Urteil des BGH vom 09.07.2009

BGH (rechtliches gehör, antrag, zpo, höhe, eröffnung, forderung, einspruch, glaubhaftmachung, gegenstand, wert)

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
IX ZB 86/09
vom
9. Juli 2009
in dem Verfahren auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens
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Der IX.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Richter
Prof. Dr. Kayser, Raebel, Vill, die Richterin Lohmann und den Richter Dr. Pape
am 9. Juli 2009
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer
des Landgerichts Duisburg vom 25. März 2009 wird auf Kosten
der Schuldnerin als unzulässig verworfen.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdever-
fahren wird abgelehnt.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 367.378,32 €
festgesetzt.
Gründe:
I.
Am 28. September 2006 beantragte der beteiligte Gläubiger die Eröff-
nung des Insolvenzverfahrens der Schuldnerin wegen Steuerschulden in Höhe
von 46.870,45 €, die vollstreckbar seien. Dem Antrag war ein Ausdruck beige-
fügt, welcher diesen Betrag nach Steuerart, Zeitraum und Datum der Bescheide
aufschlüsselt. Die Schuldnerin stellte am 22. Februar 2007 ihrerseits Insolvenz-
antrag, nahm diesen Antrag aber am 21. Januar 2008 wieder zurück. Mit Be-
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schluss vom 13. Oktober 2008 hat das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren
über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet. Die sofortige Beschwerde der
Schuldnerin gegen diesen Beschluss ist erfolglos geblieben. Mit ihrer Rechts-
beschwerde will die Schuldnerin weiterhin die Aufhebung des Eröffnungsbe-
schlusses und die Zurückweisung des Eröffnungsantrags erreichen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nach § 34 Abs. 2, § 6 Abs. 1, § 7 InsO, § 574
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig. Die Rechtssa-
che hat keine grundsätzliche Bedeutung, und weder die Fortbildung des Rechts
noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entschei-
dung des Rechtsbeschwerdegerichts (§ 574 Abs. 2 ZPO).
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1. Das Beschwerdegericht hat keinen allgemeinen Rechtssatz aufge-
stellt, der von der Senatsrechtsprechung zu den an die Glaubhaftmachung der
Forderung des antragstellenden Gläubigers (§ 14 InsO) zu erhebende Anforde-
rungen abweicht. Es hat insbesondere den Grundsatz des Beschlusses vom
13. Juni 2006 (IX ZB 214/05, NZI 2006, 590, 591 Rn. 9) zitiert, dass als Min-
destanforderung an die Glaubhaftmachung die Vorlage der Steuerbescheide
und gegebenenfalls etwaiger Steueranmeldungen zu verlangen sei, aber ge-
meint, im vorliegenden Fall eine Ausnahme machen zu können, weil das Fi-
nanzamt die ausstehenden Steuern genau beschrieben und die Schuldnerin
sich lediglich auf Erlassanträge und Gegenansprüche berufen habe, über die
bis zum Zeitpunkt der Entscheidung weder die Finanzbehörden noch das Fi-
nanzgericht mit Bestandskraft entschieden hätten. Das ist grundsätzlich mög-
lich. Unstreitige Tatsachen - hier: die Steuerfestsetzungen in den aufgeführten
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Steuerbescheiden - brauchen nicht glaubhaft gemacht zu werden (§ 294 ZPO).
Streit besteht über die von der Schuldnerin erhobenen Einwände. Deren Be-
rechtigung kann das Insolvenzgericht unabhängig davon nicht prüfen, ob die
Bescheide vorgelegt werden oder nicht.
2. Eine die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründende Divergenz
liegt auch nicht im Hinblick auf die Begründetheit des Gläubigerantrags vor. Die
Forderung des antragstellenden Gläubigers muss (nur) dann zur vollen Über-
zeugung des Insolvenzgerichts feststehen, wenn sie zugleich den Insolvenz-
grund bildet (BGH, Beschl. v. 14. Dezember 2005 - IX ZB 207/04, ZIP 2006,
247 mit weiteren Nachweisen). Gegenteiliges ergibt sich auch nicht aus den
von der Rechtsbeschwerde zitierten Entscheidungen vom 19. Dezember 1991
(III ZR 9/91, ZIP 1992, 947) und vom 11. November 2004 (IX ZB 258/03, ZIP
2005, 91, 92). Im vorliegenden Fall hängt der Insolvenzgrund der Zahlungsun-
fähigkeit nicht davon ab, ob und in welcher Höhe Steuerforderungen des Lan-
des Nordrhein-Westfalen bestehen. Das Beschwerdegericht hat - wie schon
das Insolvenzgericht - weitere gegen die Schuldnerin gerichtete fällige Forde-
rungen in Höhe von insgesamt 1.020.000 € (V. bank ) und
599.360,55 € (S. ) festgestellt, welche die Schuldnerin
nicht innerhalb von drei Wochen begleichen kann.
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3. Das Beschwerdegericht hat schließlich auch keinen entscheidungser-
heblichen Sachvortrag der Schuldnerin übergangen und dadurch deren An-
spruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt. Die Schuldnerin hat
vorgetragen, sie habe gegen die Steuerfestsetzungen, die Grundlage des Insol-
venzantrags seien, durchweg Einspruch eingelegt. Teilweise seien diese bereits
Gegenstand einer vor dem Finanzgericht Düsseldorf anhängigen Klage. Soweit
Steuerforderungen nicht angefochten worden seien, seien sie beglichen wor-
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den. Dass das Beschwerdegericht diesen Vortrag als nicht hinreichend be-
stimmt angesehen hat, begründet nicht die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.
Gleiches gilt hinsichtlich des Vorbringens der Schuldnerin im Beschwerdever-
fahren, die Steuerforderungen seien bereits durch Verrechnung mit Steuerer-
stattungen bzw. durch geänderte Bescheide erledigt worden. Die Rechtsbe-
schwerde meint demgegenüber, eine Ergänzung ihres Vorbringens sei der
Schuldnerin ohne die konkrete Bezeichnung und Vorlage der Bescheide nicht
möglich gewesen. Dies trifft jedoch nicht zu. Die Aufstellung, welche das zu-
ständige Finanzamt als Anlage zum Insolvenzantrag eingereicht hat, weist ne-
ben Steuerart und Zeitraum auch die Daten der Bescheide aus. Die Schuldnerin
hat nicht bestritten, dass diese Bescheide erlassen worden und ihr zugegangen
sind. Sie hätte im Einzelnen vortragen können, gegen welche Bescheide sie
Einspruch eingelegt und Klage erhoben hat, welche Zahlungen sie geleistet und
welche Verrechnungen sie erklärt hat und welche Bescheide geändert worden
sind.
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III.
Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Rechtsbeschwerdeverfahren
ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine Aussicht auf Er-
folg hat (§ 114 Satz 1 ZPO).
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Kayser Raebel Vill
Lohmann
Pape
Vorinstanzen:
AG Duisburg, Entscheidung vom 13.10.2008 - 61 IN 175/06 -
LG Duisburg, Entscheidung vom 25.03.2009 - 7 T 256/08 -