Urteil des BGH vom 27.10.2005

Sächsischer Ausschreibungsdienst Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
I ZR 261/03
Verkündet am:
28. September 2006
Führinger
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
Sächsischer Ausschreibungsdienst
Datenbankrichtlinie Art. 7 Abs. 1 und 5, Art. 9; UrhG §§ 87a, 5
Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur
Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Stehen Art. 7 Abs. 1 und 5, Art. 9 der Richtlinie 96/9/EG des Europäischen
Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen Schutz
von Datenbanken einer Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der
eine im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichte
amtliche Datenbank (hier: eine systematische und vollständige Sammlung al-
ler Ausschreibungsunterlagen aus einem Bundesland) keinen Sui-generis-
Schutz im Sinne der Richtlinie genießt?
b) Für den Fall, dass Frage a) zu verneinen ist: Gilt dies auch, wenn die (amt-
liche) Datenbank nicht von einer staatlichen Stelle, sondern in deren Auftrag
von einem privaten Unternehmen erstellt worden ist, dem sämtliche aus-
schreibenden Stellen dieses Bundeslandes ihre Ausschreibungsunterlagen
unmittelbar zur Veröffentlichung zur Verfügung stellen müssen?
BGH, Beschl. v. 28. September 2006 – I ZR 261/03 – OLG Dresden
LG
Leipzig
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Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 28.
September 2006 durch die Richter Dr. v. Ungern-Sternberg, Prof.
Dr. Bornkamm, Dr. Büscher, Dr. Schaffert und Dr. Bergmann
beschlossen:
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden folgen-
de Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
a) Stehen Art. 7 Abs. 1 und 5, Art. 9 der Richtlinie 96/9/EG des Eu-
ropäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über
den rechtlichen Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20) einer
Regelung in einem Mitgliedstaat entgegen, nach der eine im amt-
lichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlichte
amtliche Datenbank (hier: eine systematische und vollständige
Sammlung aller Ausschreibungsunterlagen aus einem Bundes-
land) keinen Sui-generis-Schutz im Sinne der Richtlinie genießt?
b) Für den Fall, dass Frage a) zu verneinen ist: Gilt dies auch, wenn
die (amtliche) Datenbank nicht von einer staatlichen Stelle, son-
dern in deren Auftrag von einem privaten Unternehmen erstellt
worden ist, dem sämtliche ausschreibenden Stellen dieses Bun-
deslandes ihre Ausschreibungsunterlagen unmittelbar zur Veröf-
fentlichung zur Verfügung stellen müssen?
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Gründe:
I. Die Klägerin ist ein Dresdner Verlagshaus, bei dem eine Reihe sächsi-
scher Ministerial- und Amtsblätter erscheinen. Sie verlegt auch das von der Säch-
sischen Staatskanzlei herausgegebene Sächsische Ausschreibungsblatt, in dem
alle öffentlichen Ausschreibungen im Freistaat Sachsen bekannt gemacht werden.
Dem liegt ein Vertrag zwischen der Klägerin und dem Freistaat zugrunde, in dem
sich die Klägerin verpflichtet hat, sämtliche Ausschreibungen in ihrem Ausschrei-
bungsblatt und in einer entsprechenden Online-Variante im Internet zu veröffentli-
chen. Alle staatlichen Vergabestellen sind aufgrund einer Gemeinsamen Verwal-
tungsvorschrift verpflichtet, ihre Ausschreibungstexte der Klägerin zur Veröffentli-
chung zu übermitteln und dafür Sorge zu tragen, dass eine vorherige Bekanntma-
chung an anderer Stelle unterbleibt.
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Der beklagte Verlag veröffentlicht ebenfalls Ausschreibungstexte. Er gibt
– sowohl gedruckt als auch online – den „s. report“ heraus, der für das gesamte
Bundesgebiet eine systematische Sammlung aller verfügbaren öffentlichen Aus-
schreibungen aus allen Branchen umfasst. Den Veröffentlichungen der Klägerin
entnimmt der Beklagte regelmäßig Ausschreibungstexte, verändert sie in der äu-
ßeren Form (Satz) und fügt sie in seine eigenen Publikationen ein. Beide Parteien
vertreiben ihre Publikationen gegen Entgelt.
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Die Klägerin hat den Beklagten auf Unterlassung in Anspruch genommen.
Sie hat sich darauf gestützt, dass es sich bei ihrer Sammlung von Ausschrei-
bungstexten (in deren gedruckter und online veröffentlichter Form) um eine Da-
tenbank handele, die Schutz nach § 87b UrhG genieße.
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Der Beklagte hat eine Rechtsverletzung in Abrede gestellt und sich im Übri-
gen darauf berufen, dass in der Weigerung der Klägerin, ihm die Übernahme der
Ausschreibungsunterlagen zu gestatten, ein Missbrauch einer marktbeherrschen-
den Stellung liege. Die ausschreibenden Stellen in Sachsen stellten die Aus-
schreibungsunterlagen nicht nur zuerst, sondern ausschließlich der Klägerin zur
Verfügung, so dass er auf das Ausschreibungsblatt der Klägerin zurückgreifen
müsse.
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Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Der Berufung des Beklagten ist
der Erfolg versagt geblieben (vgl. OLG Dresden ZUM 2001, 595 [Urteil des Beru-
fungsgerichts im Verfügungsverfahren]).
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Mit der (vom Senat zugelassenen) Revision verfolgt der Beklagte seinen
Klageabweisungsantrag weiter. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuwei-
sen.
II. Vor der Entscheidung über die Revision ist das Verfahren auszusetzen,
damit dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Art. 234 Abs. 1
und 3 EG die im Beschlusstenor gestellten Fragen zur Vorabentscheidung vorge-
legt werden können. Die rechtliche Beurteilung des Streitfalls hängt davon ab, ob
die Datenbank der Klägerin dem Schutz unterliegt, den die Richtlinie 96/9/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den rechtlichen
Schutz von Datenbanken (ABl. L 77, S. 20) gewährleistet, oder ob eine entspre-
chende Anwendung der für amtliche Werke geltenden Ausnahmeregelung des § 5
UrhG einen solchen Schutz ausschließt.
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1. Das
Berufungsgericht
hat angenommen, dass es sich bei der Sammlung
von Ausschreibungsunterlagen, die die Klägerin zusammenstellt, sowohl in deren
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gedruckter als auch online vertriebener Form, um eine Datenbank i.S. des § 87a
UrhG handelt. Diese Beurteilung lässt keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Nach autonomem deutschem Recht ist die Ausnahmebestimmung des
§ 5 UrhG auf Datenbanken i.S. des § 87a UrhG entsprechend anzuwenden.
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a) Im deutschen Recht sind amtliche Werke vom Urheberrechtsschutz aus-
genommen (§ 5 UrhG). Amtliche Werke sind nach § 5 Abs. 1 UrhG Gesetze, Ver-
ordnungen, amtliche Erlasse und Bekanntmachungen sowie Entscheidungen und
amtlich verfasste Leitsätze sowie nach § 5 Abs. 2 UrhG andere amtliche Werke,
die im amtlichen Interesse zur allgemeinen Kenntnisnahme veröffentlicht worden
sind. Während diese Bestimmung auch für Datenbankwerke i.S. von Art. 3 Abs. 1
der Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken (vgl. § 4 Abs. 2 UrhG)
gilt, fehlt im Gesetz eine entsprechende Regelung für Datenbanken i.S. von Art. 7
Abs. 1 der Richtlinie (vgl. § 87a Abs. 1 UrhG). Der Senat legt das autonome deut-
sche Recht in der Weise aus, dass die ihrem Wortlaut nach nur für Schöpfungen
mit Werkqualität geltende Bestimmung des § 5 UrhG, nach der amtliche Werke
keinen urheberrechtlichen Schutz genießen, auf Datenbanken, denen der Sui-
generis-Schutz der §§ 87a ff. UrhG zukommt, entsprechend anzuwenden ist.
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b) Der Datenbank der Klägerin kommt ungeachtet der Tatsache, dass sie
von einem privaten Unternehmen erstellt und vermarktet wird, und unabhängig
davon, ob dies auch für die eingespeicherten Inhalte gilt, ein amtlicher Charakter
zu.
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Der Freistaat Sachsen unterliegt hinsichtlich der Ausschreibung öffentlicher
Aufträge dem vergaberechtlichen Transparenzgebot (vgl. die Bestimmungen über
die Bekanntmachung öffentlicher Ausschreibungen in der Verdingungsordnung für
Leistungen – § 17 VOL/A Abschn. 1, §§ 17, 17a VOL/A Abschn. 2 –, in der Verga-
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be- und Vertragsordnung für Bauleistungen – § 17 VOB/A Abschn. 1, §§ 17, 17a
VOB/A Abschn. 2 – sowie in der Verdingungsordnung für freiberufliche Leistungen
– § 9 VOF –). Der Verpflichtung zur Bekanntmachung der Ausschreibungen kom-
men die ausschreibenden Stellen in der Weise nach, dass sie die Ausschrei-
bungsunterlagen entsprechend der Gemeinsamen Verwaltungsvorschrift zum
Sächsischen Ausschreibungsdienst (VwV Ausschreibungsdienst) vom 27. Oktober
2005 (SächsABl. S. 1183) in dem von der Sächsischen Staatskanzlei betriebenen
Sächsischen Ausschreibungsdienst veröffentlichen. Der Ausschreibungsdienst
umfasst das Sächsische Ausschreibungsblatt in Papier- und in elektronischer
Form. Herstellung und Vertrieb des Ausschreibungsblattes sind der Klägerin über-
tragen, der die ausschreibenden Stellen die Ausschreibungsunterlagen unmittel-
bar übermitteln.
Dem Sächsischen Ausschreibungsblatt kommt unter diesen Umständen ein
amtlicher Charakter zu. Die Klägerin erfüllt aufgrund einer vertraglichen Vereinba-
rung mit dem Freistaat Sachsen eine Aufgabe, die andernfalls der Freistaat unmit-
telbar erfüllen müsste. Die Datenbank hat daher als solche, d.h. als Zusammen-
stellung der verschiedenen Ausschreibungsunterlagen, einen amtlichen Charakter
und unterscheidet sich insofern von einer Datenbank, in der an anderer Stelle ver-
öffentlichte amtliche Dokumente zusammengestellt sind, etwa einer Gesetzes-
sammlung (vgl. Rechtbank Den Haag MMR 1998, 299 mit Anm. Gaster).
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c) Nach autonomem deutschem Recht wäre nach Auffassung des Senats
die Ausnahmebestimmung des § 5 UrhG auf Datenbanken, die den Sui-generis-
Schutz nach §§ 87a ff. UrhG genießen, entsprechend anzuwenden.
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Nach deutschem Recht gilt für Datenbankwerke – also für Datenbanken, die
aufgrund der Auswahl oder Anordnung des Stoffes eine eigene geistige Schöp-
fung ihres Urhebers darstellen – die Ausnahmebestimmung des § 5 UrhG, nach
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der amtliche Werke keinen Urheberrechtsschutz genießen. Diese Ausnahme er-
scheint im Hinblick auf die Bestimmung des Art. 6 Abs. 2 lit. d der Richtlinie über
den rechtlichen Schutz von Datenbanken gerechtfertigt. Zwar betrifft Art. 6 Abs. 2
der Richtlinie grundsätzlich Schrankenregelungen, wie sie das deutsche Recht in
den §§ 44a ff. UrhG vorsieht, er soll aber gerade auch Einengungen des Schutz-
gegenstandes erfassen, wie sie die Urheberrechte der Mitgliedstaaten kennen
(vgl. Gaster, Der Rechtsschutz von Datenbanken, 1999, Rdn. 408 und 611).
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Den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten ist es nicht fremd, dass amtliche
Werke vom Urheberrechtsschutz ausgenommen sind. Die Revidierte Berner Über-
einkunft enthält in Art. 2 Abs. 4 einen entsprechenden Vorbehalt. Soweit ersicht-
lich, werden amtliche Werke daher auch nach dem Urheberrecht vieler Mitglied-
staaten als gemeinfrei angesehen (vgl. Gaster, CR 2002, 602; v. Albrecht,
210 ff. mit Verweisen auf die einzelnen Länderbe-
richte).
Im Hinblick auf die Gemeinfreiheit von amtlichen Datenbankwerken erscheint
das Fehlen einer entsprechenden Bestimmung für Datenbanken, die den Sui-
generis-Schutz der §§ 87a ff. UrhG genießen, als eine planwidrige Regelungslü-
cke, die durch eine entsprechende Anwendung des § 5 UrhG geschlossen werden
sollte. Zwar steht der Ausnahmecharakter des § 5 UrhG in der Regel einer analo-
gen Anwendung dieser Bestimmung entgegen (vgl. BGH, Urt. v. 30.6.1983
– I ZR 129/81, GRUR 1984, 117, 119 – VOB/C). Ein generelles Analogieverbot
besteht indessen – entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Auffassung (vgl. nur
Marquardt in Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 2. Aufl., § 5 UrhG Rdn. 3; Ahlberg
in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., § 5 Rdn. 4) – nicht (vgl. Dreier
in Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 5 Rdn. 3; v. Ungern-Sternberg, GRUR 1977,
766, 770; zurückhaltend Schricker/Katzenberger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 5 UrhG
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Rdn. 18). Auch wenn sich der – dem Datenbankhersteller Investitionsschutz bie-
tende – Sui-generis-Schutz vom Schutz des Datenbankwerkes, das dem urheber-
rechtlichen Schöpferprinzip verpflichtet ist, grundsätzlich unterscheidet, ist doch
kein vernünftiger Grund für eine unterschiedliche Behandlung der beiden Schutz-
gegenstände ersichtlich, wenn es um Datenbanken geht, deren Erstellung einem
amtlichen Zweck dient.
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d) Die Sammlung von Ausschreibungsunterlagen, die die Klägerin veröf-
fentlicht, wäre danach in ihrer gedruckten und online veröffentlichten Form als
amtliche Verlautbarung i.S. des § 5 Abs. 2 UrhG vom Datenbankschutz ausge-
nommen. Nach dieser Bestimmung sind „andere amtliche Werke“ vom Urheber-
rechtsschutz ausgenommen, wenn sie „im amtlichen Interesse zur allgemeinen
Kenntnisnahme veröffentlicht worden sind“. Voraussetzung ist ein spezifisches
Verbreitungsinteresse, das nach Art und Bedeutung der Information gerade darauf
gerichtet ist, dass der Nachdruck oder die sonstige Verwertung des die Informati-
on vermittelnden Werkes für jedermann freigegeben wird (BGH GRUR 1984, 117,
119 – VOB/C; BGH, Urt. v. 2.7.1987 – I ZR 232/85, GRUR 1988, 33, 35 = WRP
1988, 233 – Topographische Landeskarten). Ausschreibungsunterlagen sollen
möglichst ungehindert zeitnah, vollständig und richtig den an der Vergabe des Auf-
trags interessierten Unternehmen zur Kenntnis gebracht werden. Es besteht daher
ein öffentliches Interesse daran, dass diese Unterlagen nicht nur hinsichtlich der
einzelnen, sonst nicht ohne weiteres zugänglichen Ausschreibungsunterlagen,
sondern gerade auch in deren vollständiger Zusammenstellung in einer (gedruck-
ten und online zugänglichen) Datenbank von Dritten ungehindert genutzt werden
können. Würde der Datenbankschutz dazu führen, dass die in der Datenbank zu-
sammengestellten Ausschreibungsunterlagen lediglich den Abonnenten des ent-
sprechenden Informationsdienstes eines Bundeslandes zugänglich wären, be-
stünde die Gefahr, dass Unternehmen aus anderen Teilen des Bundesgebietes
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oder aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union auf die Ausschreibung
nicht aufmerksam würden. Damit wäre der Wettbewerb, der durch die Ausschrei-
bung eröffnet werden soll, möglicherweise eingeschränkt.
Dem amtlichen Charakter der in Frage stehenden Datenbank als solcher steht
nicht entgegen, dass es sich bei der Klägerin um ein privates Unternehmen handelt,
das die verschiedenen Ausschreibungsunterlagen sammelt, ordnet und veröffent-
licht. Denn der Umstand, dass der Freistaat Sachsen die Ausschreibungen nicht
selbst sammelt und veröffentlicht, sondern sich für diese Aufgabe eines privaten Un-
ternehmens bedient, vermag an der amtlichen Natur der Datenbank nichts zu än-
dern.
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3. Dieser Auslegung des autonomen deutschen Rechts könnte die Richtlinie
96/9/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. März 1996 über den
rechtlichen Schutz von Datenbanken entgegenstehen. Sie enthält zwar für Daten-
bankwerke i.S. von Art. 3 Abs. 1 – also für Datenbanken, die als urheberrechtliche
Werke geschützt sind – in Art. 6 Abs. 2 lit. d eine Bestimmung, nach der die Mit-
gliedstaaten Beschränkungen der Rechte vorsehen können, die ihr innerstaatliches
Recht traditionell als Ausnahmen vom Urheberrechtsschutz regelt. Für Datenban-
ken, die nach Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie geschützt sind, enthält Art. 9 der Richtlinie,
der die Ausnahmen vom Sui-generis-Schutz regelt, keine entsprechende Bestim-
mung. Andererseits lässt die Richtlinie nach ihrem Art. 13 Rechtsvorschriften unbe-
rührt, die den Zugang zu öffentlichen Dokumenten betreffen (dazu Gaster, Der
Rechtsschutz von Datenbanken, 1999, Rdn. 739 ff.).
Die Frage, ob eine Regelung in einem Mitgliedstaat, nach der eine Datenbank,
die einem amtlichen Werk entspricht, keinen Sui-generis-Schutz genießt, mit der
Richtlinie über den rechtlichen Schutz von Datenbanken vereinbar ist, ist vom Ge-
richtshof der Europäischen Gemeinschaften zu beantworten. Die Frage ist im
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Schrifttum umstritten. Während etwa Gaster (aaO Rdn. 611 ff. und CR 2002, 602,
603) die Ansicht vertritt, dass die Mitgliedstaaten die herkömmliche Gemeinfreiheit
amtlicher Werke auch auf amtliche Datenbanken erstrecken können (ebenso Dreier
in Dreier/Schulze aaO § 87c Rdn. 1; Hertin in Fromm/Nordemann, Urheberrecht,
9. Aufl., § 87a UrhG Rdn. 2; Ahlberg in Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz,
2. Aufl., § 5 Rdn. 22; Decker in Möhring/Nicolini aaO Vor §§ 87a ff. Rdn. 9), lehnen
andere dies ab (Schricker/Vogel aaO § 87b UrhG Rdn. 38; Thum in Wandt-
ke/Bullinger aaO § 87a UrhG Rdn. 82 und § 87c UrhG Rdn. 33; Leistner, Der
Rechtsschutz von Datenbanken im deutschen und europäischen Recht, S. 317 f.;
vgl. für das österreichische Recht OGH ÖBl 2003, 46, 49 mit zust. Anm. Dittrich).
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4. Auf die Frage, wie die Richtlinie auszulegen ist, kommt es für die Ent-
scheidung des Streitfalls an. Ist die Vorlagefrage zu bejahen – steht die Richtlinie
über den rechtlichen Schutz von Datenbanken also der entsprechenden Anwen-
dung von § 5 Abs. 2 UrhG auf Datenbanken entgegen –, wäre die Revision zu-
rückzuweisen. Denn der Beklagte hat in der Vergangenheit entweder wesentliche
Teile der Datenbank der Klägerin vervielfältigt und verbreitet (§ 87b Abs. 1 Satz 1
UrhG), oder er hat – dies lässt sich den tatrichterlichen Feststellungen nicht ent-
nehmen – zwar jeweils nur unwesentliche Teile in seine eigene Datenbank über-
nommen, dies aber wiederholt und systematisch getan (§ 87b Abs. 1 Satz 2
UrhG). Ob das beanstandete Verhalten des Beklagten einer normalen Verwertung
der Datenbank zuwiderläuft, kann offenbleiben. Stünde der Klägerin ein Aus-
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schließlichkeitsrecht zu, das nicht durch § 5 UrhG begrenzt ist, wäre davon aus-
zugehen, dass die berechtigten Interessen der Klägerin durch die Übernahme un-
zumutbar beeinträchtigt würden. In diesem Fall läge darin, dass die Klägerin ihr
Ausschließlichkeitsrecht gegenüber dem Beklagten ausübt, auch kein Missbrauch
einer marktbeherrschenden Stellung (§§ 19, 20 GWB; vgl. BGHZ 160, 67 – Stan-
dard-Spundfass).
v. Ungern-Sternberg
Bornkamm
RiBGH Dr. Büscher ist in
Urlaub
und
daher
an
der
Unterschriftsleistung
ge-
hindert.
v.
Ungern-Sternberg
Schaffert
Bergmann
Vorinstanzen:
LG Leipzig, Entscheidung vom 28.03.2003 - 1 HKO 2075/02 -
OLG Dresden, Entscheidung vom 26.08.2003 - 14 U 742/03 -