Urteil des BGH vom 20.12.2001

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
XII ZB 85/03
vom
14. März 2007
in der Familiensache
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
BGHR: ja
BGB § 1587 a Abs. 2 Nr. 1; BeamtVG §§ 14 Abs. 1, 69 e i.d.F. des Versor-
gungsänderungsgesetzes v. 20. Dezember 2001 (BGBl. I 3926 ff).
Der degressive Versorgungsbestandteil (sog. Abflachungsbetrag) beamten-
rechtlicher Versorgungsanrechte fällt auch dann nicht in den öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleich, wenn der Versorgungsfall bereits vor Beginn
der Übergangsphase nach § 69 e BeamtVG eingetreten ist.
BGH, Beschluss vom 14. März 2007 - XII ZB 85/03 - OLG Karlsruhe
AG
Karlsruhe
- 2 -
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 14. März 2007 durch die Vor-
sitzende Richterin Dr.
Hahne und die Richter Sprick, Weber-Monecke,
Prof. Dr. Wagenitz und Dose
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des weiteren Beteiligten zu 1 wird der
Beschluss des 2. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des
Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 20. März 2003 dahin abgeän-
dert, dass der monatliche Ausgleichsbetrag, bezogen auf den
31. August 2001, nicht 764,23 €, sondern 735,05 € beträgt.
Die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens tragen die
Parteien je zur Hälfte. Außergerichtliche Kosten werden nicht er-
stattet.
Beschwerdewert: 500 €
Gründe:
I.
1
Die Parteien haben am 17. März 1961 geheiratet. Der Scheidungsantrag
der Ehefrau (Antragstellerin; geboren am 10. Juni 1941) ist dem Ehemann (An-
tragsgegner; geboren am 28. Oktober 1937) am 28. September 2001 zugestellt
worden. Bereits seit August 2000 bezieht die Antragstellerin eine gesetzliche
- 3 -
Rente wegen Erwerbsunfähigkeit; der Antragsgegner war als Beamter im Poli-
zeidienst tätig und bezieht seit November 1997 Pension.
2
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat die Ehe der Parteien geschieden
(insoweit rechtskräftig) und den Versorgungsausgleich dahin geregelt, dass es
zu Lasten der Versorgung des Antragsgegners beim Landesamt für Besoldung
und Versorgung Baden-Württemberg (LBV B.-W.; weiterer Beteiligter zu 1) im
Wege des Quasi-Splittings nach § 1587 b Abs. 2 BGB auf dem Versicherungs-
konto der Antragstellerin bei der Deutschen Rentenversicherung Bund (DRV
Bund; weitere Beteiligte zu 2) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich
761,31 €, bezogen auf den 31. August 2001, begründet hat.
3
Auf die hiergegen gerichtete Beschwerde des LBV B.-W. hat das Ober-
landesgericht die Entscheidung des Amtsgerichts - Familiengericht - geringfügig
abgeändert und den im Wege des Quasi-Splittings zu Gunsten der Antragstelle-
rin auszugleichenden Betrag auf 764,23 € erhöht. Zudem hat es im Tenor aus-
gesprochen, der schuldrechtliche Versorgungsausgleich bleibe vorbehalten.
Dabei ist das Oberlandesgericht unter Zugrundelegung der Auskünfte der wei-
teren Beteiligten zu 1 und 2 von ehezeitlichen (1. März 1961 bis 31. August
2001; § 1587 Abs. 2 BGB) Anwartschaften der Antragstellerin bei der DRV
Bund in Höhe von monatlich 497,67 € sowie des Antragsgegners beim LBV
B.-W. unter Berücksichtigung der Absenkung des Höchstruhegehaltssatzes auf
71,75 % nach § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG i.d.F. des Art. 1 Nr. 11 des Versor-
gungsänderungsgesetzes 2001 in Höhe von monatlich 2.026,14 € ausgegan-
gen, jeweils bezogen auf den 31. August 2001.
4
Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde des LBV
B.-W., mit der es geltend macht, das Oberlandesgericht habe die Neuregelun-
gen des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 fehlerhaft auf die Durchführung
des Versorgungsausgleichs angewandt und seiner Berechnung einen unrichti-
- 4 -
gen Bemessungsfaktor für die dem Antragsgegner zustehende Sonderzahlung
zugrunde gelegt.
II.
5
Die zulässige Rechtsbeschwerde ist in der Sache nur zum Teil begrün-
det.
6
1. Das Oberlandesgericht hat den Versorgungsausgleich auf der Grund-
lage des § 14 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11 des Versorgungsän-
derungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 durchgeführt und das für den
Versorgungsausgleich maßgebliche Ruhegehalt des Antragsgegners mit dem
verminderten Höchstruhegehaltssatz von 71,75 % berechnet. Dies ist rechtlich
nicht zu beanstanden.
7
a) Der Senat hat nach Erlass der angefochtenen Entscheidung mehrfach
entschieden, dass für die Berechnung des Versorgungsausgleichs bei beam-
tenrechtlichen Versorgungsanrechten im Hinblick auf den Halbteilungsgrund-
satz seit dem 1. Januar 2003 uneingeschränkt der Höchstruhegehaltsatz von
71,75 % gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG in der Fassung des Art. 1 Nr. 11
des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl.
I 3926) maßgeblich ist, da diese Fassung nach Art. 20 Abs. 2 Nr. 1 des Versor-
gungsänderungsgesetzes zum 1. Januar 2003 in Kraft getreten ist. Dabei
kommt es weder darauf an, ob das Ehezeitende vor oder in der Übergangspha-
se nach § 69 e BeamtVG liegt, noch ob der Versorgungsfall in oder erst nach
der Übergangsphase eintreten wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November
2003 - XII ZB 75/02 - und - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256, 257 ff. bzw. 259,
260 f.; vom 18. Dezember 2003 - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433; vom
- 5 -
20. Juli 2005 - XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529 sowie vom 9. November 2005
- XII ZB 229/01 - FamRZ 2006, 98, 99).
8
Ziel des Versorgungsänderungsgesetzes 2001 ist die wirkungsgleiche
und systemgerechte Übertragung der Reformmaßnahmen in der gesetzlichen
Rentenversicherung (durch das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Renten-
versicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermö-
gens - Altersvermögensgesetz/AVmG - vom 26. Juni 2001, BGBl. I 1310 und
das Gesetz zur Ergänzung des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Renten-
versicherung und zur Förderung eines kapitalgedeckten Altersvorsorgevermö-
gens - Altersvermögensergänzungsgesetz/AVmEG - vom 21. März 2001, BGBl.
I 403) auf die Beamtenversorgung. Dazu soll schrittweise der Versorgungs-
höchstsatz nach § 14 BeamtVG von 75 % auf 71,75 % im Jahre 2010 abge-
senkt werden. Die Absenkung hat im Jahr 2003 begonnen und soll sämtliche
Versorgungsempfänger (Bestand und Zugang) erfassen. Regelungstechnisch
ist eine Abflachung des Anstiegs der Versorgungsbezüge im Rahmen der
nächsten acht Versorgungsanpassungen ab dem Jahr 2003 vorgesehen. Nach
der Übergangsregelung in § 69 e Abs. 1 - 4 BeamtVG werden dabei zunächst in
den ersten sieben auf den 31. Dezember 2002 folgenden allgemeinen Anpas-
sungen die ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge durch die Anwendung eines An-
passungsfaktors vermindert, während bei der achten Anpassung der Ruhege-
haltssatz herabgesetzt wird. Formal werden also nicht bestehende Versor-
gungsbezüge gekürzt, sondern lediglich künftige Zuwächse abgeflacht. Die Ru-
hegehälter werden bei zukünftigen Besoldungs- und Versorgungsanpassungen
zwar erhöht, aber in einem geringeren Umfang. Wirtschaftlich betrachtet wer-
den die Versorgungen in einer gestreckten Übergangszeit auf den neuen
Höchstruhegehaltssatz nach § 14 BeamtVG abgeschmolzen. Dies entspricht
einem insoweit degressiven Teil der Versorgung, der im Laufe der Zeit aufge-
- 6 -
zehrt wird (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 26. November 2003 - XII ZB
30/03 - FamRZ 2004, 259, 261).
9
Tritt der Versorgungsfall während der Übergangsphase nach § 69 e
BeamtVG ein, fällt der degressive Versorgungsbestandteil (sog. Abflachungsbe-
trag) nicht unter den öffentlich-rechtlichen Versorgungsausgleich. Ob der Abfla-
chungsbetrag gegebenenfalls schuldrechtlich auszugleichen sein wird, bleibt
einer weiteren Prüfung vorbehalten, sofern die Voraussetzungen für einen
schuldrechtlichen Versorgungsausgleich gegeben sein sollten (vgl. Senatsbe-
schluss vom 26. November 2003 - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 259, 261; vom
18. Dezember 2003 - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433; vom 20. Juli 2005
- XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529 sowie vom 9. November 2005 - XII ZB
229/01 - FamRZ 2006, 98, 99).
10
b) Dass der Antragsgegner hier zum Ehezeitende am 31. August 2001
und damit vor Beginn der Übergangsphase bereits Versorgungsleistungen be-
zogen hat, rechtfertigt keine andere Beurteilung.
11
Zwar wirkt sich der Wertausgleich vorliegend mit Rechtskraft der Ent-
scheidung und damit vor Ende der Übergangsphase unmittelbar auf die Höhe
des Ruhegehalts des Antragsgegners aus, da die ausgleichsberechtigte An-
tragstellerin bereits Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung erhält
(§ 57 Abs. 1 BeamtVG). Für die Bestimmung des Wertes einer Versorgung ist
allerdings das im Entscheidungszeitpunkt geltende Versorgungsrecht anzu-
wenden, sofern es nach seinem zeitlichen Geltungswillen auch das ehezeitlich
erworbene Versorgungsanrecht umfasst. Dadurch wird gewährleistet, dass der
Wertausgleich dem verfassungsrechtlich gebotenen Grundsatz der Halbteilung
möglichst nahe kommt (Senatsbeschluss vom 26. November 2003 - XII ZB
75/02 - FamRZ 2003, 256, 258) und das Versorgungsanrecht dem öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleich nur mit seinem wirklichen Wert zur Verfü-
- 7 -
gung steht. Bei der Entscheidung ist deshalb zu beachten, dass die Versorgung
des Antragsgegners seit 1. Januar 2003 der Abflachung nach § 69 e BeamtVG
unterliegt und ihm der bei Ehezeitende noch geltende Ruhegehaltssatz von
75 % nicht dauerhaft zugute kommt. Da § 1587 a Abs. 2 Nr. 1 BGB für einen
degressiven Abschmelzungsteil einer Versorgung keine geeignete Bewertung
zur Verfügung stellt (Senatsbeschluss vom 26. November 2003 - XII ZB 30/03 -
FamRZ 2004, 259, 261 m.N.), unterliegt dieser Teil nicht dem öffentlich-
rechtlichen Versorgungsausgleich.
12
c) Dahinstehen kann, ob die Antragstellerin tatsächlich einen Anspruch
auf Zahlung einer schuldrechtlichen Ausgleichsrente hat. Der schuldrechtliche
Versorgungsausgleich wird nur auf ausdrücklichen Antrag des Berechtigten
durchgeführt und ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Soweit es
im Tenor der angegriffenen Entscheidung heißt, der schuldrechtliche Versor-
gungsausgleich bleibe vorbehalten, ist dies lediglich deklaratorisch. Der An-
spruch auf schuldrechtlichen Wertausgleich ergibt sich bei Vorliegen der Fällig-
keitsvoraussetzungen unmittelbar aus dem Gesetz und ist nur noch von einem
Antrag des Berechtigten abhängig (vgl. Johannsen/Henrich/Hahne Eherecht
4. Aufl. § 1587 f Rdn. 22).
13
d) Zwar unterliegen die Rentenanwartschaften, die für die Antragstellerin
durch das Quasisplitting - aufgrund des herabgesetzten Höchstversorgungssat-
zes von 71,75 % in verminderter Höhe - begründet werden, in der gesetzlichen
Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Juli 2001 bis zum 1. Juli 2010 zusätzlich
der Niveauabsenkung nach § 255 e SGB VI. Dies ist indessen durch die unter-
schiedlichen Niveauabsenkungsregelungen in der gesetzlichen Rentenversi-
cherung einerseits und der Beamtenversorgung andererseits systemimmanent
und kann nicht dadurch korrigiert werden, dass dem Antragsgegner unter Ver-
stoß gegen den Halbteilungsgrundsatz mehr als die Hälfte der ihm tatsächlich
- 8 -
zustehenden ehezeitbezogenen Versorgungsanwartschaften genommen wird.
Sollten wegen der systembedingten Unterschiede im Ergebnis Korrekturen er-
forderlich werden - was im Hinblick auf die gegenwärtigen renten- und pensi-
onsrechtlichen Unsicherheiten nicht abschließend beurteilt werden kann -, müs-
sen diese gegebenenfalls der Abänderung nach § 10 a Abs. 1 Nr. 1 VAHRG
vorbehalten bleiben (vgl. Senatsbeschlüsse vom 26. November 2003 - XII ZB
75/02 - und - XII ZB 30/03 - FamRZ 2004, 256, 259 bzw. 259, 261 f.; vom
18. Dezember 2003 - XII ZB 120/03 - NJW-RR 2004, 433 f. und vom 20. Juli
2005 - XII ZB 99/02 - FamRZ 2005, 1529).
14
2. Allerdings wendet sich die Rechtsbeschwerde mit Erfolg gegen den
Bemessungsfaktor, den das Oberlandesgericht bei der Berechnung der dem
Antragsgegner zustehenden Sonderzahlung angewandt hat.
15
Der Senat hat bereits mehrfach entschieden, dass im Versorgungsaus-
gleich der zur Zeit der Entscheidung für die Sonderzahlung geltende Bemes-
sungsfaktor heranzuziehen ist (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 4. September
2002 - XII ZB 130/98 - FamRZ 2003, 437 ff. m.w.N.). Für Versorgungsempfän-
ger in Baden-Württemberg ist nunmehr ein Faktor von 4,58 % monatlich maß-
geblich (vgl. § 5 Abs. 2 des Gesetzes über die Gewährung von Sonderzahlun-
gen in Baden-Württemberg vom 29. Oktober 2003 - GBl. S. 693, 694 -
in der Fassung der Änderungen durch Art. 1 des Haushaltsstrukturgesetzes
vom 1. März 2005 - GBl. S. 145).
16
3. Damit ergibt sich folgende Berechnung:
17
Das Ruhegehalt des Antragsgegners beträgt 2.150,69 € (2.866,20 € ru-
hegehaltsfähige Dienstbezüge x 71,75 % = 2.056,50 € Ru-
hegehalt + monatliche Sonderzuwendung in Höhe von 2.056,50 € x 4,58 % =
94,19 €).
- 9 -
Der Ehezeitanteil der vollen Versorgung beläuft sich auf 1.967,76 €
(2.150,69 € x 36,68 in die Ehezeit fallende Dienstjahre : 40,09 gesamte bis zur
Altersgrenze erreichbare ruhegehaltsfähige Dienstzeit).
18
19
Der Versorgungsausgleich ist mithin in Höhe von 735,05 € (1.967,76 € -
497,67 € = 1.470,09 € : 2) zu Gunsten der Antragstellerin durchzuführen.
Hahne
Bundesrichter Sprick ist auf Dienstreise
Weber-Monecke
und verhindert zu unterschreiben.
Hahne
Wagenitz Dose
Vorinstanzen:
AG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.09.2002 - 3 F 239/01 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 20.03.2003 - 2 UF 157/02 -