Urteil des BGH vom 28.11.2012

BGH: darlehen, untreue, rückführung, gesellschafter, rückzahlung, könig, trennung, unterzeichnung, betrug, bezogener

5 StR 328/12
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 28. November 2012
in der Strafsache
gegen
wegen Untreue u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat in der Sitzung vom 28. No-
vember 2012, an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter Basdorf,
Richter Schaal,
Richter Dölp,
Richter Prof. Dr. König,
Richter Bellay
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt G. ,
Rechtsanwalt N.
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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für Recht erkannt:
Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des
Landgerichts Kiel vom 26. Januar 2012, soweit der Ange-
klagte S. im Zusammenhang mit Zahlungen von
insgesamt 60.000 € an den vormaligen Mitangeklagten Se.
im April und Mai 2008 freigesprochen worden ist, mit
den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Ausgenommen
von der Aufhebung und aufrechterhalten bleiben die Feststel-
lungen zur Gewährung eines Darlehens an Se. und
zum mangelnden Schädigungsvorsatz des Angeklagten bei
dessen Auszahlung und unterbliebener Verbuchung; inso-
weit wird die Revision verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhand-
lung und Entscheidung, auch über die noch verbleibenden
Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftsstraf-
kammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Soweit die Staatsanwaltschaft die Revision zurückgenom-
men hat, fallen die Kosten des Rechtsmittels und die dem
Angeklagten S. hierdurch entstandenen notwendi-
gen Auslagen der Staatskasse zur Last.
– Von Rechts wegen –
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten vom Vorwurf des Betruges und
der Untreue aus tatsächlichen Gründen in drei Anklagepunkten freigespro-
chen. Die Staatsanwaltschaft greift das Urteil nach Rücknahme der weiter-
gehenden Revision nur noch insoweit an, als eine durch den Angeklagten im
April und Mai 2008 veranlasste Zahlung von 60.000 € aus Mitteln des THW
Kiel an den vormaligen Mitangeklagten Se. betroffen ist. Das insoweit
vom Generalbundesanwalt vertretene Rechtsmittel hat mit der Sachrüge
teilweise Erfolg.
1. Das Landgericht hat zu dem von der Revision allein noch betroffe-
nen Geschehen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
a) Der Angeklagte war bis zum 30. Juni 2009 Manager der Bundesli-
gamannschaft des THW Kiel und als Geschäftsführer der THW H.
mbH
– Komplementärin der THW
H.
–B. GmbH & Co. KG – vertretungsbefugt. In dieser Eigen-
schaft gewährte er dem seinerzeitigen Trainer der Mannschaft Se.
aus den Mitteln des THW Kiel im April und Mai 2008 in Margen von 20.000 €
und 40.000 € ein Darlehen von insgesamt 60.000 €. Die Geldübergabe er-
folgte in bar. Schriftlich wurde der Vorgang nicht fixiert. Die Kreditvergabe
wurde in der Bilanz der KG nicht als solche verbucht. Mit der Darlehensgabe
verfolgte der Angeklagte den Zweck, im Verhältnis von Verein und Trainer
aufgetretene Spannungen zu beseitigen. Er rechnete sicher mit der Rückzah-
lung durch Se. , der in der Vergangenheit gleichfalls auf der Basis nur
mündlicher Absprachen gewährte Vorschüsse und Darlehen jeweils binnen
kurzer Zeit zurückbezahlt hatte. Jedenfalls von der Zahlung des Teilbetrags
von 40.000 € wusste ein Gesellschafter der KG und war damit einverstan-
den.
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Die Darlehensgabe und vom Angeklagten mit Se. geführte Ge-
spräche erzielten letztlich nicht den erwünschten Erfolg. Insbesondere auf-
grund des Verhaltens der Ehefrau des Se. entschieden die Verant-
wortlichen des THW Kiel, sich von Se. zu trennen. Am 25. Juni 2008
schlossen der THW Kiel und Se. eine Freistellungsvereinbarung. Da-
nach sollte Letzterer für die Restlaufzeit des Vertrages bis zum 30. Juni 2009
die bisherigen monatlichen Nettobezüge von knapp 12.000 €, vereinbarte
Prämien und eine Abfindung von 120.000 € erhalten.
Die Vereinbarung wurde von einem Gesellschafter der KG sowie von
dem Angeklagten und Se. unterzeichnet. Der Darlehensrückzah-
lungsanspruch von 60.000 € wurde im Vertrag nicht erwähnt. Der Angeklagte
hatte vor der Unterzeichnung auch nicht darauf hingewiesen. Hätte der die
Verhandlungen führende Gesellschafter hiervon gewusst, hätte er möglich-
erweise auf den Anspruch verzichtet, um die unbedingt gewünschte einver-
nehmliche Trennung von Se. zu erreichen.
Im Frühjahr 2009 erfuhr der verhandlungsführende Gesellschafter von
dem Darlehen, woraufhin der Angeklagte und der damalige Finanzbuchhalter
des THW Kiel zu einer Stellungnahme aufgefordert wurden. Nachdem sie
dies abgelehnt hatten, beschlossen die Verantwortlichen des THW Kiel, sich
von beiden zu trennen. Zum 30. Juni 2009 schied der Angeklagte beim THW
Kiel aus.
Am 18. November 2009 forderte der THW Kiel Se. zur Rück-
zahlung des Darlehens auf. Dem entsprach Se. nach Verrechnung
offener Prämien durch Zahlung vom 1. Dezember 2009 vollständig.
b) Das Landgericht sieht wegen des Geschehens keine Straftatbe-
stände verwirklicht. Namentlich stelle die Ausreichung des Darlehens trotz
unterbliebener Dokumentation und fehlender ordnungsgemäßer Verbuchung
keine Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB dar. Der Rückzahlungsanspruch, den
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der Angeklagte im weiteren Verlauf unwiderlegbar habe geltend machen wol-
len, sei im Hinblick auf das stattliche Gehalt des Se. und dessen auch
in der Vergangenheit bestehende Zahlungsbereitschaft sowie vielfältige Auf-
rechnungsmöglichkeiten werthaltig gewesen, weswegen keine Vermögens-
gefährdung sowie kein hierauf bezogener Vorsatz angenommen werden
könnten. Die Unterzeichnung der den Rückzahlungsanspruch nicht aus-
drücklich aufgreifenden Freistellungsvereinbarung sei im Wesentlichen aus
demselben Grund strafrechtlich irrelevant. Weil der Angeklagte sich nach
Beruhigung der Situation um den Anspruch habe kümmern wollen, ermange-
le es jedenfalls eines von dessen Vorsatz umfassten Vermögensschadens.
Deswegen könne offen bleiben, ob „der Unterschrift unter den Freistellungs-
vertrag überhaupt der Erklärungswert zukomme, dass alle weiteren Ansprü-
che und damit auch der Anspruch auf Rückzahlung des Darlehens des THW
Kiel gegen den Angeklagten Se.
erledigt“ seien (UA S. 66).
2. Die Bewertung der Ausreichung des Darlehens als straflos lässt
keinen Rechtsfehler zum Vorteil des Angeklagten erkennen. Demgegenüber
ist das Landgericht in Bezug auf die Mitwirkung des Angeklagten an der Frei-
stellungsvereinbarung vom 25. Juni 2008 der ihm obliegenden Kognitions-
pflicht (§ 264 StPO) nicht in vollem Umfang gerecht geworden. Insoweit kann
sich der Angeklagte nach den im angefochtenen Urteil getroffenen Feststel-
lungen wegen Untreue, unter Umständen in Tateinheit mit Betrug (vgl. etwa
BGH, Beschluss vom 5. März 2008
– 5 StR 36/08, NStZ 2008, 340 mwN),
strafbar gemacht haben.
Der Generalbundesanwalt weist hierzu mit Recht darauf hin, dass die
Strafkammer nicht hätte offenlassen dürfen, ob mit dem Abschluss dieses
Vertrages alle gegenseitigen Ansprüche zwischen dem THW Kiel sowie Se.
und damit auch der Darlehensrückzahlungsanspruch abgegolten
wurden. In diesem Fall hätte der Angeklagte durch seine Unterschrift zum
rechtlichen Untergang der ersichtlich werthaltigen Forderung beigetragen, mit
der Folge eines entsprechenden Vermögensschadens auf Seiten des THW
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Kiel (vgl. etwa Fischer, StGB, 59. Aufl., § 263 Rn. 117 mwN), der durch die
spätere Rückführung des Darlehensbetrages im Dezember 2009 nicht in
Frage gestellt würde (vgl. LK/Tiedemann, 12. Aufl., § 263 Rn. 162 mwN).
Das angefochtene Urteil lässt den maßgebenden Umstand dabei aus-
drücklich dahingestellt sein. Aufgrund dessen schließt der Senat aus, dass
die Strafkammer etwa gerade wegen der ungeachtet der Freistellungsverein-
barung erfolgten Rückführung durch Se. beweiswürdigend davon
ausgegangen sein könnte, die Vereinbarung habe den Rückzahlungsan-
spruch nicht erfasst. Eine solche Annahme liegt nicht fern, versteht sich in-
des auch nicht von selbst. Denn die Rückführung kann ohne rechtliche Ver-
pflichtung im Vergleichsweg erfolgt sein. Dass der Angeklagte für diesen Fall
auch noch in der Situation der Trennung von Se. in einer einen Un-
treuevorsatz ausschließenden Weise Anlass gehabt hätte, sich dessen
Rückzahlung auch ohne rechtliche Verpflichtung sicher zu sein, ist nicht hin-
reichend belegt und versteht sich gleichfalls nicht von selbst. Im Blick auf die
in Frage stehende Urteilspassage sieht sich der Senat gehindert, eine um-
fassende Abgeltungsvereinbarung nach dem Gesamtzusammenhang der
sonstigen Urteilsgründe sicher auszuschließen.
3. Die Sache bedarf daher allein hinsichtlich der Freistellungsvereinba-
rung neuer Verhandlung und Entscheidung. Die den freigesprochenen Ange-
klagten ausschließlich entlastenden Feststellungen im Zusammenhang mit
der Kreditgewährung, gegen deren Bewertung die Staatsanwaltschaft sich
ohne Erfolg wendet, sind rechtsfehlerfrei getroffen worden. Sie haben Be-
stand. In diesem Punkt bleibt die Revision, auch soweit sie nicht zurückge-
nommen ist, ohne Erfolg.
4. Im Hinblick auf die Vielzahl der den Angeklagten im Falle einer Ver-
urteilung trotz nicht unbeträchtlicher Darlehenssumme entlastenden Umstän-
de (unter anderem: eher „freihändige“ Gepflogenheiten bei Ausreichung von
Darlehen und Vorschüssen an Se. , etwaiger Verzicht des THW Kiel
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auf die Forderung bei Wissen um das Darlehen im Zeitpunkt des Freistel-
lungsvertrags, Rückführung des Darlehensbetrags, Verfahrensdauer und
damit auch verbundene Belastungen wegen des medialen Interesses im Zu-
sammenhang mit dem durch Revisionsrücknahme rechtskräftig gewordenen
Freispruch) wöge die Tat nicht schwer. Der Senat macht lediglich zur Ver-
meidung einer Verfahrensverzögerung durch einen verlängerten Instanzen-
zug
– dem Antrag des Generalbundesanwalts und dem folgenden Hilfserwä-
gungen der Verteidigung in der Revisionshauptverhandlung entsprechend
nicht von der Möglichkeit Gebrauch, die Sache gemäß § 354 Abs. 3 StPO an
das Amtsgericht
– Strafrichter – zurückzuverweisen. Die Anwendung der
§§ 153 oder 153a StPO wird sich aufdrängen.
5. Im Urteil trifft der Senat zugleich die auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO
gestützte Kostenentscheidung betreffend die einheitlich eingelegte, hinsicht-
lich des Freispruchs wegen eines anderen Tatvorwurfs zurückgenommene
Revision der Staatsanwaltschaft (vgl. Gieg in KK-StPO, 6. Aufl., § 473 Rn. 7
mwN).
Basdorf Schaal Dölp
König Bellay
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