Urteil des BGH vom 26.01.0027

BGH (steuerhinterziehung, stgb, unterschrift, staatsanwaltschaft, freiheitsstrafe, strafe, höhe, urkunde, erstattung, zustimmung)

5 StR 97/02
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
vom 27. September 2002
in der Strafsache
gegen
wegen Steuerhinterziehung u.a.
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Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat aufgrund der Hauptverhand-
lung vom 26. und 27. September 2002, an der teilgenommen haben:
Vorsitzende Richterin Harms,
Richter Dr. Raum,
Richter Dr. Brause,
Richter Schaal,
Richter Hubert
als beisitzende Richter,
Bundesanwalt
Bundesanwalt
als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt
als Verteidiger,
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
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am 27. September 2002 für Recht erkannt:
I.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des
Landgerichts Oldenburg vom 25. September 2001
a) dahin abgeändert, daß der Angeklagte der Steu-
erhinterziehung in Tateinheit mit Urkundenfäl-
schung in 80 Fällen, der versuchten Steuerhinter-
ziehung in Tateinheit mit Urkundenfälschung
in 113 Fällen sowie der Urkundenfälschung
in 135 Fällen schuldig ist und
b) im Strafausspruch aufgehoben, soweit der Ange-
klagte zu Geldstrafen verurteilt worden ist.
II.
Die weitergehende Revision des Angeklagten wird
verworfen.
III. Die Revision der Staatsanwaltschaft wird verworfen.
IV. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels
zu tragen. Jedoch werden die Revisionsgebühr um
ein Drittel ermäßigt und der Staatskasse ein Drittel
der durch dieses Rechtsmittel im Revisionsrechtszug
entstandenen notwendigen Auslagen des Ange-
klagten auferlegt. Die Staatskasse trägt die Kosten
der Revision der Staatsanwaltschaft und die hier-
durch dem Angeklagten entstandenen notwendigen
Auslagen.
Von Rechts wegen –
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G r ü n d e
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Umsatzsteuerhinterzie-
hung in 81 Fällen und wegen versuchter Umsatzsteuerhinterziehung in
247 Fällen, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, zu einer Gesamt-
freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt sowie zugleich wegen der Um-
satzsteuerhinterziehung in 81 Fällen eine Gesamtgeldstrafe von 500 Tages-
sätzen à 40 DM verhängt. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte in vollem
Umfang Rechtsmittel eingelegt. Die Staatsanwaltschaft erstrebt mit ihrer
– vom Generalbundesanwalt vertretenen – Revision die Anordnung der Si-
cherungsverwahrung gegen den Angeklagten. Das Rechtsmittel des Ange-
klagten hat in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; die Re-
vision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
I.
Nach den Feststellungen wollte sich der Angeklagte im Septem-
ber/Oktober 1999 durch die ungerechtfertigte Geltendmachung tatsächlich
nicht angefallener Vorsteuern innerhalb kurzer Zeit bei Finanzämtern einen
Betrag von 1 Mio. DM verschaffen. Hierzu meldete er zunächst bei einer
Vielzahl von Finanzämtern im Bundesgebiet fiktive Grundstücksgesellschaf-
ten bürgerlichen Rechts an, um für diese die Zuteilung von Steuernummern
zu erreichen. Die Anmeldung dieser Gesellschaften nahm er unter der Firma
der ebenfalls nicht existierenden „DOS Steuerberatungs-GmbH“ vor und
übersandte dabei den Finanzämtern neben weiteren Geschäftsunterlagen
fingierte Gesellschaftsverträge und Vollmachten, auf denen er als Unter-
schriften der angeblichen Gesellschafter jeweils unleserliche Namenszeichen
selbst angebracht hatte. Sodann reichte er bei den Finanzämtern für die Mo-
nate von Januar bis August 1999 – zum Großteil gleichzeitig – mit in gleicher
Weise unleserlichen Namenszeichen unterzeichnete Umsatzsteuervoran-
meldungen mit erfundenen Umsätzen und Vorsteuern ein. Mit diesen Steu-
eranmeldungen wollte er eine Erstattung des sich jeweils nach den dort ge-
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machten Angaben ergebenden, tatsächlich aber nicht bestehenden Umsatz-
steuerguthabens erreichen. Insgesamt kam es bei von ihm geltend gemach-
ten Erstattungsansprüchen in Höhe von ca. 3,2 Mio. DM zu Erstattungen von
mehr als 750.000 DM an den Angeklagten.
II.
Die Revision des Angeklagten führt zur Änderung des Schuldspruchs
und zur Aufhebung der gegen ihn verhängten Geldstrafen.
1. Der Verurteilung des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung steht
nicht entgegen, daß er Steuererstattungen für Scheinfirmen geltend machte;
auch Fälle, in denen die Existenz eines Unternehmens nur vorgetäuscht
wird, für das sodann ohne Bezug auf reale Vorgänge fingierte Umsätze an-
gemeldet und Vorsteuererstattungen begehrt werden, sind als Steuerhinter-
ziehung (und nicht als Betrug) zu beurteilen (BGHSt 40, 109).
§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO knüpft für die Tatbestandsverwirklichung an die
Täuschung der Finanzbehörden über steuerlich erhebliche Tatsachen an,
durch die Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt
werden. Steuervorteile in diesem Sinne sind nach § 370 Abs. 4 Satz 2 AO
auch Steuervergütungen, die aufgrund eines steuerrechtlich erheblichen
Verhaltens dem Täter von der Finanzverwaltung zu Unrecht gewährt oder
belassen werden (BGH aaO S. 111). Hierzu gehört auch die Erstattung an-
geblicher Vorsteuern, weil sie sich nach steuerrechtlichen Grundsätzen rich-
tet (§§ 37, 218 AO), ohne daß es im einzelnen darauf ankommt, welche tat-
sächlichen Verhältnisse zugrunde liegen. Zudem ist der durch § 370 AO ge-
schützte Anspruch des Steuergläubigers auf den vollen Ertrag der Umsatz-
steuer (vgl. BGHSt 36, 100, 102 m.w.N.) unabhängig davon betroffen und
beeinträchtigt, ob einer geltend gemachten Vergütung ein gegenüber dem
Rechnungsempfänger tatsächlich bewirkter Umsatz zugrunde liegt oder ob
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die Vorsteuererstattung aufgrund einer Täuschung der Finanzbehörden ohne
Umsatz erfolgt (BGHSt 40, 109, 111).
2. Eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung we-
gen Einreichung falscher Umsatzsteuervoranmeldungen wird – entgegen der
Ansicht der Revision – auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß die einge-
reichten Steueranmeldungen nur mit einem unleserlichen Namenszeichen
versehen waren.
Eine Steuererklärung muß grundsätzlich der gesetzlich vorgeschrie-
benen Form genügen. Wie sich aus § 150 Abs. 3 Satz 1 AO ergibt, hängt es
dabei von den Steuergesetzen ab, ob der Steuerpflichtige die Steuererklä-
rung eigenhändig zu unterschreiben hat. Eine eigenhändige Unterschrift ist
bei Umsatzsteuervoranmeldungen (vgl. § 18 Abs. 1 UStG) im Gegensatz zu
Umsatzsteuerjahreserklärungen (§ 18 Abs. 3 Satz 3 UStG) nicht erforderlich
(vgl. Brockmeyer in Klein, AO 7. Aufl. § 150 Rdn. 12).
Die im amtlichen Vordruck der Steueranmeldung zur Wahrheitsversi-
cherung vorgesehene Unterschrift (vgl. § 150 Abs. 2 Satz 2 AO) wurde vom
Angeklagten jeweils geleistet. Hierfür wird eine Lesbarkeit des Namenszuges
nicht gefordert; es genügt ein individueller Schriftzug mit charakteristischen
Merkmalen (vgl. BGH NJW 1997, 3380, 3381; NJW 1987, 1333, 1334;
BB 1970, 52), so daß eine Unterscheidungsmöglichkeit gegenüber anderen
Unterschriften gewährleistet ist (vgl. BGHSt 12, 317). Auf der Grundlage der
vom Landgericht getroffenen Feststellungen ist der vom Angeklagten ange-
brachte Schriftzug hier zwar nicht als lesbare, dennoch aber als gültige Un-
terschrift anzusehen.
Im übrigen könnte selbst das Fehlen der gesetzlich vorgeschriebenen
Unterschrift dem Vorliegen von Angaben im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO
nicht entgegenstehen.
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Zwar ist eine Steuererklärung, welche die gesetzlich vorgeschriebene
Unterschrift nicht enthält, unwirksam, weil durch sie ein ordnungsgemäßes
Veranlagungsverfahren nicht in Gang gesetzt werden kann (vgl. BFH
BStBl II 1999, 203; BFH/NV 2002, 963). Zweck der eigenhändigen Unter-
schrift im Sinne von § 150 Abs. 3 AO ist nach ständiger Rechtsprechung
nämlich die erkennbare Übernahme der Verantwortung für die der Erklärung
zugrundeliegenden tatsächlichen Angaben durch den Steuerpflichtigen
(vgl. BFH/NV 1998, 8; BFH BStBl II 1999, 203, 204). Die Eigenhändigkeit der
Unterschriftsleistung soll dem Steuerpflichtigen die Bedeutung seiner Steu-
ererklärung als Wissenserklärung bewußt machen (BFH BStBl II 1999, 203,
204).
Der Mangel einer fehlenden Unterschrift ist aber dann steuerrechtlich
unbeachtlich, wenn auf eine solche Steuererklärung hin trotzdem ein wirk-
samer Steuerbescheid ergeht (BFH/NV 2002, 963; Tipke/Kruse, AO 16. Aufl.
§ 150 Rdn. 31). Dasselbe gilt, wenn – wie hier – eine zu einer Steuervergü-
tung führende Steueranmeldung erst durch eine Zustimmung des Finanz-
amts nach § 168 Satz 2 AO einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung gleichsteht (vgl. BFH/NV 2002, 963).
Für eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO ist der Mangel der
fehlenden Unterschrift darüber hinaus grundsätzlich bereits dann unbeacht-
lich, wenn eine Steuererklärung zum Zwecke der Steuerverkürzung oder der
Erlangung ungerechtfertigter Steuervorteile eingesetzt werden soll. § 370 AO
setzt nämlich tatbestandlich keine wirksame Steuererklärung voraus, son-
dern lediglich Bekundungen zu den genannten Zwecken, die sogar mündlich
oder schlüssig gemacht werden können (vgl. BGHSt 25, 190, 203; Kohl-
mann, Steuerstrafrecht 7. Aufl. § 370 AO Rdn. 21 f.).
Solche Bekundungen liegen hier vor in der Angabe tatsächlich nicht
vorhandener Umsätze und Vorsteuern im Rahmen von Umsatzsteuervoran-
meldungen. Diese Bekundungen dienten der Erlangung ungerechtfertigter
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Steuererstattungen und hatten in Form von Auszahlungen in Höhe von mehr
als 750.000 DM sogar Erfolg. Es ist daher – unabhängig von der Frage der
Unterschriftsleistung – ohne Bedeutung, daß die von dem Angeklagten ein-
gereichten Steueranmeldungen schon per se keine ordnungsgemäßen Steu-
ererklärungen darstellen, weil sie sich auf nicht existente Firmen sowie fin-
gierte Umsätze und Vorsteuern beziehen.
3. Auch die Schuldsprüche wegen Urkundenfälschung lassen keinen
Rechtsfehler erkennen; die Tatsache, daß die Namenszüge unter den einge-
reichten Steueranmeldungen und den sonstigen bei den Finanzämtern ein-
gereichten Schriftstücken unleserlich waren, steht auch einer Urkundenfäl-
schung nicht entgegen.
Eine unechte Urkunde im Sinne des § 267 StGB stellt derjenige her,
der über deren Aussteller täuscht. Zurecht sieht das Landgericht hier eine
solche Täuschung durch den Angeklagten. Indem er Steuererklärungen so-
wie Gesellschaftsverträge und sonstige Firmendokumente für tatsächlich
nicht existierende Firmen und unter Bezugnahme auf unbeteiligte Personen
erstellte und bei Finanzämtern einreichte, täuschte er die Finanzbehörden
über die Aussteller der Schriftstücke. Die Unterschrift erweckte dabei – un-
abhängig von der Frage, ob sie leserlich war oder nicht – jeweils den An-
schein, daß die entsprechende Urkunde von dem Organ der Gesellschaft
stammte, die in dem Dokument als Absender bezeichnet war.
Zutreffend ist das Landgericht hinsichtlich der Urkundenfälschung
auch von Tatmehrheit ausgegangen. Ohne Rechtsfehler hat es die Erstellung
der einzelnen Urkunden stets als selbständige Tat gewertet, weil gegenüber
den betroffenen Finanzämtern jeweils eine neue falsche Urkunde mit einem
selbständigen Erklärungswert abgegeben wurde. Da die verschiedenen Ur-
kunden an jeweils unterschiedliche Finanzämter als Adressaten versandt
wurden, kommt auch eine von der Revision des Angeklagten behauptete
Klammerwirkung nicht in Betracht.
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4. Soweit das Landgericht den Angeklagten allerdings wegen vollen-
deter Umsatzsteuerhinterziehung in 81 Fällen verurteilt hat, bedarf der
Schuldspruch der Änderung. In den Fällen 267 und 269 der Urteilsgründe
liegt entgegen der Ansicht des Landgerichts keine vollendete Umsatzsteuer-
hinterziehung vor, weil es nach den Urteilsfeststellungen nicht zu einer Er-
stattung von Vorsteuern gekommen ist. Da diese beiden Umsatzsteuervor-
anmeldungen zu einer Steuervergütung geführt hätten, hätte es einer Zu-
stimmung der Finanzbehörde bedurft, damit die Steueranmeldungen einer
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichgestanden
hätten (§ 168 Satz 2 AO). Eine solche Zustimmung der Finanzbehörde ist
aber nach den Feststellungen nicht erfolgt.
Zu einer Auszahlung eines vermeintlichen Umsatzsteuerguthabens ist
es dagegen – ohne daß dies vom Landgericht ausgeurteilt wurde – im
Fall 174 der Urteilsgründe gekommen. Deshalb ist der Angeklagte nur
in 80 Fällen der vollendeten, dafür aber in einem weiteren Fall der versuch-
ten Steuerhinterziehung, jeweils in Tateinheit mit Urkundenfälschung, schul-
dig zu sprechen.
5. In den 135 Fällen, in denen der Angeklagte sich unter Vorlage ge-
fälschter Firmenunterlagen bei verschiedenen Finanzämtern lediglich eine
Steuernummer erteilen ließ, unter der später unzutreffende Steuererklärun-
gen abgegeben werden sollten, ohne daß es in der Folge zur Einreichung
von Umsatzsteuervoranmeldungen kam, hält der Schuldspruch wegen ver-
suchter Steuerhinterziehung rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Der Tatbestand des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setzt unrichtige oder un-
vollständige Angaben gegenüber Finanzbehörden über steuerlich erhebliche
Tatsachen voraus. Tatsachen sind dann steuerlich erheblich, wenn sie zur
Ausfüllung eines Besteuerungstatbestands herangezogen werden müssen
und damit Grund und Höhe des Steueranspruchs oder des Steuervorteils
beeinflussen oder wenn sie die Finanzbehörden zur Einwirkung auf den
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Steueranspruch sonst veranlassen könnten (vgl. Franzen/Gast/Joecks,
Steuerstrafrecht 5. Aufl. § 370 Rdn. 130).
Soweit der Angeklagte durch falsche Angaben gegenüber dem Fi-
nanzamt (zunächst) nur die Erteilung einer Steuernummer erstrebte, hat er
damit keine Angaben zu steuerlich erheblichen Tatsachen gemacht. Die
Schwelle zum Versuch der Steuerhinterziehung wird in solchen Fällen erst
dann überschritten, wenn eine falsche Steuererklärung beim Finanzamt ein-
gereicht wird. Hierzu war es in den genannten 135 Fällen nicht mehr ge-
kommen. Die bloße Einreichung falscher Urkunden, um eine Steuernummer
zu erlangen, stellt sich hinsichtlich der geplanten Steuerhinterziehung als
bloße Vorbereitungshandlung dar. Insoweit liegt allein eine Urkundenfäl-
schung nach § 267 StGB vor. Der Senat ändert deshalb in diesen Fällen den
Schuldspruch dergestalt ab, daß jeweils die tateinheitlich mit Urkundenfäl-
schung ausgeurteilte versuchte Steuerhinterziehung entfällt.
6. Die Änderung des Schuldspruchs nötigt indes nicht zu einer Aufhe-
bung des Ausspruchs über die verhängten Freiheitsstrafen. Das Landgericht
hat bei der Strafzumessung jeweils danach differenziert, ob eine Umsatz-
steuervoranmeldung eingereicht wurde oder nicht. Während es in den Fällen
einer (im Ergebnis erfolglosen) auf eine Vorsteuererstattung gerichteten
Steueranmeldung eine Freiheitsstrafe von einem Jahr verhängt hat, wurde in
den Fällen ohne Einreichung einer Steueranmeldung eine Freiheitsstrafe von
sechs Monaten festgesetzt. Da bereits die Mindeststrafe der zugleich vorlie-
genden Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 3 StGB sechs Monate beträgt,
konnte das Landgericht hier keine niedrigere Strafe verhängen. Von dem
Regelstrafrahmen des besonders schweren Falles abzuweichen, bestand im
vorliegenden Fall kein Grund.
Im Hinblick auf die Vielzahl der Einzeltaten und den straffen Zusam-
menzug der Einzelstrafen innerhalb einer Tatserie schließt der Senat auch
aus, daß sich die Schuldspruchänderung in den Fällen 267 und 269 der Ur-
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teilsgründe zum Vorteil des Angeklagten auf die Höhe der Gesamtstrafe
auswirken könnte. Hinsichtlich der Einzelstrafen setzt der Senat für diese
Fälle in entsprechender Anwendung des § 354 Abs. 1 StPO die vom Landge-
richt einheitlich für alle jeweils gleichartigen Taten verhängten Einzelstrafen
von einem Jahr als Freiheitsstrafen fest. Im Fall 174 der Urteilsgründe ver-
bleibt es hingegen bei der vom Landgericht verhängten Strafe von einem
Jahr Freiheitsstrafe. Obwohl insoweit statt der vom Landgericht angenom-
menen versuchten eine vollendete Steuerhinterziehung vorliegt, ist eine Än-
derung der hierfür verhängten Strafe zum Nachteil des Angeklagten ausge-
schlossen (vgl. § 331 Abs. 1 StPO), weil die Staatsanwaltschaft ihre Revision
auf die Ablehnung der Nichtanordnung der Sicherungsverwahrung be-
schränkt hat.
7. Keinen Bestand haben dagegen die vom Landgericht wegen 81
Fällen der (vollendeten) Steuerhinterziehung in Tateinheit mit Steuerhinter-
ziehung gemäß § 41 StGB verhängten Geldstrafen. Zwar ermöglicht die Re-
gelung des § 41 StGB, wenn dies unter Berücksichtigung der persönlichen
und wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters angebracht ist, diesen nicht nur
an der Freiheit, sondern auch am Vermögen zu strafen. Insbesondere bei
längeren Freiheitsstrafen ist dies aber nur dann ausnahmsweise angebracht,
wenn der Täter über nennenswerte eigene Einkünfte verfügt. Allein in diesen
Fällen läßt sich der Strafzweck einer zusätzlichen Vermögenseinbuße errei-
chen (vgl. BGHR StGB 41 Bereicherung 1). Anderenfalls liefe die Verhän-
gung einer gesondert festgesetzten Geldstrafe darauf hinaus, daß diese ent-
weder durch Dritte beglichen oder im Wege der Ersatzfreiheitsstrafe voll-
streckt wird. Im vorliegenden Fall schließt der Senat auf der Grundlage der
landgerichtlichen Feststellungen aus, daß der hochverschuldete Angeklagte
über solche Einnahmequellen verfügt, welche die Verhängung einer Geld-
strafe neben der längeren Gesamtfreiheitsstrafe rechtfertigen könnten.
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III.
Die wirksam auf die Ablehnung der Maßregel der Sicherungsverwah-
rung beschränkte (vgl. BGHSt 7, 101; BGH NStZ 1994, 280, 281) Revision
der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat bereits
rechtsfehlerfrei das Vorliegen eines Hanges im Sinne des § 66 Abs. 2, Abs. 1
Nr. 3 StGB verneint. Es hat dabei dem Umstand Gewicht beigemessen, daß
der Angeklagte die Straftaten letztlich deshalb begangen hat, um seine
Flucht vor der drohenden Freiheitsstrafe finanzieren zu können. Diese hier
vom Landgericht festgestellte Motivlage spricht für eine Tat, die aus einer
aktuellen persönlichen Situation des Angeklagten erwachsen ist.
Das Landgericht ist dabei auch zurecht von der Einschätzung des
Sachverständigen abgewichen, weil dieser den Hang des Angeklagten im
Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB im Ergebnis letztlich mit dessen Wert-
indifferenz begründet hat. Dieser Gesichtspunkt ist aber nicht tragfähig
(BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 10). Vielmehr kann auch ohne eine entspre-
chende Gewissensausbildung allein die Furcht vor Strafe – insbesondere bei
Taten wie der Steuerhinterziehung – den notwendigen Gesetzesgehorsam
bewirken. Deshalb reicht eine sich aus dem Fehlen einer moralischen Veran-
kerung ergebende Tatneigung für die Annahme eines Hanges, der von der
Rechtsprechung (BGHR StGB § 66 Abs. 1 Hang 1, 4) als eingeschliffener
innerer Zustand definiert wird, nicht aus. Insoweit hat das Landgericht zu-
treffend ausgeführt, daß der Angeklagte als ein kühl Vor- und Nachteile ab-
wägender Vermögensstraftäter durch den Vollzug einer längeren Freiheits-
strafe zu beeindrucken sein wird. Erst wenn dieses Mittel versagt, wird sich
die Einschätzung, der Angeklagte werde um seiner persönlichen Bereiche-
rung willen regelmäßig das Risiko einer Straftat eingehen, rechtfertigen las-
sen. Das Landgericht hat sich daher im Hinblick auf das vom Sachverständi-
gen geschilderte Persönlichkeitsprofil des Angeklagten nicht davon überzeu-
gen können, daß schon jetzt ein Hang im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB
angenommen werden kann. Dies ist – auch wenn dies in den Gründen der
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landgerichtlichen Entscheidung ebensowenig unterschieden wird wie von der
Beschwerdeführerin – keine Frage der Ermessensausübung im Sinne des
§ 66 Abs. 2 StGB, sondern betrifft die vorgelagerte Feststellung eines Han-
ges im Sinne des § 66 Abs. 1 Nr. 3 StGB (vgl. BGH, Urt. vom 21. März 2002
– 5 StR 14/02).
Harms Raum Brause
Schaal Hubert