Urteil des BGH vom 11.11.1960

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
VII ZB 32/04
vom
10. März 2005
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
BGHZ:
nein
BGHR:
ja
ZPO §§ 98, 101
Vereinbaren die Parteien in einem Vergleich Kostenaufhebung, steht dem Streithelfer
einer Partei selbst dann kein prozeßrechtlicher Kostenerstattungsanspruch zu, wenn
diese Vereinbarung bezweckte, Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers aus-
zuschließen. Etwa bestehende materiellrechtliche Kostenerstattungsansprüche blei-
ben davon unberührt.
BGH, Urteil vom 10. März 2005 - VII ZB 32/04 - OLG Brandenburg
LG Potsdam
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 10. März 2005 durch den
Vorsitzenden Richter Dr. Dressler, die Richter Hausmann, Dr. Kuffer,
Prof. Dr. Kniffka und die Richterin Safari Chabestari
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde der Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten
gegen den Beschluß des 4. Zivilsenats des Brandenburgischen
Oberlandesgerichts vom 28. September 2004 wird zurückgewie-
sen.
Die Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten tragen die Kosten des
Rechtsbeschwerdeverfahrens nach einem Beschwerdewert von
7.995,95 €.
Gründe:
I.
Die Streithelfer zu 1 bis 4 der Beklagten wenden sich gegen einen Be-
schluß, wonach sie die Kosten, die ihnen als Streithelfer entstanden sind, selbst
zu tragen haben.
Der Kläger hat die Beklagte auf Zahlung von Werklohn, hilfsweise Scha-
densersatz für Garten- und Landschaftsarbeiten in Anspruch genommen. Die
Streithelfer sind auf Seiten der Beklagten dem Rechtsstreit beigetreten.
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Der Kläger und die Beklagte schlossen einen Vergleich auf Widerruf,
wonach die Beklagte sich im Wesentlichen verpflichtete, 14.500 € an den Klä-
ger zu zahlen. Die Vergleichskosten sollten gegeneinander aufgehoben, die
Kosten des Rechtsstreits sollten zu 75 % von dem Kläger und zu 25 % von der
Beklagten getragen werden. Der Kläger widerrief diesen Vergleich. Danach
schlossen der Kläger und die Beklagte einen Vergleich, wonach die Beklagte
10.721 € an den Kläger zu zahlen hatte. Die außergerichtlichen Kosten trug
jede Partei selbst, die Gerichtskosten wurden geteilt.
Die Streithelfer haben um eine Kostengrundentscheidung über ihre au-
ßergerichtlichen Kosten gebeten. Das Landgericht hat entschieden, daß die
Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen müssen. Die sofortige
Beschwerde der Streithelfer zu 1 bis 4 ist erfolglos geblieben.
II.
Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, nach dem Grundsatz der Ko-
stenparallelität könnten die Streithelfer keine Kostenerstattung vom Kläger ver-
langen. Die Beklagte müsse nach der im Vergleich vereinbarten Kostenrege-
lung ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen. Für die Streithelfer könne
nichts anderes gelten. Das rechtfertige sich aus der prozessualen Stellung des
Streithelfers im Zivilprozeß. Dieser habe keinen Einfluß auf die Prozeßhandlun-
gen der unterstützten Partei und müsse sie auch dann gegen sich gelten las-
sen, wenn sie für ihn nachteilig seien. Eine Abweichung vom Grundsatz der
Kostenparallelität sei auch dann nicht geboten, wenn die Parteien die Kosten-
regelung in dem letztlich geschlossenen Vergleich nur oder jedenfalls auch in
dem Bewußtsein und mit dem Willen getroffen hätten, dadurch eine Kostener-
stattungspflicht des Klägers gegenüber den Streithelfern der Beklagten zu ver-
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hindern. Weder eine Anwendung des § 91a ZPO komme in Betracht noch eine
Korrektur nach § 242 BGB.
III.
Dagegen wendet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Streithel-
fer zu 1 bis 4, mit der sie beantragen, der Klägerin ihre außergerichtlichen Ko-
sten aufzuerlegen, ohne Erfolg.
1. Die durch eine Nebenintervention verursachten Kosten sind dem Geg-
ner der Hauptpartei aufzuerlegen, soweit er nach den Vorschriften der §§ 91 bis
98 ZPO die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat; soweit dies nicht der Fall
ist, sind sie dem Nebenintervenienten aufzuerlegen, § 101 Abs. 1 ZPO. Die
Hauptparteien des Rechtsstreits haben vereinbart, daß sie ihre außergerichtli-
chen Kosten selbst tragen. Diese Vereinbarung ist im Anwendungsbereich der
§§ 101 Abs. 1, 98 ZPO maßgeblich (BGH, Beschluß vom 11. November 1960
- V ZR 47/55, NJW 1961, 460).
Danach haben auch die Streithelfer ihre außergerichtlichen Kosten selbst
zu tragen. Der Bundesgerichtshof hat in Abkehr von einer älteren Rechtspre-
chung (BGH, aaO.) entschieden, daß der Streithelfer im Falle einer Vereinba-
rung der Hauptparteien, nach der die Kosten gegeneinander aufgehoben wer-
den oder jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, nicht besser
stehen kann als die von ihm unterstützte Partei. Das bedeutet, daß er von dem
Gegner der unterstützten Partei keine Kostenerstattung verlangen kann. Auch
die Aufhebung der Kosten bedeutet, daß jede Partei ihre Kosten selbst trägt.
Dieses Ergebnis entspricht der Rolle des Streithelfers im Rechtsstreit. Er kann
nur unterstützen in einem Prozeß, den die beiden Hauptparteien führen. Der
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Streithelfer muß auch sonst die für ihn nachteiligen Auswirkungen von Prozeß-
handlungen der Hauptpartei tragen, so daß es keinen Anlaß gibt, den Grund-
satz der Kostenparallelität aufzugeben (BGH, Beschluß vom 3. April 2003
- V ZB 44/02, BGHZ 154, 351, 354 ff.; Beschluß vom 14. Juli 2003 - II ZB 15/02,
NJW 2003, 3354). Der Senat schließt sich dieser Rechtsprechung an.
Zutreffend hat das Beschwerdegericht entschieden, daß es nicht darauf
ankommt, inwieweit der Streithelfer tatsächlich auf den Vergleich Einfluß neh-
men konnte. Etwas anderes folgt nicht aus dem Beschluß des Bundesgerichts-
hofs vom 3. April 2003 (V ZB 44/02, aaO.) In diesem Beschluß wird lediglich
darauf hingewiesen, daß für den Streithelfer die Möglichkeit besteht, sich an
den Vergleichsverhandlungen zu beteiligen und es sinnvoll sein kann, dies zu
tun.
2. Eine andere Entscheidung ist grundsätzlich auch dann nicht geboten,
wenn die Parteien die Aufhebung der Kosten mit dem Ziel vereinbart haben,
Kostenerstattungsansprüche des Streithelfers auszuschließen. Die Regelung
des § 101 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit § 98 ZPO ist zwingend. Eine Anwen-
dung des § 91a ZPO, wie sie vereinzelt erwogen wird (vgl. Schwarz,
MDR 1993, 1052, 1054 m.w.N.), ist nicht zulässig. Die gesetzliche Regelung
läßt keinen Spielraum für die Prüfung, inwieweit die Interessen des Streithelfers
durch die im Vergleich erzielte Einigung gewahrt sind. Diese materiellrechtli-
chen Erwägungen hängen von vielen Umständen ab, deren Überprüfung sich
im Rahmen der §§ 101 Abs. 1, 98 ZPO verbietet. Es kann nachvollziehbare
Gründe für eine Einigung dahin geben, daß durch die Aufhebung der außerge-
richtlichen Kosten ein Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers ausge-
schlossen sein soll. Diese Gründe können z.B. in der Person oder in dem Ver-
halten des Streithelfers liegen. Eine derartige Vereinbarung muß nicht zwingend
eine sittenwidrige Schädigung oder ein kollusives Zusammenwirken der Haupt-
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parteien zu Lasten des Streithelfers bedeuten. Es ist zu berücksichtigen, daß
die Vereinbarung, die außergerichtlichen Kosten aufzuheben, der gesetzlichen
Lösung für den Fall entspricht, daß keine Kostenregelung getroffen wird, § 98
ZPO. Das gilt auch für die Kosten der Streithilfe. Auch in diesem Fall kommt es
nicht darauf an, inwieweit die Kostenaufhebung die materiellrechtlich orientier-
ten Interessen der Hauptparteien oder des Streithelfers wahrt. Der Senat sieht
deshalb, anders als teilweise vertreten (vgl. OLG Zweibrücken, NJW-RR 2003,
142, 143; OLG Celle, NJW 1976, 2170, 2171), grundsätzlich keinen Ansatz für
eine materiellrechtliche Gesichtspunkte berücksichtigende Beurteilung, die er-
forderlich ist, wenn von dem Streithelfer ein Verstoß gegen Treu und Glauben,
§ 242 BGB, oder auch eine sittenwidrige Schädigung durch die unterstützte
Partei ins Feld geführt wird.
3. Eine andere Frage ist, inwieweit die unterstützte Partei sich durch den
Vergleichsschluß schadensersatzpflichtig gegenüber dem Streithelfer macht,
sei es wegen eines vertragswidrigen Verhaltens, sei es wegen einer sittenwidri-
gen Schädigung. Etwa daraus entstehende materiellrechtliche Schadenser-
satzansprüche müssen anderweitig geltend gemacht werden (vgl. Schubert,
JR 2004, 64; Musielak, ZPO, 4. Aufl., § 101 Rdn. 7).
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IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dressler Hausmann Kuffer
Kniffka Safari Chabestari