Urteil des BGH vom 09.11.1984

Drehmomentenübertragungseinrichtung Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
BESCHLUSS
X ZB 18/00
vom
11. September 2001
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend das deutsche Patent 34 47 925
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
Drehmomentenübertragungseinrichtung
PatG 1981 §§ 21 Abs. 1 Nr. 4, 38
Werden in den Patentanspruch nur einzelne Merkmale eines Ausführungsbei-
spiels der Erfindung aufgenommen, geht die sich daraus ergebende Merkmals-
kombination dann über den Inhalt der Anmeldung hinaus, wenn sie in ihrer Ge-
samtheit eine technische Lehre umschreibt, die der Fachmann den ursprüngli-
chen Unterlagen nicht als mögliche Ausgestaltung der Erfindung entnehmen
kann.
BGH, Beschl. v. 11. September 2001 - X ZB 18/00 - Bundespatentgericht
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Der X. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 11. September 2001
durch den Vorsitzenden Richter Rogge und die Richter Prof. Dr. Jestaedt,
Dr. Melullis, Scharen und Dr. Meier-Beck
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde gegen den am 13. Juli 2000 verkündeten
Beschluß des 6. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des
Bundespatentgerichts wird zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf
100.000,-- DM festgesetzt.
Gründe:
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist eingetragene Inhaberin des deut-
schen Patents 34 47 925 (Streitpatent), das eine Drehmomentübertragungsein-
richtung betrifft. Das Streitpatent beruht auf der Anmeldung 34 40 927.0 vom
9. November 1984, zu der die Patentinhaberin mit Eingabe vom 17. Januar
1985 zwei Teilungserklärungen abgegeben hat. Auf eine der beiden Trennan-
meldungen ist das Streitpatent am 26. Januar 1995 mit folgenden Ansprü-
chen 1, 3 und 12 veröffentlicht worden:
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"1. Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung
zum Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbe-
sondere von Drehmomentschwankungen einer Brennkraft-
maschine mit mindestens zwei, koaxial angeordneten, ent-
gegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander
verdrehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste,
mit der Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über ei-
ne Reibungskupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes
verbindbar ist, wobei die Reibungskupplung über ein Aus-
rücksystem betätigbar ist,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher
axial zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die
Kupplung tragende Schwungmasse in einer Richtung bela-
stet wird, die der beim Ausrücken der Kupplung wirksamen
Kraftrichtung entgegengesetzt ist.
3. Drehmomentübertragungseinrichtung nach Anspruch 1 oder
2,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t
daß die Schwungmassen in Abhängigkeit von der Betätigung
der Reibungskupplung (7, 107) zueinander begrenzt axial
verlagerbar sind.
12. Drehmomentübertragungseinrichtung nach einem der An-
sprüche 1 bis 11,
d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
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daß die Schwungmassen (3, 4) über wenigstens zwei Reib-
oder Gleitflächen miteinander in Reib- oder Gleitverbindung
stehen bzw. bringbar sind, wobei in Abhängigkeit der Betäti-
gung der Reibungskupplung (7, 107) die Dämpfungswirkung
dieser Verbindung veränderbar ist."
Gegen das Streitpatent ist Einspruch erhoben worden, der damit be-
gründet worden ist, daß der Gegenstand des erteilten Patentanspruchs 1 nicht
patentfähig sei. Nach Rücknahme des Einspruchs hat die Patentinhaberin mit
Erklärung vom 29. Oktober 1996 eine Teilung des Streitpatents erklärt, die zur
Trennanmeldung 34 48 593.7 geführt hat. Nach einem Zwischenbescheid der
Patentabteilung hat die Patentinhaberin den Widerruf der Teilungserklärung
vom 29. Oktober 1996 erklärt und zugleich eine erneute Teilungserklärung ab-
gegeben. Das Streitpatent hat die Patentinhaberin mit 24 Ansprüchen vertei-
digt, von denen Anspruch 1 lautet (Änderungen gegenüber dem erteilten Pa-
tentanspruch 1 kursiv):
"Drehmomentübertragungseinrichtung mit einer Vorkehrung zum
Aufnehmen bzw. Ausgleichen von Drehstößen, insbesondere von
Drehmomentschwankungen einer Brennkraftmaschine mit minde-
stens zwei koaxial angeordneten, entgegen
der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung zueinander ver-
drehbaren Schwungmassen, von denen die eine, erste, mit der
Brennkraftmaschine und die andere, zweite, über eine Reibungs-
kupplung mit dem Eingangsteil eines Getriebes verbindbar ist,
wobei die Reibungskupplung über ein Ausrücksystem betätigbar
ist,
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d a d u r c h g e k e n n z e i c h n e t ,
daß die Schwungmassen (3, 4) durch einen Kraftspeicher axial
zueinander federnd verspannt sind derart, daß die die Kupplung
tragende Schwungmasse in einer Richtung belastet wird, die der
beim Ausrücken der Kupplung wirksamen Kraftrichtung entgegen-
gesetzt ist."
Die Patentabteilung hat das Streitpatent widerrufen, weil die Einfügung
der Worte "über eine Lagerung" eine unzulässige Erweiterung gegenüber dem
Inhalt der Anmeldung darstelle.
Die Patentinhaberin hat gegen den Beschluß der Patentabteilung Be-
schwerde eingelegt und beantragt,
1. den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das Streitpatent
mit den verteidigten Patentansprüchen aufrechtzuerhalten.
2. die Rückzahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung
34 48 593.7 anzuordnen.
Mit Beschluß vom 13. Juli 2000 hat das Bundespatentgericht die Be-
schwerde und den Antrag zurückgewiesen, die Rückzahlung der Gebühren für
die Anmeldung 34 48 593.7 anzuordnen.
Hiergegen richtet sich die - zugelassene - Rechtsbeschwerde der Pa-
tentinhaberin, mit der diese beantragt,
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den Beschluß des Bundespatentgerichts aufzuheben und die Sa-
che zu anderweiter Verhandlung und Entscheidung an das Be-
schwerdegericht zurückzuverweisen.
II. Die form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist kraft Zu-
lassung statthaft; das Rechtsmittel bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Das Bundespatentgericht hat die Teilungserklärung, die zu der dem
Streitpatent zugrundeliegenden Trennanmeldung geführt hat, als wirksam an-
gesehen, da zumindest der Gegenstand, der sich aus den mit der Teilungser-
klärung eingereichten Ansprüchen 1 und 6 oder 7, 10, 11 und 20 ergebe und
den Ausführungen nach den ursprünglichen Figuren 4 und 5 entspreche, zum
Zeitpunkt der Teilung Inhalt der Stammanmeldung 34 40 927.0 gewesen sei
und in der Stammanmeldung jedenfalls die Ausführung nach der ursprüngli-
chen Figur 1 verblieben sei. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen.
2. Das Bundespatentgericht hat sich für befugt gehalten, den Anspruch,
mit dem die Patentinhaberin das Streitpatent verteidigt, umfassend daraufhin
zu überprüfen, ob er gegenüber dem Inhalt der Patentanmeldung 34 40 927.0
unzulässig erweitert ist. Zwar sei das Bundespatentgericht nicht befugt, von
Amts wegen erstmalig neue Widerrufsgründe in das Verfahren einzuführen, die
nicht Gegenstand des Einspruchsverfahrens vor dem Deutschen Patent- und
Markenamt gewesen seien. Dies hindere das Bundespatentgericht aber grund-
sätzlich nicht daran, unter Wahrung des rechtlichen Gehörs innerhalb ein und
desselben Widerrufsgrundes neue Tatsachen heranzuziehen und neue rechtli-
che Überlegungen anzustellen. Ebenso wie es bei der Prüfung der Patentfä-
higkeit den gesamten ihm bekannten Stand der Technik berücksichtigen könne
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und nicht auf das den Beschluß der Patentabteilung tragende Material be-
schränkt sei, könne es im Einspruchsbeschwerdeverfahren im Rahmen des von
der Patentabteilung festgestellten Widerrufsgrundes nach § 21 Abs. 1 Nr. 4
PatG weitere nicht ausdrücklich gerügte unzulässig erweiterte Merkmale zum
Gegenstand seiner Entscheidung machen.
Die Rechtsbeschwerde meint demgegenüber, das Bundespatentgericht
habe übersehen, daß die Patentabteilung nicht den gesetzlichen Widerrufs-
grund des § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG angewendet habe, auch wenn diese Vor-
schrift unzutreffend als Grundlage der Entscheidung genannt sei. Die Paten-
tabteilung habe gerade nicht festgestellt, daß der Gegenstand des erteilten
Patents über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fas-
sung hinausgehe. Der Widerruf sei vielmehr darauf gestützt, daß das im Ein-
spruchsverfahren neu eingefügte Merkmal "über eine Lagerung" in der ur-
sprünglichen Anmeldung nicht offenbart sei. Damit habe das Patentamt von
seiner Befugnis Gebrauch gemacht, bei einer Verteidigung des Patents in ver-
änderter Fassung die Zulässigkeit der Änderungen zu überprüfen; der von ihm
behandelte Widerrufsgrund habe sich daher auf eine Erweiterung des Schutz-
bereichs des erteilten Patents bezogen.
Diese Rüge hat keinen Erfolg.
Allerdings ist das Beschwerdegericht nach der Rechtsprechung des Se-
nats (BGHZ 128, 280, 292 f. - Aluminium-Trihydroxid; Beschl. v. 3.2.1998
- X ZB 6/97, GRUR 1998, 901, 902 - Polymermasse) im Einspruchsbeschwer-
deverfahren grundsätzlich nicht befugt, vom Einsprechenden innerhalb der
Frist des § 59 Abs. 1 PatG nicht geltend gemachte und vom Patentamt nicht in
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das Verfahren eingeführte Widerrufsgründe von Amts wegen aufzugreifen und
den Widerruf des Patents hierauf zu stützen. Das stand der Entscheidung des
Bundespatentgerichts jedoch nicht entgegen.
Die Beschränkung des Gegenstandes der gerichtlichen Prüfung auf die
vor dem Deutschen Patent- und Markenamt geltend gemachten Widerrufs-
gründe ergibt sich aus der Funktion des Beschwerdegerichts im Rechtszug und
seiner Bindung an den Streitgegenstand. Das Bundespatentgericht ist im Be-
schwerdeverfahren zur Nachprüfung und Änderung von Entscheidungen nur in
dem Umfang befugt, in dem eine Nachprüfung beantragt wird (Sen.Beschl. v.
2.3.1993 - X ZB 14/92, GRUR 1993, 655, 656 - Rohrausformer). Im Streitfall
hat die Patentabteilung das Patent widerrufen, da der "geltende Patentan-
spruch", als den die Patentabteilung den von der Patentinhaberin verteidigten
Anspruch angesehen hat, i.S.d. § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG auf einen über den In-
halt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet sei. Die Patentab-
teilung hat dies damit begründet, daß die Einfügung der Worte "über eine La-
gerung" in den erteilten Anspruch über den Offenbarungsgehalt der ursprüngli-
chen Unterlagen hinausgehe, denen der Fachmann nicht allgemein ein Lager,
sondern ausschließlich ein Wälzlager zwischen den Schwungmassen entneh-
me. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Entscheidung der
Patentabteilung hiernach nicht auf eine Erweiterung des Schutzbereichs des
erteilten Patents durch den verteidigten Anspruch gestützt. Es kann dahinste-
hen, ob die Patentabteilung zunächst die Zulässigkeit der des An-
spruchs hätte prüfen und in Anbetracht der - nach ihrem Standpunkt - unzuläs-
sigen Änderung die erteilte Fassung zum Gegenstand ihrer weiteren Untersu-
chung hätte machen müssen (in diesem Sinne Busse, Patentgesetz, 5. Aufl.,
§ 21 Rdn. 107, § 83 Rdn. 42, 45; BPatGE 20, 133, 138; 29, 223, 226 für das
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Gebrauchsmusterlöschungsverfahren; a.A. Hövelmann, GRUR 1997, 109,
110 f., und - für das Nichtigkeitsverfahren - wohl auch Schulte, PatG, 5. Aufl.,
§ 81 Rdn. 62b). Nachdem die Patentabteilung so nicht verfahren ist, sondern
den verteidigten Anspruch daraufhin untersucht hat, ob dieser Anspruch auf
einen über den Inhalt der Anmeldung hinausgehenden Gegenstand gerichtet
ist (der als erteilter Anspruch nach § 21 Abs. 1 Nr. 4 PatG zum Widerruf des
Streitpatents führen müßte und mit dem das Patent daher nicht aufrechterhal-
ten werden kann), hatte das Beschwerdegericht diese Entscheidung nachzu-
prüfen. Im Rahmen dieser Prüfung war das Bundespatentgericht nicht auf das-
jenige Merkmal beschränkt, das die Patentabteilung als unzulässige Erweite-
rung angesehen hat, denn die Erweiterung bezieht sich stets auf den Anspruch
als Ganzen.
3. Das Beschwerdegericht hat angenommen, der Durchschnittsfach-
mann habe den ursprünglichen Unterlagen die Lehre nach dem geltenden Pa-
tentanspruch 1 nicht entnehmen können. Denn in den ursprünglichen Unterla-
gen sei zum einen das Merkmal im Oberbegriff des Anspruchs 1, wonach die
Relativverdrehung der Schwungmassen entgegen der Wirkung einer beliebi-
gen Dämpfungseinrichtung erfolgen solle, sachlich nicht offenbart, zum ande-
ren erlaubten sie nicht das Weglassen von zwingend zum Gegenstand der ur-
sprünglichen Stammanmeldung gehörigen lösungswesentlichen Merkmalen im
geltenden und auch schon erteilten Patentanspruch 1. Aus der Anmeldung er-
gebe sich für den Fachmann eine Drehmomentübertragungseinrichtung mit
einer bestimmten baulichen Konzeption und einer speziellen Steuerung zur
Veränderung bzw. Verringerung der Dämpfung, wenn die Reibungskupplung
gelöst werde. Für diese Steuerung sei in den ursprünglichen Unterlagen ein
Mechanismus offenbart, der nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden Teils
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des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Ver-
schiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse (erteilter
Anspruch 3) und die Reib- und Gleitverbindung (etwa erteilter Anspruch 12) in
untrennbarer Weise umfasse.
Das beanstandet die Rechtsbeschwerde im Ergebnis ohne Erfolg.
a) Das Bundespatentgericht hält das Merkmal, wonach die Schwung-
massen entgegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander
verdrehbar sind, für in den ursprünglichen Unterlagen in dieser allgemeinen
Weise nicht offenbart. Aus der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit
den Figuren gehe wie auch aus dem ursprünglichen Anspruch 31 hervor, daß
die Dämpfungseinrichtung aus in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern
bestehe und damit das Nominaldrehmoment übertragen werde. Die im ur-
sprünglichen Anspruch 31 enthaltene Alternative, die statt der in Umfangsrich-
tung wirksamen Kraftspeicher Reib- oder Gleitmittel vorsehe, bilde nach dem
Verständnis des Fachmanns zumindest beim abgetrennten Gegenstand keinen
Ersatz für in Umfangsrichtung wirkende Kraftspeicher. Andere Ausführungs-
möglichkeiten hinsichtlich der Übertragung des Nominaldrehmoments seien
vom Fachmann nicht erkennbar.
Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Das Merkmal findet sich
- abgesehen von der bereits von der Patentabteilung für unbedenklich angese-
henen Einfügung des Wortes "relativ" - bereits in Anspruch 1 der zugrundelie-
genden Anmeldung. Das Bundespatentgericht, das das nicht verkennt, meint,
der ursprüngliche Patentanspruch 1 weise vorwiegend allgemeine dämp-
fungstechnische Wirkangaben auf und sei so weit gefaßt, daß ein Bezug zu
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der sich aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen ergebenden kon-
kreten Lehre nicht ersichtlich sei und Anspruch 1 deshalb nicht als prinzipielle
Verkörperung des Anmeldungsgegenstands verstanden werde. Dies gelte
schon deswegen, weil im ursprünglichen Anspruch 1 die Reibungskupplung
und das zugehörige Ausrücksystem nicht erwähnt würden, die aber für den im
Streitpatent weiterzubildenden Gegenstand die entscheidende Grundlage bil-
deten.
Diese Erwägungen begründen die vom Bundespatentgericht angenom-
mene unzulässige Erweiterung nicht. Das Bundespatentgericht zieht nicht in
Zweifel, daß in den ursprünglichen Unterlagen eine Dämpfungseinrichtung aus
in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern offenbart ist. Es zieht auch nicht
in Zweifel, daß der Fachmann, als den das Bundespatentgericht rechtsfehler-
frei einen Hochschulingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit speziellen
Kenntnissen auf dem Gebiet der Dämpfungsvorrichtungen insbesondere in
Verbindung mit Kraftfahrzeugkupplungen ansieht, hierin ein Mittel sieht, kraft
dessen die Schwungmassen - in den Worten des verteidigten Anspruchs - ent-
gegen der Wirkung einer Dämpfungseinrichtung relativ zueinander verdrehbar
sind. Unter diesen - dem Rechtsbeschwerdeverfahren zugrundezulegenden -
Voraussetzungen kann aber das sachlich unverändert aus Anspruch 1 der An-
meldung in Patentanspruch 1 übernommene Merkmal keine unzulässige Er-
weiterung darstellen, weil es nichts enthält, was nicht bereits Inhalt der Anmel-
dung gewesen wäre. Der Umstand, daß die Anmeldung nach den Feststellun-
gen des Bundespatentgerichts nur eine Ausführungsform "einer ganz be-
stimmten Baukonzeption" mit in Umfangsrichtung wirksamen Kraftspeichern
(ausführbar) offenbart, steht dem nicht entgegen. Denn offenbart ist alles das,
was in der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen schriftlich niedergelegt
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ist und sich dem Fachmann ohne weiteres aus dem Gesamtinhalt der Unterla-
gen am Anmeldetag erschließt (Sen., BGHZ 111, 21, 26 - Crackkatalysator I).
Ein "breit" formulierter Anspruch ist unter dem Gesichtspunkt der unzulässigen
Erweiterung deshalb jedenfalls dann unbedenklich, wenn sich ein in der An-
meldung beschriebenes Ausführungsbeispiel der Erfindung für den Fachmann
als Ausgestaltung der im Anspruch umschriebenen allgemeineren technischen
Lehre darstellt und diese Lehre in der beanspruchten Allgemeinheit für ihn be-
reits der Anmeldung - sei es in Gestalt eines in der Anmeldung formulierten
Anspruchs, sei es nach dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen - als zu
der angemeldeten Erfindung gehörig entnehmbar war.
b) Das Bundespatentgericht hat weiter festgestellt, der Fachmann ent-
nehme den ursprünglichen Unterlagen eine Steuerung zur Veränderung bzw.
Verringerung der Dämpfung, die nicht nur die Merkmale des kennzeichnenden
Teils des geltenden Patentanspruchs 1, sondern zugleich auch die axiale Ver-
schiebbarkeit der die Reibungskupplung tragenden Schwungmasse in untrenn-
barer Weise umfasse.
aa) Im einzelnen hat das Bundespatentgericht hierzu ausgeführt: In der
Anmeldung werde die ferdernde Verspannung der Schwungmassen im Zu-
sammenhang mit der Tellerfeder 34, dem Reibring 22 und der axialen Verla-
gerbarkeit der Schwungmasse 4 gegenüber der Schwungmasse 3 beschrieben.
Im weiteren werde dort zur Funktionsweise ausgeführt, daß das durch den Rei-
bring 22 erzeugte Reibmoment abnehme, wenn mit zunehmender Ausrückkraft
die Vorspannung der Tellerfeder 34 allmählich kompensiert werde, und daß bei
Überwindung der Vorspannung der Tellerfeder 34 diese verschwenkt und die
Schwungmasse 4 um den Betrag X in Richtung der Schwungmasse 3 mit der
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Folge verlagert werde, daß der Reibring 22 abhebe und keine Reibungsdämp-
fung mehr erzeugt werde. Die axial federnde Verspannung der Schwung-
massen mit der entgegen der Betätigungskraft der Reibungskupplung wirken-
den Vorspannkraft und die axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen sowie
die Reib- und Gleitverbindung stellten eine Funktions- und Steuereinheit dar,
die das allgemeine Lösungsprinzip verkörpere. In den ursprünglichen Unterla-
gen werde es bei der als Stand der Technik erörterten Drehmomentübertra-
gungseinrichtung nach der deutschen Offenlegungsschrift 28 26 274 als nach-
teilig angesehen, daß der radiale Flansch der Flanschhülse, die die drehbare
Lagerung der Schwungmassen zueinander ermögliche, beim Betätigen der
Reibungskupplung zwischen den Schwungmassen mit großer Kraft verspannt
werde, wodurch ein hohes Reibmoment zwischen den Schwungmassen auf-
trete und die Dämpfung beeinträchtige. Mit dem Patentgegenstand solle eine
derart hohe Reib- und Dämpfungswirkung vermieden werden, wofür die axiale
Verlagerbarkeit der Schwungmassen und die Reib- und Gleitverbindung unver-
zichtbare Bestandteile der offenbarten Steuerung seien.
bb) Das trägt die angefochtene Entscheidung.
Bis zum Beschluß über die Erteilung des Patents sind nach § 38 PatG
Änderungen der in der Anmeldung enthaltenen Angaben zulässig, die den Ge-
genstand der Anmeldung nicht erweitern. Der Gegenstand der Anmeldung darf
bei der Aufstellung des Patentanspruchs anders formuliert werden, und er darf
beschränkt werden. Eine solche Änderung darf aber nicht zu einer Erweiterung
des Gegenstands der Anmeldung führen, und sie darf nicht dazu führen, daß
an die Stelle der angemeldeten Erfindung eine andere gesetzt wird (Sen.,
BGHZ 66, 17, 29 - Alkylendiamine I; BGHZ 110, 123, 125 - Spleißkammer). Der
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Patentanspruch darf mithin nicht auf einen Gegenstand gerichtet werden, von
dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Offenbarung
nicht erkennen kann, daß er von vornherein von dem Schutzbegehren umfaßt
sein soll (Sen.Urt. v. 21.9.1993 - X ZR 50/91, Mitt. 1996, 204, 206 -
Spielfahrbahn; Sen.Beschl. v. 20.6.2000 - X ZB 5/99, GRUR 2000, 1015, 1016
- Verglasungsdichtung; v. 5.10.2000 - X ZR 184/98, GRUR 2001, 140, 141
- Zeittelegramm).
Das Bundespatentgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß der Fach-
mann den in dem verteidigten - wie in dem erteilten - Patentanspruch bezeich-
neten Gegenstand den ursprünglichen Unterlagen nicht als zur Erfindung ge-
hörig entnehmen kann.
cc) Die Rechtsbeschwerde verweist allerdings zu Recht darauf, daß der
Anmelder oder der Patentinhaber, wenn er nur noch für eine bestimmte Aus-
führungsform der angemeldeten Erfindung Schutz begehrt, nicht genötigt ist,
sämtliche Merkmale eines Ausführungsbeispiels in den Anspruch aufzuneh-
men. Die Aufnahme eines weiteren Merkmals aus der Beschreibung in den
Patentanspruch ist zulässig, wenn dadurch die zunächst weiter gefaßte Lehre
auf eine engere Lehre eingeschränkt wird und wenn das weitere Merkmal in
der Beschreibung als zu der beanspruchten Erfindung gehörend zu erkennen
war (Sen., BGHZ 111, 21, 25 - Crackkatalysator I; Beschl. v. 30.10.1990
- X ZB 18/88, GRUR 1991, 307, 308 - Bodenwalze; Urt. v. 7.12.1999
- X ZR 40/95, GRUR 2000, 591, 592 - Inkrustierungsinhibitoren). Dienen meh-
rere in der Beschreibung eines Ausführungsbeispiels genannte Merkmale der
näheren Ausgestaltung der unter Schutz gestellten Erfindung, die je für sich,
aber auch zusammen den durch die Erfindung erreichten Erfolg fördern, hat es
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der Patentinhaber in der Hand, ob er sein Patent durch die Aufnahme einzelner
oder sämtlicher dieser Merkmale beschränkt; in dieser Hinsicht können dem
Patentinhaber keine Vorschriften gemacht werden (Sen., BGHZ 110, 123, 126
- Spleißkammer).
Das bedeutet jedoch nicht, daß der Patentinhaber nach Belieben einzel-
ne Elemente eines Ausführungsbeispiels im Patentanspruch kombinieren
dürfte. Die Kombination muß vielmehr in ihrer Gesamtheit eine technische Leh-
re darstellen, die der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen als mögliche
Ausgestaltung der Erfindung entnehmen kann; andernfalls wird etwas bean-
sprucht, von dem der Durchschnittsfachmann aufgrund der ursprünglichen Of-
fenbarung nicht erkennen kann, daß es von vornherein von dem Schutzbegeh-
ren umfaßt sein soll, und das daher gegenüber der angemeldeten Erfindung
ein aliud darstellt (Sen.Beschl. v. 23.1.1990 - X ZB 9/89, GRUR 1990, 432, 434
- Spleißkammer [insoweit nicht in BGHZ]).
dd) Nach den von der Rechtsbeschwerde nicht angegriffenen Feststel-
lungen des Bundespatentgerichts umfaßt die Angabe im verteidigten Patentan-
spruch, daß die Schwungmassen durch einen Kraftspeicher axial zueinander
federnd verspannt sind, aus der Sicht des Fachmanns nicht notwendigerweise
eine axiale Verlagerbarkeit der Schwungmassen als ungeschriebenen Be-
standteil der technischen Lehre des Anspruchs. Vom Anspruch umfaßt ist da-
her auch eine Ausführungsform, bei der die Schwungmassen axial federnd ver-
spannt sind, ohne axial verlagerbar zu sein. Nach den weiteren Ausführungen
des Beschwerdegerichts konnte der Fachmann der Anmeldung axial federnd
verspannte Schwungmassen jedoch nur im Zusammenhang mit einer gleich-
zeitigen axialen Verschiebbarkeit dieser Schwungmassen entnehmen. Das
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Bundespatentgericht hat insoweit auf die dem Fachmann in der Beschreibung
erläuterte Funktion der axial federnde Verspannung der Schwungmassen für
deren axiale Verlagerung und die Bedeutung dieser Verlagerung für die Lö-
sung des der Anmeldung zugrundeliegenden Problems abgestellt. Diese Aus-
führungen, die das Bundespatentgericht noch zusätzlich darauf hätte stützen
können, daß die axiale Verspannung der Schwungmassen auch im allgemei-
nen Teil der Beschreibung und in den in der Anmeldung formulierten Ansprü-
chen nur als Ausführungsform axial verlagerbarer Schwungmassen angespro-
chen ist, sind als tatrichterliche Feststellungen, gegen die durchgreifende
Rechtsbeschwerdegründe nicht erhoben sind, für das Rechtsbeschwerdever-
fahren bindend (§ 107 Abs. 2 PatG).
ee) Ohne Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, diesen Feststellungen lä-
gen unzutreffende Maßstäbe zugrunde.
Zu Unrecht sieht sie solche in der Bemerkung des Bundespatentge-
richts, für den Fachmann seien aus der Anmeldung auch keine anderen Aus-
führungsformen erkennbar, die die Offenbarung der im geltenden Anspruch 1
angegebenen Lösung rechtfertigen könnten. Damit hat das Bundespatentge-
richt nicht zum Ausdruck gebracht, bei einem solchen (weiteren) Ausfüh-
rungsbeispiel könne die beanspruchte Lösung als offenbart gelten.
Unbegründet ist auch die Rüge, das Bundespatentgericht habe ange-
nommen, Rechte aus dem Streitpatent könnten "(selbstverständlich) nur im
Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausführungsbeispiels geltend ge-
macht werden". An der angegebenen Stelle hat das Bundespatentgericht viel-
mehr - zutreffend - ausgeführt, Mängel im geltenden Anspruch 1 hinsichtlich
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der ursprünglichen Offenbarung könnten nicht, wie von der Patentinhaberin
eingeworfen worden sei, dadurch kompensiert werden, daß das Streitpatent
(selbstverständlich) nur im Sinne des in der Beschreibung offenbarten Ausfüh-
rungsbeispiels gegenüber Dritten geltend gemacht werden könne; dafür biete
das Patentrecht keine Handhabe.
Nicht unbedenklich sind hingegen zwar die Ausführungen des Be-
schwerdegerichts, die Abstraktion des konkreten Gegenstandes dürfe nicht zu
einer unbestimmten und diffusen Aussage oder Anweisung führen, die eine
klare Vorstellung vom Wesen des ursprünglich offenbarten Anmeldungsgegen-
standes nicht mehr vermittele und über die ursprüngliche Offenbarung in un-
zulässiger Weise hinausgehe, was im Streitfall ersichtlich der Fall sei, da we-
sentliche Elemente der Steuerung nicht im Hauptanspruch angegeben würden
und für das Lösungsprinzip die steuernden und zu steuernden Mittel oder Vor-
richtungen unverzichtbar seien. Es ist jedoch weder von der Rechtsbeschwerde
dargelegt noch sonst erkennbar, inwiefern die Feststellungen zum Verständnis
des Fachmanns vom Inhalt der Anmeldung hierdurch beeinflußt sein könnten.
ff) Wenn das Bundespatentgericht aus den zu dd) genannten Feststel-
lungen abgeleitet hat, ein Anspruch, der nur die axial federnde Verspannung
der Schwungmassen und den der Ausrückkraft der Reibkupplung entgegenwir-
kenden Kraftspeicher zur Kennzeichnung der Lösung anführe, sei "aus Offen-
barungsgründen nicht statthaft" und führe zu einer sich dem Fachmann aus
den ursprünglichen Unterlagen nicht erschließenden und deshalb unzulässigen
Teil- oder Unterkombination, hat es nach alledem entgegen der Auffassung der
Rechtsbeschwerde nicht unzulässig Fragen zum Anspruch auf Erteilung des
Patents mit solchen aus dem Recht der Patentverletzung vermengt. Es hat
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vielmehr zutreffend darauf abgestellt, daß der verteidigte Anspruch auf eine
Kombination von Merkmalen gerichtet sei, die dem Fachmann nach seinen
Feststellungen in der dem Streitpatent zugrundeliegenden Anmeldung nicht als
zur Erfindung gehörende Kombination offenbart wird.
c) Hiernach kommt es nicht mehr darauf an, ob das Bundespatentgericht
auch rechtsfehlerfrei festgestellt hat, nach der Ursprungsoffenbarung gehöre
ebenso die Reib- und Gleitverbindung, wie sie etwa im erteilten Anspruch 12
angegeben sei, zu dem erfindungsgemäßen Steuerungsmechanismus, woge-
gen sprechen könnte, daß eine solche Verbindung in der Beschreibung (S. 17)
lediglich als vorteilhaft bezeichnet ist.
4. Das Bundespatentgericht hat den Antrag zurückgewiesen, die Rück-
zahlung der Gebühren für die abgetrennte Anmeldung 34 48 593.7 anzuord-
nen. Insoweit ist die Rechtsbeschwerde ohne Begründung geblieben und des-
wegen als unzulässig zu verwerfen (§§ 102, 104 PatG).
III. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich ge-
halten (§ 107 Abs. 1 PatG).
Rogge
Jestaedt
Melullis
Scharen
Meier-Beck