellun-
gen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch
über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer
des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe:
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Untreue in Tateinheit mit
(vorsätzlichem) unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften zu der Freiheits-
strafe von drei Jahren und acht Monaten verurteilt. Gegen seine Verurteilung
wendet sich der Angeklagte mit seiner auf eine näher ausgeführte Sachrüge
gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
1. Das Landgericht hat folgende Feststellungen getroffen:
a) Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt entwickelte der Ange-
klagte die Vision, unabhängig und autark von staatlichen Institutionen zu leben
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und später einen eigenen Staat auf dem Gebiet der Stadt Wittenberg mit ihm
als Staatsoberhaupt oder Führer zu schaffen. Zu diesem Zweck gründete er am
5. Februar 2006 den Verein Ganzheitliche Wege e.V., dessen erster Vorsitzen-
der er wurde. Im Jahr 2007 begann der Angeklagte mit dem Verein ein sog.
„Regionalwährungsbüro Arkana“ zu betreiben, das eine eigene Währung („En-
gel“) herausgab. Ab dem Jahr 2008 schlossen sich dem Angeklagten mehrere
Personen an. Die Gruppierung entwickelte sich zu einer Gemeinschaft mit sek-
tenähnlichem Charakter. Innerhalb der Gemeinschaft traf der Angeklagte alle
wesentlichen Entscheidungen und entschied allein über die Verwendung der
zur Verfügung stehenden Gelder. Die Mitglieder der Gemeinschaft gingen kei-
ner Arbeit nach. Auch Sozialleistungen bezogen sie nicht. Stattdessen wandte
ihnen der Angeklagte nach freiem Ermessen „mildtätige Gaben“ für ihren Le-
bensunterhalt zu.
Um das benötigte Geld beschaffen zu können, entwickelte der Angeklag-
te spätestens im Jahr 2007 die Idee, Gelder von Unterstützern entgegenzu-
nehmen, denen er dafür ein
„Sparbuch“ des Vereins Ganzheitliche Wege e.V.,
Regionalwährungsbüro Arkana, aushändigte. Die Unterstützer konnten hierauf
bzw. hiervon jederzeit Geld einzahlen oder abheben, was im
„Sparbuch“ ent-
sprechend vermerkt wurde. Eine Verzinsung der Guthaben war nicht vorgese-
hen. Die „Sparbücher“ wurden kostenlos geführt. In der Folge warb der Ange-
klagte Einzahlungen auch über das Internet ein, wobei er nunmehr den Namen
„Kooperationskasse“ verwendete. Ein- und Auszahlungen wurden auch hier in
den jeweiligen
„Sparbüchern“ vermerkt. Zudem führte die „Kooperationskasse“
über diese Vorgänge eine chronologische Liste.
Im Juni 2009 konfrontierte die Deutsche Bundesbank den Angeklagten
mit dem Vorwurf, ohne Erlaubnis Einlagegeschäfte zu betreiben. Der Angeklag-
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te kündigte an, die Einnahmen
der „Kooperationskasse“ auf eine schriftliche
Vertragsbasis zu stellen, die eine qualifizierte Nachrangabrede enthalte,
wodurch die Gelder nicht als unbedingt rückzahlbar und daher nicht als Bank-
geschäfte im Sinne des KWG einzustufen seien. Einen vom Angeklagten vorge-
legten Vertragsentwurf verwarf die Bundesbank als dafür ungeeignet und leitete
ihren Vorgang an die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
weiter.
b) Im Juli 2009 gründete der Angeklagte den Verein
„Neudeutschland“
mit ihm als
„unabwählbarem“ ersten Vorstand. Eine Eintragung ins Vereinsre-
gister wurde abgelehnt. Obwohl dem Angeklagten nach den Erörterungen mit
der Bundesbank bewusst war, dass es sich um erlaubnispflichtige Einlagege-
schäfte handelte und weder er noch
Ganzheitliche Wege e.V. oder „Neu-
deutschland“ über eine entsprechende Erlaubnis verfügte, betrieb er die „Ko-
operationskasse
“ als „Zweckbetrieb“ des „Vereins Neudeutschland“ weiter, wo-
bei
„Neudeutschland“ das bereits eingeworbene Kapital „formlos“ übernahm.
Für die Zahlungen neuer Kapitalgeber verwendete der Angeklagte ab
Ende
2009 auf die „Kooperationskasse“ lautende „Sparbücher“, in denen neben
Ein- und Auszahlungen auch der Umtausch von Euro in
„Engel“ eingetragen
wurde; ein Rücktausch in Euro war ausgeschlossen.
In den „Sparbüchern“ be-
fand sich der Hinweis: „Krisensichere Einlagensicherung in Sachwerte“. Die
Einzahlungen unterlegte der Angeklagte mit schriftlichen Verträgen, die er zuvor
weder der Bundesbank noch der BaFin vorgelegt hatte. Hierzu verwendete er
ein mit „Kapital-Überlassungs-Vertrag/Genussrecht“ überschriebenes Formular,
das sowohl vom „Kapitalgeber“ als auch vom „Kapitalempfänger“ zu unter-
schreiben war. Es enthielt die Hinweise
, dass der „Kapitalempfänger […] als
Kapital-
Verwalter“ fungiere und der „Hauptzweck der Kapitalüberlassung […] in
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erster Linie in der Unterstützung der gemeinnützigen Ziele des KE [=Kapital-
empfängers]
“ bestehe. Das „Genussrecht“ wurde als „Anspruch auf entgeltliche
oder unentgeltliche Nutzung der vom KE angebotenen Seminare, Schulungen
und/oder sonstigen Projekte“ definiert. Mit dem Vertrag verpflichtete sich der
Kapitalgeber, erst nach Ablauf einer von ihm bestimmten Frist die Rückzahlung
des überlassenen Kapitals zu verlangen. Außerdem enthielt der Vertrag die fol-
gende Bestimmung:
„Nach Ablauf dieser Frist kann der KÜ [=Kapitalüberlasser] jeder-
zeit die Rückführung des Kapitals beantragen. Der bedingte An-
spruch des KÜ auf Rückführung des überlassenen Kapitals gegen
den Kapitalempfänger tritt im Rang zugunsten aller gegenwärtigen
und künftigen Gläubiger der Kapitalempfänger zurück, indem die
Rückführung des Kapitals nur aus eingezahlten Kapitalüberlas-
sungen, aus künftigen Jahresüberschüssen oder aus weiteren,
sonstigen Verbindlichkeiten des Kapitalempfängers übersteigen-
den Vermögen verlangt werden kann. Der KÜ verpflichtet sich
demnach insbesondere, keinen Antrag auf Rückführung des Kapi-
tals dem KE gegenüber geltend zu machen, sofern die teilweise
oder vollständige Rückführung des überlassenen Kapitals zu einer
rechnerischen Überschuldung oder Insolvenz des KE führt.
Im Rahmen eines im Juli 2011 geführten Schriftwechsels bestätigte die
BaFin dem Angeklagten, dass auf der Grundlage dieses Vertrags ein erlaubnis-
pflichtiges Betreiben eines
„Einlagegeschäfts“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2
Nr.
1 KWG „derzeit nicht ersichtlich“ sei.
Spätestens ab 2011 verwendete der Angeklagte zudem das Formular
„Sparbuch-Festanlage/Verwendungszweck“. Mit diesem konnte der Kapitalge-
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ber wählen, für welches der dort benannten
„gemeinnützige Projekte“ seine
Einzahlung verwendet werden sollte. Es enthielt ferner die Möglichkeit
: „Der
Vorstand
von Neudeutschland kann selbst entscheiden.“ Schließlich ließ sich
der
„Vorstand von Neudeutschland“ die Berechtigung einräumen, die Einzah-
lung für die Verwirklichung eines Projekts zusammenzulegen.
Der Internet-Auftritt de
r „Kooperationskasse des Vereins Neudeutsch-
land
“ teilte unter anderem mit: „Für uns ist die Kooperationskasse die Möglich-
keit, mit Ihrer Hilfe, durch eine an Bedingungen geknüpfte Einlage, dem Verein
die Möglichkeit zu geben, gemeinwohlorientierte Unternehmungen zu finanzie-
ren. Die Rückzahlung ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass die Rückfor-
derung der Einlage nicht zur Insolvenz des Vereins führen darf. Diese könnte
theoretisch eintreten, wenn alle Einleger gleichzeitig und unerwartet alle ihre
Einlagen zurückfordern würden. Aber gegenwärtig wollen die meisten Men-
schen ihre bunten Zettel, genannt Euro, lieber in den harten Engel oder in
Sachwerte investieren. Genau dies tun wir mit den Einlagen, die in die Koopera-
tionskasse fließen. Wir investieren in
stabile Sachwerte oder schaffen diese.“
c) Ab 2009 bis zum 25. April 2013 zahlten insgesamt 492
„Kapital-
überlasser“ rund 2,4 Millionen Euro in die „Kooperationskasse“ ein. Davon
brachten in der Zeit zwischen dem 20. April 2011 und dem 12. November 2012
– dem vom Landgericht angenommenen Tatzeitraum – insgesamt 38 „Kapital-
überlasser“ jeweils mehr als 10.000 Euro (insgesamt rund 1,47 Millionen Euro)
auf. Fünf dieser Einzahler gaben einen konkreten Verwendungszweck vor, in-
dem sie eines oder mehrere der von dem Angeklagten bezeichneten Projekte
auswählten, sieben überließen
dem „Vorstand von Neudeutschland“ die Ent-
scheidung, welches der gemeinnützigen Projekte mit ihrem Geld gefördert wer-
den sollte. Die Übrigen machten dazu keine Angaben. Die Kapitalgeber wollten
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mit ihren Zahlungen den Angeklagten und sein Ziel einer unabhängigen autar-
ken Gemeinschaft unterstützen. Verschenken oder spenden wollten sie das
Geld nicht. Knapp 500.000 Euro erhielten die 38 Kapitalgeber in der Folge zu-
rückgezahlt; fast 976.000 Euro stehen noch zur Rückzahlung offen.
Die
„Sparbücher“ und die Bestandsliste der „Kooperationskasse“ wurden
akribisch geführt. Aufzeichnungen darüber, ob und wie das überlassene Geld
der einzelnen Unterstützer verwendet wurde, insbesondere ob die Gelder für
ein in den Formularen angekreuztes konkretes Projekt Verwendung fanden,
fertigte der Angeklagte nicht an. Das Landgericht hat nicht festzustellen ver-
mocht, ob und für welches der in den Formularen ankreuzbaren Projekte der
Angeklagte die von den 38
„Kapitalüberlassern“ eingezahlten Gelder verwende-
te. Von einer zweckwidrigen Verwendung ist es nicht ausgegangen.
In der Zeit von Januar 2011 bis November 2012 hob der Angeklagte vom
Bankkonto
der „Kooperationskasse“ rund 1,35 Millionen Euro ab, von denen er
350.000 Euro wieder auf das Konto zurückzahlte. Im selben Zeitraum wurden
aus der „Kooperationskasse“ insgesamt 186.721,62 Euro als „mildtätige Gaben“
an die Mitglieder der Gemeinschaft ausbezahlt. Für die Anschaffung eines Fa-
brik- und eines Krankenhausgeländes wurden (Teil-)Zahlungen in Höhe von
insgesamt 148.000 Euro erbracht. Außerdem erfolgten Zahlungen für Sanie-
rungs- und Renovierungsarbeiten an Gebäuden in unbekannter Höhe. Der von
der BaFin bestellte Abwickler stellte ein Kontoguthaben von rund 34.000 Euro
und weitere Vermögenswerte von knapp 3.000 Euro sicher.
d) Zur subjektiven Tatseite hat das Landgericht festgestellt: Der Ange-
klagte nahm billigend in Kauf, die Rückzahlungsansprüche der
„Kapitalüberlas-
ser“ zu gefährden und zu erschweren, indem er keine ordnungsgemäße Buch-
haltung unterhielt und das Geld nach eigenen Vorstellungen verwendete. Er
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nahm ferner billigend in Kauf, die vereinnahmten Gelder nicht zurückzahlen zu
können und den Anlegern dadurch einen Schaden zuzufügen.
2. a) In rechtlicher Hinsicht hat das Landgericht die Auffassung vertreten,
der Angeklagte habe in der Zeit von Anfang 2010 bis April 2013 unerlaubt
Bankgeschäfte betrieben, indem er fremde, unbedingt rückzahlbare Gelder des
Publikums annahm. Bei den vereinbarten qualifizierten Rangrücktritten handele
es sich um „für den Anleger offensichtlich überraschende und damit unwirk-
same Klauseln
“.
b) Zudem habe sich der Angeklagte in der Zeit von April 2011 bis No-
vember 2012 einer Untreue zum Nachteil der 38
„Kapitalüberlasser“ schuldig
gemacht, die mehr als 10.000 Euro angelegt hatten. Zumindest ihnen gegen-
über ergebe sich seine Vermögensbetreuungspflicht aus dem
„Vertragskon-
strukt der Kooperationskasse sui generis, mit Elementen eines Auftrags nach
§ 662 BGB und eines Geschäftsbesorgungsvertrages nach § 675 BGB
“, wobei
der Angeklagte allerdings kein Entgelt erhielt. Seine Treuepflicht habe der An-
geklagte dadurch verletzt, dass er die Gelder entgegengenommen habe, ohne
ordnungsgemäß Buch zu führen. Für die einzelnen Kapitalgeber sei deshalb
weder der Bestand der „Kooperationskasse“ noch ersichtlich gewesen, wo die
eingezahlten Gelder verblieben seien. Durch die Berufung auf eine vermeint-
liche Insolvenzgefahr und die Behauptung eines Nachrangs sei der Rückzah-
lungsanspruch der 38
„Kapitalüberlasser“ zumindest erheblich erschwert, ihr
Vermögen in Höhe der Einzahlung schadensgleich gefährdet worden. In Höhe
der offenen Forderungen habe sich der Schaden realisiert. Daneben hat das
Landgericht Treuepflichtverstöße in einer vorzeitigen Rückzahlung der Gelder
an einzelne
„Kapitalüberlasser“ gesehen, dem Fehlen von Verwendungsnach-
weisen und der Entziehung
umfangreicher Mittel aus der „Kooperationskasse“
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(Gewährung von „mildtätigen Gaben“ an Mitglieder der Gemeinschaft), ohne in
stabile oder sinnvolle Sachwerte zu investieren.
II.
Die Verurteilung des Angeklagten wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 StGB) in
Tateinheit mit (vorsätzlichem) unerlaubtem Betreiben von Bankgeschäften (§ 54
Abs. 1 Nr. 2 KWG) hält revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand.
1. Die rechtliche Wertung des Landgerichts, der Angeklagte habe Ein-
lagen oder andere unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG angenommen und deshalb ohne Erlaubnis nach
§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG Bankgeschäfte betrieben (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG), ist
nicht belegt, weil die Annahme der Strafkammer, die in die
„Kapitalüberlas-
sungsverträge
“ aufgenommene Nachrangabrede sei „unwirksam“, durchgrei-
fenden rechtlichen Bedenken begegnet.
a) Einlagen und anderen unbedingt rückzahlbaren Geldern des Publi-
kums im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG ist gemein, dass der Kapital-
geber die eingezahlten Gelder bei Fälligkeit ohne zusätzliche Voraussetzung
jederzeit wieder zurückfordern kann (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April 2007
– 5 StR 446/06, NStZ 2007, 647; Beschluss vom 24. August 1999 – 1 StR
385/99, NStZ 2000, 37, 38; Janssen in: Münch.Komm.z.StGB, 2. Aufl., § 54
KWG Rn. 53; Bock in Graf/Jäger/Wittig, Wirtschafts- und Steuerstrafrecht,
2. Aufl., § 54 KWG Rn. 26 [zu Einlagen]; BT-Drucks. 13/7142, S. 62 f. und
BT-Drucks. 15/3641, S. 6; BGH, Urteil vom 23. März 2010
– VI ZR 57/09, WM
2010, 928, 929; Gercke in: Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 54 KWG
Rn. 18; Gehrlein, WM 2017, 1385 f. [zu den anderen unbedingt rückzahlbaren
Geldern des Publikums]). Hieran fehlt es, wenn zwischen dem Kapitalgeber und
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dem Kapitalnehmer eine sog. qualifizierte Nachrangabrede des Inhalts getroffen
wird, dass die Forderung des Kapitalgebers außerhalb des Insolvenzverfahrens
nur aus ungebundenem Vermögen und in der Insolvenz nur im Rang nach den
Forderungen sämtlicher normaler Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) befriedigt
werden darf (vgl. BGH, Urteil vom 5. März 2015
– IX ZR 133/14, BGHZ 204,
231, 243 f. mwN). Eine solche Abrede steht der Annahme einer Einlage oder
anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums und damit eines Bank-
geschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG entgegen (vgl. BT-Drucks.
15/3641, S. 36; BGH, Urteil vom 16. Mai 2017
– VI ZR 266/16, NJW 2017,
2463; Urteil vom 10. Februar 2015
– VI ZR 569/13, NJW-RR 2015, 675, 676;
Schäfer in Boos/Fischer/Schulter-Mattler, KWG, 5. Aufl., § 1 Rn 46; Gehrlein,
WM 2017, 1385, 1386; vgl. zur Rechtsanwendungspraxis der BaFin deren
Merkblatt „Hinweise zum Tatbestand des Einlagengeschäfts“, Stand März 2014,
NZG 2014, 379, 381).
b) Dies hat das Landgericht zwar nicht verkannt und zutreffend berück-
sichtigt, dass der „Kapital-Überlassungs-Vertrag/Genussrecht“ eine qualifizierte
Nachrangabrede enthielt. Seine nicht weiter begründete Annahme,
„irgendwel-
che abweichenden Abreden, insbesondere sogenannte Nachrangabreden, stel-
len für den Anleger offensichtlich überraschende und damit unwirksame Klau-
seln dar“, hält aber auch eingedenk der nur eingeschränkten revisionsgericht-
lichen Kontrolle der tatrichterlichen Auslegung von Verträgen und der ihnen zu-
grunde liegenden Erklärungen der Vertragsparteien (vgl. BGH, Urteil vom
13. Mai 2004
– 5 StR 73/03, NJW 2004, 2248, 2250 mwN [insoweit in BGHSt
49, 147 nicht abgedruckt]; Sander in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 261
Rn. 97) einer rechtlichen Überprüfung nicht stand, weil sie über erörterungsbe-
dürftige Feststellungen hinweggeht und deshalb lückenhaft ist.
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aa) Eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 BGB) wird ge-
mäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil, wenn sie nach den Umstän-
den, insbesondere nach dem äußeren Erscheinungsbild des Vertrags, so un-
gewöhnlich ist, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihr nicht zu rech-
nen braucht (sog. überraschende Klausel). Einen überraschenden Charakter im
Sinne dieser Vorschrift hat eine Allgemeine Geschäftsbedingung dann, wenn
sie von den (berechtigten) Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht
und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen
braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen
und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt. Zu
den allgemeinen Begleitumständen zählen der Grad der Abweichung vom dis-
positiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung. Zu
den besonderen Begleitumständen gehören der Gang und der Inhalt der Ver-
tragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrags (vgl. BGH, Urteil
vom 21. Juni 2016
– IX ZR 475/15, VersR 2016, 1330, 1331; Urteil vom
20. Februar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937, 938; Urteil vom 18. Mai
1995
– IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25 [zu der gleichlautenden Vorschrift in
§ 3 AGBG]; weitere Nachweise bei Basedow in: Münch.Komm.z.BGB, 7. Aufl.,
§ 305c Rn. 6). Allgemeine Geschäftsbedingungen, mit denen der Vertrags-
partner des Verwenders nicht von vornherein rechnen musste, können ihren
überraschenden Charakter verlieren, wenn der Verwender durch einen eindeu-
tigen Hinweis auf sie aufmerksam macht (vgl. BGH, Urteil vom 20. Febru-
ar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937, 938; Urteil vom 24. Juni 1997
– XI ZR 288/96, NJW 1997, 2677; Urteil vom 24. September 1980 – VIII ZR
273/79, NJW 1981, 117, 118; weitere Nachweise bei Basedow in: Münch.
Komm.z.BGB, 7. Aufl., § 305c Rn. 8; speziell zur Nachrangabrede siehe Mock
in: Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 14. Aufl., § 19 Rn. 238; Bitter/Rauhut, ZIP
2014, 1005, 1015).
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bb) Eine diesen Vorgaben genügende rechtliche Bewertung durch die
Strafkammer lassen die Urteilsgründe weder in Bezug auf die Frage, ob die
Nachrangabrede überhaupt einen überraschen Charakter hat, noch hinsichtlich
einer möglichen Ausräumung einer solchen Überraschungswirkung erkennen.
(1) Zur Frage der deutlichen Abweichung von den (berechtigten) Erwar-
tungen der Vertragspartner und einem daraus resultierenden Überraschungs-
effekt ist den Urteilsgründen lediglich zu entnehmen, dass das Landgericht den
Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht im Ansatz in seine Be-
wertung eingestellt hat, indem es ersichtlich jede Abweichung von dem durch
das „Sparbuch“ verbrieften jederzeitigen Rückzahlungsanspruch als überra-
schend gewertet hat. Damit schöpft die Strafkammer den festgestellten Sach-
verhalt aber nicht aus. Zwar trifft es zu, dass eine Nachrangabrede bei einem
privat gewährten Darlehen in der Regel objektiv ungewöhnlich ist, weil sie die
Finanzierungsleistung des Darlehensgebers wirtschaftlich den Forderungen auf
Rückgewähr eines Gesellschafterdarlehens annähert (vgl. § 39 Abs. 1 Nr. 5
InsO), ohne dass ihn die Finanzierungsfolgenverantwortung eines Gesellschaf-
ters trifft oder er die Informations- und Einwirkungsmöglichkeiten eines Gesell-
schafters hat (vgl. BGH, Urteil vom 20. Februar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR
2014, 937, 938
[zur „einfachen“ Nachrangabrede]; Mock in: Uhlenbruck, Insol-
venzordnung, 14. Aufl., § 19 Rn. 238). Die Strafkammer hätte sich aber an die-
ser Stelle auch da
mit befassen müssen, dass es sich bei den „Kapitalüberlas-
sern“ nicht um am allgemeinen Kapitalmarkt agierende profitorientierte Anleger
handelte, sondern um Personen, die mit den Zielen des Angeklagten sympathi-
sierten und denen es darauf ankam, die bereits geschaffenen oder noch einzu-
richtenden gemeinnützigen Projekte der Gemeinschaft zu fördern. Dass die für
private Darlehen objektiv ungewöhnliche Regelung auch für die im Kontext sol-
cher Unterstützungsleistungen adressierten Kreise „offensichtlich überraschend
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[…]“ war und sie überrumpelte, versteht sich nicht von selbst. Auch der Um-
stand, dass die Unterstützer des Angeklagten ihm das Geld weder schenken
noch spenden wollten, sagt noch nichts darüber aus, in welchem Rangverhält-
nis zu anderen Gläubigern sie ihre Rückzahlungsansprüche sahen.
(2) Zu der Frage, ob ein vorhandener Überraschungseffekt durch den
äußeren Zuschnitt des Vertrages und den Inhalt der Vertragsverhandlungen
sowie deren Anbahnung aufgehoben wurde, verhält sich das Landgericht nicht,
obgleich die die qualifizierte Nachrangabrede enthaltende Bestimmung in den
Fließtext des Vertrags aufgenommen war und deren Wesen zutreffend be-
schrieb (vgl. hierzu Gehrlein, WM 2017, 1385, 1386 f.). Bereits in der Internet-
Werbung der „Kooperationskasse“ fand der qualifizierte Nachrang Erwähnung,
auch wenn die mit ihr verbundene Bedingung („Rückforderung darf nicht zur
Insolvenz führen“) als „theoretisch“ bezeichnet wurde. Schließlich lassen die
Urteilsgründe auch konkrete Ausführungen dazu vermissen, ob und mit wel-
chen Inhalten der Angeklagte den Kapitalüberlassungsvertrag mitsamt der darin
ausgeführten qualifizierten Nachrangabrede mit den Geldgebern erörterte, ob-
wohl einzelne Zeugen von solchen Vertragsgesprächen berichteten.
Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass das hierzu allein berufene
Landgericht zu einem anderen Ergebnis gelangt wäre, wenn es diese Gesichts-
punkte in seine Würdigung einbezogen hätte.
c) Unter diesen Umständen kann es dahinstehen, ob die Annahme der
Gelder unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Einlage oder der anderen un-
bedingt rückzahlbaren Gelder des Publikums als Bankgeschäft im Sinne des
§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG zu würdigen ist. Zweifel am Vorliegen einer Einla-
ge bestehen bereits deshalb, weil dies die Entgegennahme von Geld zur eige-
nen Verwendung des Empfängers in der Absicht erfordert, mit ihm im eigenen
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Aktivgeschäft gewinnbringend zu arbeiten (vgl. BGH, Beschluss vom 17. April
2007
– 5 StR 446/06, NStZ 2007, 647; Beschluss vom 9. Februar 2011 – 5 StR
563/10, NStZ 2011, 410, 411; Urteil vom 9. März 1995
– III ZR 55/94, BGHZ
129, 90, 95; BVerwG, WM 1984, 1364, 1367; Janssen in: Münch.Komm.z.
StGB, 2. Aufl., § 54 KWG Rn. 53; Schröder in: Achenbach/Ransiek/Rönnau,
Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, 4. Aufl., Teil 10, Kap. 3, Rn. 11; Gercke in:
Park, Kapitalmarktstrafrecht, 4. Aufl., § 54 KWG Rn. 18; Demgensky/Erm, WM
2001, 1445, 1451). Den Feststellungen ist aber nicht zu entnehmen, dass der
Angeklagte das überlassene Kapital, das er
– nicht ausschließbar – für seine
gemeinnützigen Projekte verwendete, zum gewinnbringenden Einsatz annahm.
2. Auch der Schuldspruch wegen Untreue (§ 266 Abs. 1 2. Alternative
StGB) hat keinen Bestand. Die Annahme der Strafkammer, dem Angeklagten
habe
aufgrund des „Vertragskonstrukts der Kooperationskasse“ gegenüber den
Anlegern eine Vermögensbetreuungspflicht oblegen, wird von den Feststellun-
gen nicht getragen.
a) Eine Vermögensbetreuungspflicht im Sinne des § 266 Abs. 1 StGB ist
gegeben, wenn der Täter gegenüber dem (potentiell) Geschädigten eine inhalt-
lich besonders herausgehobene, nicht nur beiläufige Pflicht zur Wahrnehmung
von dessen Vermögensinteressen inne hat, die über die für jedermann gelten-
den Sorgfalts- und Rücksichtnahmepflichten und die allgemeine Pflicht, auf die
Vermögensinteressen des Vertragspartners Rücksicht zu nehmen, hinausgeht.
Hinzukommen muss, dass dem Täter Raum für eigenverantwortliche Entschei-
dungen bleibt und ihm eine gewisse Selbstständigkeit belassen wird (st. Rspr.;
vgl. BGH, Beschluss vom 16. August 2016
– 4 StR 163/16, BGHR StGB § 266
Abs. 1 Vermögensbetreuungspflicht 54; Beschluss vom 26. November 2015
– 3 StR 17/15, BGHSt 61, 48, 62 f.; Urteil vom 11. Dezember 2014 – 3 StR
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265/14, BGHSt 60, 94, 104 f. jew. mwN). In der Rechtsprechung ist dazu aner-
kannt, dass auch bei einem zweckgebundenen Darlehen durch die Einbezie-
hung auftragsähnlicher Elemente im Einzelfall eine derartige Vermögens-
betreuungspflicht des Darlehensnehmers gegenüber dem Darlehensgeber be-
gründet sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 15. Juni 1976
– 1 StR 266/76, bei
Holtz, MDR 1976, 986, 987; Urteil vom 16. Oktober 1968
– 2 StR 429/68, bei
Dallinger, MDR 1969, 534). Dies wird jedoch in der Regel nur dann in Betracht
kommen, wenn durch die besondere Zweckbindung und die sich daraus erge-
bende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur zweckgerechten Verwendung
der Valuta Vermögensinteressen des Darlehensgebers geschützt werden und
diese wirtschaftlich im Mittelpunkt des Vertrags stehen (vgl. BGH, Urteil vom
16. Oktober 1968
– 2 StR 429/68, bei Dallinger, MDR 1969, 534 [Brauereidar-
lehen zur Investition in eine dauerhaft zu beliefernde Gaststätte]; Urteil vom
22. November 1955
– 5 StR 705/54, BGHSt 8, 271, 272 f. mwN [Baukostenzu-
schuss eines zukünftigen Mieters des zu errichtenden Hauses]).
b) Dass sich der Angeklagte gegenüber den
„Kapitalüberlassern“ in einer
derartigen Pflichtenstellung befand, belegen die Urteilsgründe nicht. Zwar war
der Angeklagte aufgrund der mit den einzelnen Geldgebern geschlossenen Ver-
träge („Kapital-Überlassungs-Vertrag/Genussrecht“) diesen gegenüber dazu
verpflichtet, die überlassenen Gelder zur Förderung der benannten
„gemeinnüt-
zigen Projekte
“ einzusetzen und hatte dabei auch einen gewissen Entschei-
dungsspielraum. Durch diese Zweckbindung wurden aber keine Vermögensin-
teressen der Geldgeber geschützt oder wahrgenommen. Insbesondere ist nicht
ersichtlich, dass der Angeklagte dadurch angehalten werden sollte, Investi-
tionen in besondere kapitalerhaltende oder gar gewinnträchtige Projekte zu täti-
gen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass die Kooperationskasse im Zeit-
punkt der Fälligkeit der Rückzahlungsansprüche über ausreichendes Vermögen
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verfügen würde. Die Tatsache, dass der Angeklagte im Internet das Verspre-
chen abgab
und die „Sparbücher“ ebenfalls den Hinweis enthielten, die ange-
nommenen Gelder in
„stabile Sachwerte“ zu investieren, sagt dazu nichts aus,
zumal auch nicht festgestellt ist, dass diese
– ohnehin keinen greifbaren Tat-
sachenkern aufweisende
– Zusage Eingang in die Verträge gefunden hat. Der
Rückzahlungsanspruch der „Kapitalüberlasser“ gegenüber der „Kooperations-
kasse“ war durch die „Sparbücher“ verbrieft und hing nicht davon ab, ob das
Geld tatsächlich für die ausgewählten gemeinnützigen Projekte verwendet wur-
de.
Der Umstand, dass die Rückzahlungsansprüche mit einer qualifizierten
Nachrangabrede verknüpft waren, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese
bewirkte zwar
– sofern wirksam vereinbart –, dass die „Kapitalüberlasser“ Be-
friedigung nur aus dem freien, nicht zur Schuldendeckung benötigten Vermögen
der
„Kooperationskasse“ verlangen konnten (vgl. dazu BGH, Urteil vom 5. März
2015
– IX ZR 133/14, BGHZ 204, 231, 242 f.). Eine inhaltlich herausgehobene
Pflicht des Angeklagten, die Vermögensinteressen seiner im qualifizierten
Nachrang stehenden Darlehensgeber wahrzunehmen, wurde dadurch jedoch
nicht begründet. Denn auch für das Vermögensinteresse der qualifiziert nach-
rangigen Darlehensgeber kam es allein darauf an, dass die
„Kooperationskas-
se“ zum Fälligkeitszeitpunkt über ausreichendes Vermögen verfügte, um die
Rückzahlungsansprüche zu erfüllen.
III.
Hinsichtlich des Vorwurfs des (vorsätzlichen) unerlaubten Betreibens von
Bankgeschäften wird bei der neuen Hauptverhandlung Folgendes in den Blick
zu nehmen sein:
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1. Sollte der neue Tatrichter die qualifizierte Nachrangabrede als in den
Vertrag einbezogen ansehen, wird er die Wirksamkeit der Regelung am Trans-
parenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom
23. Februar 2005
– IV ZR 273/03, BGHZ 162, 210, 213 f.; Urteil vom 24. März
2010
– VIII ZR 178/08, BGHZ 185, 96, 102 ff.; Urteil vom 20. Februar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937, 939; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1387 f.)
und dem Verbot einer unangemessenen Benachteiligung nach § 307 Abs. 1
Satz 1 BGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 12. März 1987
– VII ZR 37/86, BGHZ
100, 157, 162 ff.; Urteil vom 28. Januar 2003
– XI ZR 156/02, BGHZ 153, 344,
350 f.; Urteil vom 20. Februar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937, 939;
Gehrlein, WM 2017, 1385, 1388 f.) zu messen haben. Dabei wird auch die Mo-
tivation der Kapitalgeber zu berücksichtigen sein, die mit der Hingabe ihres
Geldes den Angeklagten, seine unabhängige und autarke Gemeinschaft und
deren Ziele und Interessen unterstützen wollten (vgl. BGH, Urteil vom 20. Fe-
bruar 2014
– IX ZR 137/13, NJW-RR 2014, 937, 939; Bitter, ZIP 2015, 345,
355; Gehrlein, WM 2017, 1385, 1389).
2. Der neue Tatrichter wird auch zu prüfen haben, ob die Vereinbarung
über den qualifizierten Nachrang auf einer mit Einverständnis des Angeklagten
nur zum Schein abgegebenen und daher gemäß § 117 Abs. 1 BGB nichtigen
Erklärung der „Kapitalüberlasser“ beruhte (vgl. zum sog. Scheingeschäft BGH,
Beschluss vom 28. Mai 2014
– 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 250; Urteil vom
25. Oktober 1961
– V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; Arnold in Erman, BGB,
15. Aufl., § 117 Rn. 1; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 117 Rn. 3). Für
eine Scheinabrede könnte die vom Vertragsinhalt abweichende tatsächliche
Übung zwischen dem Angeklagten und
den „Kapitalüberlassern“ sprechen, wo-
nach diese auf ihr bloßes Verlangen hin ohne Rücksicht auf den Nachrang und
die fehlende Fälligkeit (ungeprüft) Geld zurückgezahlt erhielten. Demgegenüber
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setzt die Verneinung eines Bankgeschäfts im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1
KWG gerade die Wirksamkeit der vereinbarten Nachrangabrede voraus, was
eine mit Rechtsbindungswillen abgegebene Erklärung nahelegen könnte (vgl.
BGH, Urteil vom 25. Oktober 1961
– V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 88; Urteil vom
18. November 1976
– VII ZR 150/75, BGHZ 67, 334, 337 f.; Urteil vom 20. Juli
2006
– IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555, 1556; Beschluss vom 2. November
2005
– IV ZR 57/05, NJW-RR 2006, 283; Arnold in Erman, BGB, 15. Aufl.,
§ 117 Rn. 6; Palandt/Ellenberger, BGB, 77. Aufl., § 117 Rn. 4). Etwas anderes
würde allerdings dann gelten
, wenn es dem Angeklagten und den „Kapital-
überlassern“ lediglich darum ging, gegenüber der BaFin eine entsprechende
Vertragslage vorzuspiegeln. Denn dazu reichte der äußere Anschein der Ver-
einbarung eines qualifizierten Nachrangs aus (vgl. BGH, Urteil vom 18. No-
vember 1976
– VII ZR 150/75, BGHZ 67, 334, 337 f.; Urteil vom 20. Juli 2006
– IX ZR 226/03, NJW-RR 2006, 1555, 1556 mwN [zur Täuschung der Finanz-
behörden]). Ob ein Scheingeschäft anzunehmen ist, obliegt der Beurteilung des
neuen Tatrichters (vgl. BGH, Urteil vom 7. November 2006
– 5 StR 164/05,
NStZ-RR 2007, 345, 346; Beschluss vom 20. März 2002
– 5 StR 448/01, NStZ
2002, 485, 486). Dabei wird er zu bedenken haben, dass eine vertragliche Re-
gelung nicht gleichzeitig bankenaufsichtsrechtlich gewollt, zivilrechtlich aber
nicht gewollt sein kann (vgl. BGH, Urteil vom 20. Juli 2006
– IX ZR 226/03,
NJW-RR 2006, 1555, 1556 mwN).
3. Hinsichtlich der Bewertung, ob der Angeklagte das Betreiben von
Bankgeschäften und eine hierfür
– möglicherweise – erforderliche Erlaubnis
zutreffend erfasste und welche Rechtsfolgen sich andernfalls ergeben, bemerkt
der Senat: Grundsätzlich gehört die rechtlich richtige Beurteilung der normati-
ven Tatbestandsmerkmale nicht zum Tatvorsatz. Es genügt, dass der Täter die
dem Gesetz entsprechende Wertung im Wege einer „Parallelwertung in der
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Laiensphäre“ nachvollzieht. Erforderlich ist, dass er die Tatsachen kennt, die
dem normativen Begriff zugrunde liegen, und auf der Grundlage dieses Wis-
sens den sozialen Sinngehalt des Tatbestandsmerkmals richtig begreift (vgl.
BGH, Urteil vom 3. April 2008
– 3 StR 394/07, BGHR StGB § 17 Vermeidbar-
keit 8; Urteil vom 24. September 1953
– 5 StR 225/53, BGHSt 4, 347, 352;
Urteil vom 16. Mai 2017
– VI ZR 266/16, NJW 2017, 2463, 2464; Urteil vom
15. Mai 2012
– VI ZR 166/11, NJW 2012, 3177, 3179 f. mwN; Janssen in:
Münch.Komm.z.StGB, 2. Aufl., § 54 KWG Rn. 83; Papathanasiou, jurisPK-
StrafR 25/2017 Anm. 4 unter C). Hat der Täter des § 54 Abs. 1 Nr. 2 KWG den
Bedeutungssinn des Bankgeschäfts als normatives Tatbestandsmerkmal zutref-
fend erfasst, hält er seine Geschäfte aber gleichwohl für rechtlich zulässig und
nicht erlaubnispflichtig, irrt er lediglich über ihr Verbotensein, sodass ein Ver-
botsirrtum im Sinne des § 17 StGB vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 24. September
1953
– 5 StR 225/53, BGHSt 4, 347, 352; Urteil vom 16. Mai 2017 – VI ZR
266/16, NJW 2017, 2463, 2464; Schröder, JZ 2018, 255, 256).
Sost-Scheible
Cierniak
Franke
Bender
Quentin