Urteil des BGH vom 29.06.1961

Leitsatzentscheidung

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
VERSÄUMNISURTEIL
VII ZR 199/97
Verkündet am:
6. April 2000
Seelinger-Schardt,
Justizangestellte
als Urkundsbeamter
der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk: ja
BGHZ: nein
VOB/B § 4 A Nr. 7 Satz 2, § 6 Nr. 6
Der Schadensersatzanspruch gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B erfaßt auch Verzugs-
schäden, die darauf beruhen, daß der Auftragnehmer vertragswidrig eine Mangelbe-
seitigung verzögert oder unterläßt (im Anschluß an BGH, Urteil vom 29. Juni 1961
- VII ZR 174/60, MDR 1961, 927 = VersR 1961, 1078 = LM § 4 VOB/B Nr. 1).
Für diese Fälle enthält § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B eine Spezialregelung zu § 6 Nr. 6
VOB/B.
BGH, Urteil vom 6. April 2000 - VII ZR 199/97 - KG Berlin
LG Berlin
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Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung
vom 6. April 2000 durch die Richter Prof. Dr. Thode, Dr. Haß, Hausmann,
Dr. Wiebel und Wendt
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 27. Zivilsenats
des Kammergerichts vom 15. Mai 1997 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung,
auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Beru-
fungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Der Kläger verlangt Schadensersatz wegen verzögerter Mangelbeseiti-
gung.
Die Parteien schlossen am 8. Dezember 1991 einen Bauvertrag über die
Errichtung einer Reihenhausanlage. Die Geltung der VOB/B war vereinbart.
Während der Bauausführung kam es über verschiedene Mängel zum
Streit. Der Kläger hielt deswegen zwei Abschlagszahlungen in Höhe von ins-
gesamt 47.879 DM zurück. Daraufhin stellte die Beklagte die Arbeiten Ende
März 1993 ein. Die Kosten der Mängelbeseitigung beliefen sich nach dem im
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anschließenden Beweissicherungsverfahren eingeholten Sachverständigen-
gutachten auf rund 107.000 DM. Nach Aufforderung des Klägers nahm die Be-
klagte ihre Bautätigkeit im März 1994 wieder auf, die sie wegen erneuter Strei-
tigkeiten über die Bauqualität Ende August 1994 beendete.
Der Kläger ließ das Bauvorhaben anderweitig fertigstellen. Die Reihen-
häuser sind seit dem 1. März bzw. 1. April 1995 vermietet.
Der Kläger macht seinen Mietausfallschaden geltend mit der Behaup-
tung, bei fristgerechter Fertigstellung hätte er die Mieten bereits ab 1. April
1993 erzielen können.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat
die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klage-
begehren weiter.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils
und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht verneint einen Anspruch gemäß §§ 5 Nr. 4, 6
Nr. 6, 8 Nr. 3 Abs. 2 Satz 1 2. Halbs. VOB/B, weil die für den Ersatz des ent-
gangenen Gewinns erforderliche grobe Fahrlässigkeit nicht festzustellen sei.
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Das läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Die Revision setzt mit ihren dage-
gen gerichteten Rügen nur ihre eigene Einschätzung an die Stelle der maß-
geblichen tatrichterlichen Beurteilung.
II.
1. Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch gemäß § 4
Nr. 7 Satz 2 VOB/B nicht für gegeben, weil der Kläger Entstehung und Höhe
des Schadens nicht substantiiert unter Beweisantritt dargetan habe. Seinem
Vorbringen lasse sich nicht mit hinreichender Bestimmtheit entnehmen, welche
Verzögerungen adäquat-kausal durch welche Mängel eingetreten seien.
2. Das hält der rechtlichen Nachprüfung für den Zeitraum von April 1993
bis März 1994 nicht stand. Insoweit hat der Kläger die Voraussetzungen für
einen Ersatzanspruch gemäß § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B dargelegt.
a) § 4 Nr. 7 Satz 2 VOB/B gewährt dem Auftraggeber vor Abnahme und
bei aufrechterhaltenem Vertrag einen Anspruch auf den Ersatz des Schadens,
der ihm dadurch entsteht, daß das Bauwerk deshalb später fertiggestellt wird,
weil der Auftragnehmer während der Bauausführung eine mangelhafte oder
vertragswidrige Leistung durch eine mangelfreie oder vertragsgemäße Lei-
stung ersetzt (BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 - VII ZR 174/60, LM § 4 VOB
Teil B Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927). Dieser Grundsatz ist auf
den Fall übertragbar, daß die verspätete Fertigstellung des Bauwerks dadurch
mitverursacht wird, daß der Auftragnehmer die Mangelbeseitigung über einen
bestimmten Zeitraum vertragswidrig nicht ausführt. Für diese Fälle enthält § 4
Nr. 7 Satz 2 VOB/B eine Spezialregelung zu § 6 Nr. 6 VOB/B, so daß die in
dieser Regelung vorgesehenen Beschränkungen des Schadensersatzan-
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spruchs nicht anwendbar sind (vgl. BGH, Urteile vom 29. Juni 1961 - VII ZR
174/60, LM § 4 VOB Teil B Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927; 8. Juni
1967 - VII ZR 16/65, BGHZ 48, 78, 79; 6. Mai 1968 - VII ZR 33/66, BGHZ 50,
160, 164; 12. Juni 1975 - VII ZR 55/73, BauR 1975, 344, 346 = NJW 1975,
1701, 1703).
Bei weiterbestehendem Vertrag steht dem Auftraggeber nur ein An-
spruch auf den Ersatz des Schadens zu, der auf einem Mangel oder einer Ver-
tragswidrigkeit beruht und der trotz der Beseitigung des Mangels oder der Fol-
gen der Vertragswidrigkeit verbleibt (BGH, Urteil vom 25. Februar 1982
- VII ZR 161/80, ZfBR 1982, 122 = BauR 1982, 277). Der Umfang des Scha-
densersatzes richtet sich nach den §§ 249 ff BGB (BGH, Urteil vom 6. Mai
1986 - VII ZR 33/66, NJW 1986, 1524). Der Auftraggeber kann gemäß § 252
BGB für die Verzugszeit als entgangenen Gewinn auch Mietausfälle ersetzt
verlangen (BGH, Urteil vom 29. Juni 1961 - VII ZR 174/60, LM § 4 VOB Teil B
Nr. 1 = VersR 1961, 1078 = MDR 1961, 927; Urteil vom 29. März 1990 - VII ZR
324/88, ZfBR 1990, 194 = BauR 1990, 464).
b) Die Beklagte hat ihre Pflicht, die vorhandenen Mängel zu beseitigen,
dadurch verletzt, daß sie Ende März 1993 ihre Arbeiten vertragswidrig einge-
stellt und die Mängel erst im März 1994 beseitigt hat. Die Beklagte war nicht
berechtigt, ihre Arbeiten im März 1993 einzustellen, weil der Kläger aufgrund
der Mängel berechtigt war, die geforderten Abschlagszahlungen zu verweigern.
Dem Auftraggeber steht ein Leistungsverweigerungsrecht gegenüber den Ab-
schlagsforderungen in Höhe des zwei- bis dreifachen Betrages der voraus-
sichtlichen Mängelbeseitigungskosten zu (vgl. BGH, Urteile vom 21. April 1988
- VII ZR 65/87, BauR 1988, 474 = NJW-RR 1988, 1043 = ZfBR 1988, 215 und
vom 9. Juli 1981 - VII ZR 40/80, BauR 1981, 577 = NJW 1981, 2801 =
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ZfBR 1981, 265). Der Kläger war danach berechtigt, die geforderten Ab-
schlagszahlungen insgesamt zu verweigern, weil der Nachbesserungsaufwand
die Abschlagszahlungen überstieg.
c) Anderes gilt ab April 1994. Der Kläger hat die Ursächlichkeit etwaiger
Baumängel aus diesem Zeitraum für eine Verzögerung des Baufortschritts nicht
dargetan. Der Ersatzanspruch für entgangene Mieteinnahmen ist daher auf ein
Jahr begrenzt. Er kann gleichwohl den eingeklagten Betrag erreichen.
III.
Das Berufungsgericht wird die von seinem Standpunkt aus folgerichtig
unterbliebenen Feststellungen zum Mietausfallschaden gegebenenfalls nach
ergänzendem Parteivortrag nachzuholen haben.
Der Kläger hat dazu substantiiert und unter Beweisantritt vorgetragen, er
hätte die Mieteinnahmen bereits ab April 1993 erzielen können. Bei der Be-
messung des Mietausfallschadens stehen ihm die Beweiserleichterungen ge-
mäß §§ 252 BGB, 287 ZPO zur Seite.
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Für die Ermittlung eines eventuellen Schadensersatzes wird auf die
Grundsätze des Senats zur Berechnung des Mietausfalls oder der Finanzie-
rungskosten hingewiesen (BGH, Urteile vom 29. März 1990 - VII ZR 324/88,
BauR 1990, 464, 465 und 14. Januar 1993 - VII ZR 185/91, BGHZ 121, 210,
213).
Thode Haß Hausmann
Wiebel Wendt